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Montag, 23. Mai 2022
Kiron, der Sucher - 13
mariant, 21:27h
Die Früchte des Waldes werden uns kurze Zeit ernähren können. Wir werden aber ein Reisfeld am Flussufer anlegen müssen, wenn wir dauerhaft hier leben wollen. Mit viel Mühe schleppen wir einige dünne Stämme den Felsen hinauf und bilden damit den Rahmen einer großen Hütte. Dazwischen setzen wir Wände aus geflochtenen Zweigen. Das Dach besteht im Unterbau aus dem gleichen Flechtwerk. Darüber legen wir Schilfbündel in zwei Lagen übereinander und stecken sie mit biegsamen Zweigen aus der Waldinsel fest.
Mit unseren Händen graben wir neben dem Fluss den Ufersand weg und schichten ihn zu einem Wall gegen das Wasser auf, für den wir auch Steine in der Umgebung sammeln. Schlamm lässt das Bauwerk in der Sonne fest werden. Wir halten den Boden des Feldes feucht durch ein kleines Rinnsal, das wir vom Fluss hereinführen.
Danach wandern wir zum nächsten Dorf flussaufwärts, das wir in zwei Tagen erreichen. Dort erzählen wir den Leuten von Buddha, wie schon in unzähligen anderen Dörfern vorher. Hier erbitten wir uns aber zusätzlich eine kleine Menge Reis. 'Zuhause' angekommen, stecken wir die Körner in Reihen in den Schlamm unseres Feldes. Da Amals Vater einmal Flussfischer gewesen ist, hat er die Aufgabe übernommen, während des Baues zu Fischen.
Nachdem wir soweit sind, weitere Mitglieder in unser Ashram -Einsiedelei- aufzunehmen, wandern wir in verschiedene Richtungen, um den Menschen Buddha nahe zu bringen. Amal habe ich zum Guru -spirituellen Lehrer- ernannt und ich bezeichne mich intern als Mahant -Klostervorsteher-. Für die Menschen, die wir besuchen, bin ich weiterhin ein Guru.
Etwa ein Monat bin ich unterwegs und muss allmählich daran denken zu unserem Ashram zurückzukehren, auch um das Reisfeld zu fluten und damit die Pflanzen zum Ausbilden ihrer Samenstände anzuregen. Nachdem das Wasser wieder abgelassen worden ist, können wir den Reis ernten.
Ein junger Hindu spricht mich in einem Dorf darauf an, mehr über Buddhas Lehre zu erfahren.
"Du möchtest mein Shishy -Schüler- werden?" frage ich freundlich lächelnd zurück.
"Ja, Paramapaavan -deine Heiligkeit-," antwortet er, mich erwartungsvoll anschauend.
"Ob deine Eltern damit einverstanden sind?" frage ich zurück.
"Unser Land kann keine weitere Familie ernähren, ehrenwerter Lehrer," meint er. "Wenn ich mir in ein paar Jahren eine Frau erwählen würde, bräuchte ich ein Stück Land. Wenn mein ehrenwerter Vater mir ein Teil seines Landes abtritt wie meinen Brüdern, dann wird es schwierig davon zu leben."
"So," sage ich lächelnd. "Dein Wunsch, mehr über Buddha zu erfahren und ein ihm wohlgefälliges Leben zu führen, entspringt also ausschließlich wirtschaftlichen Überlegungen?"
Der Junge geht vor mir auf die Knie und verneint meine Annahme.
"Paramapaavan -deine Heiligkeit-, du hast im Dorf über den 'achtfachen Pfad' gesprochen, dem jeder gute Mensch folgen soll. Darin heißt es, dass man niemals lügen soll. Den wirklichen Grund für eine Entscheidung zurückzuhalten und stattdessen einen anderen plausiblen Grund vorzugeben, kommt beinahe einer Lüge gleich! Ich wollte damit nur sagen, dass meine Eltern meine Entscheidung dir zu folgen, sehr wahrscheinlich gutheißen würden."
"Und über noch etwas musst du dir klar sein: Du darfst dich nicht in eine Frau verlieben und dabei die Liebe zu den Menschen an die zweite Stelle setzen. Wir kümmern uns um die Probleme eines Jeden, der sich vertrauensvoll an uns wendet. Unser Anspruch ist universell und nicht auf eine Person beschränkt!"
