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Freitag, 18. März 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -53
mariant, 11:37h
Ich verbinde mich mit diesem wachsenden Zellhaufen, der bald ein Mensch sein wird und lasse meinen alten Körper in meiner kleinen Wohnung im Internat auf Hawaii zurück. Ich bin voller Hoffnung und Zuversicht, als mich Helligkeit umfängt und mich schweben lässt.
Wieviel Zeit vergangen ist, kann ich nicht sagen. Irgendwann fühle ich mich in einer Flüssigkeit schwimmend, schwebend, geborgen. Ich spüre ein beruhigendes Klopfen über mir und bin selig.
Wieder eine Zeitlang später spüre ich, dass sich die Wände meines Behältnisses mir nähern, mich einengen und dann wieder Platz lassen. Das wiederholt sich mehrmals und ich weiß es nicht einzuordnen. Ich bekomme Angst. Dann öffnet sich mein Behältnis an einer schmalen Stelle und die Wände versuchen, mich dort hindurch zu drücken.
Als ich draußen bin und aufgefangen werde, stoße ich als Erstes einen befreienden Schrei aus. Man legt mich einem Menschen in den Arm. Wieder spüre ich das beruhigende Klopfen, jetzt viel dumpfer und an meiner Seite. Darüber schlafe ich ein.
Ich höre gut zu, wenn ich wach bin. Auch wenn ich noch nicht sprechen kann, kann ich bald Tonfolgen unterscheiden. Der Mensch, der am meisten mit mir zusammen ist, mich pflegt und ernährt, wird Mama genannt. Der andere Mensch, der jeden Tag in den Dämmerungszeiten ebenfalls anwesend ist, wird Papa genannt.
Nachdem ich etwa ein halbes Jahr alt bin, machen die Beiden mit mir eine längere Fahrt. Wir erreichen einen Ort, an dem sich viele rotgekleidete Menschen befinden. Mama und Papa gehen zu Einem davon und lachen und scherzen mit ihm.
Ich höre, dass sie versprechen, mich später hier zur Schule gehen zu lassen.
--Nguyen Minh Thoung--
Wir sind überglücklich über die Geburt unserer Tochter Minh Thuong -Intelligent, zärtliche Liebe-, und deshalb tief bestürzt, als unsere Kinderärztin uns bei einer der vorgeschriebenen Untersuchungen erklärt, dass unser Mädchen eine Hüftgelenksluxation zweiten Grades hat.
Aber sie kann uns beruhigen und vermittelt gleich einen Termin in der Chirurgie des nahen Kinderkrankenhauses. Dort wird unser Sonnenschein einige Wochen später an der Hüfte operiert.
Als unsere kleine Prinzessin ein halbes Jahr alt geworden ist, fahren wir in das Kloster nach Weiterswiller, um sie von Lama Norbu -wertvoller Stein- segnen zu lassen. Dieser Lama hat uns vor gut zwei Jahren auch gesegnet, als wir mit unserem Kinderwunsch zu ihm gekommen sind.
Minh ist auf der Fahrt sehr ruhig. Die meiste Zeit hat sie geschlafen. In den Wachphasen scheint es ihrer Mama, als beobachte sie alles sehr genau. Als wir sie Lama Norbu zeigen, lacht sie ihn an und streckt ihm seine Ärmchen entgegen. Minh scheint einen offenen Charakter zu haben, kein bisschen ängstlich.
Wir legen Minh dem Lama in die Arme. Er trägt sie zu der Schale mit dem heiligen Wasser und segnet sie. Auch das lässt sie fröhlich lachend über sich ergehen. Anschließend tragen wir dem Lama unsere Bitte vor, Minh später in die Schule aufzunehmen. Er sagt lächelnd, er werde mit dem zuständigen 'Bruder' darüber sprechen und schreibt sich unsere Namen auf. Trotzdem sollen wir ein Jahr vor der Einschulung noch einmal vorsprechen.
