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Samstag, 9. April 2022
Lama Rinpoche -14
mariant, 12:47h
Wir haben über unsere Klosterschüler um weitere junge Frauen als Klosterschülerinnen geworben, die sich neben der buddhistischen Philosophie auch für das Nähen interessieren. Allmählich füllt sich Mamas Schneiderei.
Zuerst werden T-Shirts in verschiedenen Farben und Größen genäht, mit Yin-Yang-Symbol und Buddhas als Aufdruck. Diese stellen wir zunächst im Foyer unseres Klosters aus. Später bieten wir die T-Shirts einer Ethno-Boutique in der Innenstadt an. Dort fragt man uns bald nach anderen chinesischen Motiven, wie dem Drachen und Segenssprüchen in chinesischer Schrift. Als dann auch andere Kleidungsstücke mit den Motivdrucken nachgefragt werden, spezialisiert sich Mama auf die Drucke, Größen und Farben, die am meisten nachgefragt werden. Natürlich lässt Mama die Klosterschülerinnen auch für das Kloster nähen.
Mit den Buddhisten, die den Weg zu uns finden, machen wir den größten Umsatz, weil die Leute noch einmal eine Spende drauflegen, nachdem sie unsere Näherei besichtigt haben.
*
Wir sind erst wenige Wochen in Deutschland, als mich Alice, meine Freundin, besuchen kommt. Ich, Vanessa Bäcker, habe ihr vor ein paar Tagen geschrieben, dass wir aus Nepal zurückgekehrt sind und im Kloster unserer Heimatstadt wohnen. Meine Schneiderei ist inzwischen angelaufen und die Anfangsschwierigkeiten sind überwunden.
Nun sitzt sie mir in meinem Zimmer gegenüber, während ich ihr Tee und Gebäck serviere. Wir erzählen uns angeregt, wie es uns in den letzten zehn Jahren ergangen ist.
Alice, etwa vier Jahre jünger als ich, ist seit drei Jahren verheiratet und hat inzwischen eine einjährige Tochter. Stolz zeigt sie mir Bilder ihres Mädchens auf ihrem Handydisplay. Was ich ihr über Dennis erzähle, lässt sie große Augen machen.
"Soll ich mir das so vorstellen, als wäre Dennis jetzt so etwas wie ein Jedi-Ritter?" fragt sie erstaunt.
Wir haben früher die StarWars - Filme regelrecht verschlungen... Ich schüttele grinsend den Kopf und erkläre:
"Dinge per Geisteskraft bewegen, kann er nicht! Er besitzt auch kein Lichtschwert, mit dem er gegen das Böse kämpft. Aber er hat schon etwas von einem Jedi-Ritter. Das liegt daran, dass der Erfinder von StarWars, George Lucas, sich bei der Philosophie ein wenig am Buddhismus orientiert hat.
Besonders wenn Dennis die Lehrsätze des Buddhismus rezitiert und seine Entscheidungen danach ausrichtet. Dennis hat gelernt zu meditieren und ist danach immer total entspannt, bzw. reagiert gelassen auf seine Umwelt.
An seinem ersten Tag nach unserer Rückkehr hier im Kloster kam er abends zu mir und hat berichtet, dass der Abt dieses Klosters ihn zum Leiter der Klosterschule ernannt hat. So jung und schon so viel Verantwortung!"
"Wenn er der Aufgabe gewachsen ist, hat er Respekt verdient!" meint Alice und ergänzt: "Aber ich bin auch mit einem Anliegen gekommen. Du warst meine beste Freundin und bist es noch! Ich hätte dich so gern bei meiner Hochzeit dabeigehabt. Der Tag jährt sich in einem Monat zum dritten Mal und ich wollte ihn etwas größer feiern, als nur mit unseren Eltern zusammen. Die Hochzeit von damals quasi in kleinem Kreis nachholen. Ich habe mir gedacht, dass auch meine beste Freundin mit ihrem Sohn daran teilnehmen können."
Ich lächele dankbar und bestätige:
"Ich komme gerne! Dennis muss ich vorher fragen, ob sein Terminkalender einen freien Nachmittag zulässt. Ich denke schon."
*
Als der Termin der Feier herangekommen ist, fahren wir mit der Straßenbahn in Alltagskleidung zu dem Restaurant, dass uns meine Freundin Alice genannt hat. Sie, ihr Mann und ihre kleine Tochter sind schon dort.
Kurz nach uns kommen ihr Bruder mit Frau und elfjährigem Sohn an. Der Junge scheint mir etwas verzogen. Er lässt am Eingang des Saales seine Jacke fallen und stürmt auf seine Tante zu, um sie zu begrüßen. Seine Mutter bückt sich und hebt die Jacke auf, während ihr Mann schon den Saal betreten hat. Er hat die kleine Szene entweder nicht bemerkt oder geflissentlich übersehen, als ginge es ihn nichts an.
Alice stellt nun auch uns ihrem Bruder und seiner Familie vor. Noah, sein Sohn, horcht auf. Er spricht mich erstaunt an:
"Bist du ein Jedi-Ritter?"
Das finde ich lustig. Ich muss kurz lachen und strecke meine Hand nach dem Jungen aus, um ihm über das Haar zu streichen.
"Nein," erkläre ich und dehne, "aaaber vielleicht so etwas ähnliches!"
"Wow!" macht Noah und wendet sich an seinen Vater: "Kann der Mann mir beibringen, wie man jemand verprügelt?"
Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
"Noah!" ermahnt der Mann seinen Sohn. Danach wendet er sich mir zu und erklärt:
"Noah hat es nicht leicht in der Schule. Mobbing und Prügel, wissen Sie!"
Nun lege ich meine Stirn in Falten und meine:
"Solche Leute haben selbst Angst. Vorwärtsverteidigung nennt man das wohl. Das zeugt von einem schlechten Charakter dieser Jungs."
Mein Gegenüber nickt. Er schaut nach seiner Frau und sie besetzen ihre Sitzplätze, die Alice liebevoll mit Namensschildchen versehen hat. Auch wir schauen, wo wir uns setzen dürfen. Nacheinander kommen jetzt weitere Gäste an. Bald sind alle Plätze besetzt. Ich zähle 24 Personen. Das Restaurantpersonal beginnt das bestellte Menü aufzutragen und fragt jeden Gast nach seinem Getränkewunsch. Da uns niemand in der Runde kennt, bis auf Alices Eltern, muss Mama von unserem Auslandsaufenthalt erzählen.
Nach dem Essen wird noch Kaffee und Tee bestellt und die Gesellschaft sitzt bei weiterem Smalltalk zusammen. Die Kinder werden derweil auf den Spielplatz neben das Restaurant geschickt, damit sie sich austoben können und müde werden. Nur Noah mag nicht so recht vor die Tür gehen. Lieber würde er den Gesprächen der Erwachsenen lauschen. Ich habe den Eindruck, dass ihn besonders interessiert, was ich zur Unterhaltung beisteuere. Herr Mann, sein Vater, ermuntert ihn jedoch:
"Na, Noah, magst du nicht auch spielen gehen? Bei den Gesprächen unter Erwachsenen langweilst du dich doch bestimmt."
Zuerst werden T-Shirts in verschiedenen Farben und Größen genäht, mit Yin-Yang-Symbol und Buddhas als Aufdruck. Diese stellen wir zunächst im Foyer unseres Klosters aus. Später bieten wir die T-Shirts einer Ethno-Boutique in der Innenstadt an. Dort fragt man uns bald nach anderen chinesischen Motiven, wie dem Drachen und Segenssprüchen in chinesischer Schrift. Als dann auch andere Kleidungsstücke mit den Motivdrucken nachgefragt werden, spezialisiert sich Mama auf die Drucke, Größen und Farben, die am meisten nachgefragt werden. Natürlich lässt Mama die Klosterschülerinnen auch für das Kloster nähen.
Mit den Buddhisten, die den Weg zu uns finden, machen wir den größten Umsatz, weil die Leute noch einmal eine Spende drauflegen, nachdem sie unsere Näherei besichtigt haben.
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Wir sind erst wenige Wochen in Deutschland, als mich Alice, meine Freundin, besuchen kommt. Ich, Vanessa Bäcker, habe ihr vor ein paar Tagen geschrieben, dass wir aus Nepal zurückgekehrt sind und im Kloster unserer Heimatstadt wohnen. Meine Schneiderei ist inzwischen angelaufen und die Anfangsschwierigkeiten sind überwunden.
Nun sitzt sie mir in meinem Zimmer gegenüber, während ich ihr Tee und Gebäck serviere. Wir erzählen uns angeregt, wie es uns in den letzten zehn Jahren ergangen ist.
Alice, etwa vier Jahre jünger als ich, ist seit drei Jahren verheiratet und hat inzwischen eine einjährige Tochter. Stolz zeigt sie mir Bilder ihres Mädchens auf ihrem Handydisplay. Was ich ihr über Dennis erzähle, lässt sie große Augen machen.
"Soll ich mir das so vorstellen, als wäre Dennis jetzt so etwas wie ein Jedi-Ritter?" fragt sie erstaunt.
Wir haben früher die StarWars - Filme regelrecht verschlungen... Ich schüttele grinsend den Kopf und erkläre:
"Dinge per Geisteskraft bewegen, kann er nicht! Er besitzt auch kein Lichtschwert, mit dem er gegen das Böse kämpft. Aber er hat schon etwas von einem Jedi-Ritter. Das liegt daran, dass der Erfinder von StarWars, George Lucas, sich bei der Philosophie ein wenig am Buddhismus orientiert hat.
Besonders wenn Dennis die Lehrsätze des Buddhismus rezitiert und seine Entscheidungen danach ausrichtet. Dennis hat gelernt zu meditieren und ist danach immer total entspannt, bzw. reagiert gelassen auf seine Umwelt.
An seinem ersten Tag nach unserer Rückkehr hier im Kloster kam er abends zu mir und hat berichtet, dass der Abt dieses Klosters ihn zum Leiter der Klosterschule ernannt hat. So jung und schon so viel Verantwortung!"
"Wenn er der Aufgabe gewachsen ist, hat er Respekt verdient!" meint Alice und ergänzt: "Aber ich bin auch mit einem Anliegen gekommen. Du warst meine beste Freundin und bist es noch! Ich hätte dich so gern bei meiner Hochzeit dabeigehabt. Der Tag jährt sich in einem Monat zum dritten Mal und ich wollte ihn etwas größer feiern, als nur mit unseren Eltern zusammen. Die Hochzeit von damals quasi in kleinem Kreis nachholen. Ich habe mir gedacht, dass auch meine beste Freundin mit ihrem Sohn daran teilnehmen können."
