... newer stories
Samstag, 14. September 2024
Neue Philosophie -32
mariant, 09:46h
Ich hole tief Luft und will nach Waitheri rufen, denn Panik erfasst mich, doch Bushika legt ihre Hand auf meine Lippen.
"Ma! Yimikata taiku! -Nein! Vorsicht-!" raunt sie mir zu.
Wir beginnen nun nach Spuren zu suchen. Bald finden wir welche und folgen ihnen, bis wir sicher sind, dass deren Ziel die Mine ist. Bushika schaut mich ängstlich an. In mir liegen Gefühle und Verstand im Widerstreit. Schließlich kehren wir zum Fundort von Waitheris Waffen zurück und wenden uns in Richtung Dorf. Bushika hängt sich die Tasche mit den Kräutern und Pilzen über ihre Schulter. Im Weggehen fällt mir noch etwas ein.
"Waitheri!“ sage ich laut, zu 'Kete' gewendet, und weise mit dem ausgestreckten Arm in Richtung der Mine. Die Großkatze erhebt sich auf ihre Pfoten, trabt weg und verschwindet im Unterholz.
Wir laufen zum Shabono -Dorf- zurück. Kaum, dass wir die Palisade erblicken, stimmt Bushika ein lautes Klagegeschrei an. Nachdem wir die Aussparung in der Palisade passiert haben, läuft sie in Richtung ihrer Eltern. Der Häuptling und die Schamanin kommen uns entgegen. Bushika fällt ihrer Mutter in die Arme. Die Kinder, die sonst jeden Eintreffenden begrüßen, halten zwei Schritte Abstand und sind still.
Ich laufe zu den Totihiwe -Freunden/Gästen- und berichte dem Älteren der Beiden von unserem Fund. Der Jüngere verbleibt währenddessen in Meditation. Mister Denchuu legt seine Hand auf meine Schulter, schaut mir eindringlich in die Augen und rät:
"Shori -Schwager- Sean, du musst jetzt stark sein und nicht vorschnell handeln. Wir haben wieder Verbindung zu deiner lieben Tochter. Sie ist bewusstlos gewesen und wurde in dieser Zeit auf das Gelände der Mine verschleppt. Sie ist gewissermaßen eine Geisel."
Meine Schultern fallen herunter und ich frage den Mann:
"Was sollen wir jetzt machen?"
"Zuerst einmal ruhig bleiben! Die Tiere des Regenwaldes kämpfen für euch," antwortet er eindringlich und schließt die Augen.
Eine halbe Stunde später öffnet sein Begleiter die Augen. In der Zwischenzeit sind Bushika und ihre Eltern zu uns gekommen. Sie haben sich hinzugesetzt. Der Chef der Jäger und einige der Männer stehen hinter ihnen.
Der Mönch berichtet von den aktuellen Geschehnissen bei der Mine:
"Die Patrouille, die außen am Zaun entlangfährt und ihre auf den Wagen montierten Maschinengewehre in den Wald richtet, hat fluchtartig den Rückzug angetreten und sich mit hunderten von Insektenstichen pro Mann in der Sanitätsstation gemeldet."
"Ma! Yimikata taiku! -Nein! Vorsicht-!" raunt sie mir zu.
Wir beginnen nun nach Spuren zu suchen. Bald finden wir welche und folgen ihnen, bis wir sicher sind, dass deren Ziel die Mine ist. Bushika schaut mich ängstlich an. In mir liegen Gefühle und Verstand im Widerstreit. Schließlich kehren wir zum Fundort von Waitheris Waffen zurück und wenden uns in Richtung Dorf. Bushika hängt sich die Tasche mit den Kräutern und Pilzen über ihre Schulter. Im Weggehen fällt mir noch etwas ein.
"Waitheri!“ sage ich laut, zu 'Kete' gewendet, und weise mit dem ausgestreckten Arm in Richtung der Mine. Die Großkatze erhebt sich auf ihre Pfoten, trabt weg und verschwindet im Unterholz.
Wir laufen zum Shabono -Dorf- zurück. Kaum, dass wir die Palisade erblicken, stimmt Bushika ein lautes Klagegeschrei an. Nachdem wir die Aussparung in der Palisade passiert haben, läuft sie in Richtung ihrer Eltern. Der Häuptling und die Schamanin kommen uns entgegen. Bushika fällt ihrer Mutter in die Arme. Die Kinder, die sonst jeden Eintreffenden begrüßen, halten zwei Schritte Abstand und sind still.
