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Mittwoch, 9. Februar 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -16
mariant, 11:16h
Noah ist inzwischen alt genug, selbständig über sein Leben zu entscheiden. Also schreibe ich ihm nach Rücksprache mit Seiner Heiligkeit, unserem Khenchen Lama zurück, dass er willkommen ist. Er soll nur schreiben, wann sein Zug in der nächsten Großstadt hält. Wenige Wochen danach fahre ich mit einem Überlandbus zum Zielbahnhof und warte auf den jungen Mann.
Nach einer schüchternen Begrüßung seinerseits fahren wir mit dem Überlandbus in das 30 Kilometer vom Kloster entfernte Dorf. Unterwegs lasse ich mir von ihm über sein Leben in den vergangenen Jahren berichten. Sein Schulfreund Markus hat jetzt eine Ausbildung im Bankfach begonnen. Eigentlich haben Markus und Noahs Vater ihm zugeredet, sich ebenfalls dort zu bewerben. Aber Noah meint, die Entscheidung noch ein paar Jahre aufschieben zu können.
"Etwas in meinem Herzen zieht mich zu euch ins Kloster. Darüber muss ich mir erst einmal klar werden," meint er. "Habt Ihr in all den Jahren etwas über Yong Tai gehört?"
Das muss ich ihm leider verneinen. Enttäuscht antwortet er:
"Ich habe einen besonderen Baum in der Nähe meines Elternhauses, eine Zwillingsbirke. Diesen Platz kennt nicht einmal Markus. Dort habe ich oft im Gras gelegen und dem Zug der Wolken zugeschaut. Ich habe mir vorgestellt, an was mich die Form der einen oder anderen Wolke erinnert. Ab und zu habe ich die Augen geschlossen und nach innen gehorcht. Dabei habe ich oft Yong Tai gesehen..."
"Interessant, was du da erzählst," erwidere ich. "Ich werde dir das Meditieren beibringen!"
"Sie ist so unerreichbar, und mir doch so nah!" stellt er fest.
Wir nehmen ein Taxi für die restlichen Kilometer bis zum Rastplatz an der Bundesstraße. Während dieser Fahrt erkläre ich ihm den Fahrplan für seine Zeit in unserem Kloster:
"Du wirst als Klosterschüler in der buddhistischen Philosophie ausgebildet. Kungfu steht ebenfalls auf dem Lehrplan. Ebenso wirst du dich in Meditation üben. Einmal im Jahr werden alle Klosterschüler geprüft. Irgendwann steht jeder Klosterschüler vor der Entscheidung, sich in der Wirtschaft draußen zu bewerben oder dem Kloster zu dienen und Mönch zu werden.
Würdest du als Mönch im Kloster bleiben, entscheiden deine Handlungen und Meditationsfertigkeiten, wann du ein Lama wirst."
"Das ging bei dir aber ziemlich schnell, Dennis," hält er mir vor. "Du warst in meinem jetzigen Alter schon ein Lama!"
Ich lächele ihn an und sage:
"Ich gelte als Reinkarnation eines geachteten Lamas und stand deshalb unter ständiger besonderer Beobachtung. Das war wirklich nicht leicht damals. Nach zehn Jahren Klosterschule bin ich daher nicht erst Gelong geworden, sondern wurde gleich zum Lama geweiht, weil meine Prüfer sich sicher waren."
*
Drei Jahre ist Noah nun schon im Kloster. Nach Ende des Bundesfreiwilligendienstes ist er geblieben. Außerhalb der Schulzeit wurde er mein persönlicher Schüler. Er macht unter meiner direkten Aufsicht seine Hausaufgaben und vervollkommnet seine Fertigkeiten in Kungfu und Meditation. Mit meiner Hilfe hat er in den Jahren so viel angenommen, wie ich in all den Jahren in Nepal. Daneben führen wir viele Gespräche über den Buddhismus im Allgemeinen und die buddhistischen Mönche im Besonderen. Auch die verschiedenen Schulen des tibetischen Buddhismus kommen dabei zur Sprache, und deren Unterschiede.
Irgendwie kommen wir bei den Gesprächen auch auf unser Hongkong-Abenteuer zu sprechen. Das sei etwas gewesen, das ihm gefallen hätte, meint er. Sein alltägliches Leben seither, sei eher langweilig verlaufen.
Ich ziehe die Augenbraue hoch und erkläre:
"Abenteuer, ha! Große Erlebnisse, Nervenkitzel - nach solchen Dingen sehnt sich ein Gelong -Mönch- nicht! Du bist leichtfertig! - Du musst ruhiger werden!"
"Aber Tsopo -Meister-," bittet er nun. "Ich habe schon viel gelernt! Ich werde dich nicht enttäuschen! Ich möchte irgendwann Gelong werden!"
"Hüte dich vor Zorn, Furcht und Aggressivität! Sie ergreifen schnell von dir Besitz! Du musst diese Gefühle bekämpfen!"
"Sind diese Gefühle so stark?" fragt er, leicht verunsichert.
