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Montag, 4. April 2022
Lama Rinpoche -09
mariant, 11:05h
"Okay..." hebt Peter an, als es wieder klopft. Es ist wieder die Nonne, die mich nun zum Abendessen abholt. Ich nehme dafür meine Reisschale und vorausschauend ein Gästetuch mit.
Peter erhebt sich ebenfalls und winkt Dennis zu sich. Draußen im Gang sagt er, bevor wir uns trennen:
"Ich gehe mit Dennis ebenfalls essen. Danach bringe ich ihn zu einem Schlafsaal mit gleichaltrigen Schülern. Morgen nach dem Frühstück beginnt ihr Sprachunterricht, den wir gerne erst einmal hier in ihrem Zimmer abhalten."
*
Drei Monate leben wir schon im Kloster zwischen den Himalaya-Gipfeln in Nepal. Inzwischen kann ich, Vanessa Bäcker, mich schon leidlich mit der Nonne verständigen, obwohl ich immer wieder an eine Sprachbarriere stoße, mir Worte fehlen. Aber darüber hilft man mir lächelnd hinweg, indem man mir das fehlende Wort vorspricht.
Mich erfüllt es mit Stolz, Dennis' Fortschritten zuzusehen. Manchmal kommt er mir regelrecht altklug vor, wenn er in irgendeiner Situation einen buddhistischen Lehrsatz zum Besten gibt. Unmerklich habe ich mich der Lebensart der Leute angepasst und werde es sicherlich noch weiter tun.
Vor etwa vier Wochen hat Peter uns aufgefordert mit ihm zu kommen. Das macht er öfter, um uns zu den Ziegen auf der Alm zu führen oder zu den Hühnern im klostereigenen Gehege. Es gibt hier auch eine Käserei und eine Weberei mit angeschlossener Schneiderei und Färberei. Unser Kloster ist somit ziemlich autark.
Aber diesmal führt Peter uns zum Haupteingang. Unten am Fuß der Treppe steht einer dieser dreirädrigen Transporter. Der Fahrer hat sicher Waren angeliefert und sich nun bereiterklärt, uns irgendwohin zu bringen. Dennis und Peter setzen sich auf die Ladefläche. Das Sitzen auf einer harten Unterlage bin ich inzwischen gewohnt, ganz im Gegensatz zu unserer Herfahrt vor vielen Wochen. Heute darf ich jedoch neben dem Fahrer Platz nehmen. Statt einer Fahrzeugtür gibt es bei diesen Gefährten nur ein Seil zu beiden Seiten.
Anschließend fahren wir vier Stunden, bis der Mann hält. Peter steigt ab und bedankt sich bei dem Fahrer. Dennis steht schon neben mir und öffnet den Karabinerverschluss des Seils. Auch wir bedanken uns bei dem Mann, indem wir uns lächelnd verbeugen, die Hände falten und sie an unser Kinn heben. Nachdem der freundliche Mann weitergefahren ist, wende ich mich an Peter und frage ihn:
"Was machen wir hier?"
Peter lächelt geheimnisvoll zurück und erklärt:
"Wir besuchen heute eine heilige Quelle."
Er dreht sich um und führt uns von der Straße weg über eine schmale Schlucht. In den Alpen würde man sie eine 'Klamm' nennen. Tief unter uns rauscht darin ein Bach. Wir überqueren die Klamm über eine leicht gebogene Holzbrücke. Drüben gibt es einen Teepavillon und den Fuß einer Treppe, die irgendwo in der Unendlichkeit zu enden scheint. Peter wendet sich zur Treppe und beginnt hinaufzusteigen. Wir folgen ihm neugierig.
Nach einiger Zeit meldet sich Dennis:
"Ich habe Durst!"
"Oben gibt es Wasser," antwortet Peter.
Bald kann auch ich nicht mehr. Ich muss verschnaufen. Peter lächelt wissend und rät mir:
"Machen Sie unterwegs ruhig immer wieder einmal eine Pause! Wir gehen schon einmal vor."
Dann nimmt er Dennis an die Hand und steigt mit ihm weiter die Treppe hinauf. Nach mehreren Minuten Pause gehe auch ich weiter. Irgendwann kommt ein Stupa in Sicht, wie diese buddhistischen Tempel heißen, die ein großes kuppelförmiges Dach haben. Ich habe diesen Bau noch nicht ganz erreicht, als Dennis mir entgegenkommt. Auch Peter ist wieder auf dem Rückweg.
Dennis berichtet mit leuchtenden Augen:
"Oben habe ich Menschen gesehen, die Atemübungen machen. Etwas weiter hat ein Mann einen langen Stab wirbeln gelassen. Dem möchte ich nicht zu nahe kommen! In einer Ecke am Außengeländer hat ein Anderer ein Spagat gemacht, während er bestimmt meditiert hat. Wieder ein Anderer saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem erhöhten Platz und meditierte offensichtlich. Zuerst habe ich gedacht, der Mann schwebt knapp über seinem Sitzplatz, aber er stand auf seinen Fingerknöcheln! Anschließend war da auch eine Frau außerhalb des Geländers über dem Abgrund. Sie hatte eine Schlange dabei, und die Schlange hat sich genauso bewegt wie die Frau! Peter hat gesagt, die Schlange hat die Frau imitiert, nicht andersherum."