"Ich werde das beherzigen, Paramapaavan -deine Heiligkeit-," antwortet er.
"Gut, dann führe mich zu deinem ehrenwerten Vater!" fordere ich ihn jetzt auf.
Der Junge führt mich zu einer Hütte. Im Hauptraum sitzen zwei Frauen an der Kochstelle. Sie schauen auf, als wir die Hütte betreten. Die Ältere der Beiden erhebt sich und kommt mit einer Teekanne auf uns zu. In der anderen Hand hat sie eine Teeschale, die sie nun füllt und mir mit einem Lächeln reicht.
Ich bedanke mich und nehme den Tee an. Der Junge an meiner Seite sollte nun die Initiative ergreifen. Er spricht die Frau an:
"Würdest du bitte bei aadaraneey Pita -ehrenwerter Papa- ein Wort für mich einlegen, priy Maan -liebe Mama-? Ich möchte der Guru ka shishy -Schüler des Guru- werden und alles von ihm lernen."
Mit unseren Händen graben wir neben dem Fluss den Ufersand weg und schichten ihn zu einem Wall gegen das Wasser auf, für den wir auch Steine in der Umgebung sammeln. Schlamm lässt das Bauwerk in der Sonne fest werden. Wir halten den Boden des Feldes feucht durch ein kleines Rinnsal, das wir vom Fluss hereinführen.
Danach wandern wir zum nächsten Dorf flussaufwärts, das wir in zwei Tagen erreichen. Dort erzählen wir den Leuten von Buddha, wie schon in unzähligen anderen Dörfern vorher. Hier erbitten wir uns aber zusätzlich eine kleine Menge Reis. 'Zuhause' angekommen, stecken wir die Körner in Reihen in den Schlamm unseres Feldes. Da Amals Vater einmal Flussfischer gewesen ist, hat er die Aufgabe übernommen, während des Baues zu Fischen.
Nachdem wir soweit sind, weitere Mitglieder in unser Ashram -Einsiedelei- aufzunehmen, wandern wir in verschiedene Richtungen, um den Menschen Buddha nahe zu bringen. Amal habe ich zum Guru -spirituellen Lehrer- ernannt und ich bezeichne mich intern als Mahant -Klostervorsteher-. Für die Menschen, die wir besuchen, bin ich weiterhin ein Guru.
Etwa ein Monat bin ich unterwegs und muss allmählich daran denken zu unserem Ashram zurückzukehren, auch um das Reisfeld zu fluten und damit die Pflanzen zum Ausbilden ihrer Samenstände anzuregen. Nachdem das Wasser wieder abgelassen worden ist, können wir den Reis ernten.
Ein junger Hindu spricht mich in einem Dorf darauf an, mehr über Buddhas Lehre zu erfahren.
"Du möchtest mein Shishy -Schüler- werden?" frage ich freundlich lächelnd zurück.
"Ja, Paramapaavan -deine Heiligkeit-," antwortet er, mich erwartungsvoll anschauend.
"Ob deine Eltern damit einverstanden sind?" frage ich zurück.
"Unser Land kann keine weitere Familie ernähren, ehrenwerter Lehrer," meint er. "Wenn ich mir in ein paar Jahren eine Frau erwählen würde, bräuchte ich ein Stück Land. Wenn mein ehrenwerter Vater mir ein Teil seines Landes abtritt wie meinen Brüdern, dann wird es schwierig davon zu leben."
"So," sage ich lächelnd. "Dein Wunsch, mehr über Buddha zu erfahren und ein ihm wohlgefälliges Leben zu führen, entspringt also ausschließlich wirtschaftlichen Überlegungen?"
Der Junge geht vor mir auf die Knie und verneint meine Annahme.
"Paramapaavan -deine Heiligkeit-, du hast im Dorf über den 'achtfachen Pfad' gesprochen, dem jeder gute Mensch folgen soll. Darin heißt es, dass man niemals lügen soll. Den wirklichen Grund für eine Entscheidung zurückzuhalten und stattdessen einen anderen plausiblen Grund vorzugeben, kommt beinahe einer Lüge gleich! Ich wollte damit nur sagen, dass meine Eltern meine Entscheidung dir zu folgen, sehr wahrscheinlich gutheißen würden."