Ich lächele dankbar und bestätige:
"Ich komme gerne! Dennis muss ich vorher fragen, ob sein Terminkalender einen freien Nachmittag zulässt. Ich denke schon."
*
Als der Termin der Feier herangekommen ist, fahren wir mit der Straßenbahn in Alltagskleidung zu dem Restaurant, dass uns meine Freundin Alice genannt hat. Sie, ihr Mann und ihre kleine Tochter sind schon dort.
Kurz nach uns kommen ihr Bruder mit Frau und elfjährigem Sohn an. Der Junge scheint mir etwas verzogen. Er lässt am Eingang des Saales seine Jacke fallen und stürmt auf seine Tante zu, um sie zu begrüßen. Seine Mutter bückt sich und hebt die Jacke auf, während ihr Mann schon den Saal betreten hat. Er hat die kleine Szene entweder nicht bemerkt oder geflissentlich übersehen, als ginge es ihn nichts an.
Alice stellt nun auch uns ihrem Bruder und seiner Familie vor. Noah, sein Sohn, horcht auf. Er spricht mich erstaunt an:
"Bist du ein Jedi-Ritter?"
Das finde ich lustig. Ich muss kurz lachen und strecke meine Hand nach dem Jungen aus, um ihm über das Haar zu streichen.
"Nein," erkläre ich und dehne, "aaaber vielleicht so etwas ähnliches!"
"Wow!" macht Noah und wendet sich an seinen Vater: "Kann der Mann mir beibringen, wie man jemand verprügelt?"
Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
"Noah!" ermahnt der Mann seinen Sohn. Danach wendet er sich mir zu und erklärt:
"Noah hat es nicht leicht in der Schule. Mobbing und Prügel, wissen Sie!"
Nun lege ich meine Stirn in Falten und meine:
"Solche Leute haben selbst Angst. Vorwärtsverteidigung nennt man das wohl. Das zeugt von einem schlechten Charakter dieser Jungs."
Mein Gegenüber nickt. Er schaut nach seiner Frau und sie besetzen ihre Sitzplätze, die Alice liebevoll mit Namensschildchen versehen hat. Auch wir schauen, wo wir uns setzen dürfen. Nacheinander kommen jetzt weitere Gäste an. Bald sind alle Plätze besetzt. Ich zähle 24 Personen. Das Restaurantpersonal beginnt das bestellte Menü aufzutragen und fragt jeden Gast nach seinem Getränkewunsch. Da uns niemand in der Runde kennt, bis auf Alices Eltern, muss Mama von unserem Auslandsaufenthalt erzählen.
Nach dem Essen wird noch Kaffee und Tee bestellt und die Gesellschaft sitzt bei weiterem Smalltalk zusammen. Die Kinder werden derweil auf den Spielplatz neben das Restaurant geschickt, damit sie sich austoben können und müde werden. Nur Noah mag nicht so recht vor die Tür gehen. Lieber würde er den Gesprächen der Erwachsenen lauschen. Ich habe den Eindruck, dass ihn besonders interessiert, was ich zur Unterhaltung beisteuere. Herr Mann, sein Vater, ermuntert ihn jedoch:
"Na, Noah, magst du nicht auch spielen gehen? Bei den Gesprächen unter Erwachsenen langweilst du dich doch bestimmt."
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Freitag, 8. April 2022
Lama Rinpoche -13
mariant, 12:06h
Ich bin sehr stolz auf Dennis, dass Seine Heiligkeit ihn zum Lama -spirituellen Lehrer- ernannt hat. Er hat mit dem Titel auch einen einheimischen Namen erhalten. Obwohl er nun eine Stimme hat bei den Versammlungen der Lamas und sein Wissen in Kungfu an die Klosterschüler weitergibt, besucht er mich, Vanessa, regelmäßig und fragt häufig nach meinem Befinden.
In der Näherei des Klosters in Nepal habe ich eine erfüllende Beschäftigung gefunden und die Gelongma -Nonne- Amba -Mutter Erde- ist mir eine gute Freundin geworden.
In Deutschland habe ich es früher schwer gehabt. Ich bin in der Ausbildung mit Dennis schwanger geworden. Danach hat mich der Kerl, Dennis Erzeuger, sitzen gelassen. Das hat mich aus der Bahn geworfen. Ich habe zu trinken angefangen und meine Prüfung nicht geschafft. So bin ich zum Sozialfall geworden. Das Amt hat mir eine Wohnung in einem neu errichteten Wohnblock zugewiesen, gerade noch so weit von Dennis Schule entfernt, dass er den Schulweg mit dem Rad zurücklegen kann.
Als Dennis im dritten Schuljahr gewesen ist, sind plötzlich diese Mönche gekommen. Sie haben etwas von 'Wiedergeburt' erzählt, und dass Dennis darauf getestet werden soll - im Himalaya! Ich dürfe ihn begleiten, haben sie gesagt.
Auf Anraten meiner besten Freundin, Alice, habe ich also alle Brücken hinter mir abgebrochen und bin nach Nepal übergesiedelt. Hier bin ich herzlich aufgenommen worden. Niemand hat mich zu irgendetwas überredet. Man hat mir Angebote gemacht. So habe ich die Näherei im Kloster kennengelernt und mit Hilfe der Gelongma Amba meine Sucht überwunden.
Ein Jahr, nachdem aus Dennis Lama Rinpoche geworden ist, hieß es plötzlich, er würde in Deutschland gebraucht. Also sind wir in die Heimat zurückgeflogen. Nun habe ich ein Gästezimmer in dem Kloster bezogen, von dem wir vor zehn Jahren nach Nepal gesandt worden sind.