Die Folgezeit ist eine Zeit der emotionalen Höhen und Tiefen. Minh braucht lange bis sie die ersten Schritte macht. Dabei knickt sie mit dem Standbein immer wieder ein, wodurch eine Art Watschelgang entsteht. Das hält unsere Prinzessin nur wenige Schritte durch, dann setzt sie sich wieder auf ihr Höschen.
Beunruhigt stellen wir Minh wieder der Kinderärztin vor. Inzwischen wird die Praxis von einer anderen Ärztin geführt. Sie lässt sich Minh vorführen und hat dann Falten auf der Stirn. Sie stellt fest:
"Ihre Tochter wird nie richtig gehen können! Laufen schon einmal gar nicht! Sie sollten sich für Minh mit einem Rollstuhl anfreunden. Da gibt es besonders schöne Exemplare für so süße Mädchen wie sie!"
Wir schauen uns die Rollstühle an und ich kaufe ihr einen mit schräggestellten Rädern und Unterschenkelstützen, mit dem sie im Kindergarten mit den gleichaltrigen Kindern beim Spielen mithalten kann. Oft kämpfen wir mit Freudentränen, wenn wir die Spielfreude unserer Prinzessin beobachten können.
Selten genug passiert es doch, dass sie im Spielgetümmel umstürzt. Zu Anfang ist uns selbst, aber auch anderen Eltern, das Herz dabei in die Hose gerutscht. Aber Minh steht einfach auf, bedankt sich bei denjenigen, die ihr den Stuhl wieder aufgerichtet haben, setzt sich hinein und weiter geht das Spiel.
Dann fahren wir wieder mit ihr nach Weiterswiller und melden sie in der Klosterschule an. Der Rollstuhl scheint zuerst ein Problem zu sein, weil der Lama Vorbehalte hat, wie ihre Mitschüler möglicherweise damit umgehen würden. Nach kurzer Debatte zu den mönchischen Tugenden und Berichten ihres bisherigen Verhaltens im Kindergarten, ist er doch bereit Minh aufzunehmen.
Am Tag ihrer Einschulung ist die ganze Familie mitgekommen. Onkel, Tanten, Neffen, Nichten und die ehrenwerten Großeltern wohnen der Feier bei. Nach Segnungen und Gebeten fahren wir wieder nachhause und lassen unsere Kleine in der Schule zurück.
*
Wieviel Zeit vergangen ist, kann ich nicht sagen. Irgendwann fühle ich mich in einer Flüssigkeit schwimmend, schwebend, geborgen. Ich spüre ein beruhigendes Klopfen über mir und bin selig.
Wieder eine Zeitlang später spüre ich, dass sich die Wände meines Behältnisses mir nähern, mich einengen und dann wieder Platz lassen. Das wiederholt sich mehrmals und ich weiß es nicht einzuordnen. Ich bekomme Angst. Dann öffnet sich mein Behältnis an einer schmalen Stelle und die Wände versuchen, mich dort hindurch zu drücken.
Als ich draußen bin und aufgefangen werde, stoße ich als Erstes einen befreienden Schrei aus. Man legt mich einem Menschen in den Arm. Wieder spüre ich das beruhigende Klopfen, jetzt viel dumpfer und an meiner Seite. Darüber schlafe ich ein.
Ich höre gut zu, wenn ich wach bin. Auch wenn ich noch nicht sprechen kann, kann ich bald Tonfolgen unterscheiden. Der Mensch, der am meisten mit mir zusammen ist, mich pflegt und ernährt, wird Mama genannt. Der andere Mensch, der jeden Tag in den Dämmerungszeiten ebenfalls anwesend ist, wird Papa genannt.
Nachdem ich etwa ein halbes Jahr alt bin, machen die Beiden mit mir eine längere Fahrt. Wir erreichen einen Ort, an dem sich viele rotgekleidete Menschen befinden. Mama und Papa gehen zu Einem davon und lachen und scherzen mit ihm.
Ich höre, dass sie versprechen, mich später hier zur Schule gehen zu lassen.