"Und über noch etwas musst du dir klar sein: Du darfst dich nicht in eine Frau verlieben und dabei die Liebe zu den Menschen an die zweite Stelle setzen. Wir kümmern uns um die Probleme eines Jeden, der sich vertrauensvoll an uns wendet. Unser Anspruch ist universell und nicht auf eine Person beschränkt!"
"Ich werde das beherzigen, Paramapaavan -deine Heiligkeit-," antwortet er.
"Gut, dann führe mich zu deinem ehrenwerten Vater!" fordere ich ihn jetzt auf.
Der Junge führt mich zu einer Hütte. Im Hauptraum sitzen zwei Frauen an der Kochstelle. Sie schauen auf, als wir die Hütte betreten. Die Ältere der Beiden erhebt sich und kommt mit einer Teekanne auf uns zu. In der anderen Hand hat sie eine Teeschale, die sie nun füllt und mir mit einem Lächeln reicht.
Ich bedanke mich und nehme den Tee an. Der Junge an meiner Seite sollte nun die Initiative ergreifen. Er spricht die Frau an:
"Würdest du bitte bei aadaraneey Pita -ehrenwerter Papa- ein Wort für mich einlegen, priy Maan -liebe Mama-? Ich möchte der Guru ka shishy -Schüler des Guru- werden und alles von ihm lernen."
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Samstag, 21. Mai 2022
Kiron, der Sucher - 12
mariant, 12:46h
Wir setzen uns an Ort und Stelle im Schneidersitz auf den Boden und ich teile mit dem Mann unseren Vorrat an Früchten. Er beginnt:
"Vor vielen Jahren, als die Stadt auf Geheiß unseres damaligen Raaja -Königs- erbaut wurde, hat er nach Westen hin auch sein Mausoleum und den Tempel des Vishnu aus Sandstein errichten lassen. Wir sind damals alle noch Hindus gewesen. Um diese Steinbauten für die Ewigkeit hat man den Königspalast und die Häuser der Bewohner traditionell aus Holz errichtet. Zwischen den Häusern ist genug Platz für Felder gewesen.
Als sein Sohn an die Macht gekommen ist, sind bald buddhistische Saadhu -Mönche- erschienen. Sie haben den neuen Raaja zu ihrem Glauben bekehrt, was sehr leicht gelungen ist. Ihre Lehre hat folgende Merksätze:
Zuerst: Die Schwachen verdienen ihr Schicksal. Kümmere dich um deine Stärke, denn Stärke ist Macht.
Sodann: Lebe mit Leidenschaft, denn sie gibt dir Kraft. Mit der Kraft erringst du Siege.
Drittens: Lass dich vom Zorn leiten, denn Zorn macht dich stark. Durch Zorn geleitete Aggressivität ist unaufhaltsam.
Viertens: Bekämpfe deine Angst und frage deine Feinde, was sie als ihre Stärke betrachten, was deren größte Angst ist, was sie am Meisten schätzen. So wirst du wissen, wie du deine Feinde schlagen kannst. Frage sie dann, worum sie dich am Meisten bitten, so wirst du wissen, wie du sie auf ewig unterdrücken kannst."
Ich fühle mich innerlich aufgewühlt, als ich davon höre. Das sind so ziemlich genau gegenteilige Lebensregeln zu denen, die mir mein alter Meister als von Buddha kommend beigebracht und die ich an Amal weitergegeben habe. Auch den Menschen habe ich in der Vergangenheit viel Gutes damit tun können. Diese Regeln hier fördern aber den Egoismus und die Habgier! Mir kommt es vor, als hätte sich hier die dunkle Seite manifestiert. Yin und Yang sind eigentlich in einem steten Wechsel begriffen. Hier hat jemand das Rad des Schicksals angehalten, und zwar auf der in meinen Augen falschen Seite!
"Und... an was glaubst du?" frage ich daher den Erzähler.
"Ich bin Hindu," meint er. "Ich glaube an Vishnu und die anderen Götter."
"Ich freue mich, dass du dir den neuen Glauben nicht zu eigen gemacht hast, mein Freund," antworte ich ihm lächelnd. "Dann möchten wir uns nun von dir verabschieden. Shubha Labha -Gutes Gelingen-!"
