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Dienstag, 1. März 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -36
mariant, 10:32h
Ich verbeuge mich tief vor dem Khenchen Lama und bestätige, dass die Zwillinge dort am besten aufgehoben wären. Danach erhebe ich mich und bewege mich langsam rückwärts zur Tür. Lama Rinpoche und ich verlassen den Thronsaal. Draußen fragt mein Tsopo -Meister- mich:
"Habt ihr schon eine Unterkunft, Noah?"
"Ja," bestätige ich. "Ich habe zwei Zimmer in der Raststätte draußen gemietet."
Er nickt und antwortet:
"Das wird das Beste für die Mädchen sein: Sie erst langsam daran gewöhnen, dass ihr Vater ein Mönch ist."
Ich schaue Lama Rinpoche prüfend an. Die Weihe zum Gelong -Mönch- fehlt mir noch. Bisher habe ich den Status eines Klosterschülers inne. Lama Rinpoche hält meinem Blick stand und zeigt ein feines Lächeln.
"Kommt Zeit, kommt Rat, Noah!" meint er nur.
Wir gehen zu den Klosterschülerinnen zurück. Der Speisesaal ist leer, aber eine Gelongma -Nonne- weiß, wo sich meine beiden Mädchen aufhalten. Im Wohntrakt finden wir die Mädchen, wie sie von Hawaii schwärmen. Alle Klosterschülerinnen haben in der Zeit, in der sie die deutschen Regelschulen besucht haben, Englisch gelernt. Nur bei einigen Ausdrücken hapert die Verständigung, aber darüber finden sie schnell hinweg. Während ich am Eingang wartend stehenbleibe, geht Lama Rinpoche weiter zu seinem Zimmer.
Nach einigen Minuten sieht mich eine Klosterschülerin im Eingang des Zimmers stehen. Sie macht die Mädchen auf mich aufmerksam. Ich hebe abwehrend die Hand und sage:
"Lasst euch nicht stören! Ich warte bis ihr alles über Hawaii in Erfahrung gebracht habt."
Damit betrete ich das Zimmer, mache die Tür frei und setze ich mich im Schneidersitz innen neben den Eingang. Nun dauert es aber nicht mehr lange bis Anne auf mich zukommt und "I love you, Dad" flüstert. Ich habe die Augen geschlossen gehabt und zu meditieren begonnen.
Seit die Mädchen bei mir sind, habe ich keine Visionen mehr. Dass Anne in diesem Moment gefühlmäßig auf mich zukommt, ist für mich ein weiteres Indiz, dass Yong Tai in Anne aufgegangen sein muss. Ich öffne die Augen und drücke das Mädchen glücklich lächelnd an mich. Dann erhebe ich mich und entscheide:
"Kommt, Anne und Andrea. Wir wollen allmählich schlafen gehen. Auch die Schülerinnen brauchen Ruhe. Wir kommen ja in den nächsten Tagen immer wieder hierher!"
Als es dunkel wird und die Mädchen sich für die Nacht zurecht gemacht haben, setze ich mich vor ihr Etagenbett und beginne, ihnen vorzulesen. Dazu dürfen die Mädchen ihre Kopfkissen neben mich legen und sich, an mich gelehnt, daraufsetzen. So können sie die Bilder im Buch sehen, während ich lese. Bald merke ich, dass es sie anstrengt, die Augen offen zu halten. Ich klappe das Buch zu und verspreche ihnen, dass ich Morgen dort weiterlese.
Anschließend helfe ich den Mädchen, die Kopfkissen wieder zurück zu legen und decke sie zu. Nach einem Gute-Nacht-Kuss auf die Wange gehe auch ich in mein Zimmer und bin bald eingeschlafen.
In den nächsten Tagen mache ich vormittags mit den Mädchen Spaziergänge in die Umgebung des Klosters. Vereinzelt treffen wir dabei Radfahrer und auch Reiter, die freundlich grüßen. Interessant finden die Mädchen das Melken der Ziegen. Die Gelong, die sich darum kümmern, erklären es ihnen lächelnd und lassen sie es auch versuchen. Die vereinzelt vorbeikommenden Pferde, lassen die Mädchen zurückweichen. Respektvoll verstecken sie sich hinter mir.
Nachmittags gebe ich die Mädchen bei den Klosterschülerinnen ab, die abwechselnd dafür von der Arbeit an den Nähmaschinen freigestellt worden sind. Danach besuche ich Lama Rinpoche. Wir reden viel miteinander und er prüft meine Kenntnisse in Kungfu.
"Gib den Mädchen weiter, was du gelernt hast," rät mir mein Tsopo -Meister-. "Nicht in Vorträgen und langen Rezitationen, sondern durch praktisches Vorleben. Zeige ihnen ihren Platz in der Gesellschaft, und dass Frauen auf ihre Art ebenso stark sind. Lasse sie bei Versagen in der Schule nicht verzweifeln! Ermuntere sie, aus ihren Fehlern zu lernen, und stütze sie!"