Ich laufe zu den Totihiwe -Freunden/Gästen- und berichte dem Älteren der Beiden von unserem Fund. Der Jüngere verbleibt währenddessen in Meditation. Mister Denchuu legt seine Hand auf meine Schulter, schaut mir eindringlich in die Augen und rät:
"Shori -Schwager- Sean, du musst jetzt stark sein und nicht vorschnell handeln. Wir haben wieder Verbindung zu deiner lieben Tochter. Sie ist bewusstlos gewesen und wurde in dieser Zeit auf das Gelände der Mine verschleppt. Sie ist gewissermaßen eine Geisel."
Meine Schultern fallen herunter und ich frage den Mann:
"Was sollen wir jetzt machen?"
"Zuerst einmal ruhig bleiben! Die Tiere des Regenwaldes kämpfen für euch," antwortet er eindringlich und schließt die Augen.
Eine halbe Stunde später öffnet sein Begleiter die Augen. In der Zwischenzeit sind Bushika und ihre Eltern zu uns gekommen. Sie haben sich hinzugesetzt. Der Chef der Jäger und einige der Männer stehen hinter ihnen.
Der Mönch berichtet von den aktuellen Geschehnissen bei der Mine:
"Die Patrouille, die außen am Zaun entlangfährt und ihre auf den Wagen montierten Maschinengewehre in den Wald richtet, hat fluchtartig den Rückzug angetreten und sich mit hunderten von Insektenstichen pro Mann in der Sanitätsstation gemeldet."
... link (0 Kommentare) ... comment
Mittwoch, 11. September 2024
Neue Philosophie -31
mariant, 09:37h
Die Drohne fängt bald Bilder von Indigenen in Shorts und T-Shirt ein, die die Umgebung der Mine mit Maschinenpistolen durchstreifen. Das ist neu. Die buddhistischen Mönche versuchen in ihren Meditationen mehr herauszufinden.
Bald steht fest, dass sie zu einem der vier Yanomami-Völker gehören, die südlicher siedeln und über Missionsschulen schon lange Kontakt zu den Nabuh -Weißen- haben. Man hat ihnen viel Geld versprochen, wenn sie die Umgebung der Mine frei von ‚Wilden‘ halten. Dafür hat das brasilianische Militär sie an modernen Waffen ausgebildet.
Unser Häuptling und der Chef der Jäger vereinbaren, dass wir unsere 'Henimou' -Jagdexpeditionen- deshalb in der der Mine abgewandten Richtung durchführen wollen, um ihnen keinen Grund zur Aggression zu liefern. Eine ganze Weile geht das gut.
Immer wenn Waitheri in den Wald geht, um Heilpflanzen und Pilze mit hallizunogenen Wirkstoffen zu sammeln, um sie ihrer Oma, der Okape -Schamanin- zu bringen, oder ein Wild zu schießen, folgt einer der Mönche ihr in einer Meditation. Natürlich machen sie das nicht nur bei ihr, sondern sie wechseln die Überwachung minütlich von einem Yanomami unseres Dorfes zum Nächsten.
Am späten Morgen eines Tages wacht der jüngere der Beiden aus seiner Meditation auf und erklärt uns:
"Wir haben Waitheri verloren. Sie muss durch irgendetwas bewusstlos geworden sein. 'Kete', der Jaguar, den sie großgezogen hat, hat fremde Waipe -Krieger- in der Nähe erschnüffelt. Ich habe gerade noch verhindern können, dass er sich auf die Fremden stürzt. Er kommt stattdessen her, um uns zu der Unfallstelle zu führen."
So geschieht es dann auch. Etwa eine Stunde später erscheint ein großer Jaguar auf dem Dorfplatz. Von der Nase bis zum Schwanzansatz mag er 1,80 Meter messen. Großes Geschrei hebt an und die Kinder verstecken sich. Da die Jagdgesellschaft noch nicht zurück ist, erhebe ich mich. Auch Bushika, meine Yanomami-Frau steht auf. Wir nähern uns vorsichtig dem großen Tier, dessen Ausmaße mich leicht erschrecken lassen. Als Baby ist er vor Jahren nur eine Handvoll gewesen. Bushika hat ihn anfangs gesäugt.
Als wir uns ihm bis auf eine gewisse Distanz genähert haben, dreht er um und trabt leichtfüßig aus dem Dorf hinaus. Dabei schaut er sich immer wieder um, sich vergewissernd, dass wir ihm folgen. Es geht auf gerader Linie durch das Unterholz in den Regenwald. Wir entfernen uns immer weiter vom Dorf, bis er sich an einer Stelle ablegt.
Dort angekommen schauen wir uns um. Schnell finden wir Waitheris Tasche mit den gesammelten Pflanzen und ihre Waffen. Der Köcher mit den Pfeilen, ihr Bogen und ihre Machete liegen vor uns im Unterholz.