Wir erheben uns nun alle drei und entfernen uns freundlich lächelnd voneinander. Ich schlage den Weg ein den wir gekommen sind, bis wir so weit entfernt sind, dass wir uns gegenseitig nicht mehr sehen können. Dann wende ich mich nach Südwesten.
Wir halten uns wochenlang von jeder Ansiedlung fern, damit wir für eventuelle Verfolger unsichtbar werden. Dabei erreichen wir wieder einen Fluss. Wir wandern ihn gegen die Strömung entlang, bis wir einen Baum finden, den ein Blitz gefällt haben muss. Den ziehen wir ins Wasser und setzen uns auf den Stamm. Mit unseren Hölzern schieben wir ihn soweit, bis er in der seichten Strömung schwimmt. Nun setzen wir alles daran, dass er dem gegenüberliegenden Ufer immer näherkommt. Die letzten Meter waten wir an Land. Dort entkleiden wir uns teilweise und trocknen unsere Kesa -Umhänge-, die wir aus Stoffresten zusammengenäht und im Laufe der Jahre immer wieder ausgebessert haben.
Nachdem die Sonne unsere Umhänge getrocknet hat, können wir sie wieder anziehen. Das Trocknen der Dhoti -um die Hüfte gewickelten und zwischen den Beinen hindurch geführte Tücher- geht nun schneller. Anschließend gehen wir auf dieser Flussseite weiter gegen die Strömung am Flussufer entlang.
Amal ist inzwischen meisterlich in 'Kalaripayattu', unserer Selbstverteidigungstechnik. Auch die Meditation beherrscht er sehr gut. Leider kann er dabei keine Verbindung zu Prana -Lebenshauch- erlangen. Ob das nur wenigen Menschen gelingt?
Er hat im Laufe der vergangenen Jahre die 'vier edlen Wahrheiten Buddhas' verinnerlicht und sein Leben danach ausgerichtet. Eigentlich könnte ich Amal zu einem Guru ernennen und ihn seiner Wege ziehen lassen. Er könnte sich einen eigenen Shishy -Schüler- auswählen und ihn lehren und ich könnte es ebenfalls noch einmal tun.
Das Erlebnis im Nordosten von hier am Rande des fremden Königreiches lässt mich allerdings mit Vorsicht handeln. Es ist besser, wenn wir zusammenbleiben. Ich denke, wir sollten zuerst einmal sesshaft werden und ein Kloster gründen, das sich anfangs nicht von einem normalen Dorf unterscheidet.
Wir wandern also weiter den Fluss entlang und schauen uns dabei genau in der Landschaft um. Einerseits wollen wir keinem Bauern sein Land streitig machen, andererseits soll die Lage etwas erhabenes innehaben.
Ein Fels, der den Fluss zu einer Kehre zwingt, lässt mich aufmerksam werden.
'Von dort oben haben wir einen guten Überblick über die Landschaft!' denke ich mir.
Wir erklimmen ihn und schauen uns um. Ein kleines Plateau liegt dort oben vor einer Felsnadel, die den höchsten Punkt markiert. Die nähere Umgebung des Felsens ist steinig. Deshalb haben sich hier keine Menschen angesiedelt. Bei einem Rundblick von der Felsnadel kann ich auch in der Ferne keine Ansiedlung entdecken. Etwas weiter vom Fluss entfernt erkenne ich eine Waldinsel im Grasland. Um in allen Richtungen das nächste Dorf zu erreichen, würden wir sicher mehr als einen Tag wandern müssen, schätze ich.
"Vor vielen Jahren, als die Stadt auf Geheiß unseres damaligen Raaja -Königs- erbaut wurde, hat er nach Westen hin auch sein Mausoleum und den Tempel des Vishnu aus Sandstein errichten lassen. Wir sind damals alle noch Hindus gewesen. Um diese Steinbauten für die Ewigkeit hat man den Königspalast und die Häuser der Bewohner traditionell aus Holz errichtet. Zwischen den Häusern ist genug Platz für Felder gewesen.
Als sein Sohn an die Macht gekommen ist, sind bald buddhistische Saadhu -Mönche- erschienen. Sie haben den neuen Raaja zu ihrem Glauben bekehrt, was sehr leicht gelungen ist. Ihre Lehre hat folgende Merksätze:
Zuerst: Die Schwachen verdienen ihr Schicksal. Kümmere dich um deine Stärke, denn Stärke ist Macht.
