Montag, 30. Oktober 2023
Neue Heimat L98 59b (89)
Ehrlich antworte ich ihr:
"Danke sehr! Im Moment weiß ich noch nicht, wie es mir geht. Es ist alles so neu für mich."

"Das glaube ich," bestätigt die Nußa und fragt 'Scho': "Habt ihr schon etwas zu Mittag gegessen?"

"Noch nicht, Mama. Wir haben uns am Vormittag auf den Weg gemacht," antwortet ihr 'Scho'.

"Oh, dann habt ihr sicher Hunger!" meint sie und wendet sich an mich mit der Frage: "Was magst du denn essen?"

Ich weiß nicht, was sie meint. Hunger kenne ich nicht. Um Essen zu holen, nehme ich mir, was ich im Wald finde. Darum antworte ich einfach:

"Was der Wald bietet."

Nun erklärt 'Scho' seiner Nußa das Leben im Weltenwald:

"Die Frage 'Hast du Hunger?' verstehen die Ngachi nicht, Mama. Es wäre in etwa so, als würde man unsereins fragen 'Willst du atmen?'. Wenn sie essen möchten, gehen sie in den Wald, graben Wurzeln aus, pflücken Blätter, fangen Fische und graben Insektenlarven aus der Baumrinde."

'Scho's Nußa überlegt, was sie als Mahlzeit machen soll und schaut im Nebenraum nach. Dann kommt sie zurück und bietet uns etwas an, von dem ich nur Fisch kenne. Unsicher schaue ich 'Scho' an. Er nickt seiner Nußa zu und steht auf. Dabei bietet er an:

"Wir helfen dir bei der Zubereitung. Dann sieht Ckilorr auch, wie wir das machen."

Dann wendet er sich an mich und fragt:
"Kommst du mit in die Küche?"

Dabei streckt er mir seine Hand entgegen, an der ich mich hochziehe. Nun kommt seine Nußa zur Couch und säubert die Stelle, an der ich gesessen habe, um danach eine große Haut über die Couch zu legen.

Danach gehen wir gemeinsam in den Nebenraum, in dem eine verwirrende Ausstattung vorhanden ist. 'Scho's Mama holt Lebensmittel aus verschiedenen Behältnissen auf den Tisch und beauftragt mich etwas zu tun, das ich nicht verstehe.

Wieder erklärt 'Scho' wie wir im Wald leben:
"Die Ngachi kennen nur offenes Feuer. Ausgegrabene Wurzeln können auf zweierlei Art verarbeitet werden: Entweder man steckt sie auf einen angespitzten Ast und hält sie ins Feuer, um danach die Kruste aufzubrechen und den weichen Inhalt mit den Zähnen vom Spieß abzuknabbern. Oder man hält sie in einen Bach und reinigt sie unter fließendem Wasser, um sie danach zu schälen, kleinzuschneiden und in einer Suppe zu kochen."

Nun zeigt mir seine Nußa, wie man die Lebensmittel hier zubereitet und ich schaue interessiert zu. Als sie fertig zu sein scheint, gibt sie die zubereiteten Wurzeln und die Blätter in zwei große Schalen und die portionierten Fischteile auf ein flaches Rindenstück. Das tragen wir in den großen Raum. Dazu stellt sie zwei Behälter. In einen davon hat sie eine heiße Flüssigkeit gefüllt, die beim Kochen übriggeblieben ist.

Dann bietet mir 'Scho' an, mich auf ein Gestell zu setzen. Er und seine Nußa setzen sich ebenfalls. Ich schaue zu, wie 'Scho' und sie sich aus den Schalen und von der Rinde bedienen. Dann nehme ich mir auch etwas und beginne, wie gewohnt, mit den Fingern zu essen.

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Freitag, 27. Oktober 2023
Neue Heimat L98 59b (88)
Während wir in die Siedlung der Menschen hineingehen, sind wir zweimal Leuten aus diesem Stamm begegnet. Die Frauen haben ihre Kinder nicht um sich, so wie das bei den Ngachi üblich ist. Dann sehe ich unter uns eine lange Reihe großer Tiere laufen, mit leuchtenden Augen, als wären es diese kleinen Insekten, die auf dem Waldboden herumlaufen. Ich verstecke mich wieder, damit sie mich nicht sehen und mich vielleicht fressen. Die Insekten auf dem Waldboden können manchmal wehtun, wenn man wie ein Baby nicht aufpasst und auf sie tritt.

Schließlich bleibt 'Scho' vor einem dieser 'Häuser' stehen und öffnet wieder ein Loch. Wir gehen hinein und ein weiteres Loch öffnet sich. Auch dort gehen wir hinein. Es macht beängstigende Geräusche und ruckelt, dann öffnet sich das Loch wieder, durch das wir hereingekommen sind. Aber nun hat sich die Umgebung verändert. Das Loch, durch das wir in das Haus gekommen sind, ist viel kleiner geworden. Furchtsam frage ich deshalb 'Scho':

"Bist du ein Ockaßu -Schamane-? Wo hast du uns hingezaubert?"

