Montag, 18. September 2023
Neue Heimat L98 59b (75)
Im Verlauf des Fluges umfliegt er das Gebirge und kurz darauf liegt unter uns der Dschungel. Das ist keine durchgängige grüne Welt, sondern Bauminseln wechseln mit Grasflächen, kleinen Seen und Flüssen. Manche Seen haben eine grüne Oberfläche. Andere Lichtungen, vorzugsweise in der Nähe von kleinen Seen haben einen dunkelgrünen Bodenbelag. An einigen Stellen sind die Bauminseln allerdings größer. Als wir tiefer gehen, kann ich die Grenzen nicht mehr überblicken.

Dann landen wir am Ufer eines Sees. Der Reiter vor mir rutscht aus dem Sattel. Er sagt zu mir: "Tsarr!"

Mein Kommunikator übersetzt: "Komm!"

Also rutsche ich ebenfalls aus dem Sattel. In der Zwischenzeit redet der Reiter beruhigend auf sein Tier ein und gibt ihm eine Keule zur Belohnung. Dabei handelt es sich um den Oberschenkelknochen mit Muskelfleisch irgendeines erjagten Tieres, den er aus einem Beutel holt, den er umhängen hat.

Wir laufen nun unter die Bäume. Der Flugsaurier hinter uns lässt einen hellen Schrei ertönen, startet und fliegt davon. Der Reiter führt mich nun gute zwei Stunden durch das Unterholz des Waldes, der hier ziemlich dicht wächst, bis wir einen ausgetretenen Pfad erreichen, dem er weiter folgt.

Bald darauf sind wir von Kindern umringt, die mich überall berühren, dabei lachen und derart durcheinanderreden, dass mein Kommunikator streikt. Ich folge meinem Führer bis wir zwei ältere Personen erreichen. Eine davon hat eine wettergegerbte Haut. Die andere Person hat die gleiche Haut, wie alle hier, die sich je nach Emotionen verfärbt.

Sie stehen unter einem riesigen Baum inmitten der Indigenen, die verschiedenen Tätigkeiten nachgehen. Der ältere Mann lächelt mir entgegen und spricht mich an:

"Guten Abend, Mister Snider! Wie geht es ihrem Vater?"

Ich vermute stark, dass ich es hier mit Mister Albright zu tun habe. Also antworte ich, freundlich lächelnd und mich leicht verbeugend:

"Guten Abend, Mister Albright. Meinem Vater geht es ganz gut, denke ich."

Er nickt mir zu, schaut sich kurz um und ruft:
"Ckilorr -hübsch, schön, bezaubernd-!"

Eine junge Frau tritt näher. Mister Albright stellt uns einander vor:

"Mister Snider, hier sprechen wir uns alle mit den Vornamen an. Ich bin hier seit Anfang an als 'Schimm' bekannt. Ich denke, man wird sie ziemlich schnell 'Scho' nennen. Das kommt den Leuten besser über die Lippen... Dies hier ist Ckilorr, eine junge Frau ohne Mann bisher. Ckilorr, dies hier ist 'Scho'. Er wird dir eine Menge Fragen stellen. Zeige ihm unsere Lebensweise."

Die junge Frau schaut mich zurückhaltend an und ihre Haut hat eine braune Färbung. Darin ist sie so ganz anders, als die Kinder vorhin. Schließlich begrüßt sie mich:

"Ngati meh, 'Scho'!"

Mein Kommunikator übersetzt das als "Ich sehe dich, Scho!"

Lächelnd erwidere ich:
"Ich sehe dich auch, Ckilorr!"

Wieder meldet sich mein Kommunikator und übersetzt meine Worte:

"Ngati ckop meh, Ckilorr!"

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Freitag, 15. September 2023
Neue Heimat L98 59b (74)
Am nächsten Tag fahre ich nach dem Mittagessen mit der Einschienen-Hochbahn ins Seenland und steige im Haltepunkt des dortigen Hotels aus. Auf meiner Armbanduhr lese ich 13:35 Uhr. Ich gehe die Treppe hinunter ins Foyer des Hotels und schaue durch die Tür auf die grasbewachsene Ebene hinaus.

Gegen Viertel nach zwei Uhr verdunkelt sich Ilios, wie wir unsere Sonne hier nennen, für einen kurzen Moment. Dann landet ein Flugsaurier nicht weit entfernt, faltet die Hautflügel zusammen und klappt sie senkrecht hoch. Er beugt die vorderen und hinteren Gliedmaßen, so dass sein Bauch im hohen Gras verschwindet.

Nun dreht sich ein Indigener zu mir um und rutscht aus dem Ledersattel. Ich bin nach draußen gegangen, obwohl an der Tür ein dreieckiges Schild mit der Aufschrift 'DANGER' davor warnt. Wir gehen auf einander zu. Als ich einen Meter Abstand von ihm habe, sagt mein Gegenüber:

"Ngati meh!"

Mein Kommunikator übersetzt das als "Ich sehe dich!" Das ist also die Begrüßung dieser Leute, weiß ich inzwischen. Ich wiederhole den Satz und mein Kommunikator übersetzt "Ngati meh!"