Sodann: Lebe mit Leidenschaft, denn sie gibt dir Kraft. Mit der Kraft erringst du Siege.
Drittens: Lass dich vom Zorn leiten, denn Zorn macht dich stark. Durch Zorn geleitete Aggressivität ist unaufhaltsam.
Viertens: Bekämpfe deine Angst und frage deine Feinde, was sie als ihre Stärke betrachten, was deren größte Angst ist, was sie am Meisten schätzen. So wirst du wissen, wie du deine Feinde schlagen kannst. Frage sie dann, worum sie dich am Meisten bitten, so wirst du wissen, wie du sie auf ewig unterdrücken kannst."
Ich fühle mich innerlich aufgewühlt, als ich davon höre. Das sind so ziemlich genau gegenteilige Lebensregeln zu denen, die mir mein alter Meister als von Buddha kommend beigebracht und die ich an Amal weitergegeben habe. Auch den Menschen habe ich in der Vergangenheit viel Gutes damit tun können. Diese Regeln hier fördern aber den Egoismus und die Habgier! Mir kommt es vor, als hätte sich hier die dunkle Seite manifestiert. Yin und Yang sind eigentlich in einem steten Wechsel begriffen. Hier hat jemand das Rad des Schicksals angehalten, und zwar auf der in meinen Augen falschen Seite!
"Und... an was glaubst du?" frage ich daher den Erzähler.
"Ich bin Hindu," meint er. "Ich glaube an Vishnu und die anderen Götter."
"Ich freue mich, dass du dir den neuen Glauben nicht zu eigen gemacht hast, mein Freund," antworte ich ihm lächelnd. "Dann möchten wir uns nun von dir verabschieden. Shubha Labha -Gutes Gelingen-!"
Wir erheben uns nun alle drei und entfernen uns freundlich lächelnd voneinander. Ich schlage den Weg ein den wir gekommen sind, bis wir so weit entfernt sind, dass wir uns gegenseitig nicht mehr sehen können. Dann wende ich mich nach Südwesten.
Wir halten uns wochenlang von jeder Ansiedlung fern, damit wir für eventuelle Verfolger unsichtbar werden. Dabei erreichen wir wieder einen Fluss. Wir wandern ihn gegen die Strömung entlang, bis wir einen Baum finden, den ein Blitz gefällt haben muss. Den ziehen wir ins Wasser und setzen uns auf den Stamm. Mit unseren Hölzern schieben wir ihn soweit, bis er in der seichten Strömung schwimmt. Nun setzen wir alles daran, dass er dem gegenüberliegenden Ufer immer näherkommt. Die letzten Meter waten wir an Land. Dort entkleiden wir uns teilweise und trocknen unsere Kesa -Umhänge-, die wir aus Stoffresten zusammengenäht und im Laufe der Jahre immer wieder ausgebessert haben.
Nachdem die Sonne unsere Umhänge getrocknet hat, können wir sie wieder anziehen. Das Trocknen der Dhoti -um die Hüfte gewickelten und zwischen den Beinen hindurch geführte Tücher- geht nun schneller. Anschließend gehen wir auf dieser Flussseite weiter gegen die Strömung am Flussufer entlang.
Amal ist inzwischen meisterlich in 'Kalaripayattu', unserer Selbstverteidigungstechnik. Auch die Meditation beherrscht er sehr gut. Leider kann er dabei keine Verbindung zu Prana -Lebenshauch- erlangen. Ob das nur wenigen Menschen gelingt?
Er hat im Laufe der vergangenen Jahre die 'vier edlen Wahrheiten Buddhas' verinnerlicht und sein Leben danach ausgerichtet. Eigentlich könnte ich Amal zu einem Guru ernennen und ihn seiner Wege ziehen lassen. Er könnte sich einen eigenen Shishy -Schüler- auswählen und ihn lehren und ich könnte es ebenfalls noch einmal tun.
Das Erlebnis im Nordosten von hier am Rande des fremden Königreiches lässt mich allerdings mit Vorsicht handeln. Es ist besser, wenn wir zusammenbleiben. Ich denke, wir sollten zuerst einmal sesshaft werden und ein Kloster gründen, das sich anfangs nicht von einem normalen Dorf unterscheidet.
