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Freitag, 11. Oktober 2024
Neue Philosophie -41
Denchuu-San erklärt nun, dass sie beide meditieren und dabei ihren Geist wandern lassen wollen. So wollen sie in Erfahrung bringen, was sich aktuell in der Mine tut. Nach einer Weile erwachen sie wieder aus der Meditation und klären die Yanomami darüber auf, was sie gesehen und gehört haben. Dabei mahnen sie zur Ruhe. Man dürfe niemals angreifen, sondern sich nur verteidigen.

Der Chef der Jäger verspricht, dass sie ihre Jagd-Expeditionen ab jetzt auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfes abhalten wollen. Dann legen sich alle in die Hängematten und die Besucher spannen noch Moskito-Netze darüber. Draußen ist es schon dunkel geworden.

Der weiße Yanomami lässt am folgenden Morgen wieder die Drohne fliegen und nähert sich damit der Mine. Sie sehen das, was sie in den letzten Wochen schon beunruhigt hat: Neue Aktivitäten in der Mine. Die zwanzig Jahre alten Gebäude und der Zaun werden durch neue ersetzt. Die Maschinen und Geräte werden auseinandergenommen, gereinigt und wieder zusammengesetzt. Pflanzen, mit denen der Regenwald die Mine in der Vergangenheit zurückerobert hat, werden gerodet und verbrannt.

Unsere Leute versinken anschließend wieder in tiefer Meditation und lassen ihren Geist fliegen. Sie schauen sich die Mine durch die Augen von Mitarbeitern der Mine an und hören zu, über was die Leute reden. Nach einiger Zeit kommen sie wieder aus der Meditation und berichten den Yanomami, was sie gesehen und gehört haben.

Die Wachmannschaft der Mine besteht dieses Mal aus Yanomami, die zu einem südlicher lebenden Stamm gehören. In deren Nähe existiert schon seit Jahrzehnten eine Missionsstation, daher sind sie in T-Shirt und Shorts gekleidet. Mit viel Geld hat man sie für den Job geködert und an modernen Waffen ausgebildet.

Wie vereinbart, jagen die Yanomami in der nächsten Zeit in dem der Mine abgewandten Gebiet, um möglichst keine Berührung mit den Leuten aus der Mine zu erhalten. Zwar hoffen wir alle darauf, dass die Wachmannschaft in der Nähe der Mine bleibt, wie das frühere Sicherheitspersonal, aber wir sind uns nicht sicher, da die Wachmannschaft diesmal aus Yanomami besteht. Sie gehören wohl einem anderen Volk an, sind aber sicher auch mit Urihi -Regenwald- vertraut.

Eine Dorfbewohnerin könnte man nach den Erzählungen durchaus als 'Mogli' bezeichnen. Die junge Frau heißt Waitheri, was 'furchtlos' bedeutet. Ihr Name scheint Programm zu sein, denn wenn sie in den Urihi -Erdenwald- geht, spricht sie mit vielen Tieren. Sie hat keine Angst vor den Tieren, sondern Respekt, sagt sie. Das ist zwar eine Eigenschaft, die man bei allen Yanomami hier im Dorf beobachten kann, und Mister Potter, den sie hier 'Big Forehead' -hohe Stirn- nennen, berichtete früher unseren Männern auch schon einiges über seine Yanomami-Frau. So ist es kaum verwunderlich, dass Waitheri, die Tochter der Beiden, einen ebensolchen Charakter zeigt.

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Dienstag, 8. Oktober 2024
Neue Philosophie -40
Am Abend des Tages erreichen sie das Palisaden-Rund und suchen die Aussparung. Nach einer halben Stunde gehen sie in das Dorf und treten auf den Zeremonienplatz. Auf dem letzten Stück ihrer Wanderung haben sie gespürt, dass sie beobachtet werden. Es ist eine junge Frau aus dem Dorf, die fähig ist, mit dem Regenwald zu verschmelzen. Ihre Augen können die Yanomami-Frau jedenfalls nicht erspähen.

Auch hier kommen von überall her Kinder auf sie zugelaufen. Neugierig fassen sie alles an. Sie schwatzen und lachen. Chisei Denchuu kennt diese Art der Begrüßung Fremder und lässt sie stoisch über sich ergehen. Ein feines Lächeln umspielt seinen Mund, während sein neuer Schüler nervös reagiert, obwohl dies für ihn schon das zweite Yanomami-Dorf ist.

"Ruhig, Bruder!" versucht er seinen Schüler zu beruhigen.

Da kommen auch schon vier erwachsene Yanomami auf Beide zu. Drei Männer und eine Frau sind es, wovon ein Mann von der Haar- und Augenfarbe her eigentlich nicht zu den Indigenen zählen kann. Es sind der Chef der Jäger - oder auch Krieger - dieses Ortes, der Häuptling, die Schamanin, und eben jener untypische Yanomami.

Der Häuptling begrüßt sie und lädt sie zu seinem Wohnsegment ein. Dazu muss man sagen, dass die Begrenzung eines Yanomami-Dorfes die Palisade bildet, die rund bis oval ausgeführt sein kann. Der Raum innerhalb der Palisade ist von der Vegetation freigeräumt und bildet den Platz, auf dem Zeremonien durchgeführt werden und Beratungen stattfinden können. Vielleicht zwei und einhalb Meter innen vor der Palisade hat man im Abstand von ebenfalls etwa zwei Metern dünne Stämme in den Boden gerammt und ein Dach aus Bananenblättern von der Palisade zu den dünnen Stämmen gelegt.