Da ich noch im Schlaf-Wach-Rhythmus von Nepal bin, habe ich den ersten Tag im Kloster verschlafen. Am Abend klopft es an die Tür, nachdem ich schon eine gute Stunde wieder wach bin. Ich habe das einfache braune Gewand angezogen, das ich in der Näherei in Nepal getragen habe.
Ein junger Mann von höchstens 18 Jahren und asiatischem Aussehen in roter Klosterkleidung tritt ein und bringt mir das Essen auf mein Zimmer. Ich bedanke mich durch das Neigen des Kopfes und das Führen der gefalteten Hände an mein Kinn. Dann bin ich erst einmal wieder alleine. Die erhabene Aussicht aus dem Fenster meines Zimmers in Nepal fehlt mir hier.
Noch einmal eine Stunde später betreten Dennis und Peter mein Zimmer. Wir setzen uns um den niedrigen Tisch auf den Boden und Dennis berichtet, was heute hier geschehen ist:
"Seine Heiligkeit hat mich zum Leiter der Klosterschule gemacht..."
Ich schaue Dennis ungläubig an. Gelong Peter ist inzwischen um die Vierzig und hat langjährige Erfahrungen mit Jugendlichen. Nun bekommt er einen gut zwanzig Jahre jüngeren Vorgesetzten vor die Nase gesetzt? Wie fühlt sich das an?
Peter lächelt. Er scheint meine Gedanken zu erraten und erklärt mir:
"Es ist ja nicht so, dass ab jetzt ein neuer Wind wehen soll. Lama Rinpoche übernimmt die Verantwortung, verteilt die Zuständigkeiten und hat bei Beratungen das letzte Wort. Ich führe meine Arbeit so weiter wie bisher, habe noch einen Bereich hinzubekommen, bin dafür um einen anderen Bereich entlastet worden. Ich stimme mich mit deinem Sohn ab, meine Schwester. Du sollst auch eine Aufgabe bekommen, aber lass dir das von Lama Rinpoche erklären."
Erstaunt und leicht verunsichert wende ich mich wieder Dennis zu.
"Ich habe vorhin mit den Lamas und Gelong des Klosters zu Abend gegessen," erzählt Dennis. "Danach hatte ich eine kurze Unterredung mit Seiner Heiligkeit, wo er mir das alles eröffnet hat. Dann hat er von einem Missstand berichtet: Die Buddhisten sähen es gerne, wenn ein Lama eine Hochzeit leiten würde. Die Summe der Reisen können aber nicht vom Kloster bezahlt werden. Bahnticket und Übernachtung zu spenden, können sich nur Reiche leisten. Die Ärmeren bleiben auf der Strecke. Das Fest selbst kostet ja schon eine Menge Euros. Nun sind aber doch alle Menschen gleich! Also soll ich mir etwas einfallen lassen, über das die Lamas dann beraten wollen..."
"Oh," mache ich, "und an was denkst du da?"
"Ich habe mich mit Peter beraten. Wir müssen Einnahmen generieren. Davon kann ich den Führerschein machen und einen kleinen Lieferwagen kaufen, so einen Kombiwagen ohne hintere seitliche Fenster. Damit komme ich zu den Leuten und kann im Auto übernachten."
"Und wie soll das Kloster an das Geld dafür kommen?" frage ich zweifelnd.
Er lächelt mich mit seinem gewinnenden Lächeln an, das er seit seiner frühen Kindheit 'draufhat', wenn er etwas von mir will und antwortet:
"Das Kloster ist gegenüber dem Finanzamt als Verein angemeldet. Wir dürfen Einkünfte erwirtschaften, nur eben keine Gewinne erzielen. Bisher bestehen die Einkünfte des Klosters hauptsächlich aus Spenden. Das muss sich ändern! Hier kommt die Schneiderei ins Spiel. Mädchen nach dem Schulabschluss, aber ohne Perspektive, kannst du damit eine Zukunft geben. Wir verhandeln mit Modedesignern, ob sie unsere Näherinnen in ihr Studio übernehmen, oder mit nepalesischen Klöstern. Was deine Näherinnen fertigen, versuchen wir gegen Umsatzprozente in kleinen Modegeschäften zu platzieren."
"Das ist eine gute Idee," meine ich.
In meiner Werkstatt im Keller steht eine Ankleidepuppe, ein Zuschneidetisch und acht Nähmaschinen. Im Philosophie-Unterricht der Klosterschule, die Peter bisher gemanagt hat, haben wir bisher etwa 30 Schüler und drei Schülerinnen.
Wir besprechen danach noch Belangloses. Anschließend verabschieden sich beide, denn es ist schon nahe an Mitternacht.
*
In der Näherei des Klosters in Nepal habe ich eine erfüllende Beschäftigung gefunden und die Gelongma -Nonne- Amba -Mutter Erde- ist mir eine gute Freundin geworden.
In Deutschland habe ich es früher schwer gehabt. Ich bin in der Ausbildung mit Dennis schwanger geworden. Danach hat mich der Kerl, Dennis Erzeuger, sitzen gelassen. Das hat mich aus der Bahn geworfen. Ich habe zu trinken angefangen und meine Prüfung nicht geschafft. So bin ich zum Sozialfall geworden. Das Amt hat mir eine Wohnung in einem neu errichteten Wohnblock zugewiesen, gerade noch so weit von Dennis Schule entfernt, dass er den Schulweg mit dem Rad zurücklegen kann.
Als Dennis im dritten Schuljahr gewesen ist, sind plötzlich diese Mönche gekommen. Sie haben etwas von 'Wiedergeburt' erzählt, und dass Dennis darauf getestet werden soll - im Himalaya! Ich dürfe ihn begleiten, haben sie gesagt.
Auf Anraten meiner besten Freundin, Alice, habe ich also alle Brücken hinter mir abgebrochen und bin nach Nepal übergesiedelt. Hier bin ich herzlich aufgenommen worden. Niemand hat mich zu irgendetwas überredet. Man hat mir Angebote gemacht. So habe ich die Näherei im Kloster kennengelernt und mit Hilfe der Gelongma Amba meine Sucht überwunden.
Ein Jahr, nachdem aus Dennis Lama Rinpoche geworden ist, hieß es plötzlich, er würde in Deutschland gebraucht. Also sind wir in die Heimat zurückgeflogen. Nun habe ich ein Gästezimmer in dem Kloster bezogen, von dem wir vor zehn Jahren nach Nepal gesandt worden sind.
Da ich noch im Schlaf-Wach-Rhythmus von Nepal bin, habe ich den ersten Tag im Kloster verschlafen. Am Abend klopft es an die Tür, nachdem ich schon eine gute Stunde wieder wach bin. Ich habe das einfache braune Gewand angezogen, das ich in der Näherei in Nepal getragen habe.
Ein junger Mann von höchstens 18 Jahren und asiatischem Aussehen in roter Klosterkleidung tritt ein und bringt mir das Essen auf mein Zimmer. Ich bedanke mich durch das Neigen des Kopfes und das Führen der gefalteten Hände an mein Kinn. Dann bin ich erst einmal wieder alleine. Die erhabene Aussicht aus dem Fenster meines Zimmers in Nepal fehlt mir hier.
Noch einmal eine Stunde später betreten Dennis und Peter mein Zimmer. Wir setzen uns um den niedrigen Tisch auf den Boden und Dennis berichtet, was heute hier geschehen ist:
"Seine Heiligkeit hat mich zum Leiter der Klosterschule gemacht..."
Ich schaue Dennis ungläubig an. Gelong Peter ist inzwischen um die Vierzig und hat langjährige Erfahrungen mit Jugendlichen. Nun bekommt er einen gut zwanzig Jahre jüngeren Vorgesetzten vor die Nase gesetzt? Wie fühlt sich das an?
Peter lächelt. Er scheint meine Gedanken zu erraten und erklärt mir:
"Es ist ja nicht so, dass ab jetzt ein neuer Wind wehen soll. Lama Rinpoche übernimmt die Verantwortung, verteilt die Zuständigkeiten und hat bei Beratungen das letzte Wort. Ich führe meine Arbeit so weiter wie bisher, habe noch einen Bereich hinzubekommen, bin dafür um einen anderen Bereich entlastet worden. Ich stimme mich mit deinem Sohn ab, meine Schwester. Du sollst auch eine Aufgabe bekommen, aber lass dir das von Lama Rinpoche erklären."
Erstaunt und leicht verunsichert wende ich mich wieder Dennis zu.
"Ich habe vorhin mit den Lamas und Gelong des Klosters zu Abend gegessen," erzählt Dennis. "Danach hatte ich eine kurze Unterredung mit Seiner Heiligkeit, wo er mir das alles eröffnet hat. Dann hat er von einem Missstand berichtet: Die Buddhisten sähen es gerne, wenn ein Lama eine Hochzeit leiten würde. Die Summe der Reisen können aber nicht vom Kloster bezahlt werden. Bahnticket und Übernachtung zu spenden, können sich nur Reiche leisten. Die Ärmeren bleiben auf der Strecke. Das Fest selbst kostet ja schon eine Menge Euros. Nun sind aber doch alle Menschen gleich! Also soll ich mir etwas einfallen lassen, über das die Lamas dann beraten wollen..."
"Oh," mache ich, "und an was denkst du da?"
"Ich habe mich mit Peter beraten. Wir müssen Einnahmen generieren. Davon kann ich den Führerschein machen und einen kleinen Lieferwagen kaufen, so einen Kombiwagen ohne hintere seitliche Fenster. Damit komme ich zu den Leuten und kann im Auto übernachten."
"Und wie soll das Kloster an das Geld dafür kommen?" frage ich zweifelnd.
Er lächelt mich mit seinem gewinnenden Lächeln an, das er seit seiner frühen Kindheit 'draufhat', wenn er etwas von mir will und antwortet:
"Das Kloster ist gegenüber dem Finanzamt als Verein angemeldet. Wir dürfen Einkünfte erwirtschaften, nur eben keine Gewinne erzielen. Bisher bestehen die Einkünfte des Klosters hauptsächlich aus Spenden. Das muss sich ändern! Hier kommt die Schneiderei ins Spiel. Mädchen nach dem Schulabschluss, aber ohne Perspektive, kannst du damit eine Zukunft geben. Wir verhandeln mit Modedesignern, ob sie unsere Näherinnen in ihr Studio übernehmen, oder mit nepalesischen Klöstern. Was deine Näherinnen fertigen, versuchen wir gegen Umsatzprozente in kleinen Modegeschäften zu platzieren."
"Das ist eine gute Idee," meine ich.
In meiner Werkstatt im Keller steht eine Ankleidepuppe, ein Zuschneidetisch und acht Nähmaschinen. Im Philosophie-Unterricht der Klosterschule, die Peter bisher gemanagt hat, haben wir bisher etwa 30 Schüler und drei Schülerinnen.
Wir besprechen danach noch Belangloses. Anschließend verabschieden sich beide, denn es ist schon nahe an Mitternacht.
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Donnerstag, 7. April 2022
Lama Rinpoche -12
mariant, 13:48h
Nach vier Stunden Zugfahrt und einer halben Stunde mit dem Bus erreichen wir das heimatliche Kloster am frühen Morgen. Peter führt uns zu einem Gästezimmer und besorgt uns ein Frühstück. Danach darf Mama sich dort schlafen legen und ich folge Peter zu einem Zimmer in der Etage darüber.
"Dies ist ab heute dein Schlaf- und Arbeitsraum!" erklärt er. "Hierhin kannst du dich zum Meditieren zurückziehen und bist weitgehend ungestört, Lama Rinpoche!"
"Ah, du weißt...?" frage ich.
"Die beiden Äbte haben einige Zeit miteinander in Verbindung gestanden. Im Vorfeld musste etwas organisiert werden. Dabei erfährt man so etwas schon einmal," antwortet Peter lächelnd. "Jetzt schlaf' dich erst einmal aus. Dann zieh' dich um und besuche deinen neuen Abt!"
Damit zieht er sich zurück. Ich nicke ihm zu und schließe hinter ihm die Tür. Nun wende ich mich der Liege im hinteren Bereich zu und bin kurz danach eingeschlafen. Am Nachmittag wache ich wieder auf, mache mich frisch und ziehe mir meine Mönchskleidung an.
Die nun folgende Wartezeit verkürze ich mir, indem ich mich im Schneidersitz auf den Boden vor meine Liege setze und mich entspanne. Irgendwann kommt Peter zu mir. Der Gelong sieht mich meditieren, tritt leise an mich heran und legt sachte seine Hand auf meine Schulter. Ich öffne die Augen. Peter lächelt mich an und hebt die gefalteten Hände an sein Kinn.
"Seine Heiligkeit möchte mit dir speisen," sagt er leise.
Ich erhebe mich und hebe ebenfalls die gefalteten Hände.
"Dann führe mich!" fordere ich ihn freundlich auf.
Die Lage des Thronsaales kenne ich in diesem Gebäude noch nicht.
Es geht durch zwei Gänge und eine schmale Treppe unter das Walmdach. Dort öffnet Peter eine Tür. Er lässt mich vorgehen und betritt hinter mir den Raum. Etwa 16 Mönche, ehrwürdige Lamas und Gelong, sitzen mit untergeschlagenen Beinen an niedrigen Tischen, während Seine Heiligkeit, der Khenchen Lama, auch hier im Schneidersitz auf einem breiten, reich verzierten Stuhl Platz genommen hat.
Ich erkenne, dass bis auf zwei alte Männer an den niedrigen Tischen, die wie ich safrangelbe Longshirts unter ihrer roten Kesa -Robe- tragen, alle anderen rote Longshirts tragen. Es ist halt ein kleines Kloster in der 'Diaspora'. Buddhisten leben in Deutschland weit verstreut.
Seine Heiligkeit, der Khenchen Lama, schaut bei unserem Eintreten auf. Er winkt mich an einen freien Platz neben sich. Mich leicht verbeugend hebe ich die gefalteten Hände und komme der Aufforderung Seiner Heiligkeit nach. Peter trennt sich nun von mir und lässt sich zwischen zwei Gelong nieder.
Der Khenchen Lama klatscht in die Hände und kurz darauf tragen zwei junge Männer, Klosterschüler, einen großen Reistopf herein. Jeder Mönch erhält eine Kelle voll in seine Reisschale. Anschließend lassen sie sich an einer Seitenwand nieder und beginnen ein Trommel- und Flötenspiel.
Nach dem der letzte Mönch satt ist und einer nach dem anderen unter Ehrerbietungsbezeugung gegenüber Seiner Heiligkeit den Raum verlassen hat, nehmen die Klosterschüler den Reistopf auf und bringt ihn in die Küche zurück. Nun bin ich mit Seiner Heiligkeit allein im Thronsaal. Respektvoll warte ich, bis er mich anspricht.
"Lama Rinpoche," beginnt der Khenchen Lama nach einiger Zeit. "Wir sind ein kleines Kloster in einem fremden Land. Die Zahl der Gläubigen ist klein und sie leben weit verstreut. Unsere Klosterschule besuchen nur wenige Schüler, die alle schon das staatliche Schulsystem absolviert haben und bevor sie sich für eine Berufsausbildung entscheiden. Gelong Peter hat die Schule mithilfe ehemaliger Schüler, die sich für das Kloster entschieden haben, wunderbar im Griff. Dennoch sehe ich Entwicklungspotential für die Schule, das Kloster und für dich, Bruder!"
Seine Heiligkeit macht eine Gedankenpause. Ich warte geduldig, was er mir sagen will.
"Was hältst du von Kungfu-Kursen für die Schüler?" fragt er mich unvermittelt.
Ich neige den Kopf. Dann schaue ich zu ihm auf.
"Peter war mir anfangs ein guter Lehrer, bevor Lama Chodrag meinen Unterricht vervollkommnet hat. Auch der Weggang von Lama Dorje riss eine große Lücke. Nun habe ich meine Ausbildung abgeschlossen und bin nach Europa zurückgesandt worden. Ich kann Gelong Peter gerne entlasten!"
Seine Heiligkeit nickt. Er ergänzt:
"Deine ehrenwerte Mutter hat sich in der Schneiderei hervorgetan. Wir haben in den letzten Wochen einen Raum im Keller als Schneiderei eingerichtet und um Klosterschülerinnen geworben, die sich speziell dafür interessieren. Sie ist also ebenso in die Bildung junger Menschen integriert, wenn sie das möchte."
Ich lächele den Khenchen Lama an und bestätige:
"Das ist ein großes Anliegen meiner ehrenwerten Mutter!"
Seine Heiligkeit nickt wieder und äußert sich dann mit fester Stimme:
"Du wirst als Leiter der Schule eingesetzt und Peter wird deine rechte Hand! Außerdem wirst du deiner ehrenwerten Mutter ihren neuen Wirkungskreis zeigen und sie ihren Schülerinnen vorstellen. Aber da wäre noch etwas, um das ich dich bitte."
Aufhorchend neige ich den Kopf. Ein Khenchen Lama bittet gewöhnlich nicht. Er entscheidet, denn alle Verantwortung liegt bei ihm. Seine Heiligkeit redet weiter:
"Wenn Mann und Frau heiraten, müssen sie hierzulande vor dem Staat ein Gelübde ablegen. Es folgt eine private Feier, wie es im Buddhismus üblich ist. Wir Mönche sind oft gefragt worden, ob nicht ein Lama bei einer Hochzeit zugegen sein könnte. Mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft das Kloster besuchen, ist aber vielen zu teuer. Wir haben Lama Tobgyel ein paar Male zu den Leuten gesandt. Aber das sind immer nur finanzstarke Gläubige gewesen, die sich das Bahnticket und die Übernachtung für den Lama leisten konnten. Das müssen wir noch einmal überdenken."
Ich hebe die gefalteten Hände an mein Kinn und antworte bestätigend:
"Allen Gläubigen sollte ein Lama für den schönsten Tag ihres Lebens zur Verfügung stehen! Da wird sich ein Weg finden! Ich kümmere mich darum."
Der Abt nickt lächelnd. Dann bin ich entlassen.
Zuerst setze ich mich mit Peter zusammen. Wir beraten, wie wir der Schule neuen Schwung geben können und kommen zu dem Ergebnis, dass er seine Hausaufgabenbetreuung und Prüfungsvorbereitung behält. Daneben soll er den Schülern, ob männlich oder weiblich, einen Kungfu-Kurs anbieten. Mama wird interessierte Schüler und Schülerinnen an der Nähmaschine und dem Zuschneidetisch ausbilden. Ich selbst will die buddhistische Philosophie lehren, und den interessierten jungen Menschen das Meditieren beibringen. Daneben will ich den Führerschein machen, um irgendwann einmal in einem Kleinlieferwagen durch Deutschland zu fahren und buddhistische Feiern zu leiten, wenn das Kloster eine Anfrage erhält. In diesem kleinen fensterlosen Fahrzeug kann ich dann auch übernachten.
*
"Dies ist ab heute dein Schlaf- und Arbeitsraum!" erklärt er. "Hierhin kannst du dich zum Meditieren zurückziehen und bist weitgehend ungestört, Lama Rinpoche!"
"Ah, du weißt...?" frage ich.
"Die beiden Äbte haben einige Zeit miteinander in Verbindung gestanden. Im Vorfeld musste etwas organisiert werden. Dabei erfährt man so etwas schon einmal," antwortet Peter lächelnd. "Jetzt schlaf' dich erst einmal aus. Dann zieh' dich um und besuche deinen neuen Abt!"
Damit zieht er sich zurück. Ich nicke ihm zu und schließe hinter ihm die Tür. Nun wende ich mich der Liege im hinteren Bereich zu und bin kurz danach eingeschlafen. Am Nachmittag wache ich wieder auf, mache mich frisch und ziehe mir meine Mönchskleidung an.
Die nun folgende Wartezeit verkürze ich mir, indem ich mich im Schneidersitz auf den Boden vor meine Liege setze und mich entspanne. Irgendwann kommt Peter zu mir. Der Gelong sieht mich meditieren, tritt leise an mich heran und legt sachte seine Hand auf meine Schulter. Ich öffne die Augen. Peter lächelt mich an und hebt die gefalteten Hände an sein Kinn.
"Seine Heiligkeit möchte mit dir speisen," sagt er leise.
Ich erhebe mich und hebe ebenfalls die gefalteten Hände.
"Dann führe mich!" fordere ich ihn freundlich auf.
Die Lage des Thronsaales kenne ich in diesem Gebäude noch nicht.
Es geht durch zwei Gänge und eine schmale Treppe unter das Walmdach. Dort öffnet Peter eine Tür. Er lässt mich vorgehen und betritt hinter mir den Raum. Etwa 16 Mönche, ehrwürdige Lamas und Gelong, sitzen mit untergeschlagenen Beinen an niedrigen Tischen, während Seine Heiligkeit, der Khenchen Lama, auch hier im Schneidersitz auf einem breiten, reich verzierten Stuhl Platz genommen hat.
Ich erkenne, dass bis auf zwei alte Männer an den niedrigen Tischen, die wie ich safrangelbe Longshirts unter ihrer roten Kesa -Robe- tragen, alle anderen rote Longshirts tragen. Es ist halt ein kleines Kloster in der 'Diaspora'. Buddhisten leben in Deutschland weit verstreut.
Seine Heiligkeit, der Khenchen Lama, schaut bei unserem Eintreten auf. Er winkt mich an einen freien Platz neben sich. Mich leicht verbeugend hebe ich die gefalteten Hände und komme der Aufforderung Seiner Heiligkeit nach. Peter trennt sich nun von mir und lässt sich zwischen zwei Gelong nieder.
Der Khenchen Lama klatscht in die Hände und kurz darauf tragen zwei junge Männer, Klosterschüler, einen großen Reistopf herein. Jeder Mönch erhält eine Kelle voll in seine Reisschale. Anschließend lassen sie sich an einer Seitenwand nieder und beginnen ein Trommel- und Flötenspiel.
Nach dem der letzte Mönch satt ist und einer nach dem anderen unter Ehrerbietungsbezeugung gegenüber Seiner Heiligkeit den Raum verlassen hat, nehmen die Klosterschüler den Reistopf auf und bringt ihn in die Küche zurück. Nun bin ich mit Seiner Heiligkeit allein im Thronsaal. Respektvoll warte ich, bis er mich anspricht.
"Lama Rinpoche," beginnt der Khenchen Lama nach einiger Zeit. "Wir sind ein kleines Kloster in einem fremden Land. Die Zahl der Gläubigen ist klein und sie leben weit verstreut. Unsere Klosterschule besuchen nur wenige Schüler, die alle schon das staatliche Schulsystem absolviert haben und bevor sie sich für eine Berufsausbildung entscheiden. Gelong Peter hat die Schule mithilfe ehemaliger Schüler, die sich für das Kloster entschieden haben, wunderbar im Griff. Dennoch sehe ich Entwicklungspotential für die Schule, das Kloster und für dich, Bruder!"
Seine Heiligkeit macht eine Gedankenpause. Ich warte geduldig, was er mir sagen will.
"Was hältst du von Kungfu-Kursen für die Schüler?" fragt er mich unvermittelt.
Ich neige den Kopf. Dann schaue ich zu ihm auf.
"Peter war mir anfangs ein guter Lehrer, bevor Lama Chodrag meinen Unterricht vervollkommnet hat. Auch der Weggang von Lama Dorje riss eine große Lücke. Nun habe ich meine Ausbildung abgeschlossen und bin nach Europa zurückgesandt worden. Ich kann Gelong Peter gerne entlasten!"
Seine Heiligkeit nickt. Er ergänzt:
"Deine ehrenwerte Mutter hat sich in der Schneiderei hervorgetan. Wir haben in den letzten Wochen einen Raum im Keller als Schneiderei eingerichtet und um Klosterschülerinnen geworben, die sich speziell dafür interessieren. Sie ist also ebenso in die Bildung junger Menschen integriert, wenn sie das möchte."
Ich lächele den Khenchen Lama an und bestätige:
"Das ist ein großes Anliegen meiner ehrenwerten Mutter!"
Seine Heiligkeit nickt wieder und äußert sich dann mit fester Stimme:
"Du wirst als Leiter der Schule eingesetzt und Peter wird deine rechte Hand! Außerdem wirst du deiner ehrenwerten Mutter ihren neuen Wirkungskreis zeigen und sie ihren Schülerinnen vorstellen. Aber da wäre noch etwas, um das ich dich bitte."
Aufhorchend neige ich den Kopf. Ein Khenchen Lama bittet gewöhnlich nicht. Er entscheidet, denn alle Verantwortung liegt bei ihm. Seine Heiligkeit redet weiter:
"Wenn Mann und Frau heiraten, müssen sie hierzulande vor dem Staat ein Gelübde ablegen. Es folgt eine private Feier, wie es im Buddhismus üblich ist. Wir Mönche sind oft gefragt worden, ob nicht ein Lama bei einer Hochzeit zugegen sein könnte. Mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft das Kloster besuchen, ist aber vielen zu teuer. Wir haben Lama Tobgyel ein paar Male zu den Leuten gesandt. Aber das sind immer nur finanzstarke Gläubige gewesen, die sich das Bahnticket und die Übernachtung für den Lama leisten konnten. Das müssen wir noch einmal überdenken."
Ich hebe die gefalteten Hände an mein Kinn und antworte bestätigend:
"Allen Gläubigen sollte ein Lama für den schönsten Tag ihres Lebens zur Verfügung stehen! Da wird sich ein Weg finden! Ich kümmere mich darum."
Der Abt nickt lächelnd. Dann bin ich entlassen.
Zuerst setze ich mich mit Peter zusammen. Wir beraten, wie wir der Schule neuen Schwung geben können und kommen zu dem Ergebnis, dass er seine Hausaufgabenbetreuung und Prüfungsvorbereitung behält. Daneben soll er den Schülern, ob männlich oder weiblich, einen Kungfu-Kurs anbieten. Mama wird interessierte Schüler und Schülerinnen an der Nähmaschine und dem Zuschneidetisch ausbilden. Ich selbst will die buddhistische Philosophie lehren, und den interessierten jungen Menschen das Meditieren beibringen. Daneben will ich den Führerschein machen, um irgendwann einmal in einem Kleinlieferwagen durch Deutschland zu fahren und buddhistische Feiern zu leiten, wenn das Kloster eine Anfrage erhält. In diesem kleinen fensterlosen Fahrzeug kann ich dann auch übernachten.
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