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Mittwoch, 2. Februar 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -09
mariant, 11:38h
--Li Yong Tai--
Mein Name ist Li Yong Tai. Meine ehrenwerten Eltern sind mit mir aus Hongkong geflüchtet, als ich gerade zwei Jahre alt gewesen bin, und haben hier in Deutschland eine zweite Heimat gefunden. Hier können wir ohne Angst vor dem großen Feind leben.
Seit Großbritannien seine Kronkolonie an China zurückgegeben hat, sind die Menschen dort nicht sicher, die für die Einhaltung der Menschenrechte auf die Straße gehen. So ist es auch meinem ehrenwerten Vater ergangen. Er ist verhaftet worden und erst nach Zahlung einer Kaution freigekommen. Ohne das Geld hätte ihm die Verbringung nach China in ein 'Umerziehungslager' gedroht.
Damit das bei einer erneuten Verhaftung nicht geschieht, hat er die Flucht gewählt. Von meinen ehrenwerten Großeltern weiß ich daher nur aus den Erzählungen meiner Eltern.
Da der Schulunterricht in Deutschland unsere Religion, den Buddhismus, nur am Rande berührt, hat mein ehrwürdiger Vater Erkundigungen eingezogen und mir nach meinem Schulabschluss einen Platz in der einzigen buddhistischen Klosterschule in Deutschland gesichert.
Ein Jahr bin ich schon dort, als eine deutsche Nonne -Gelongma- mit Namen Vanessa Nähkurse zu geben beginnt. Das interessiert mich. In den Gesprächen untereinander höre ich, dass sie vorher zehn Jahre lang mit ihrem Sohn in einem Kloster in Nepal gelebt hat. Ihr Sohn ist zum Lama geweiht worden, bevor sie nach Deutschland zurückgekommen sind.
Ich melde mich neben dem Studium der buddhistischen Philosophie zu ihren Nähkursen an, nachdem mein ehrenwerter Vater telefonisch sein Einverständnis erklärt hat. Vielleicht kann ich das Arbeiten mit der Nähmaschine später gebrauchen. Bald merke ich, dass mir das Schneidern allgemein Spaß macht.
Einige Monate später höre ich während der Ferien zuhause zufällig in einem Gespräch, dass meine ehrenwerten Großeltern von den Behörden in Hongkong schikaniert werden, obwohl sie ein unauffälliges Leben führen. Ich verbeuge mich tief vor meinem ehrenwerten Vater und frage ihn:
"Ehrenwerter Vater, darf ich einen Vorschlag machen?"
Der Vater unterbricht sein Gespräch mit erstaunter Miene. Mein Verhalten ihm gegenüber ist doch eher europäisch zu nennen. Dennoch erlaubt er mir, meine Gedanken auszusprechen. Ich verbeuge mich tief vor ihm und frage:
"Erlaubt mir der ehrenwerte Vater, dass ich mit unserer Geschichte zu meiner Gelongma gehen darf, mit der Bitte zu fragen, ob die Mönche -Gelong- im Kloster dort eine Problemlösung wissen?"
Mein ehrenwerter Vater denkt nach und nickt dann. Er legt mir seine Hand auf die Schulter und sagt:
"Wir müssen leider nach jedem Strohhalm greifen, der sich bietet. Schaden kann es jedenfalls nichts, wenn du das Thema in der Klosterschule ansprichst, liebe Tochter!"
*
Zurück im Kloster nach den Ferien, brauche ich einige Tage, um Mut zu fassen. Ich warte, bis sich die Gelegenheit ergibt, die Gelongma unter vier Augen zu sprechen. Nun öffne ich mich ihr vertrauensvoll. Sie hört mir aufmerksam zu und sagt anschließend, ich solle erst einmal wieder an meine Arbeit gehen. Heute Abend nach dem gemeinsamen Abendessen soll ich sie dann in ihrem Zimmer besuchen.
