Donnerstag, 31. März 2022
Lama Rinpoche -05
Ich, Dennis, soll die Wiedergeburt eines bedeutenden Lamas aus Nepal sein. Interessehalber habe ich ab und zu in mich hineingehorcht, aber da hat sich nie jemand anderes gemeldet, um mir "Hallo" zu sagen.

Genaueres kann ich anscheinend erst dort an seiner alten Wirkungsstätte erfahren. So aufgeregt, wie ich bin, wache ich schon in aller Frühe im Flugzeug wieder auf. Unwillkürlich schaue ich aus dem Kabinenfenster nach draußen. Was ich sehe, ist vollkommen überwältigend. Viele Berggipfel unter uns durchstoßen die Wolkendecke.

"Wow!" entfährt es mir und ich wende mich Mama neben mir zu.

Sie schläft noch, also rüttele ich sie wach.

"Schau mal!" versuche ich sie anzusprechen, doch sie brummt nur im Halbschlaf.

Also drängele ich mich an ihr vorbei und gehe ein paar Sitzreihen vor, zu den Mönchen. Auch sie scheinen zu schlafen. Ich ziehe dem jungen Mann am Ärmel und rüttele daran. Er öffnet die Augen und grüßt mich lächelnd:

"Guten Morgen, Dennis."

"Schau mal die Berge da draußen!" fordere ich ihn auf. "Das ist einfach nur 'Wow'!"

"Ja," bestätigt er. "Die Natur ist überwältigend. Wir müssen sie schützen!"

Nun nicke ich mit dem Kopf in Richtung Lama Dorje und frage:

"Schläft der Lama noch?"

Peter schüttelt lächelnd den Kopf und antwortet:
"Lama Dorje meditiert."

"Meditiert... Was ist das?" frage ich mit verständnisloser Miene.

Geduldig erklärt mir Peter, der junge deutsche Mönch:
"Es ist ein Zustand völligen Entspanntseins. Du machst dich von Allem frei. Dein Geist ist wie ein Vogel. Dann siehst du deine Gedanken wie dahinziehende Wolken... Wenn wir alle vollkommen wären im Meditieren, würden wir wohl alle erleuchtet werden."

Sofort bin ich aufgeregt:
"Das kenne ich! Ich habe schon oft auf der Wiese hinter dem Haus gelegen und in den Himmel geschaut! Dabei habe ich mir vorgestellt, was die Form der einen oder anderen Wolke bedeuten könnte."

"Siehst du," antwortet Peter lächelnd. "Ein weiteres Indiz, dass du in deinem früheren Leben einmal meditiert hast."

Dann kommt eine Durchsage, dass wir uns wieder anschnallen müssen. Ich laufe schnell zu meinem Sitz zurück. Mama wacht dadurch auf. Eine Flugbegleiterin kommt vorbei und überprüft, ob alle angeschnallt sind. Kurz darauf landen wir.

Während wir auf unsere Abfertigung warten, erklärt uns Peter:

"Kathmandu hat gut 1 Million Einwohner und liegt in einem breiten Tal. Die Straßen sind staubig - und bunt! Über unseren Köpfen könnt ihr in der Stadt Elektrokabel wie Spinnweben zwischen den Häusern hängen sehen. Die Häuser haben weder Frischwasser- noch Abwasserleitungen, sondern Tankwagen bringen das Wasser und füllen einmal im Monat die Haustanks mit Frischwasser auf. Trinkbares Wasser kann man in Plastikflaschen kaufen. Ihr seht bald an jeder Ecke einen Verkaufsstand oder eine Garküche, oder es steht ein Tempel für einen der vielen hinduistischen Götter dort. Nur wenige Völker der Welt feiern so viele Feste wie die Nepalesen."

Beim letzten Satz zwinkert uns Peter zu und lächelt.
Als wir das Flughafengebäude von Katmandu verlassen können, geht Lama Dorje auf so einen dreirädrigen Transporter zu. Er redet mit dem Mann und dieser macht seine Ladefläche soweit frei, dass wir hinten aufsteigen können.

Neugierig schaue ich mich um, als wir das Flughafengelände verlassen. Die Leute sind bunt gekleidet. Tatsächlich hängen schwarze Kabel kreuz und quer über der Straße, mal zu wenigen, mal in ganzen Bündeln. Und die vielen Statuen fallen mir auf. Sitzende Buddhas kenne ich nun ja schon. Aber da gibt es noch so viele andere Figuren. Nach nicht ganz einer halben Stunde verlassen wir die Stadt auf einer Straße mit spärlichem Pflanzenwuchs rechts und links daneben. Immer wieder begegnen wir bunten Bussen und Lastwagen mit Gardinen in den Fenstern.

Wir fahren den ganzen Tag bis wir eine Herberge erreichen. Unterwegs hat der Mann ungefähr alle Stunde ein paar Minuten angehalten, weil Mama der Hintern weh getan hat. Peter hat dann mit ihr Stretch-Gymnastik gemacht.

Schnell ist der Transporter nicht gewesen. Vielleicht ungefähr so wie die Mopeds der großen Jungs bei uns zuhause. Am nächsten Morgen steigen wir wieder auf den Transporter, obwohl Mama fragt:

"Muss das sein?"

Wie der erste Tag verlaufen ist, geht das fast drei ganze Tage. Am letzten Tag erreichen wir ein großes Haus an einem Berghang. Es sieht von außen fast genauso aus, wie das buddhistische Kloster in unserer Stadt, denn es strahlt auch in Weiß und hat einen breiten braunen Streifen kurz unter dem Dach. Eine breite Treppe führt hinauf zum Eingang. Der Fahrer des Transporters verabschiedet sich nun mit vielen Verbeugungen von uns.

Wir steigen die Treppe hinauf und betreten die Eingangshalle. Es sieht hier fast so aus, wie in dem Kloster zuhause. Ich frage Peter:

"Darf ich die Gebetsmühlen drehen?"

"Ja, aber nur rechts herum," ermahnt er mich lächelnd.

Ich lasse meine Tasche fallen und laufe zur nächsten senkrechten Rolle mit den fremden Zeichen außen drauf und drehe sie. Dann laufe ich von einer zur anderen und stoße sie alle an. Dabei erreiche ich einen offenen Wanddurchbruch, durch den ich eine Schar Jungs in roten Gewändern Ball spielen sehe. Ich schaue fragend zu Mama und Peter. Peter ermuntert mich lächelnd:

"Los, geh schon, wenn du keine Furcht hast!"

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