Die Yanomami haben nun in gewissen Abständen Kochfeuer unter dem Dach entzündet, um die sich die Familien scharen, oder über denen sie ihre Hängematten des Nachts aufhängen. Es gibt keine Trennwände zwischen den Familien und so hat man tagsüber auch keine Ruhe. Ständig kommt Besuch, der irgendetwas zu erzählen weiß, über das man lachen kann. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen bei den Yanomami. In Häusern der Weißen, die die Familie von der Außenwelt abtrennt, könnten sich die Yanomami sicher nicht wohlfühlen.

Nun nehmen sie also die Einladung des Dorfältesten an und gehen zu dem Wohnsegment, das dieser mit seiner Frau, der Schamanin, bewohnt. Der untypische Yanomami macht einen Umweg zu seinem Wohnsegment und bringt ein Gerät mit einem kleinen Monitor herbei.

Nun sitzen alle beieinander und essen zu Abend. Dabei erhalten sie den Inhalt der Speicherkarte vorgespielt. Bei diesem Gerät handelt es sich um die Steuerung der Drohne, mit der die Yanomami die Vorgänge bei der Mine beobachten, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Chisei Denchuu hat es ihnen vor zwanzig Jahren geschenkt, und es funktioniert immer noch.

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Samstag, 5. Oktober 2024
Neue Philosophie -39
Etwa zwanzig Jahre ist Ruhe im nördlichen brasilianischen Regenwald am Orinoko. Wir haben uns zwischenzeitlich um andere indigene Völker auf der Erde kümmern können. Plötzlich erreicht uns eine Nachricht über Skype, dass sich in der Mine, die jetzt zwei Jahrzehnte stillgelegen hat, wieder etwas tut.

Chisei Denchuu erklärt sich in unserer Ratsversammlung bereit, noch einmal dorthin zu fliegen und nach dem Rechten zu sehen. Damals sind es einfach nur widerstreitende Interessen gewesen: Eine Minengesellschaft hat den Urwald an einer geologisch vielversprechenden Stelle gerodet und einen Tagebau in die Erde gegraben. Ihre Abwässer haben sie in einen Fluss geleitet und damit ein Fischsterben verursacht.

Auf der anderen Seite die Yanomami, die dort siedeln: Sie fühlten sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt und ihrer Lebensgrundlage teilweise beraubt. Ganz klar, dass sie dagegen vorgegangen sind. Aber was können schon Speere und Pfeile gegen moderne Waffen ausrichten?

Damals, zwanzig Jahre zurück, ist Chisei Denchuu mit seinem Schüler dorthin gereist und hat den Indigenen gegen die moderne Industrie geholfen, in dem Beide mittels tiefer Meditation zu Reiki -Lebenskraft- vorgedrungen sind. Sie haben vorübergehend die Kontrolle über die Tiere des Regenwaldes übernommen und mit deren Hilfe die Minengesellschaft zum Rückzug gezwungen.

Wir haben im Internet recherchiert und ermittelt, dass der damalige Besitzer der Mine sie an eine andere Prospektoren-Gesellschaft verkauft hat. Mit dem Gefühl, dass jetzt anscheinend alles wieder von vorne losgeht, ist Chisei Denchuu mit einem neuen Schüler an seiner Seite nach Brasilien geflogen.

Nachdem die Beiden in Boa Vista, der Hauptstadt der Provinz Roraima, gelandet sind, kaufen sie in einem Ethno-Shop einen typischen Einbaum der ortsansässigen indigenen Bevölkerung. Anschließend lassen sie sich mit einem Landrover an den Orinoko bringen, das Thomoro -Kanu- auf dem Autodach festgezurrt.

Beim Orinoko angekommen, schicken sie den Mietwagenfahrer mit seinem Fahrzeug wieder zurück und lassen das Kanu zu Wasser. Nun paddeln sie ein paar Kilometer und gehen im Schutz einer Baumgruppe wieder ans Ufer. Hier öffnen sie ihre Backpacks und verstauen ihre Kleidung darin. Stattdessen ziehen sie sich Lendenschurze an und behängen sich mit bunten Ketten. Ihre Moskito-Netze kommen obendrauf, dann verschließen sie ihre Backpacks wieder.

Die restliche Strecke legen sie als ‚Yanomami‘ getarnt zurück. Dabei müssen sie ein paar Stromschnellen über Land umgehen. Hierbei schiebt einer das Thomoro -Kanu- über den Boden, während der andere vorne zieht. Wie damals vor zwanzig Jahren erkennen sie nach einer mehrtägigen Reise ein Yanomami-Dorf am Ufer. Sie steigen aus und ziehen das Kanu an Land. Da sie nach Yanomami-Art unter großem Hallo begrüßt worden sind, übernachten sie in dem Dorf und übergeben den freundlichen Menschen das Thomoro in Verwahrung.

Am nächsten Morgen verabschieden sie sich von den Yanomami, um tiefer in den Regenwald vorzudringen. Chisei Denchuu hat ein internetfähiges Handy und aktiviert nun eine App, die sie zu einer eingespeicherten Koordinate bringt. Das Ziel-Dorf sollte sich schließlich immer noch an der gleichen Stelle befinden.

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