Mittwoch, 9. März 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -44
Am Morgen des Tages nach unserem Picknick, und nachdem wir den restlichen Tag uns nicht mehr gesehen haben, weil ich unterrichten musste und mich danach mit meiner Schwester Anne und schließlich noch mit Dad über meine Gefühle und deren Konsequenzen ausgetauscht habe, bringe ich Lama Gyana kurz bevor er zum Frühstück geht ein Tablett mit hawaiianischer Kost. Ich habe es in der Küche zusammenstellen lassen und finde ihn meditierend vor seiner Couch. Bei meinem Näherkommen öffnet Lama Gyana die Augen und schaut mir lächelnd entgegen.

"Ich habe ein landestypisches Essen für dich," sage ich. "Ich möchte mit dir alleine sein, frühstücken und reden."

"Gerne," antwortet Lama Gyana und lächelt mich an, während ich das Tablett auf den Couchtisch zwischen uns stelle.

"Ich mag es sehr, einen Freund wie dich an meiner Seite zu haben, der mich in allem unterstützt," beginne ich dann. "Wenn ich in mich hineinhorche, fühle ich tiefe Zuneigung für dich. Ja, ich sehne mich nach deiner Nähe."

Er schaut mich von der anderen Seite des Tabletts lange an. Seine Augen strahlen. Lama Gyana umfasst meinen Nacken über den Couchtisch hinweg und beugt sich mir entgegen. Es folgt ein langer und inniger Kuss. Etwas atemlos in seinen Armen liegend, ergänze ich:

"Mein Siddharta! Mein Prinz!"

Nachdem er mich losgelassen hat, sage ich:
"Gib der Liebe Zeit zu wachsen. Es ist nicht einfach! Wir leben in einer harten Welt. Du bist ein Lama. Aufgrund deiner Abstammung gebürt dir hoher Respekt. Du lässt dich 'Seine Eminenz' nennen. Ich bin einfache Gelongma -Nonne- und helfe meinem Dad im Management der Foundation."

"Du empfindest genauso wie ich? Die Titel, mit denen mich die Menschen ansprechen, sind mir gleichgültig! Wichtig sind der gegenseitige Respekt und beiderseitige Gefühle! Die Foundation managen wir mit deinem Dad gemeinsam," antwortet er.

Nach etwa einem halben Jahr lasse ich ihn das erste Mal in meinem Zimmer übernachten. Anfangs hat er mich schüchtern gestreichelt. Ich habe seine Hand geführt. Irgendwann rückt er nahe an mich heran und legt seine Hand um meine obenliegende Schulter. Ich flüstere:

"Ich weiß gar nicht, wie lange es her ist, dass mich jemand so lieb festgehalten hat."

Er legt seine Wange auf meine und antwortet:
"Du siehst wunderschön aus!"

Nun drehe ich mich auf den Rücken und gebe ihm einen Kuss.

"Das macht die Liebe, Gyana" sage ich, glücklich lächelnd.

*

Wir weihen Dad ein. Er lächelt und verspricht, uns gerne bei den Vorbereitungen unserer Hochzeit zu helfen. Neben der standesamtlichen Hochzeit muss es eine buddhistische Hochzeit sein, schließlich bekleidet Gyana einen hohen Rang im tibetischen Buddhismus.

In den folgenden Wochen planen wir unsere Hochzeit. Im Buddhismus gilt eine Verbindung zwischen Mann und Frau als etwas überaus Kostbares. Ein Sakrament wie im Christentum ist die Eheschließung jedoch nicht. So wird die buddhistische Hochzeitsfeier eher als eine soziale als eine religiöse Feier betrachtet.

Spezielle Vorgaben oder Ratschläge Buddhas zu Trauung und Ehe gibt es nicht. Buddha hat jedoch empfohlen, dass sich die Eheleute respektieren und eine gleichberechtigte Partnerschaft eingehen sollen.

Um sich sinnvolle Ratschläge für das Leben in der Ehe geben zu lassen, kann ein normales Brautpaar einen Lama hinzuziehen. Der Lama erteilt auch den Segen für die Beziehung. Khenchen Lama Rinpoche hat einmal von einem Engpass in dieser Hinsicht in Deutschland vor Jahrzehnten berichtet. Bei unserer Hochzeit gibt es nun überhaupt keinen Mangel an Lamas.

Daddy könnte die Trauung leiten. Gyanas Bruder könnte es. Lama Khön Trizin als Trüku der Sakya-Schule hätte sogar den höchsten Rang und wäre somit derjenige, dem wir die Ehre erweisen sollten, ihm die Leitung anzutragen. Schließlich käme noch Khenchen Lama Rinpoche infrage, weil Seine Heiligkeit Lama Trizin in diesem Fall zur Familie gehört.

Gyana löst mein Dilemma mit der Entscheidung, alle hohen Lamas einzuladen und ihnen die Entscheidung zu überlassen. Also schicken wir formelle Einladungen nach Europa. Wie die Hochzeit im Einzelnen normalerweise abläuft, erklärt mir Gyana folgendermaßen:

"Vor der Hochzeit bittet der zukünftige Ehemann die Eltern seiner Braut um die Hand ihrer Tochter und schenkt ihnen Hadas, weiße seidene Schals. Nehmen sie die Hadas an, sind sie mit dem Antrag einverstanden und verfassen einen Heiratsvertrag. Vor dem Hochzeittag erhalten die Verwandten der Braut vom Bräutigam Handschmuck, Kopfschmuck sowie Kleidung.
Am Hochzeitstag legen Brautpaar und Gäste reich verzierte volkstümliche Kleidungsstücke an. Vor der Lokalität werden die Gäste von den Angehörigen und Freunden des Paares erwartet. Die Gäste nehmen zuerst Platz. Anschließend betritt das Brautpaar die Lokalität, gefolgt von ihren Eltern."

"Hm, heutzutage darf doch sicher jeder tragen, was ihm angemessen erscheint, nur das Brautpaar sollte sicher die reichverzierten volkstümlichen Kleidungsstücke tragen?" frage ich Gyana.

Er nickt lächelnd und antwortet:
"Aber natürlich, Liebste!"

"Dann fällt die Zuteilung an Kleidung für den Bräutigam weg!" sage ich.

Gyana nickt und fährt in seinen Erklärungen fort:
"Vom Lama, der die Zeremonie leitet, wird nun die Hochzeit für eröffnet erklärt. Er verliest weise buddhistische Worte. Von den Gästen erhält das Hochzeitspaar währenddessen je einen Hada überreicht. Anschließend darf getanzt werden. Um sich bei den Gästen zu bedanken, verteilt das Brautpaar nun Wein und Hadas an sie."

"Du hast eben von einer 'Lokalität' gesprochen," frage ich ihn, "was zählt alles dazu?"

Gyana lächelt und antwortet:
"Früher war es die Jurte. Heute, in modernen Zeiten, darf es auch ein Restaurant oder Tanzlokal sein. Bei der normalen Bevölkerung sind auch Restaurants mit Selbstbedienung beliebt. Ebenso sind moderne Tänze und Lieder üblich. Zur Krönung gibt es dann ein üppiges Festmahl. So eine Hochzeit kann mehrere Tage in Anspruch nehmen. Zum Abschied findet wieder eine Zeremonie statt."

*

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