Beschwingt gehe ich wieder an den Zuschneide-Tisch zurück, wo ich im Augenblick beschäftigt bin. Wie vereinbart, gehe ich später vom Speisesaal aus zu Gelongma -Nonne- Vanessas Zimmer. Sie kocht gerade Tee und will drei Gedecke auf den Couchtisch stellen. Also erwartet sie noch einen Gast. Ich verbeuge mich und frage:
"Verehrte Mimo, darf ich das Eindecken übernehmen?"
Sie erlaubt es. Wenig später klopft es an der Zimmertür. Die Mimo -Frau/Mutter (hier als ehrenvoller Titel gebraucht)- geht zur Tür und öffnet. Herein tritt ein Lama, was ich am safrangelben Gewand unter dem weinroten Mantel erkenne. Sofort beuge ich mich derart in seine Richtung, dass meine Stirn fast den Boden berührt. Anschließend drehe ich den Kopf ein wenig und schaue neugierig zu dem ehrwürdigen Lama hoch.
Er hat, wie die Mimo, keine asiatischen Gesichtszüge. In diesem Moment streckt er mir seine Hand entgegen, die Handfläche nach oben gerichtet und hebt sie leicht an. Dabei sagt er mit sanfter Stimme:
"Erhebe dich, meine Tochter!"
Ich komme in aufrecht kniende Stellung hoch und erkenne dabei, dass der ehrwürdige Lama nur wenig älter als ich sein kann.
Er lässt sich am Tisch nieder und ich setze mich wieder auf meine Fersen. Dabei schaue ich schüchtern vor mich hin. Eine Sekunde vergeht vielleicht, dann besinne ich mich wieder meines Auftrages und ergreife die Teekanne auf dem Tisch, um für den ehrwürdigen Lama eine Teezeremonie zu gestalten, wie ich sie oft bei meiner ehrenwerten Mutter gesehen habe, wenn die Familie hohe Gäste bewirtet. Der ehrwürdige Lama lässt mich gewähren, hebt die gefalteten Hände an sein Kinn und verbeugt sich, dankbar lächelnd.
Mein Name ist Li Yong Tai. Meine ehrenwerten Eltern sind mit mir aus Hongkong geflüchtet, als ich gerade zwei Jahre alt gewesen bin, und haben hier in Deutschland eine zweite Heimat gefunden. Hier können wir ohne Angst vor dem großen Feind leben.
Seit Großbritannien seine Kronkolonie an China zurückgegeben hat, sind die Menschen dort nicht sicher, die für die Einhaltung der Menschenrechte auf die Straße gehen. So ist es auch meinem ehrenwerten Vater ergangen. Er ist verhaftet worden und erst nach Zahlung einer Kaution freigekommen. Ohne das Geld hätte ihm die Verbringung nach China in ein 'Umerziehungslager' gedroht.
Damit das bei einer erneuten Verhaftung nicht geschieht, hat er die Flucht gewählt. Von meinen ehrenwerten Großeltern weiß ich daher nur aus den Erzählungen meiner Eltern.
Da der Schulunterricht in Deutschland unsere Religion, den Buddhismus, nur am Rande berührt, hat mein ehrwürdiger Vater Erkundigungen eingezogen und mir nach meinem Schulabschluss einen Platz in der einzigen buddhistischen Klosterschule in Deutschland gesichert.
Ein Jahr bin ich schon dort, als eine deutsche Nonne -Gelongma- mit Namen Vanessa Nähkurse zu geben beginnt. Das interessiert mich. In den Gesprächen untereinander höre ich, dass sie vorher zehn Jahre lang mit ihrem Sohn in einem Kloster in Nepal gelebt hat. Ihr Sohn ist zum Lama geweiht worden, bevor sie nach Deutschland zurückgekommen sind.
Ich melde mich neben dem Studium der buddhistischen Philosophie zu ihren Nähkursen an, nachdem mein ehrenwerter Vater telefonisch sein Einverständnis erklärt hat. Vielleicht kann ich das Arbeiten mit der Nähmaschine später gebrauchen. Bald merke ich, dass mir das Schneidern allgemein Spaß macht.