--Nguyen Minh Thoung--
Wir sind überglücklich über die Geburt unserer Tochter Minh Thuong -Intelligent, zärtliche Liebe-, und deshalb tief bestürzt, als unsere Kinderärztin uns bei einer der vorgeschriebenen Untersuchungen erklärt, dass unser Mädchen eine Hüftgelenksluxation zweiten Grades hat.
Aber sie kann uns beruhigen und vermittelt gleich einen Termin in der Chirurgie des nahen Kinderkrankenhauses. Dort wird unser Sonnenschein einige Wochen später an der Hüfte operiert.
Als unsere kleine Prinzessin ein halbes Jahr alt geworden ist, fahren wir in das Kloster nach Weiterswiller, um sie von Lama Norbu -wertvoller Stein- segnen zu lassen. Dieser Lama hat uns vor gut zwei Jahren auch gesegnet, als wir mit unserem Kinderwunsch zu ihm gekommen sind.
Minh ist auf der Fahrt sehr ruhig. Die meiste Zeit hat sie geschlafen. In den Wachphasen scheint es ihrer Mama, als beobachte sie alles sehr genau. Als wir sie Lama Norbu zeigen, lacht sie ihn an und streckt ihm seine Ärmchen entgegen. Minh scheint einen offenen Charakter zu haben, kein bisschen ängstlich.
Wir legen Minh dem Lama in die Arme. Er trägt sie zu der Schale mit dem heiligen Wasser und segnet sie. Auch das lässt sie fröhlich lachend über sich ergehen. Anschließend tragen wir dem Lama unsere Bitte vor, Minh später in die Schule aufzunehmen. Er sagt lächelnd, er werde mit dem zuständigen 'Bruder' darüber sprechen und schreibt sich unsere Namen auf. Trotzdem sollen wir ein Jahr vor der Einschulung noch einmal vorsprechen.
Die Folgezeit ist eine Zeit der emotionalen Höhen und Tiefen. Minh braucht lange bis sie die ersten Schritte macht. Dabei knickt sie mit dem Standbein immer wieder ein, wodurch eine Art Watschelgang entsteht. Das hält unsere Prinzessin nur wenige Schritte durch, dann setzt sie sich wieder auf ihr Höschen.
Beunruhigt stellen wir Minh wieder der Kinderärztin vor. Inzwischen wird die Praxis von einer anderen Ärztin geführt. Sie lässt sich Minh vorführen und hat dann Falten auf der Stirn. Sie stellt fest:
"Ihre Tochter wird nie richtig gehen können! Laufen schon einmal gar nicht! Sie sollten sich für Minh mit einem Rollstuhl anfreunden. Da gibt es besonders schöne Exemplare für so süße Mädchen wie sie!"
Wir schauen uns die Rollstühle an und ich kaufe ihr einen mit schräggestellten Rädern und Unterschenkelstützen, mit dem sie im Kindergarten mit den gleichaltrigen Kindern beim Spielen mithalten kann. Oft kämpfen wir mit Freudentränen, wenn wir die Spielfreude unserer Prinzessin beobachten können.
Selten genug passiert es doch, dass sie im Spielgetümmel umstürzt. Zu Anfang ist uns selbst, aber auch anderen Eltern, das Herz dabei in die Hose gerutscht. Aber Minh steht einfach auf, bedankt sich bei denjenigen, die ihr den Stuhl wieder aufgerichtet haben, setzt sich hinein und weiter geht das Spiel.
Dann fahren wir wieder mit ihr nach Weiterswiller und melden sie in der Klosterschule an. Der Rollstuhl scheint zuerst ein Problem zu sein, weil der Lama Vorbehalte hat, wie ihre Mitschüler möglicherweise damit umgehen würden. Nach kurzer Debatte zu den mönchischen Tugenden und Berichten ihres bisherigen Verhaltens im Kindergarten, ist er doch bereit Minh aufzunehmen.
Am Tag ihrer Einschulung ist die ganze Familie mitgekommen. Onkel, Tanten, Neffen, Nichten und die ehrenwerten Großeltern wohnen der Feier bei. Nach Segnungen und Gebeten fahren wir wieder nachhause und lassen unsere Kleine in der Schule zurück.
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