Bald steht fest, dass sie zu einem der vier Yanomami-Völker gehören, die südlicher siedeln und über Missionsschulen schon lange Kontakt zu den Nabuh -Weißen- haben. Man hat ihnen viel Geld versprochen, wenn sie die Umgebung der Mine frei von ‚Wilden‘ halten. Dafür hat das brasilianische Militär sie an modernen Waffen ausgebildet.
Unser Häuptling und der Chef der Jäger vereinbaren, dass wir unsere 'Henimou' -Jagdexpeditionen- deshalb in der der Mine abgewandten Richtung durchführen wollen, um ihnen keinen Grund zur Aggression zu liefern. Eine ganze Weile geht das gut.
Immer wenn Waitheri in den Wald geht, um Heilpflanzen und Pilze mit hallizunogenen Wirkstoffen zu sammeln, um sie ihrer Oma, der Okape -Schamanin- zu bringen, oder ein Wild zu schießen, folgt einer der Mönche ihr in einer Meditation. Natürlich machen sie das nicht nur bei ihr, sondern sie wechseln die Überwachung minütlich von einem Yanomami unseres Dorfes zum Nächsten.
Am späten Morgen eines Tages wacht der jüngere der Beiden aus seiner Meditation auf und erklärt uns:
"Wir haben Waitheri verloren. Sie muss durch irgendetwas bewusstlos geworden sein. 'Kete', der Jaguar, den sie großgezogen hat, hat fremde Waipe -Krieger- in der Nähe erschnüffelt. Ich habe gerade noch verhindern können, dass er sich auf die Fremden stürzt. Er kommt stattdessen her, um uns zu der Unfallstelle zu führen."
So geschieht es dann auch. Etwa eine Stunde später erscheint ein großer Jaguar auf dem Dorfplatz. Von der Nase bis zum Schwanzansatz mag er 1,80 Meter messen. Großes Geschrei hebt an und die Kinder verstecken sich. Da die Jagdgesellschaft noch nicht zurück ist, erhebe ich mich. Auch Bushika, meine Yanomami-Frau steht auf. Wir nähern uns vorsichtig dem großen Tier, dessen Ausmaße mich leicht erschrecken lassen. Als Baby ist er vor Jahren nur eine Handvoll gewesen. Bushika hat ihn anfangs gesäugt.
Als wir uns ihm bis auf eine gewisse Distanz genähert haben, dreht er um und trabt leichtfüßig aus dem Dorf hinaus. Dabei schaut er sich immer wieder um, sich vergewissernd, dass wir ihm folgen. Es geht auf gerader Linie durch das Unterholz in den Regenwald. Wir entfernen uns immer weiter vom Dorf, bis er sich an einer Stelle ablegt.
Dort angekommen schauen wir uns um. Schnell finden wir Waitheris Tasche mit den gesammelten Pflanzen und ihre Waffen. Der Köcher mit den Pfeilen, ihr Bogen und ihre Machete liegen vor uns im Unterholz.
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 8. September 2024
Neue Philosophie -30
mariant, 10:27h
Etwa eine Woche nach dem Gespräch kommt Waitheri, meine und meiner Kleinen -Bushikas- Tochter aufgeregt zu mir. Sie streift in ihrer Freizeit öfter durch den Wald und hat diesmal etwas ungewöhnliches bemerkt.
"Papa, ich habe im Urihi -Erdenwald- zwei Männer gesehen, mit einem flachen Stein in der Hand, wie dieser hier!"
Dabei zeigt sie auf das internetfähige Handy.
"Wie waren diese Männer gekleidet?" frage ich sie.
"Sie sehen aus wie wir," meint sie, mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck. "Und einer der Beiden ist so alt wie Opa."
"Wir werden auf die Hwamape -Besucher- warten, denn anscheinend finden sie sich allein im Urihi zurecht," entscheide ich.
Gut zwei Stunden später treten sie in das Rund des Shabono -Dorfes- und werden sogleich von immer mehr Kindern umringt, die sie überall anfassen, schwatzen und lachen.
Sie lassen diese 'Begrüßung' stoisch über sich ergehen. Der Chef der Jäger, der Häuptling, die Schamanin und ich nähern uns den Ankömmlingen. Ich erkenne in den Männern die Besucher aus dem buddhistischen Kloster in Japan wieder, die uns auch damals beigestanden haben. Beide können sich mit uns auf Yanomam verständigen.
Sie werden zum Wohnsegment des Häuptlings geführt. Ich hole schnell die Steuerung der Drohne hinzu und dann spiele ich ihnen den SD-Speicher vor. Sie können auf diese Weise miterleben, was die Drohne in den letzten Wochen in Erfahrung gebracht hat. Wieder setzen sich die beiden Männer auf den Boden, schließen die Augen und beginnen mit ihrer Meditation.
