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Samstag, 2. April 2022
Lama Rinpoche -07
mariant, 12:45h
Als Dennis mit dem jungen Gelong aus Deutschland den Thronsaal verlassen hat, wende ich mich an den Khenchen Lama:
"Was sagt ihr, Eure Heiligkeit?"
Dennis hat auf Anhieb Lama Sherabs Hut gewählt. Dass Dennis hin und wieder spontan Vorstufen von Meditation nutzt, hat Peter mir in der Zwischenzeit auch schon berichtet. Er muss die Nangwa -Manifestation/Wiedergeburt- von Lama Sherab sein, dessen bin ich mir nun sicher.
Seine Heiligkeit, der Khenchen Lama, scheint meine Gedanken zu erraten. Er antwortet mir:
"Wir müssen erst das Orakel befragen, aber die letzte Entscheidung triffst du, mein Bruder!"
Etwa ein Dutzend der ältesten Lamas unseres Klosters treffen bald im Thronsaal zusammen. Der Älteste davon versetzt sich mittels Kräuter in Trance. Wir anderen unterstützen ihn dabei mit Trommelschlägen und unserem Gesang, der tief aus der Kehle kommt. Was das Orakel uns offenbart, soll ich danach auslegen. Aufgrund meiner Erfahrungen mit dem Jungen entscheide ich mich für ihn.
Nun erhebe ich mich und gehe auf den Hof der Klosterschule, als die Kinder sich wieder in einer Lernpause austoben dürfen und bahne mir einen Weg zwischen ihnen hindurch auf Dennis zu. Als ich ihn erreicht habe, falle ich vor ihm auf die Knie und beuge mich zu Boden. Dabei sage ich auf Tibetisch:
"Oh, Lama Sherab! Ich bin glücklich, dich wiedergefunden zu haben!"
Die Kinder haben ihr Spiel unterbrochen. Sie kommen näher, neigen ihre Köpfe und heben ihre gefalteten Hände an ihr Kinn. Dennis kennt die Sprache nicht, erfasst aber die Bedeutung meiner Worte aus dem Kontext heraus. Nun fällt er vor mir auf die Knie und beugt sich vor, so dass sich unsere Köpfe beinahe berühren.
Jetzt heben wir beide den Kopf ein wenig und schauen uns lächelnd an. Unsere Stirnen berühren sich sanft. Anschließend erheben wir uns beide wieder. Ich sage zu dem deutschen Gelong, der als Dolmetscher mitgekommen und nun nähergetreten ist:
"Ich bin ein glücklicher Mensch!"
Der junge Gelong führt Dennis vom Hof und begleitet ihn zurück zu Seiner Heiligkeit. Dieser hat sich wieder auf seinem Thron niedergelassen und legt Dennis erneut den Hada -weißer Schal- um seine Schultern, um sich danach zu ihm herunter zu beugen und seine Stirn zu küssen.
Andere Lamas treten herbei und Dennis wird unter Flöten- und Trommelmusik ein wenig Wasser aus einer goldenen Kanne auf die Stirn tropfen gelassen, das unter seinem Kinn in einer goldenen Schale wieder aufgefangen wird. Schließlich erhält Dennis einen kleinen roten Mönchshut aufgesetzt und eine kleine rote Robe über die Schulter gelegt. Nun setzen sich alle Anwesenden mit untergeschlagenen Beinen an die Tische. Reis mit Safran gefärbt wird von jungen Gelong hereingetragen und ausgeschenkt. Dennis darf im Kreis der Lamas sein erstes Mahl im Kloster essen.
*
Peter, unser Dolmetscher hat mir, Vanessa Bäcker, mein Zimmer mit abgetrenntem Bad und Toilette gezeigt und mir empfohlen, mich erst einmal häuslich einzurichten. Neugierig öffne ich die Schränke und finde einige nützliche Wohntextilien. In Truhen finde ich Kissen verschiedener Größen. Sofort hänge ich zwei Handtücher und zwei Gästetücher, die ich wohl als Waschlappen benutzen werde, und erst einmal ein Duschtuch ins Bad. Mein Bett beziehe ich mit großen Tüchern und den Kissen.
Der Tisch inmitten des Raumes ist nicht höher als ein Couchtisch. Daran wird man wohl auf dem Boden sitzen müssen, wie es die Mönche in meiner Wohnung in Plauen getan haben.
Nachdem ich den Inhalt meiner Reisetasche in die Schänke gelegt und aufgehangen und einige Erinnerungsstücke auf Regale gestellt habe, klopft es an die Tür.