Einige Monate später höre ich während der Ferien zuhause zufällig in einem Gespräch, dass meine ehrenwerten Großeltern von den Behörden in Hongkong schikaniert werden, obwohl sie ein unauffälliges Leben führen. Ich verbeuge mich tief vor meinem ehrenwerten Vater und frage ihn:
"Ehrenwerter Vater, darf ich einen Vorschlag machen?"
Der Vater unterbricht sein Gespräch mit erstaunter Miene. Mein Verhalten ihm gegenüber ist doch eher europäisch zu nennen. Dennoch erlaubt er mir, meine Gedanken auszusprechen. Ich verbeuge mich tief vor ihm und frage:
"Erlaubt mir der ehrenwerte Vater, dass ich mit unserer Geschichte zu meiner Gelongma gehen darf, mit der Bitte zu fragen, ob die Mönche -Gelong- im Kloster dort eine Problemlösung wissen?"
Mein ehrenwerter Vater denkt nach und nickt dann. Er legt mir seine Hand auf die Schulter und sagt:
"Wir müssen leider nach jedem Strohhalm greifen, der sich bietet. Schaden kann es jedenfalls nichts, wenn du das Thema in der Klosterschule ansprichst, liebe Tochter!"
*
Zurück im Kloster nach den Ferien, brauche ich einige Tage, um Mut zu fassen. Ich warte, bis sich die Gelegenheit ergibt, die Gelongma unter vier Augen zu sprechen. Nun öffne ich mich ihr vertrauensvoll. Sie hört mir aufmerksam zu und sagt anschließend, ich solle erst einmal wieder an meine Arbeit gehen. Heute Abend nach dem gemeinsamen Abendessen soll ich sie dann in ihrem Zimmer besuchen.
Beschwingt gehe ich wieder an den Zuschneide-Tisch zurück, wo ich im Augenblick beschäftigt bin. Wie vereinbart, gehe ich später vom Speisesaal aus zu Gelongma -Nonne- Vanessas Zimmer. Sie kocht gerade Tee und will drei Gedecke auf den Couchtisch stellen. Also erwartet sie noch einen Gast. Ich verbeuge mich und frage:
"Verehrte Mimo, darf ich das Eindecken übernehmen?"
Sie erlaubt es. Wenig später klopft es an der Zimmertür. Die Mimo -Frau/Mutter (hier als ehrenvoller Titel gebraucht)- geht zur Tür und öffnet. Herein tritt ein Lama, was ich am safrangelben Gewand unter dem weinroten Mantel erkenne. Sofort beuge ich mich derart in seine Richtung, dass meine Stirn fast den Boden berührt. Anschließend drehe ich den Kopf ein wenig und schaue neugierig zu dem ehrwürdigen Lama hoch.
Er hat, wie die Mimo, keine asiatischen Gesichtszüge. In diesem Moment streckt er mir seine Hand entgegen, die Handfläche nach oben gerichtet und hebt sie leicht an. Dabei sagt er mit sanfter Stimme:
"Erhebe dich, meine Tochter!"
Ich komme in aufrecht kniende Stellung hoch und erkenne dabei, dass der ehrwürdige Lama nur wenig älter als ich sein kann.
Er lässt sich am Tisch nieder und ich setze mich wieder auf meine Fersen. Dabei schaue ich schüchtern vor mich hin. Eine Sekunde vergeht vielleicht, dann besinne ich mich wieder meines Auftrages und ergreife die Teekanne auf dem Tisch, um für den ehrwürdigen Lama eine Teezeremonie zu gestalten, wie ich sie oft bei meiner ehrenwerten Mutter gesehen habe, wenn die Familie hohe Gäste bewirtet. Der ehrwürdige Lama lässt mich gewähren, hebt die gefalteten Hände an sein Kinn und verbeugt sich, dankbar lächelnd.
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