Mein Führer wendet sich um und geht auf den Flugsaurier zu, der immer noch mit dem Bauch im Gras liegt. Das Tier hebt den Kopf, der auf einem langen Hals sitzt und schaut uns entgegen. Der Reiter des Flugsauriers klopft dem Tier auf den Hals und sagt "Nganurr, ßerri, nganurr!", die der Kommunikator als "Ruhig, Mädchen. Ruhig!" übersetzt.

Ich bin ihm gefolgt, halte mich aber schräg hinter ihm, so dass er zwischen mir und dem Maul des Sauriers steht. Der Mann wendet sich nun zu mir um und fordert mich mit den Worten "Ffecke rrusch!" auf, den Rücken des Tieres zu klettern. Mein Kommunikator übersetzt die Worte mit "Aufsteigen bitte!"

Ich schaue mich um und entdecke ein paar Schlaufen in dem Leder, das auf den Rücken des Flugsauriers geschnallt ist. Danach greifend spüre ich, dass der Mann mich von hinten schiebt. Schließlich sitze ich rittlings auf dem Schultergürtel des Tieres. Der Mann zeigt auf mein Bein und eine der Schlaufen. Ich soll wohl das Bein hineinstecken. Nachdem ich beide Beine gesichert habe halte ich mich an dem Griff vor mir fest.

Der Mann schwingt sich elegant vor mich auf den Sattel. Danach drückt er mit der Ferse gegen den Hals des Tieres. Es erhebt sich und stellt sich auf alle Viere. Der Blick aus meiner jetzigen Position gleicht dem Blick von einem Balkon im ersten Stock eines Hauses in Eseís. Dann sinkt das Tier in seinen Hinterbeinen etwas ein und macht einen Hüpfer. Gut, dass ich meine Beine in den Schlaufen stecken habe und mich an dem Griff vor mir festhalte.

Während das Tier hüpft, breitet es seine riesigen Hautflügel aus und schlägt damit. Langsam kommen wir vom Boden los und steigen höher in die Luft. Der Flugsaurier schraubt sich mit Kreisen immer höher. Als das Hotel unter mir nur noch wie ein Kinderspielzeug aussieht, geht der Saurier in einen Geradeaus-Flug über und hält auf den linken Rand des Gebirges vor uns zu.

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Dienstag, 12. September 2023
Neue Heimat L98 59b (73)
Chusa hat ihm zurückgeschrieben:
"Gerne! Allerdings wollen wir das der jüngeren Generation überlassen. Ich will die Sache im Rat ansprechen und schreibe Sie danach wieder an."

Wir besprechen die Sache im Rat des Volkes und entscheiden, dass ein Jäger, der erst seit wenigen Jahren seinen Ckurrot gezähmt hat, den jungen Mann vor dem Hotel ‚Seenland‘ im Grasland aufnehmen soll.
Am Tag nach dem Ratsbeschluss, schreibt Papa an 'Luuk':

"Nennen Sie uns einen Tag, Mister Snider. Unser Mann wird gegen 14 Uhr vor dem Hauptgebäude des Hotels 'Seenland' landen und ihren Sohn wohlbehalten zu uns bringen."

'Luuk' schreibt drei Stunden später zurück:
"Morgen wäre günstig, wenn das so kurzfristig ginge. Gepäck mitbringen ist nicht nötig?"

Chusa -Papa- antwortet ihm:

"Außer seinem Kommunikator braucht er kein Gepäck. Sie kennen das ja aus eigener Erfahrung. Erklären Sie ihm, wie er den Kommunikator als Arbeitsgerät einsetzen kann.
Also dann, bis morgen Nachmittag.
'Schimm'"

Nach dem Essen am Mittag des nächsten Tages klettert der Jäger, der sich bereit erklärt hat, auf den Heimatbaum. Im Wipfel angekommen, ruft er seinen Windgeist, steigt auf dessen Rücken und fliegt los.

*

Mein Vater hat den Aufenthalt bei den Ngachi für mich klargemacht, nachdem er mich gefragt hat, wann ich dorthin möchte.

"Am liebsten so schnell wie möglich," habe ich ihm geantwortet.

"Du brauchst nichts mitnehmen," meint er noch. "Nur deinen Kommunikator... Hast du schon eine eigene Cloud?"

"Ja, natürlich!" gebe ich zurück. "Irgendwo muss ich die ganzen Fotos und Notizen ja lassen."

"Nun ja," erklärt mein Vater. "Für all die Informationen, die du bei den Ngachi bekommst, brauchst du wohl einige Terabyte. Sprech' deine Erkenntnisse hinein und füge Bilder an. Nach deiner Zeit dort, musst du alles noch einmal hier mit dem Tablet sortieren, bis daraus eine wissenschaftliche Arbeit wird."

"Okay, vielen Dank," antworte ich.

"Gut, dann frage ich für Morgen an."

"Das wäre nett!"

Später erhalte ich per Textnachricht:
"Morgen gegen 14 Uhr wird ein Angehöriger der Ngachi beim Hotel 'Seenland' landen."

"Danke dir," schreibe ich zurück.

Danach gehe ich ins Bett, kann aber vor Aufregung kaum schlafen. Ich habe mir die Datei mit der Sprache der Ngachi aus dem Archiv auf meinen Kommunikator geladen. Sie wird mir bei der Verständigung helfen, sage ich mir.

*

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