Wir wandern also weiter den Fluss entlang und schauen uns dabei genau in der Landschaft um. Einerseits wollen wir keinem Bauern sein Land streitig machen, andererseits soll die Lage etwas erhabenes innehaben.
Ein Fels, der den Fluss zu einer Kehre zwingt, lässt mich aufmerksam werden.
'Von dort oben haben wir einen guten Überblick über die Landschaft!' denke ich mir.
Wir erklimmen ihn und schauen uns um. Ein kleines Plateau liegt dort oben vor einer Felsnadel, die den höchsten Punkt markiert. Die nähere Umgebung des Felsens ist steinig. Deshalb haben sich hier keine Menschen angesiedelt. Bei einem Rundblick von der Felsnadel kann ich auch in der Ferne keine Ansiedlung entdecken. Etwas weiter vom Fluss entfernt erkenne ich eine Waldinsel im Grasland. Um in allen Richtungen das nächste Dorf zu erreichen, würden wir sicher mehr als einen Tag wandern müssen, schätze ich.
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Donnerstag, 19. Mai 2022
Kiron, der Sucher - 11
mariant, 11:43h
"Das ist meine Aufgabe als Guru," antworte ich meinem Shishy -Schüler-. "Ohne zu werten gehe ich auf die Menschen zu und helfe dem, der Hilfe braucht, weil er vor sich einen Berg des Schicksals erblickt und darüber mutlos wird. Wenn Buddhas Lehren dein Leben bestimmen, begegnest du deinen Mitmenschen auch mit dem richtigen Mitgefühl und liebevoller Zugewandtheit.
Auch deine eigene Erfahrung trägt zu der Motivation bei, deinen Mitmenschen helfen zu wollen. Wenn du deine Erfahrungen zur Grundlage deines Handelns machst, wirst du bemerken, dass wir als Menschen für andere Menschen mitverantwortlich sind. Das gibt unserem Leben einen Sinn. Deine Erfahrungen zeigen dir auch, dass du manchmal Fehler machst, aber aus ihnen lernen kannst. Das macht dir Mut. Statt zu fragen, was Buddha uns lehren kann in bestimmten Lebenssituationen, fragen wir besser: Was kann die Wirklichkeit uns lehren? Buddha hilft uns nur dabei, die Realität zu unserem Lehrer zu machen."
"Wir sind bisher immer auf wohlmeinende Menschen gestoßen," beginnt Amal nach einer Weile von Neuem. "Was, wenn uns plötzlich Menschen mit Waffen bedrohen?"
"Ihnen dürfen wir nicht anders gegenübertreten, Amal. Du darfst dich nicht zu unüberlegten Handlungen hinreißen lassen, weder aus Angst, noch vor Zorn. Hüte dich auch vor der Aggressivität! Diese drei Gefühle nehmen schnell von dir Besitz! Du musst sie unbedingt bekämpfen!"
"Sind diese Gefühle denn so stark?" fragt er, leicht verunsichert.
"Nein, aber sie sind verführerischer. Nur wenn man Ruhe bewahrt, erkennt man die Unterschiede zwischen Yin und Yang. Nur wenn man den inneren Frieden bewahrt, kann man ihn auch nach außen tragen!"
"Aber wenn sich der Mensch in Waffen davon nicht beeindrucken lässt?" setzt Amal nach.
"Das weißt du erst, wenn dein Gegenüber angreift. Du darfst dich nur verteidigen, Amal! Wenn dein Gegenüber dich mit Heimtücke in Sicherheit wiegt, und einen unbedachten Augenblick nutzt, dich zu töten, bedenke: Der Tod ist nicht das Ende! Auch deine Eltern sind nach ihrem Tod wiedergeboren worden."
"Was ist aber, wenn ich zufällig miterlebe, dass böse Menschen in ein Dorf einfallen, die Bauern berauben und töten wollen?"
"Können sich diese Menschen nicht wehren, darfst du eingreifen, Amal. Aber hüte dich dabei vor den schlechten Gefühlen! Sie machen dich blind. Bleibe rational und überlege dir eine Taktik, wie du am ehesten Erfolg hast. Behalte also den Überblick, statt dich auf eine Sache zu konzentrieren."
