Donnerstag, 11. April 2024
Keltische Druiden -50
Wieder sind viele Lenze ins Land gegangen. Atta -Papa- ist alt geworden. Ich glaube, er ist inzwischen fast doppelt so alt, wie die meisten Bauern in unserem Dorf. Ich, Aileen, bin nun in den Vierzigern. Die Bauernburschen aus unserem Dorf sind für mich nicht heiratsfähig, da sie zu nahe mit uns verwandt sind. Wir haben zu den Festen im Jahreslauf oft Gäste aus den umliegenden Dörfern bei uns gehabt. Auch sind wir zu Besuch dort gewesen.

Für mich persönlich haben die Feste neben der rituellen Bedeutung auch die Möglichkeit geboten, andere Bauernburschen kennenzulernen. Leider hat keiner der Burschen um mich gefreit. Hafren und Ulik haben dagegen Partner gefunden. Hafren ist zu ihrem Mann in ein anderes Dorf gezogen und betätigt sich dort als Kräuterfrau. Sie hat viel von Mamaí gelernt und nutzt ihr Wissen in ihrer neuen Heimat, um den Menschen zu helfen.

Ulik hat sein Haus direkt an unseres angebaut und wird später das Anwesen erben. Meine beiden Geschwister haben Kinder. Uliks Kinder sind oft bei uns und lauschen den Erzählungen ihres Großvaters, der viel über unsere Götterwelt weiß. Mamaí und ich führen wie eh und je Papas Haushalt. Wenn einer der Dörfler kommt und Hilfe sucht, geht Mamaí mit.

Ich glaube Papa dürfte um die 90 Jahre alt sein, als er spürt, dass es mit ihm allmählich zu Ende geht. Sein Körper macht immer mehr Probleme. Unsere pflanzlichen Mittel helfen nicht mehr so gut. Eines Nachmittages ruft er mich zu sich. Ich setze mich neben sein Lager und halte seine Hand. Ich spüre, dass ihm meine unmittelbare Nähe guttut. Die Schwingungen, die ich spüre, werden ruhiger.

Wir glauben ja, dass mit dem Tod nicht das Ende gekommen ist. Der Körper stirbt zwar und verwest. Aber die ihn umgebende Seele lebt weiter und wird in einem anderen Wesen wiedergeboren - oder erhält Eintritt nach Folkwang, dem Sehnsuchtsort mit sattem Gras, bunten Blumen, Sonne und vielen bunten Schmetterlingen.

Seine Enkel, meine Neffen und Nichten, sind wieder einmal bei uns. Ich sende sie aus, ihre Eltern herbei zu holen. Mamaí mag ich nicht informieren. Sie soll sich um den Kranken kümmern, bei dem sie gerade ist. Als alle verfügbaren Kinder und Enkel um ihn versammelt sind, wird er lebhaft. Ich spüre, dass er versucht, sich hinzusetzen. Ich unterstütze seinen Rücken, indem ich eine Handvoll Stroh unterschiebe. Ulik sieht das und hilft mir, die Schlafstatt umzubauen.

Atta -Papa- schaut in die Runde, als er endlich sitzt. Ich spüre Irritation in ihm. Dann fragt er auch schon:

„Wo ist Venia?“

„Mamaí ist zu einem Kranken gelaufen,“ antworte ich und streiche mit dem Daumen sanft über seinen Handrücken.

Ich wende mich um und frage Ulik, ob er seinen Sohn sendet, die Großmutter zu holen. Er nickt und gibt seinem Sohn den Auftrag, der geschwind nach draußen läuft. Wenige Minuten später kommt Mamaí herein und nähert sich eilig Papas Krankenlager. Sie ist außer Atem, denn sie ist auch schon in den Siebzigern. Sie geht mir gegenüber auf die Knie und setzt sich auf ihre Fersen. Dann streckt sie ihre Hand aus und berührt seine Stirn.

Papa flüstert:
„Venia, meine Liebste! Mutter meiner Kinder.“

Seine Hand sucht ihre. Mamaí fasst zu und drückt sie sanft.

„Erin, mein Stern! Mein Lehrer und Vater meiner Kinder.“

Sein Kopf sinkt nach vorn. Mamaí hebt die Hand, so dass sie seinen Kopf stützt. Dann sinkt sein Körper in ihre Richtung. Mamaí beugt sich nun vor und bedeckt mit ihrem Oberkörper den seinen. Leise hört man sie schluchzen.

Jetzt hat Myrddins Dorf erst einmal seinen Richter und Schlichter verloren. Mamaí und ich werden uns weiterhin als Heilerinnen betätigen. Mein Bruder Ulik hat sein Steckenpferd vor Jahren schon in der Himmelsbeobachtung gefunden. Er weiß viel über die Sterne und kann daraus Vorhersagen treffen. In Zukunft muss er auch Streit im Dorf schlichten und über Missetaten richten, denn nun ist er das neue Familienoberhaupt.

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