Donnerstag, 10. März 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -45
Wir haben uns im Internet schlau gemacht und verschiedene Restaurants besucht. Schließlich haben wir uns für das Morimoto Asia Waikiki entschieden, denn das Restaurant ist wunderbar gelegen, um auch die 'Heimführung der Braut' symbolisch zu gestalten und dabei in der Moderne zu bleiben.

Seit der Explosion der Privatmaschine durch eine chinesische Rakete, abgefeuert aus einem Klein-Uboot, während des Landeanfluges - damals als Daddy seine Yong Tai heiraten wollte -, hat Papa keine Eltern mehr. Aber da gibt es noch seine Tante und deren Tochter, die inzwischen ebenfalls Kinder hat.

Auch Khenchen Lama Rinpoches Mutter lebt noch. Sie und Tante Alice sind miteinander befreundet, aber schon über achtzig Jahre alt. Beide ehrwürdigen alten Damen kann man die weite Reise nicht mehr zumuten. Dafür soll die Hochzeit fotografiert und streckenweise gefilmt werden.

Khenchen Lama Rinpoche hat sein Kommen zugesagt, wie auch Cousine Ruth mit Familie. Von Gyanas Seite ist Trülku Khön Sakya Trizin mit Frau und Kindern dabei. Alle Gäste aus Übersee kommen mit Touristen-Maschinen im Kona International Airport an. Von dort bringen wir sie nach einer herzlichen Begrüßung zum Internat und dort in Gästezimmern unter.

Die älteren Mitglieder unserer Familien haben sich viel zu erzählen. Da tritt der Grund ihrer Reise erst einmal in den Hintergrund. Wir bewirten unsere Gäste zuvorkommend und lassen sie sich ein paar Tage akklimatisieren.

Ein Gesprächsthema wird zu einer längeren Erzählung, bei der die halbwüchsigen Kinder von Daddys Cousine Ruth mit offenem Mund an Seiner Heiligkeit Lama Rinpoches Worten hängen. Ruths Mann, Onkel Stefan, fragt Lama Rinpoche nämlich nach der Wiedergeburt.

"Jetzt kann ich Ihnen endlich einmal, die Frage stellen, die mir auf der Zunge liegt, seit meine Schwiegermutter davon erzählte: Wie konnte man in Ihnen die Wiedergeburt eines verstorbenen Tibeters feststellen?"

Seine Heiligkeit stutzt einen Moment und schaut seinem Gegenüber in die Augen:

"Lama Dorje war der letzte Schüler des Lamas Sherab, bevor dieser starb. Lama Sherab hat da schon länger davon gesprochen, dass er einmal nach Europa will, um dort zu lehren. Nun hat Lama Dorje verschiedene Klöster in Europa angefragt, ihm zu helfen. Lama Tobgyel im deutschen Kloster hat ein Indiz entdeckt, das ihm so stark vorkam, dass es für ihn Grund genug war, Lama Dorje in Nepal mit einem Telegramm darüber zu informieren.
Lama Dorje ist nach Deutschland gereist, um den gefundenen Jungen einem ersten Test zu unterziehen. Dieser Test fiel positiv aus. Das hätte aber Zufall sein können. Also bat er die Mutter des Jungen, ihn in Nepal weiteren Tests unterziehen zu dürfen.
Auf Anraten, oder durch Überreden - wie man es sehen will -," Lama Rinpoche lächelt, "der Mutter des Jungen durch ihre beste Freundin, unternahmen Mutter und Sohn die weite Reise und es folgten weitere Tests."

"Was waren das für Tests?" fragt Onkel Stefan.

"Der Fifty/Fifty-Test in Deutschland war: Erkennt der Junge die alte Reisschale von Lama Sherab zumindest als etwas Besonderes, oder nicht. In Nepal sollte der Junge aus vier gleichen Mönchshüten den des Lama Sherab herausfinden. Auch das klappte auf Anhieb, ohne dass der Junge in dem Moment wusste, was er da tat. Dann wurde von der Versammlung der Lamas das Orakel befragt."

"Oh," macht Onkel Stefan. "Seitdem galten Sie als die Wiedergeburt?"

"Ja," antwortet Lama Rinpoche einfach. "Allerdings stand ich in den folgenden zehn Jahren in der Klosterschule unter besonderer Beobachtung. Die Beurteilungen der Lehrer wurden gesammelt, um ein Abschlusszeugnis schreiben zu können, wie bei jedem anderen Schüler auch. Aufgrund dieser Beurteilung hat man mich zum Lama ernannt, mich nach Deutschland zurückbeordert und dort die Leitung der Klosterschule übertragen."

"Hm," meint Onkel Stefan nun. "Da mussten Sie sicher hervorragende Leistungen gezeigt haben?"

"Sagen wir einmal so," sagt Lama Rinpoche lächelnd. "Meine Lehrer hielten große Stücke auf mich."

"Wie soll ich mir überhaupt eine Wiedergeburt vorstellen?" fragt Onkel Stefan nun.

Lama Rinpoche kräuselt die Stirn, antwortet aber freundlich:

"Für Menschen aus dem christlichen Kulturkreis scheint es da ein Problem zu geben. Sie glauben, das Leben ist eine Einbahnstraße von der Geburt zum Tod. Sehr religiöse Christen stellen sich eine Existenz nach dem Tod so vor: Bei untadeliger Lebensweise kommen sie in den Himmel, sündhafter Lebenswandel bedeutet das Fegefeuer, und schwere Verbrechen hätten die Hölle zum Ziel.
Für Buddhisten ist der Tod nicht das Ende. Geht ein Buddhist durch untadelige Lebensweise und Meditation nach seinem Tod ins Nirwana über, hat er einen Zustand erreicht, wie der 'Einzug ins Paradies' für Christen. Da wir aber alle Menschen sind, und als solche fehlerhaft, müssen wir nach unserem Tod ein neues Leben durchleben. Das christliche Synonym wäre hier das 'Fegefeuer'. Eine Hölle kennen wir nicht."

"Ah," fragt Onkel Stefan, und ignoriert die Rippenknüffe von Tante Ruth. "Kann dann also jeder Verstorbene im Körper eines jungen Menschen der nächsten Generation wiederentdeckt werden?"

Lama Rinpoche schüttelt den Kopf und antwortet, höflich lächelnd:

"Ob nun Pflanze, Insekt, Fisch, Reptil oder Säugetier, wozu letztlich ja auch der Mensch gehört - wir wissen nicht wie die Seele sich nach dem Tod ihre neue Hülle sucht, und welche es werden wird. Wir wissen nur, das Lebewesen muss im Todeszeitpunkt gezeugt worden sein. Dann wird es geboren, lebt bei seinen biologischen Eltern, und mit viel Glück wird die Seele von früheren Weggefährten entdeckt. Wenn das neue Lebewesen dann noch die Prüfungen besteht, sind seine früheren Weggefährten sicher, ihren alten Weggefährten wiederentdeckt zu haben, was sie überaus glücklich macht!"

Hier nun lässt Onkel Stefan das Thema zur Ruhe kommen. Tante Ruth sagt zu ihm, er solle doch einmal nach Daniel und Miriam schauen, die irgendwann aufgestanden sind.

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