"Gut," meint der Junge. "Aber wie könnte ich in dieser Situation helfen, ohne bei meinem Auftritt sofort getötet zu werden. Damit wäre den Bauern auch nicht geholfen..."
Ich lächele.
"Zwei Wege," sage ich. Amal schaut mich aufmerksam an. "Du hast mich schon oft auf dem Boden sitzen und mit geschlossenen Augen nachdenken gesehen. Das mache ich, um äußere Einflüsse weitestgehend auszuschließen. Dann horche ich in mich hinein, um alsbald zu wissen, wie ich am besten vorgehe."
"Und der andere Weg?" lässt Amal nun nicht locker.
"Die waffenlose Selbstverteidigung! Unsere Vorfahren haben unsere Brüder in der Wildnis beobachtet und Bewegungsfolgen erarbeitet, die uns helfen, unsere Gegner ohne Waffen zu besiegen. Diese Selbstverteidigung nennt man Kalaripayattu."
"Kannst du mir beides lehren, Paramapaavan -deine Heiligkeit-?"
"Ich will es gerne versuchen," erwidere ich ihm.
Dies ist der Beginn eines jahrelangen Trainings in Meditation, sowie in der Selbstverteidigung. Ich führe das Training immer durch, wenn ich mit ihm in der Natur alleine bin, nicht wenn wir in einem Dorf unter Menschen sind.
Allmählich kann ich verstehen, warum mein alter Lehrer nicht mehr als einen Shishy -Schüler- gleichzeitig gewollt hat.
Treffen wir auf unseren Pfaden auf Städte, umgehen wir sie, denn dort würden wir am ehesten auf bewaffnete Menschen treffen, und ich trage die Verantwortung für meinen Shishy.
*
Wir wandern jetzt ein Dutzend Jahre von Dorf zu Dorf. Dort erzählen wir den Menschen von Siddharta und wer will, erfährt auch mehr. Ich spreche dann über 'Die vier edlen Wahrheiten Buddhas'.
Irgendeiner lädt uns danach immer ein, in seinem Haus zu speisen und zu nächtigen. Zumeist ist das mit der Bitte verbunden, ihm bei einem gesundheitlichen oder zwischenmenschlichen Problem zu helfen.
Ich bin gewohnt, dass die Menschen immer nur so viel Nahrung erzeugen, wie die Dorfgemeinschaft auch verbraucht. Nun kommen wir in eine Gegend, in der die Bauern, Viehzüchter und Fischer viel mehr erzeugen und den Überschuss in Leinensäcke verpacken und auf Wagen laden.
Auf meine Frage, wohin sie die Säcke verkaufen, wird mir geantwortet:
"Ehrenwerter Herr, das sind unsere Steuern, die wir Shahar Mandir -Stadt Tempel- schulden. Von Zeit zu Zeit kommen Saadhu -Mönche- in Begleitung von Soldaten und laden die Steuern auf große Wagen."
"Oh," mache ich erstaunt und fordere den Mann auf, sich zu setzen und mir mehr davon zu erzählen.
Auch deine eigene Erfahrung trägt zu der Motivation bei, deinen Mitmenschen helfen zu wollen. Wenn du deine Erfahrungen zur Grundlage deines Handelns machst, wirst du bemerken, dass wir als Menschen für andere Menschen mitverantwortlich sind. Das gibt unserem Leben einen Sinn. Deine Erfahrungen zeigen dir auch, dass du manchmal Fehler machst, aber aus ihnen lernen kannst. Das macht dir Mut. Statt zu fragen, was Buddha uns lehren kann in bestimmten Lebenssituationen, fragen wir besser: Was kann die Wirklichkeit uns lehren? Buddha hilft uns nur dabei, die Realität zu unserem Lehrer zu machen."
"Wir sind bisher immer auf wohlmeinende Menschen gestoßen," beginnt Amal nach einer Weile von Neuem. "Was, wenn uns plötzlich Menschen mit Waffen bedrohen?"
"Ihnen dürfen wir nicht anders gegenübertreten, Amal. Du darfst dich nicht zu unüberlegten Handlungen hinreißen lassen, weder aus Angst, noch vor Zorn. Hüte dich auch vor der Aggressivität! Diese drei Gefühle nehmen schnell von dir Besitz! Du musst sie unbedingt bekämpfen!"
"Sind diese Gefühle denn so stark?" fragt er, leicht verunsichert.