Ich gehe zur Tür und öffne sie, um zu schauen, wer da etwas von mir will. Vor mir steht eine Frau um die Vierzig in einfacher Kleidung und mit kahlgeschorenem Kopf. Sie hebt zur Begrüßung ihre gefalteten Hände und verbeugt sich leicht. Sie sagt etwas zu mir, was ich nicht verstehe. Mit einer Geste bedeutet sie mir, mitzukommen.
Während ich hinaustrete und die Zimmertür schließe, schaue ich mich um, damit ich später die richtige Tür wiederfinde. Danach folge ich ihr und präge mir den Weg ein, den sie mich führt. Bald erreichen wir einen Speiseraum mit vielleicht zehn weiteren Nonnen. Meine Führerin und ich setzen uns an zwei freie Plätze auf den Boden vor einen niedrigen Tisch. Dabei setzt sich meine Führerin neben ihre angewinkelten Beine. Genauso mache ich es, Peters Rat folgend.
Nun kommen zwei Mädchen in der gleichen Kleidung hinzu. Sie tragen gemeinsam einen großen Topf mit Reis herein. Die Nonnen geben ihnen ihre Reisschale, die die Mädchen mit einer großen Kelle füllen. Als ich meine Reisschale hervorholen soll, schaue ich entschuldigend, begleitend von einem Schulterzucken und erkläre:
"I don't have one."
Eine der Nonnen, die sicher schon in den Sechzigern sein muss, schaut nun auf und sagt etwas zu den Mädchen. Eine der Beiden geht zu einem Schrank und bringt mir eine Schale, die sie vorher mit der Mahlzeit füllt. Ich sehe, dass sich zwischen dem Reis verschiedene Gemüse und Hähnchenfleisch befindet. Ich nicke dankbar. Meine Tischnachbarn essen mit den Händen, indem sie die Finger zu einer Art Schaufel zusammenlegen und einen Reisball formen, den sie sich dann in den Mund stecken. Die Mädchen dürfen sich hinzusetzen und mitessen. Während die Anderen essen rezitiert eine Nonne Texte aus einem Blätterstapel.
Eins der Mädchen hat auch eine Kanne auf den Tisch gestellt. Nach dem Essen geht sie rund und lässt daraus etwas Wasser auf die Hände der jeweiligen Nonne laufen, die ihre Hände über ihre Reisschale hält. Danach wischt die Nonne sich die Hand an ihrer Kleidung trocken. Ich zucke mit den Schultern und nutze meine Jeans als Handtuch, als die Reihe an mir ist.
"Was sagt ihr, Eure Heiligkeit?"
Dennis hat auf Anhieb Lama Sherabs Hut gewählt. Dass Dennis hin und wieder spontan Vorstufen von Meditation nutzt, hat Peter mir in der Zwischenzeit auch schon berichtet. Er muss die Nangwa -Manifestation/Wiedergeburt- von Lama Sherab sein, dessen bin ich mir nun sicher.
Seine Heiligkeit, der Khenchen Lama, scheint meine Gedanken zu erraten. Er antwortet mir:
"Wir müssen erst das Orakel befragen, aber die letzte Entscheidung triffst du, mein Bruder!"
Etwa ein Dutzend der ältesten Lamas unseres Klosters treffen bald im Thronsaal zusammen. Der Älteste davon versetzt sich mittels Kräuter in Trance. Wir anderen unterstützen ihn dabei mit Trommelschlägen und unserem Gesang, der tief aus der Kehle kommt. Was das Orakel uns offenbart, soll ich danach auslegen. Aufgrund meiner Erfahrungen mit dem Jungen entscheide ich mich für ihn.
Nun erhebe ich mich und gehe auf den Hof der Klosterschule, als die Kinder sich wieder in einer Lernpause austoben dürfen und bahne mir einen Weg zwischen ihnen hindurch auf Dennis zu. Als ich ihn erreicht habe, falle ich vor ihm auf die Knie und beuge mich zu Boden. Dabei sage ich auf Tibetisch:
"Oh, Lama Sherab! Ich bin glücklich, dich wiedergefunden zu haben!"
Die Kinder haben ihr Spiel unterbrochen. Sie kommen näher, neigen ihre Köpfe und heben ihre gefalteten Hände an ihr Kinn. Dennis kennt die Sprache nicht, erfasst aber die Bedeutung meiner Worte aus dem Kontext heraus. Nun fällt er vor mir auf die Knie und beugt sich vor, so dass sich unsere Köpfe beinahe berühren.
Jetzt heben wir beide den Kopf ein wenig und schauen uns lächelnd an. Unsere Stirnen berühren sich sanft. Anschließend erheben wir uns beide wieder. Ich sage zu dem deutschen Gelong, der als Dolmetscher mitgekommen und nun nähergetreten ist:
"Ich bin ein glücklicher Mensch!"