Ich schaue zu Peter auf. Unser Führer lächelt freundlich.
Peter erhebt sich ebenfalls und winkt Dennis zu sich. Draußen im Gang sagt er, bevor wir uns trennen:
"Ich gehe mit Dennis ebenfalls essen. Danach bringe ich ihn zu einem Schlafsaal mit gleichaltrigen Schülern. Morgen nach dem Frühstück beginnt ihr Sprachunterricht, den wir gerne erst einmal hier in ihrem Zimmer abhalten."
*
Drei Monate leben wir schon im Kloster zwischen den Himalaya-Gipfeln in Nepal. Inzwischen kann ich, Vanessa Bäcker, mich schon leidlich mit der Nonne verständigen, obwohl ich immer wieder an eine Sprachbarriere stoße, mir Worte fehlen. Aber darüber hilft man mir lächelnd hinweg, indem man mir das fehlende Wort vorspricht.
Mich erfüllt es mit Stolz, Dennis' Fortschritten zuzusehen. Manchmal kommt er mir regelrecht altklug vor, wenn er in irgendeiner Situation einen buddhistischen Lehrsatz zum Besten gibt. Unmerklich habe ich mich der Lebensart der Leute angepasst und werde es sicherlich noch weiter tun.
Vor etwa vier Wochen hat Peter uns aufgefordert mit ihm zu kommen. Das macht er öfter, um uns zu den Ziegen auf der Alm zu führen oder zu den Hühnern im klostereigenen Gehege. Es gibt hier auch eine Käserei und eine Weberei mit angeschlossener Schneiderei und Färberei. Unser Kloster ist somit ziemlich autark.
Aber diesmal führt Peter uns zum Haupteingang. Unten am Fuß der Treppe steht einer dieser dreirädrigen Transporter. Der Fahrer hat sicher Waren angeliefert und sich nun bereiterklärt, uns irgendwohin zu bringen. Dennis und Peter setzen sich auf die Ladefläche. Das Sitzen auf einer harten Unterlage bin ich inzwischen gewohnt, ganz im Gegensatz zu unserer Herfahrt vor vielen Wochen. Heute darf ich jedoch neben dem Fahrer Platz nehmen. Statt einer Fahrzeugtür gibt es bei diesen Gefährten nur ein Seil zu beiden Seiten.
Anschließend fahren wir vier Stunden, bis der Mann hält. Peter steigt ab und bedankt sich bei dem Fahrer. Dennis steht schon neben mir und öffnet den Karabinerverschluss des Seils. Auch wir bedanken uns bei dem Mann, indem wir uns lächelnd verbeugen, die Hände falten und sie an unser Kinn heben. Nachdem der freundliche Mann weitergefahren ist, wende ich mich an Peter und frage ihn:
"Was machen wir hier?"
Peter lächelt geheimnisvoll zurück und erklärt:
"Wir besuchen heute eine heilige Quelle."
Er dreht sich um und führt uns von der Straße weg über eine schmale Schlucht. In den Alpen würde man sie eine 'Klamm' nennen. Tief unter uns rauscht darin ein Bach. Wir überqueren die Klamm über eine leicht gebogene Holzbrücke. Drüben gibt es einen Teepavillon und den Fuß einer Treppe, die irgendwo in der Unendlichkeit zu enden scheint. Peter wendet sich zur Treppe und beginnt hinaufzusteigen. Wir folgen ihm neugierig.
Nach einiger Zeit meldet sich Dennis:
"Ich habe Durst!"
"Oben gibt es Wasser," antwortet Peter.
Bald kann auch ich nicht mehr. Ich muss verschnaufen. Peter lächelt wissend und rät mir:
"Machen Sie unterwegs ruhig immer wieder einmal eine Pause! Wir gehen schon einmal vor."
Dann nimmt er Dennis an die Hand und steigt mit ihm weiter die Treppe hinauf. Nach mehreren Minuten Pause gehe auch ich weiter. Irgendwann kommt ein Stupa in Sicht, wie diese buddhistischen Tempel heißen, die ein großes kuppelförmiges Dach haben. Ich habe diesen Bau noch nicht ganz erreicht, als Dennis mir entgegenkommt. Auch Peter ist wieder auf dem Rückweg.
Dennis berichtet mit leuchtenden Augen:
"Oben habe ich Menschen gesehen, die Atemübungen machen. Etwas weiter hat ein Mann einen langen Stab wirbeln gelassen. Dem möchte ich nicht zu nahe kommen! In einer Ecke am Außengeländer hat ein Anderer ein Spagat gemacht, während er bestimmt meditiert hat. Wieder ein Anderer saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem erhöhten Platz und meditierte offensichtlich. Zuerst habe ich gedacht, der Mann schwebt knapp über seinem Sitzplatz, aber er stand auf seinen Fingerknöcheln! Anschließend war da auch eine Frau außerhalb des Geländers über dem Abgrund. Sie hatte eine Schlange dabei, und die Schlange hat sich genauso bewegt wie die Frau! Peter hat gesagt, die Schlange hat die Frau imitiert, nicht andersherum."
Ich schaue zu Peter auf. Unser Führer lächelt freundlich.
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