"Nein, aber sie sind verführerischer. Nur wenn man Ruhe bewahrt, erkennt man die Unterschiede zwischen Yin und Yang. Nur wenn man den inneren Frieden bewahrt, kann man ihn auch nach außen tragen!"
"Aber wenn sich der Mensch in Waffen davon nicht beeindrucken lässt?" setzt Amal nach.
"Das weißt du erst, wenn dein Gegenüber angreift. Du darfst dich nur verteidigen, Amal! Wenn dein Gegenüber dich mit Heimtücke in Sicherheit wiegt, und einen unbedachten Augenblick nutzt, dich zu töten, bedenke: Der Tod ist nicht das Ende! Auch deine Eltern sind nach ihrem Tod wiedergeboren worden."
"Was ist aber, wenn ich zufällig miterlebe, dass böse Menschen in ein Dorf einfallen, die Bauern berauben und töten wollen?"
"Können sich diese Menschen nicht wehren, darfst du eingreifen, Amal. Aber hüte dich dabei vor den schlechten Gefühlen! Sie machen dich blind. Bleibe rational und überlege dir eine Taktik, wie du am ehesten Erfolg hast. Behalte also den Überblick, statt dich auf eine Sache zu konzentrieren."
"Gut," meint der Junge. "Aber wie könnte ich in dieser Situation helfen, ohne bei meinem Auftritt sofort getötet zu werden. Damit wäre den Bauern auch nicht geholfen..."
Ich lächele.
"Zwei Wege," sage ich. Amal schaut mich aufmerksam an. "Du hast mich schon oft auf dem Boden sitzen und mit geschlossenen Augen nachdenken gesehen. Das mache ich, um äußere Einflüsse weitestgehend auszuschließen. Dann horche ich in mich hinein, um alsbald zu wissen, wie ich am besten vorgehe."
"Und der andere Weg?" lässt Amal nun nicht locker.
"Die waffenlose Selbstverteidigung! Unsere Vorfahren haben unsere Brüder in der Wildnis beobachtet und Bewegungsfolgen erarbeitet, die uns helfen, unsere Gegner ohne Waffen zu besiegen. Diese Selbstverteidigung nennt man Kalaripayattu."
"Kannst du mir beides lehren, Paramapaavan -deine Heiligkeit-?"
"Ich will es gerne versuchen," erwidere ich ihm.
Dies ist der Beginn eines jahrelangen Trainings in Meditation, sowie in der Selbstverteidigung. Ich führe das Training immer durch, wenn ich mit ihm in der Natur alleine bin, nicht wenn wir in einem Dorf unter Menschen sind.
Allmählich kann ich verstehen, warum mein alter Lehrer nicht mehr als einen Shishy -Schüler- gleichzeitig gewollt hat.
Treffen wir auf unseren Pfaden auf Städte, umgehen wir sie, denn dort würden wir am ehesten auf bewaffnete Menschen treffen, und ich trage die Verantwortung für meinen Shishy.
*
Wir wandern jetzt ein Dutzend Jahre von Dorf zu Dorf. Dort erzählen wir den Menschen von Siddharta und wer will, erfährt auch mehr. Ich spreche dann über 'Die vier edlen Wahrheiten Buddhas'.
Irgendeiner lädt uns danach immer ein, in seinem Haus zu speisen und zu nächtigen. Zumeist ist das mit der Bitte verbunden, ihm bei einem gesundheitlichen oder zwischenmenschlichen Problem zu helfen.
Ich bin gewohnt, dass die Menschen immer nur so viel Nahrung erzeugen, wie die Dorfgemeinschaft auch verbraucht. Nun kommen wir in eine Gegend, in der die Bauern, Viehzüchter und Fischer viel mehr erzeugen und den Überschuss in Leinensäcke verpacken und auf Wagen laden.
Auf meine Frage, wohin sie die Säcke verkaufen, wird mir geantwortet:
"Ehrenwerter Herr, das sind unsere Steuern, die wir Shahar Mandir -Stadt Tempel- schulden. Von Zeit zu Zeit kommen Saadhu -Mönche- in Begleitung von Soldaten und laden die Steuern auf große Wagen."
"Oh," mache ich erstaunt und fordere den Mann auf, sich zu setzen und mir mehr davon zu erzählen.
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