Als sie sich wieder regen, haben die Frauen aus den Nachbarsegmenten Essen herübergereicht und wir lassen uns das Regenwald-Essen aus Maniok und Kochbananen, gekochten Maden und Papaya schmecken. Dabei berichten die Hwamape -Besucher- was sie während ihrer Meditation herausgefunden haben.
"Die damalige Minengesellschaft hat das Gelände mit allen Aufbauten, Fahrzeugen und Maschinen billig an einen Konkurrenten abgegeben. Sie hat allerdings auch davor gewarnt, dass in dem Gebiet Myriaden von Insekten in Wolken auftreten können. Nun haben wir es also mit einer anderen Gesellschaft zu tun, die auch noch mit modernstem Arbeitsgerät die Mine auszubeuten gedenkt."
"Sollten wir dann nicht frühzeitig gegen sie vorgehen? Bevor sie die Flüsse verseuchen..." frage ich.
Der ältere der Neuankömmlinge schaut ernst und schüttelt dann den Kopf.
"Hört mich an!" spricht nun der ältere der Mönche. "Lasst sie ihr Geld in die Renovierung der alten Mine stecken. Wenn die Mine ihre Arbeit aufnimmt, beginnen wir mit den Gegenmaßnahmen! - Unsere Philosophie ist: Jeder hat das Recht, sein Leben zu gestalten, wie er will. Erst wenn wir uns gegen die Machenschaften der Minengesellschaft verteidigen müssten, treten wir in Aktion."
*
"Papa, ich habe im Urihi -Erdenwald- zwei Männer gesehen, mit einem flachen Stein in der Hand, wie dieser hier!"
Dabei zeigt sie auf das internetfähige Handy.
"Wie waren diese Männer gekleidet?" frage ich sie.
"Sie sehen aus wie wir," meint sie, mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck. "Und einer der Beiden ist so alt wie Opa."
"Wir werden auf die Hwamape -Besucher- warten, denn anscheinend finden sie sich allein im Urihi zurecht," entscheide ich.
Gut zwei Stunden später treten sie in das Rund des Shabono -Dorfes- und werden sogleich von immer mehr Kindern umringt, die sie überall anfassen, schwatzen und lachen.
Sie lassen diese 'Begrüßung' stoisch über sich ergehen. Der Chef der Jäger, der Häuptling, die Schamanin und ich nähern uns den Ankömmlingen. Ich erkenne in den Männern die Besucher aus dem buddhistischen Kloster in Japan wieder, die uns auch damals beigestanden haben. Beide können sich mit uns auf Yanomam verständigen.
Sie werden zum Wohnsegment des Häuptlings geführt. Ich hole schnell die Steuerung der Drohne hinzu und dann spiele ich ihnen den SD-Speicher vor. Sie können auf diese Weise miterleben, was die Drohne in den letzten Wochen in Erfahrung gebracht hat. Wieder setzen sich die beiden Männer auf den Boden, schließen die Augen und beginnen mit ihrer Meditation.
Als sie sich wieder regen, haben die Frauen aus den Nachbarsegmenten Essen herübergereicht und wir lassen uns das Regenwald-Essen aus Maniok und Kochbananen, gekochten Maden und Papaya schmecken. Dabei berichten die Hwamape -Besucher- was sie während ihrer Meditation herausgefunden haben.
"Die damalige Minengesellschaft hat das Gelände mit allen Aufbauten, Fahrzeugen und Maschinen billig an einen Konkurrenten abgegeben. Sie hat allerdings auch davor gewarnt, dass in dem Gebiet Myriaden von Insekten in Wolken auftreten können. Nun haben wir es also mit einer anderen Gesellschaft zu tun, die auch noch mit modernstem Arbeitsgerät die Mine auszubeuten gedenkt."
"Sollten wir dann nicht frühzeitig gegen sie vorgehen? Bevor sie die Flüsse verseuchen..." frage ich.
Der ältere der Neuankömmlinge schaut ernst und schüttelt dann den Kopf.
"Hört mich an!" spricht nun der ältere der Mönche. "Lasst sie ihr Geld in die Renovierung der alten Mine stecken. Wenn die Mine ihre Arbeit aufnimmt, beginnen wir mit den Gegenmaßnahmen! - Unsere Philosophie ist: Jeder hat das Recht, sein Leben zu gestalten, wie er will. Erst wenn wir uns gegen die Machenschaften der Minengesellschaft verteidigen müssten, treten wir in Aktion."
*
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories