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Dienstag, 3. Mai 2022
Kiron, der Sucher - 03
mariant, 11:50h
"Niemals darfst du angreifen, Kiron! Damit ginge ja das erste Leid von dir aus. Du brauchst dich aber auch nicht töten lassen, sondern du darfst dich verteidigen. Wenn der Gegner aber übermächtig ist, und du sterben solltest... Habe keine Angst! Der Tod ist nicht das Ende. Du wirst wiedergeboren und der Kreislauf des Lebens beginnt für dich erneut. Das geschieht so oft, bis du ein Leben zu führen verstehst wie Buddha. Dann erreichst du auch das Nirwana."
"Kennst du einen Weg, der mich die Angreifer überwinden lässt, Paramapaavan -deine Heiligkeit-?"
"Warum fragst du, Kiron?"
"Ja, zum einen habe ich oft bei kindlichen Streitereien den Kürzeren gezogen. Das Gefühl der Ohnmacht sitzt tief. Zum anderen mag ich nicht so schnell sterben, wenn sich mir Bewaffnete in den Weg stellen."
"Du darfst dich nur verteidigen, Kiron. Etwas anderes ist es, wenn du eine hilflose Person antriffst, der ein Bewaffneter das Leben nehmen will. Hier musst du abwägen. Stirbt die hilflose Person, wird sie wiedergeboren. Der Tod hat seinen Schrecken verloren! Bist du dir aber sicher, die hilflose Person retten zu können, darfst du sie verteidigen."
"Und wie geht das, diese Verteidigung? Klappt das auch, wenn der andere ein Messer hat?"
"Wenn das Überraschungsmoment auf deiner Seite ist, klappt das auch, wenn der Andere bewaffnet ist. Du musst eben zuerst danach trachten, ihn zu entwaffnen, um ein Gleichgewicht herzustellen."
Meine Gegner in der Kindheit sind eigentlich nie bewaffnet gewesen. Sie sind entweder kräftiger gewesen oder flinker als ich.
Ehe ich weitere Fragen in dieser Richtung stellen kann, redet der Guru weiter:
"Die Lebensregeln der Anhänger Buddhas sind in einem achtfachen Pfad zusammengefasst. Befolgen die Menschen sie genau, so überwinden sie die Habgier und können zur wahren Erkenntnis aller Dinge gelangen. Sie führen den Menschen auf einen Mittelweg zwischen einem Leben in Luxus und einem Leben des Verzichts. Willst du allerdings ein Guru werden, sollte dir der Verzicht zur Lebensaufgabe werden."
"Der achtfache Pfad? Davon habe ich noch nie gehört. Was besagt er, Paramapaavan -deine Heiligkeit-?"
"Erstens, bemühe dich um Weisheit und verhalte dich immer richtig... Zweitens, sei gütig und friedfertig... Drittens, lüge niemals... Viertens, tue keinem Lebewesen Böses an und stehle nicht... Fünftens, schade niemandem und zerstöre die Natur nicht... Sechstens, gib dir Mühe und erfülle deine Pflichten... Siebtens, sei achtsam, denke und handele stets besonnen... Und schließlich achtens, konzentriere dich, denke nach und meditiere."
Ich höre meinem Guru -spirituellen Lehrer- zu und werde sprachlos dabei. Erst nach einer ganzen Weile antworte ich mit hängendem Kopf:
"Das sind schwierige Regeln!"
Paramapaavan -seine Heiligkeit- schaut mich von der Seite an und meint:
"Sei nicht so schnell entmutigt, Kiron! Alles braucht seine Zeit. Du bist ja auch erst seit heute mein Shishy -Schüler-. Denke dich einmal fünf oder zehn Jahre weiter! Dann hast du diese Regeln verinnerlicht und lebst sie. Menschen sind nun einmal nicht perfekt! Aber sie müssen perfekt werden wollen, dann schaffen sie vieles."
*
Nun ziehe ich schon zwei Jahre mit dem Guru über das Land. Ich bemühe mich, mein Leben nach den Regeln der Anhänger Buddhas auszurichten, die mir mein Lehrer vorlebt.
Er bringt mir den Dharma, die Lehren Buddhas, auf mündlichem Wege bei. Allmählich trage ich sie in meinem Herzen und in meinem Geist. Sie geben mir eine gewisse mentale Stärke.
Daneben hat er begonnen, mir das Dhyana - Meditieren- beizubringen. Anfangs habe ich immer gedacht, er setzt sich hin, um über irgendetwas nachzudenken. Dann hat er sich entschlossen, mich darin zu unterweisen.
Dazu soll ich mich mit untergeschlagenen Beinen auf den Boden setzen und die Augen schließen, damit die Einflüsse der Umwelt weitestgehend ausgeschaltet sind. Anschließend soll ich mich entspannen und beginnen, meinen Gedanken zuzuhören, als wäre nicht ich derjenige, der da denkt. Wie mein Lehrer sagt, entdecke ich oft einen Disput zwischen meiner rationalen und der emotionalen Seite. Ich lasse dann meinen Gedanken ihren freien Lauf und beobachte sie. Ich versuche, ihnen passiv zuzuhören.
Dabei merke ich, dass ich mich trotzdem in alle Gedanken irgendwie einmische. Den Einen bevorzuge ich. Einen anderen verwerfe ich. Mein Lehrer hat das als das 'kritische Bewusstsein' bezeichnet. Verschiedene Wünsche, Hoffnungen, Pläne usw. kristallisieren sich heraus und der innere Kritiker bewertet sie.
"Kennst du einen Weg, der mich die Angreifer überwinden lässt, Paramapaavan -deine Heiligkeit-?"
"Warum fragst du, Kiron?"
"Ja, zum einen habe ich oft bei kindlichen Streitereien den Kürzeren gezogen. Das Gefühl der Ohnmacht sitzt tief. Zum anderen mag ich nicht so schnell sterben, wenn sich mir Bewaffnete in den Weg stellen."
"Du darfst dich nur verteidigen, Kiron. Etwas anderes ist es, wenn du eine hilflose Person antriffst, der ein Bewaffneter das Leben nehmen will. Hier musst du abwägen. Stirbt die hilflose Person, wird sie wiedergeboren. Der Tod hat seinen Schrecken verloren! Bist du dir aber sicher, die hilflose Person retten zu können, darfst du sie verteidigen."
"Und wie geht das, diese Verteidigung? Klappt das auch, wenn der andere ein Messer hat?"
"Wenn das Überraschungsmoment auf deiner Seite ist, klappt das auch, wenn der Andere bewaffnet ist. Du musst eben zuerst danach trachten, ihn zu entwaffnen, um ein Gleichgewicht herzustellen."
Meine Gegner in der Kindheit sind eigentlich nie bewaffnet gewesen. Sie sind entweder kräftiger gewesen oder flinker als ich.
Ehe ich weitere Fragen in dieser Richtung stellen kann, redet der Guru weiter:
"Die Lebensregeln der Anhänger Buddhas sind in einem achtfachen Pfad zusammengefasst. Befolgen die Menschen sie genau, so überwinden sie die Habgier und können zur wahren Erkenntnis aller Dinge gelangen. Sie führen den Menschen auf einen Mittelweg zwischen einem Leben in Luxus und einem Leben des Verzichts. Willst du allerdings ein Guru werden, sollte dir der Verzicht zur Lebensaufgabe werden."
"Der achtfache Pfad? Davon habe ich noch nie gehört. Was besagt er, Paramapaavan -deine Heiligkeit-?"
"Erstens, bemühe dich um Weisheit und verhalte dich immer richtig... Zweitens, sei gütig und friedfertig... Drittens, lüge niemals... Viertens, tue keinem Lebewesen Böses an und stehle nicht... Fünftens, schade niemandem und zerstöre die Natur nicht... Sechstens, gib dir Mühe und erfülle deine Pflichten... Siebtens, sei achtsam, denke und handele stets besonnen... Und schließlich achtens, konzentriere dich, denke nach und meditiere."
Ich höre meinem Guru -spirituellen Lehrer- zu und werde sprachlos dabei. Erst nach einer ganzen Weile antworte ich mit hängendem Kopf:
"Das sind schwierige Regeln!"
Paramapaavan -seine Heiligkeit- schaut mich von der Seite an und meint:
"Sei nicht so schnell entmutigt, Kiron! Alles braucht seine Zeit. Du bist ja auch erst seit heute mein Shishy -Schüler-. Denke dich einmal fünf oder zehn Jahre weiter! Dann hast du diese Regeln verinnerlicht und lebst sie. Menschen sind nun einmal nicht perfekt! Aber sie müssen perfekt werden wollen, dann schaffen sie vieles."
*
Nun ziehe ich schon zwei Jahre mit dem Guru über das Land. Ich bemühe mich, mein Leben nach den Regeln der Anhänger Buddhas auszurichten, die mir mein Lehrer vorlebt.
Er bringt mir den Dharma, die Lehren Buddhas, auf mündlichem Wege bei. Allmählich trage ich sie in meinem Herzen und in meinem Geist. Sie geben mir eine gewisse mentale Stärke.
Daneben hat er begonnen, mir das Dhyana - Meditieren- beizubringen. Anfangs habe ich immer gedacht, er setzt sich hin, um über irgendetwas nachzudenken. Dann hat er sich entschlossen, mich darin zu unterweisen.
Dazu soll ich mich mit untergeschlagenen Beinen auf den Boden setzen und die Augen schließen, damit die Einflüsse der Umwelt weitestgehend ausgeschaltet sind. Anschließend soll ich mich entspannen und beginnen, meinen Gedanken zuzuhören, als wäre nicht ich derjenige, der da denkt. Wie mein Lehrer sagt, entdecke ich oft einen Disput zwischen meiner rationalen und der emotionalen Seite. Ich lasse dann meinen Gedanken ihren freien Lauf und beobachte sie. Ich versuche, ihnen passiv zuzuhören.
Dabei merke ich, dass ich mich trotzdem in alle Gedanken irgendwie einmische. Den Einen bevorzuge ich. Einen anderen verwerfe ich. Mein Lehrer hat das als das 'kritische Bewusstsein' bezeichnet. Verschiedene Wünsche, Hoffnungen, Pläne usw. kristallisieren sich heraus und der innere Kritiker bewertet sie.
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Sonntag, 1. Mai 2022
Kiron, der Sucher - 02
mariant, 12:31h
"Bitte, setz dich, Paramapaavan -deine Heiligkeit-. Was führt dich zu uns?"
"Dein aufgeweckter Sohn hat mir einen Wunsch geoffenbart, den er gerne seinem Vater vortragen möchte," antwortet der Guru.
Ich muss selbst für mich einstehen. Also schaue ich Mama an und sage:
"Würdest du bitte bei aadaraneey Pita -ehrenwerter Papa- ein Wort für mich einlegen, priy Maan -liebe Mama-? Ich möchte der Guru ka shishy -Schüler des Guru- werden und alles von ihm lernen."
Mama lächelt stolz und ruft meine jüngere Schwester heran. Sie wird beauftragt, zu Papa auf das Feld zu laufen, und ihn nachhause zu holen. Meine beiden älteren Brüder können eine Weile ohne ihn arbeiten.
Eine halbe Stunde darauf kommt Papa nachhause und lässt sich lächelnd gegenüber dem Guru nieder. Mama schenkt auch ihm eine Schale Tee aus. Nach einer Weile bemerkt der aadaraneey Pita -ehrenwerte Papa-:
"Was macht Paramapaavan -seine Heiligkeit- so sicher, dass Kiron, mein lieber Sohn, ein geeigneter Shishy -Schüler- für dich sein könnte? Wir sind Anhänger von Krishna!"
"Der seelige Buddha ist auch in einer Hindu-Familie aufgewachsen. Ob ein Mensch ein Guru werden kann, liegt also nicht an seiner Herkunft, sondern an seinen Werken im Laufe seines Lebens," stellt Seine Heiligkeit fest.
"Und Paramapaavan -seine Heiligkeit- nimmt an, dass der Charakter meines lieben Sohnes ihn befähigt, diese Werke seinen Mitmenschen zugutekommen zu lassen?"
"Sein Interesse zeigt mir, dass in ihm eine gute Seele wirkt!"
"Dann will ich ihm keine Steine in den Weg legen!" meint Papa.
Mein Herz macht einen Sprung.
Papa fragt Mama jetzt, ob das Mittagessen allmählich bereit ist. Sie vertröstet ihn um nur noch wenige Minuten. Also bittet Papa seine Heiligkeit das Mittagessen in seinem Haus einzunehmen. Dieser nimmt lächelnd an.
Nach dem Essen segnet seine Heiligkeit das Haus und seine Bewohner. Danach lässt er sich von mir zum Haus des Patil -Dorfältesten- führen. Padma, seine Tochter, kommt neugierig zum Eingang und kniet sich vor seine Heiligkeit auf den Boden.
Er beugt sich zu ihr herunter und segnet auch sie. Dann segnet er auch dieses Haus und nun wendet er sich zu mir:
"Kiron, wir verlassen nun deine Heimat. Vielleicht führt dich dein Schicksal irgendwann wieder hierher, aber für jetzt solltest du dich noch einmal umsehen! Es wird für lange Zeit das letzte Mal sein."
Ich schaue zu seiner Heiligkeit auf. Er nickt mir aufmunternd zu und lächelt freundlich, also nehme ich noch ein letztes Mal die bekannten Eindrücke in mich auf. Danach folge ich ihm auf seinem Weg aus dem Ort. Er stützt sich dabei auf einen geraden Stock, der so lang ist, wie der Guru groß ist.
Wir sind schon eine ganze Weile stumm nebeneinander her gegangen, als ich ihn frage:
"Paramapaavan -deine Heiligkeit-, was ist Buddhas Lehre?"
Mich trifft ein freudiger Seitenblick. Dann antwortet er:
"Der erste Merksatz 'Dukkha' bedeutet, das Leben ist voller Leid."
"Woher kommt das Leid?" frage ich zurück.
"Nun, mein Junge, in den meisten Fällen fügen Menschen ihren Mitmenschen wissentlich oder unwissentlich Leid zu."
"Warum fügen Menschen ihren Mitmenschen Leid zu?" nutze ich ein oft gebrauchtes Fragewort.
Aber mein Guru -spiritueller Lehrer- bleibt gelassen. Er antwortet mir:
"Unwissentlich geschieht das aus Gedankenlosigkeit. Das wissentlich oder absichtlich herbeigeführte Leid wird im zweiten Merksatz Samudaja beschrieben. Er bedeutet, die Ursache für das Leid ist Habgier."
"Ah," mache ich. "Um meinen Mitmenschen kein Leid anzutun, muss ich also auf mich und meine Handlungen achten."
"Ja!" ruft Paramapaavan -seine Heiligkeit- aus. "Achte stets auf das, was du sagst oder tust. Der dritte Merksatz 'Nirodha' besagt, dass du die Habgier überwinden musst."
"Wie ist das aber dann, wenn mich jemand in böser Absicht überfällt und mir Leid zufügen will?" lasse ich nicht locker.
Mir macht die begonnene Unterweisung Spaß.
"Dein aufgeweckter Sohn hat mir einen Wunsch geoffenbart, den er gerne seinem Vater vortragen möchte," antwortet der Guru.
Ich muss selbst für mich einstehen. Also schaue ich Mama an und sage:
"Würdest du bitte bei aadaraneey Pita -ehrenwerter Papa- ein Wort für mich einlegen, priy Maan -liebe Mama-? Ich möchte der Guru ka shishy -Schüler des Guru- werden und alles von ihm lernen."
Mama lächelt stolz und ruft meine jüngere Schwester heran. Sie wird beauftragt, zu Papa auf das Feld zu laufen, und ihn nachhause zu holen. Meine beiden älteren Brüder können eine Weile ohne ihn arbeiten.
Eine halbe Stunde darauf kommt Papa nachhause und lässt sich lächelnd gegenüber dem Guru nieder. Mama schenkt auch ihm eine Schale Tee aus. Nach einer Weile bemerkt der aadaraneey Pita -ehrenwerte Papa-:
"Was macht Paramapaavan -seine Heiligkeit- so sicher, dass Kiron, mein lieber Sohn, ein geeigneter Shishy -Schüler- für dich sein könnte? Wir sind Anhänger von Krishna!"
"Der seelige Buddha ist auch in einer Hindu-Familie aufgewachsen. Ob ein Mensch ein Guru werden kann, liegt also nicht an seiner Herkunft, sondern an seinen Werken im Laufe seines Lebens," stellt Seine Heiligkeit fest.
"Und Paramapaavan -seine Heiligkeit- nimmt an, dass der Charakter meines lieben Sohnes ihn befähigt, diese Werke seinen Mitmenschen zugutekommen zu lassen?"
"Sein Interesse zeigt mir, dass in ihm eine gute Seele wirkt!"
"Dann will ich ihm keine Steine in den Weg legen!" meint Papa.
Mein Herz macht einen Sprung.
Papa fragt Mama jetzt, ob das Mittagessen allmählich bereit ist. Sie vertröstet ihn um nur noch wenige Minuten. Also bittet Papa seine Heiligkeit das Mittagessen in seinem Haus einzunehmen. Dieser nimmt lächelnd an.
Nach dem Essen segnet seine Heiligkeit das Haus und seine Bewohner. Danach lässt er sich von mir zum Haus des Patil -Dorfältesten- führen. Padma, seine Tochter, kommt neugierig zum Eingang und kniet sich vor seine Heiligkeit auf den Boden.
Er beugt sich zu ihr herunter und segnet auch sie. Dann segnet er auch dieses Haus und nun wendet er sich zu mir:
"Kiron, wir verlassen nun deine Heimat. Vielleicht führt dich dein Schicksal irgendwann wieder hierher, aber für jetzt solltest du dich noch einmal umsehen! Es wird für lange Zeit das letzte Mal sein."
Ich schaue zu seiner Heiligkeit auf. Er nickt mir aufmunternd zu und lächelt freundlich, also nehme ich noch ein letztes Mal die bekannten Eindrücke in mich auf. Danach folge ich ihm auf seinem Weg aus dem Ort. Er stützt sich dabei auf einen geraden Stock, der so lang ist, wie der Guru groß ist.
Wir sind schon eine ganze Weile stumm nebeneinander her gegangen, als ich ihn frage:
"Paramapaavan -deine Heiligkeit-, was ist Buddhas Lehre?"
Mich trifft ein freudiger Seitenblick. Dann antwortet er:
"Der erste Merksatz 'Dukkha' bedeutet, das Leben ist voller Leid."
"Woher kommt das Leid?" frage ich zurück.
"Nun, mein Junge, in den meisten Fällen fügen Menschen ihren Mitmenschen wissentlich oder unwissentlich Leid zu."
"Warum fügen Menschen ihren Mitmenschen Leid zu?" nutze ich ein oft gebrauchtes Fragewort.
Aber mein Guru -spiritueller Lehrer- bleibt gelassen. Er antwortet mir:
"Unwissentlich geschieht das aus Gedankenlosigkeit. Das wissentlich oder absichtlich herbeigeführte Leid wird im zweiten Merksatz Samudaja beschrieben. Er bedeutet, die Ursache für das Leid ist Habgier."
"Ah," mache ich. "Um meinen Mitmenschen kein Leid anzutun, muss ich also auf mich und meine Handlungen achten."
"Ja!" ruft Paramapaavan -seine Heiligkeit- aus. "Achte stets auf das, was du sagst oder tust. Der dritte Merksatz 'Nirodha' besagt, dass du die Habgier überwinden musst."
"Wie ist das aber dann, wenn mich jemand in böser Absicht überfällt und mir Leid zufügen will?" lasse ich nicht locker.
Mir macht die begonnene Unterweisung Spaß.
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Freitag, 29. April 2022
Kiron, der Sucher - 01
mariant, 11:33h
Als ein wandernder Guru in unser Dorf kommt, bin ich, Kiron -Lichtstrahl-, gerade 11 Jahre alt. Wir haben unser Spiel kurz unterbrochen und uns neugierig in seiner Nähe auf den Boden gesetzt. Padma, die Tochter des Patil -Dorfältesten- bringt ihm eine Schale Reis. Der Guru findet segensreiche Worte für sie. Er leert die Schale und Padma bringt sie zu ihrer Mutter zurück.
Nun wendet sich der heilige Mann uns Kindern zu. Er beginnt von einem Jungen zu erzählen, einem wie wir, der als Sohn reicher Eltern in einem schönen Haus aufgewachsen ist. Seine Mutter ist leider kurz nach seiner Geburt verstorben.
"Siddharta, so hat der Junge geheißen, kennt nur Luxus. Mit 16 Jahren musste er seine Cousine heiraten. Er kennt nur das Leben im Haus. Es einmal verlassen und draußen mit anderen Jungs spielen, hat er nie tun dürfen.
Sein Wunsch, das Leben draußen kennenzulernen, wird mit der Zeit stärker. So hat er sich heimlich fortgeschlichen und dabei lernt er zum ersten Mal in seinem Leben nackte Not kennen, einen krassen Gegensatz zu seinem Leben zuhause.
Er beobachtet, wie seine Mitmenschen leiden, weil sie arm, krank, einsam sind oder weil sie ein schlimmes Schicksal verkraften müssen.
Daneben sieht er aber auch gesunde und vom Schicksal verwöhnte, reiche Menschen, die unzufrieden oder neidisch auf andere sind. Menschen, die von Gier und Hass geplagt werden.
Als seine Frau ihm einen Sohn zur Welt bringt, verlässt er sein Elternhaus und ändert sein Leben. Er wandert umher auf der Suche nach Frieden und Erkenntnis. Zwischendurch hält er immer wieder inne und versinkt in seinen Gedanken. Dabei erkennt er irgendwann einen Weg, sich von allem Leid zu befreien.
Während seiner Wanderungen hat er ein bescheidenes Leben geführt, seinen Mitmenschen Mut gemacht und ihnen so Freude und Gutes beschert. Seinen Mitmenschen ist er mit Gelassenheit gegenübergetreten, ohne sie und ihr Handeln in irgendeiner Art zu bewerten. Darüber ist er zur wahren Erkenntnis aller Dinge gekommen. Das hat Siddharta zum Buddha -Erleuchteten- gemacht."
Während die anderen Kinder nach der Erzählung des Mannes aufstehen und ihr lärmendes Spiel wieder aufnehmen, bleibe ich nachdenklich sitzen. Ich bemerke gar nicht, dass mich einige meiner Spielkameraden anstoßen, um mich aufzufordern mit ihnen zu spielen.
"Siddharta hat all den Reichtum seiner Familie zurückgelassen? Was aus seiner Frau und seinem Sohn wird, hat ihn nicht gekümmert?" frage ich den Guru nach einer Weile.
"Ja," bestätigt der Mann und nickt mir freundlich lächelnd zu. "Ihn hat das Schicksal der Menschen interessiert und sich gefragt, wie sie ihr Leiden beenden können. Darüber hat er nachgedacht, wenn er sich auf seinen Wanderungen einmal niedergelassen hat."
"Er wollte also, dass die Menschen nicht mehr leiden," fasse ich seine Erzählung zusammen.
"Genau!" antwortet der Guru.
Nun sitze ich nachdenklich vor dem Guru auf dem Boden und denke nach. Eine ganze Weile später frage ich den Guru:
"Und du? Du ziehst umher und erzählst den Menschen die Geschichte. Was bezweckst du damit?"
"Ich habe mich als junger Mann, ungefähr in deinem Alter, auf die Wanderschaft begeben und bin dem Guru gefolgt, der damals in unser Dorf gekommen ist, wie ich heute zu euch. Ich wollte die gleichen Erfahrungen machen, wie Siddharta damals. Ich wollte über Meditationen mit der Zeit selber zum Erleuchteten werden."
"Und?" frage ich ihn. "Bist du es geworden?"
"Egal was du beginnst, mein Junge: es ist noch nie ein Meister aus den Wolken gefallen. Alles braucht seine Zeit! Geduld ist eine wichtige Eigenschaft, und natürlich Gelassenheit. Ein Guru muss den Leuten Gutes tun, ihnen Freude bereiten, bescheiden leben und seine Mittmenschen immer wieder seelisch aufrichten.
Siddharta Buddha ist 80 Jahre alt geworden, bis er starb und ins Nirwana einging."
"Du wanderst alleine durch die Landschaft. Kommst du mit zu meinen Eltern und sprichst mit ihnen? Dann kann ich dich begleiten und dein Shishy -Schüler- werden. Du kannst mich alles lehren, was du schon weißt!" biete ich ihm an.
Der Guru erhebt sich lächelnd aus dem Schneidersitz und lässt sich von mir zu meinem Elternhaus führen. Meine Mutter blickt im Hauptraum von der Kochstelle auf, als sich das Licht verdunkelt, das durch den Türrahmen hereinfällt. Sie erhebt sich vom Herd und nimmt die Teekanne vom Rand des Herdes. Nun gießt sie eine Teeschale halbvoll und reicht sie dem Gast mit einer Verbeugung.
Nun wendet sich der heilige Mann uns Kindern zu. Er beginnt von einem Jungen zu erzählen, einem wie wir, der als Sohn reicher Eltern in einem schönen Haus aufgewachsen ist. Seine Mutter ist leider kurz nach seiner Geburt verstorben.
"Siddharta, so hat der Junge geheißen, kennt nur Luxus. Mit 16 Jahren musste er seine Cousine heiraten. Er kennt nur das Leben im Haus. Es einmal verlassen und draußen mit anderen Jungs spielen, hat er nie tun dürfen.
Sein Wunsch, das Leben draußen kennenzulernen, wird mit der Zeit stärker. So hat er sich heimlich fortgeschlichen und dabei lernt er zum ersten Mal in seinem Leben nackte Not kennen, einen krassen Gegensatz zu seinem Leben zuhause.
Er beobachtet, wie seine Mitmenschen leiden, weil sie arm, krank, einsam sind oder weil sie ein schlimmes Schicksal verkraften müssen.
Daneben sieht er aber auch gesunde und vom Schicksal verwöhnte, reiche Menschen, die unzufrieden oder neidisch auf andere sind. Menschen, die von Gier und Hass geplagt werden.
Als seine Frau ihm einen Sohn zur Welt bringt, verlässt er sein Elternhaus und ändert sein Leben. Er wandert umher auf der Suche nach Frieden und Erkenntnis. Zwischendurch hält er immer wieder inne und versinkt in seinen Gedanken. Dabei erkennt er irgendwann einen Weg, sich von allem Leid zu befreien.
Während seiner Wanderungen hat er ein bescheidenes Leben geführt, seinen Mitmenschen Mut gemacht und ihnen so Freude und Gutes beschert. Seinen Mitmenschen ist er mit Gelassenheit gegenübergetreten, ohne sie und ihr Handeln in irgendeiner Art zu bewerten. Darüber ist er zur wahren Erkenntnis aller Dinge gekommen. Das hat Siddharta zum Buddha -Erleuchteten- gemacht."
Während die anderen Kinder nach der Erzählung des Mannes aufstehen und ihr lärmendes Spiel wieder aufnehmen, bleibe ich nachdenklich sitzen. Ich bemerke gar nicht, dass mich einige meiner Spielkameraden anstoßen, um mich aufzufordern mit ihnen zu spielen.
"Siddharta hat all den Reichtum seiner Familie zurückgelassen? Was aus seiner Frau und seinem Sohn wird, hat ihn nicht gekümmert?" frage ich den Guru nach einer Weile.
"Ja," bestätigt der Mann und nickt mir freundlich lächelnd zu. "Ihn hat das Schicksal der Menschen interessiert und sich gefragt, wie sie ihr Leiden beenden können. Darüber hat er nachgedacht, wenn er sich auf seinen Wanderungen einmal niedergelassen hat."
"Er wollte also, dass die Menschen nicht mehr leiden," fasse ich seine Erzählung zusammen.
"Genau!" antwortet der Guru.
Nun sitze ich nachdenklich vor dem Guru auf dem Boden und denke nach. Eine ganze Weile später frage ich den Guru:
"Und du? Du ziehst umher und erzählst den Menschen die Geschichte. Was bezweckst du damit?"
"Ich habe mich als junger Mann, ungefähr in deinem Alter, auf die Wanderschaft begeben und bin dem Guru gefolgt, der damals in unser Dorf gekommen ist, wie ich heute zu euch. Ich wollte die gleichen Erfahrungen machen, wie Siddharta damals. Ich wollte über Meditationen mit der Zeit selber zum Erleuchteten werden."
"Und?" frage ich ihn. "Bist du es geworden?"
"Egal was du beginnst, mein Junge: es ist noch nie ein Meister aus den Wolken gefallen. Alles braucht seine Zeit! Geduld ist eine wichtige Eigenschaft, und natürlich Gelassenheit. Ein Guru muss den Leuten Gutes tun, ihnen Freude bereiten, bescheiden leben und seine Mittmenschen immer wieder seelisch aufrichten.
Siddharta Buddha ist 80 Jahre alt geworden, bis er starb und ins Nirwana einging."
"Du wanderst alleine durch die Landschaft. Kommst du mit zu meinen Eltern und sprichst mit ihnen? Dann kann ich dich begleiten und dein Shishy -Schüler- werden. Du kannst mich alles lehren, was du schon weißt!" biete ich ihm an.
Der Guru erhebt sich lächelnd aus dem Schneidersitz und lässt sich von mir zu meinem Elternhaus führen. Meine Mutter blickt im Hauptraum von der Kochstelle auf, als sich das Licht verdunkelt, das durch den Türrahmen hereinfällt. Sie erhebt sich vom Herd und nimmt die Teekanne vom Rand des Herdes. Nun gießt sie eine Teeschale halbvoll und reicht sie dem Gast mit einer Verbeugung.
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