Ich nicke und nehme mir vor, dabei das Bild von Yong Tai vor Augen zu behalten: Eine Frau, die einerseits in ihrer Kultur verhaftet nach dem asiatischen Frauenideal gestrebt hat, andererseits aber auch eine taffe Geschäftsfrau gewesen ist.
Bei unseren Spaziergängen in der Natur, vorbei an den Weiden, ist es zumeist Andrea, die das Wort führt und mir 'Löcher in den Bauch' fragt. Eine dieser Fragen ist es zum Beispiel gewesen:
"Daddy, wozu haben wir ein Gewissen?"
Ich habe kurz überlegt und ihr geantwortet, während Anne wie immer aufmerksam zuhört:
"Jeder Mensch hat ein Gewissen, dass ihm den Unterschied zwischen Gut und Böse, Yin und Yang, erkennen lässt. Wenn du zum Beispiel lügst, hast du ein schlechtes Gewissen. Es sagt dir, dass das Lügen falsch ist. Ganz kleine Kinder müssen erst noch lernen, den Unterschied zu erkennen, und warum 'Böse sein' so schlimm ist."
Aber auch Beobachtungen in der Natur muss ich erklären, wie zum Beispiel diese:
"Was ist das für eine glänzende Spur, die die Schnecke hinterlässt?"
"Es ist eine Schleimspur," erkläre ich. "Die Schnecke produziert den Schleim, um nicht direkt über die Erde kriechen zu müssen. Damit schützt sie sich also vor Verletzungen durch kleine Steinchen, oder ähnlichem."
Fast eine Woche ist darüber vergangen, als Lama Rinpoche mich mit den Mädchen zum Khenchen Lama führt.
Am Eingang des Thronsaales gehe ich auf die Knie, hebe die gefalteten Hände und neige den Kopf. Ich schaue zu Boden und warte, dass Seine Heiligkeit seine Stimme erhebt. Anne macht mich nach, nur dass sie nur ein Knie beugt. Andrea an meiner anderen Seite schaut mit gerunzelter Stirn in die Runde und hebt nur kurz die gefalteten Hände an ihre Lippen.
"Kommt näher!" fordert uns Seine Heiligkeit nach einigen Sekunden auf.
Ich erhebe mich und halte meine Hände im Rücken der Mädchen, so dass ich sie an den Thron Seiner Heiligkeit heranschiebe. Dieser blickt lächelnd von Anne zu Andrea, um dann zu fragen:
"How do you like your Dad?"
"He?s a good man!" platzt Andrea heraus. Anne neigt den Kopf ein wenig und ergänzt: "We love Dad!"
Ich muss mich schnäuzen. Tränen füllen meine Augen. Seine Heiligkeit nickt, schaut mich an und sagt:
"Du bist in Weiterswiller willkommen, Bruder! Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft! Wie sieht bisher deine Planung aus?"
"Habt ihr schon eine Unterkunft, Noah?"
"Ja," bestätige ich. "Ich habe zwei Zimmer in der Raststätte draußen gemietet."
Er nickt und antwortet:
"Das wird das Beste für die Mädchen sein: Sie erst langsam daran gewöhnen, dass ihr Vater ein Mönch ist."
Ich schaue Lama Rinpoche prüfend an. Die Weihe zum Gelong -Mönch- fehlt mir noch. Bisher habe ich den Status eines Klosterschülers inne. Lama Rinpoche hält meinem Blick stand und zeigt ein feines Lächeln.
"Kommt Zeit, kommt Rat, Noah!" meint er nur.
Wir gehen zu den Klosterschülerinnen zurück. Der Speisesaal ist leer, aber eine Gelongma -Nonne- weiß, wo sich meine beiden Mädchen aufhalten. Im Wohntrakt finden wir die Mädchen, wie sie von Hawaii schwärmen. Alle Klosterschülerinnen haben in der Zeit, in der sie die deutschen Regelschulen besucht haben, Englisch gelernt. Nur bei einigen Ausdrücken hapert die Verständigung, aber darüber finden sie schnell hinweg. Während ich am Eingang wartend stehenbleibe, geht Lama Rinpoche weiter zu seinem Zimmer.
Nach einigen Minuten sieht mich eine Klosterschülerin im Eingang des Zimmers stehen. Sie macht die Mädchen auf mich aufmerksam. Ich hebe abwehrend die Hand und sage:
"Lasst euch nicht stören! Ich warte bis ihr alles über Hawaii in Erfahrung gebracht habt."
Damit betrete ich das Zimmer, mache die Tür frei und setze ich mich im Schneidersitz innen neben den Eingang. Nun dauert es aber nicht mehr lange bis Anne auf mich zukommt und "I love you, Dad" flüstert. Ich habe die Augen geschlossen gehabt und zu meditieren begonnen.
Seit die Mädchen bei mir sind, habe ich keine Visionen mehr. Dass Anne in diesem Moment gefühlmäßig auf mich zukommt, ist für mich ein weiteres Indiz, dass Yong Tai in Anne aufgegangen sein muss. Ich öffne die Augen und drücke das Mädchen glücklich lächelnd an mich. Dann erhebe ich mich und entscheide:
"Kommt, Anne und Andrea. Wir wollen allmählich schlafen gehen. Auch die Schülerinnen brauchen Ruhe. Wir kommen ja in den nächsten Tagen immer wieder hierher!"