Der junge Gelong führt Dennis vom Hof und begleitet ihn zurück zu Seiner Heiligkeit. Dieser hat sich wieder auf seinem Thron niedergelassen und legt Dennis erneut den Hada -weißer Schal- um seine Schultern, um sich danach zu ihm herunter zu beugen und seine Stirn zu küssen.
Andere Lamas treten herbei und Dennis wird unter Flöten- und Trommelmusik ein wenig Wasser aus einer goldenen Kanne auf die Stirn tropfen gelassen, das unter seinem Kinn in einer goldenen Schale wieder aufgefangen wird. Schließlich erhält Dennis einen kleinen roten Mönchshut aufgesetzt und eine kleine rote Robe über die Schulter gelegt. Nun setzen sich alle Anwesenden mit untergeschlagenen Beinen an die Tische. Reis mit Safran gefärbt wird von jungen Gelong hereingetragen und ausgeschenkt. Dennis darf im Kreis der Lamas sein erstes Mahl im Kloster essen.
*
Peter, unser Dolmetscher hat mir, Vanessa Bäcker, mein Zimmer mit abgetrenntem Bad und Toilette gezeigt und mir empfohlen, mich erst einmal häuslich einzurichten. Neugierig öffne ich die Schränke und finde einige nützliche Wohntextilien. In Truhen finde ich Kissen verschiedener Größen. Sofort hänge ich zwei Handtücher und zwei Gästetücher, die ich wohl als Waschlappen benutzen werde, und erst einmal ein Duschtuch ins Bad. Mein Bett beziehe ich mit großen Tüchern und den Kissen.
Der Tisch inmitten des Raumes ist nicht höher als ein Couchtisch. Daran wird man wohl auf dem Boden sitzen müssen, wie es die Mönche in meiner Wohnung in Plauen getan haben.
Nachdem ich den Inhalt meiner Reisetasche in die Schänke gelegt und aufgehangen und einige Erinnerungsstücke auf Regale gestellt habe, klopft es an die Tür.
Ich gehe zur Tür und öffne sie, um zu schauen, wer da etwas von mir will. Vor mir steht eine Frau um die Vierzig in einfacher Kleidung und mit kahlgeschorenem Kopf. Sie hebt zur Begrüßung ihre gefalteten Hände und verbeugt sich leicht. Sie sagt etwas zu mir, was ich nicht verstehe. Mit einer Geste bedeutet sie mir, mitzukommen.
Während ich hinaustrete und die Zimmertür schließe, schaue ich mich um, damit ich später die richtige Tür wiederfinde. Danach folge ich ihr und präge mir den Weg ein, den sie mich führt. Bald erreichen wir einen Speiseraum mit vielleicht zehn weiteren Nonnen. Meine Führerin und ich setzen uns an zwei freie Plätze auf den Boden vor einen niedrigen Tisch. Dabei setzt sich meine Führerin neben ihre angewinkelten Beine. Genauso mache ich es, Peters Rat folgend.
Nun kommen zwei Mädchen in der gleichen Kleidung hinzu. Sie tragen gemeinsam einen großen Topf mit Reis herein. Die Nonnen geben ihnen ihre Reisschale, die die Mädchen mit einer großen Kelle füllen. Als ich meine Reisschale hervorholen soll, schaue ich entschuldigend, begleitend von einem Schulterzucken und erkläre:
"I don't have one."
Eine der Nonnen, die sicher schon in den Sechzigern sein muss, schaut nun auf und sagt etwas zu den Mädchen. Eine der Beiden geht zu einem Schrank und bringt mir eine Schale, die sie vorher mit der Mahlzeit füllt. Ich sehe, dass sich zwischen dem Reis verschiedene Gemüse und Hähnchenfleisch befindet. Ich nicke dankbar. Meine Tischnachbarn essen mit den Händen, indem sie die Finger zu einer Art Schaufel zusammenlegen und einen Reisball formen, den sie sich dann in den Mund stecken. Die Mädchen dürfen sich hinzusetzen und mitessen. Während die Anderen essen rezitiert eine Nonne Texte aus einem Blätterstapel.
Eins der Mädchen hat auch eine Kanne auf den Tisch gestellt. Nach dem Essen geht sie rund und lässt daraus etwas Wasser auf die Hände der jeweiligen Nonne laufen, die ihre Hände über ihre Reisschale hält. Danach wischt die Nonne sich die Hand an ihrer Kleidung trocken. Ich zucke mit den Schultern und nutze meine Jeans als Handtuch, als die Reihe an mir ist.
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