"Nein, aber sie sind schneller an der Oberfläche deiner Gedanken. Sie sind verführerischer. Nur wenn man Ruhe bewahrt, erkennt man die Unterschiede zwischen Yin und Yang. Nur wenn man den inneren Frieden bewahrt, kann man ihn auch nach außen tragen!"
Nach einer schüchternen Begrüßung seinerseits fahren wir mit dem Überlandbus in das 30 Kilometer vom Kloster entfernte Dorf. Unterwegs lasse ich mir von ihm über sein Leben in den vergangenen Jahren berichten. Sein Schulfreund Markus hat jetzt eine Ausbildung im Bankfach begonnen. Eigentlich haben Markus und Noahs Vater ihm zugeredet, sich ebenfalls dort zu bewerben. Aber Noah meint, die Entscheidung noch ein paar Jahre aufschieben zu können.
"Etwas in meinem Herzen zieht mich zu euch ins Kloster. Darüber muss ich mir erst einmal klar werden," meint er. "Habt Ihr in all den Jahren etwas über Yong Tai gehört?"
Das muss ich ihm leider verneinen. Enttäuscht antwortet er:
"Ich habe einen besonderen Baum in der Nähe meines Elternhauses, eine Zwillingsbirke. Diesen Platz kennt nicht einmal Markus. Dort habe ich oft im Gras gelegen und dem Zug der Wolken zugeschaut. Ich habe mir vorgestellt, an was mich die Form der einen oder anderen Wolke erinnert. Ab und zu habe ich die Augen geschlossen und nach innen gehorcht. Dabei habe ich oft Yong Tai gesehen..."
"Interessant, was du da erzählst," erwidere ich. "Ich werde dir das Meditieren beibringen!"
"Sie ist so unerreichbar, und mir doch so nah!" stellt er fest.
Wir nehmen ein Taxi für die restlichen Kilometer bis zum Rastplatz an der Bundesstraße. Während dieser Fahrt erkläre ich ihm den Fahrplan für seine Zeit in unserem Kloster:
"Du wirst als Klosterschüler in der buddhistischen Philosophie ausgebildet. Kungfu steht ebenfalls auf dem Lehrplan. Ebenso wirst du dich in Meditation üben. Einmal im Jahr werden alle Klosterschüler geprüft. Irgendwann steht jeder Klosterschüler vor der Entscheidung, sich in der Wirtschaft draußen zu bewerben oder dem Kloster zu dienen und Mönch zu werden.
Würdest du als Mönch im Kloster bleiben, entscheiden deine Handlungen und Meditationsfertigkeiten, wann du ein Lama wirst."
"Das ging bei dir aber ziemlich schnell, Dennis," hält er mir vor. "Du warst in meinem jetzigen Alter schon ein Lama!"
Ich lächele ihn an und sage:
"Ich gelte als Reinkarnation eines geachteten Lamas und stand deshalb unter ständiger besonderer Beobachtung. Das war wirklich nicht leicht damals. Nach zehn Jahren Klosterschule bin ich daher nicht erst Gelong geworden, sondern wurde gleich zum Lama geweiht, weil meine Prüfer sich sicher waren."
*
Drei Jahre ist Noah nun schon im Kloster. Nach Ende des Bundesfreiwilligendienstes ist er geblieben. Außerhalb der Schulzeit wurde er mein persönlicher Schüler. Er macht unter meiner direkten Aufsicht seine Hausaufgaben und vervollkommnet seine Fertigkeiten in Kungfu und Meditation. Mit meiner Hilfe hat er in den Jahren so viel angenommen, wie ich in all den Jahren in Nepal. Daneben führen wir viele Gespräche über den Buddhismus im Allgemeinen und die buddhistischen Mönche im Besonderen. Auch die verschiedenen Schulen des tibetischen Buddhismus kommen dabei zur Sprache, und deren Unterschiede.
Irgendwie kommen wir bei den Gesprächen auch auf unser Hongkong-Abenteuer zu sprechen. Das sei etwas gewesen, das ihm gefallen hätte, meint er. Sein alltägliches Leben seither, sei eher langweilig verlaufen.
Ich ziehe die Augenbraue hoch und erkläre:
"Abenteuer, ha! Große Erlebnisse, Nervenkitzel - nach solchen Dingen sehnt sich ein Gelong -Mönch- nicht! Du bist leichtfertig! - Du musst ruhiger werden!"
"Aber Tsopo -Meister-," bittet er nun. "Ich habe schon viel gelernt! Ich werde dich nicht enttäuschen! Ich möchte irgendwann Gelong werden!"
"Hüte dich vor Zorn, Furcht und Aggressivität! Sie ergreifen schnell von dir Besitz! Du musst diese Gefühle bekämpfen!"
"Sind diese Gefühle so stark?" fragt er, leicht verunsichert.
"Nein, aber sie sind schneller an der Oberfläche deiner Gedanken. Sie sind verführerischer. Nur wenn man Ruhe bewahrt, erkennt man die Unterschiede zwischen Yin und Yang. Nur wenn man den inneren Frieden bewahrt, kann man ihn auch nach außen tragen!"
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