Als es dunkel wird und die Mädchen sich für die Nacht zurecht gemacht haben, setze ich mich vor ihr Etagenbett und beginne, ihnen vorzulesen. Dazu dürfen die Mädchen ihre Kopfkissen neben mich legen und sich, an mich gelehnt, daraufsetzen. So können sie die Bilder im Buch sehen, während ich lese. Bald merke ich, dass es sie anstrengt, die Augen offen zu halten. Ich klappe das Buch zu und verspreche ihnen, dass ich Morgen dort weiterlese.
Anschließend helfe ich den Mädchen, die Kopfkissen wieder zurück zu legen und decke sie zu. Nach einem Gute-Nacht-Kuss auf die Wange gehe auch ich in mein Zimmer und bin bald eingeschlafen.
In den nächsten Tagen mache ich vormittags mit den Mädchen Spaziergänge in die Umgebung des Klosters. Vereinzelt treffen wir dabei Radfahrer und auch Reiter, die freundlich grüßen. Interessant finden die Mädchen das Melken der Ziegen. Die Gelong, die sich darum kümmern, erklären es ihnen lächelnd und lassen sie es auch versuchen. Die vereinzelt vorbeikommenden Pferde, lassen die Mädchen zurückweichen. Respektvoll verstecken sie sich hinter mir.
Nachmittags gebe ich die Mädchen bei den Klosterschülerinnen ab, die abwechselnd dafür von der Arbeit an den Nähmaschinen freigestellt worden sind. Danach besuche ich Lama Rinpoche. Wir reden viel miteinander und er prüft meine Kenntnisse in Kungfu.
"Gib den Mädchen weiter, was du gelernt hast," rät mir mein Tsopo -Meister-. "Nicht in Vorträgen und langen Rezitationen, sondern durch praktisches Vorleben. Zeige ihnen ihren Platz in der Gesellschaft, und dass Frauen auf ihre Art ebenso stark sind. Lasse sie bei Versagen in der Schule nicht verzweifeln! Ermuntere sie, aus ihren Fehlern zu lernen, und stütze sie!"
Ich nicke und nehme mir vor, dabei das Bild von Yong Tai vor Augen zu behalten: Eine Frau, die einerseits in ihrer Kultur verhaftet nach dem asiatischen Frauenideal gestrebt hat, andererseits aber auch eine taffe Geschäftsfrau gewesen ist.
Bei unseren Spaziergängen in der Natur, vorbei an den Weiden, ist es zumeist Andrea, die das Wort führt und mir 'Löcher in den Bauch' fragt. Eine dieser Fragen ist es zum Beispiel gewesen:
"Daddy, wozu haben wir ein Gewissen?"
Ich habe kurz überlegt und ihr geantwortet, während Anne wie immer aufmerksam zuhört:
"Jeder Mensch hat ein Gewissen, dass ihm den Unterschied zwischen Gut und Böse, Yin und Yang, erkennen lässt. Wenn du zum Beispiel lügst, hast du ein schlechtes Gewissen. Es sagt dir, dass das Lügen falsch ist. Ganz kleine Kinder müssen erst noch lernen, den Unterschied zu erkennen, und warum 'Böse sein' so schlimm ist."
Aber auch Beobachtungen in der Natur muss ich erklären, wie zum Beispiel diese:
"Was ist das für eine glänzende Spur, die die Schnecke hinterlässt?"
"Es ist eine Schleimspur," erkläre ich. "Die Schnecke produziert den Schleim, um nicht direkt über die Erde kriechen zu müssen. Damit schützt sie sich also vor Verletzungen durch kleine Steinchen, oder ähnlichem."
Fast eine Woche ist darüber vergangen, als Lama Rinpoche mich mit den Mädchen zum Khenchen Lama führt.
Am Eingang des Thronsaales gehe ich auf die Knie, hebe die gefalteten Hände und neige den Kopf. Ich schaue zu Boden und warte, dass Seine Heiligkeit seine Stimme erhebt. Anne macht mich nach, nur dass sie nur ein Knie beugt. Andrea an meiner anderen Seite schaut mit gerunzelter Stirn in die Runde und hebt nur kurz die gefalteten Hände an ihre Lippen.
"Kommt näher!" fordert uns Seine Heiligkeit nach einigen Sekunden auf.
Ich erhebe mich und halte meine Hände im Rücken der Mädchen, so dass ich sie an den Thron Seiner Heiligkeit heranschiebe. Dieser blickt lächelnd von Anne zu Andrea, um dann zu fragen:
"How do you like your Dad?"
"He?s a good man!" platzt Andrea heraus. Anne neigt den Kopf ein wenig und ergänzt: "We love Dad!"
Ich muss mich schnäuzen. Tränen füllen meine Augen. Seine Heiligkeit nickt, schaut mich an und sagt:
"Du bist in Weiterswiller willkommen, Bruder! Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft! Wie sieht bisher deine Planung aus?"
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