Er erklärt mir, dass wir uns immer noch im gleichen Haus befinden, nur etwas höher als vorhin. Wenn er das nicht gemacht hat, dann muss es irgendeine andere Art von Magie der Himmelswesen sein, denke ich.

Nun öffnet 'Scho' seitlich ein weiteres Loch und ruft:
"Hallo! Ist jemand zuhause?"

Eine Menschin, 'Scho's Nußa -Mama-, kommt uns entgegen und sagt zu 'Scho':

"Hallo Joe! Das ist aber eine Freude! Wen hast du denn da mitgebracht?"

"Das ist meine Frau Ckilorr, Mama. Ckilorr, hier siehst du meine Nußa -Mama-, Padma," stellt 'Scho' uns einander vor.

Ich neige leicht meinen Kopf und grüße seine Mama in der Art unseres Volkes. Dabei nutze ich die Sprache der Menschen, die 'Scho' mir beigebracht hat:

"Ich sehe dich!"

Die Nußa bittet uns nun in den großen Raum, aus dem sie gerade gekommen ist. 'Scho' bittet mich, ich soll mich auf den Stein setzen, der darin steht. Er setzt sich ebenfalls. Als ich mich vorsichtig setze, habe ich das Gefühl, mich auf eines der Blätter vom Heimatbaum zu setzen. Der Stein gibt genauso nach, aber er rollt mich nicht ein. Also kuschele ich mich an das hohe hintere Teil in meinem Rücken und ziehe meine Beine an.

'Scho's Mama fragt nun meinen Ssuckan -Mann-:
"Du hast Ckilorr bei den Indigenen kennengelernt, während du dort gearbeitet hast?"

"Ja," bestätigt er. "So kann man das ausdrücken: Sie hat mir anfangs als Interview-Partnerin zur Seite gestanden und mir viel gezeigt und erklärt. Darüber sind wir uns über die Zeit nähergekommen und haben uns ineinander verliebt."

Nun wendet sie sich lobend an mich und fragt:
"Du hast sehr gut Englisch sprechen gelernt, Ckilorr. Das ist wichtig, wenn man sich hier unter uns bewegen will. Wie geht es dir denn so?"

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Dienstag, 24. Oktober 2023
Neue Heimat L98 59b (87)
"Nach spätestens zehn Monden bin ich wieder bei dir!" verspricht er mir.

Die Vorstellung davon kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Deshalb frage ich ihn, ob ich ihn nicht begleiten kann. Dann bin ich ihm nahe und in der Männerwelt der Ngachi fühle ich mich schutzlos, ohne ihn.
'Scho' versteht mich und spricht mit 'Schimm', unserem Häuptling, der einmal selbst zu den Vchhtep -Himmelswesen- gehört hat. Dieser schaut Ngachischi an, die seine Frau und die Ockaßu -Schamanin- unseres Volkes ist. Danach verspricht er 'Scho', dass er ihn und mich am darauffolgenden Tag zur Siedlung der Menschen fliegt.

So sind wir am Vormittag des nächsten Tages, nachdem die Männer von der Jagd zurück und die Frauen vom Sammeln und Fischen gekommen sind und wir gemeinsam gefrühstückt haben, auf den Heimatbaum geklettert. 'Schimm' und Ngachischi haben ihre Ckurrot -Luftgeister- gerufen und wir sind zu der Siedlung der Menschen geflogen. Als Tschecki -Sonne- über den Zenit hinüber gewandert ist, landen die Luftgeister im Grasland am Rand der Siedlung.

In der Nähe liegt ein gaaanz langer Baumstamm auf Stützen. Darüber huscht immer wieder eine riesige Raupe. 'Scho' geht auf so eine dicke Wurzelknolle von diesem langen Baumstamm zu und öffnet ein Loch.

Er geht mit mir hinein und an vielen durchsichtigen Wänden vorbei. Hier begegnen uns schon einige dieser Menschen, die uns mit großen Augen anstarren. 'Scho' öffnet ein weiteres Loch und nun hängen um uns herum verschiedene Häute in allen Farben und vielen Längen. 'Scho' hat sich heute Morgen schon die komische Haut übergezogen, mit der er vor einer Ewigkeit zu uns gekommen ist. Nun soll ich mir eine dieser Häute über meinen Lendenschurz anziehen.

Er erklärt mir, dass die Menschen sie zu Dekorationszwecken tragen, da sich ihre Haut nicht farblich verändert, wie bei den 'ßiche' -denkenden Wesen-. Die Menschin, die mir beim Aussuchen hilft, führt mich dann zu einer glatten Wand, auf der mich eine Ngachi in der Haut anblickt, die ich gerade angezogen habe. Das ist bestimmt ein Geist! Ich laufe weg und verstecke mich.

Anschließend verlassen wir die dicke Wurzel des liegenden Baumstammes wieder und gehen auf die riesigen Insektenhügel zu. 'Scho' erklärt mir, dass die Menschen darin wohnen. Auf meine Frage nach dem Grund erklärt er mir, dass die Menschen vor vielen vielen Generationen genauso wie wir auf Bäumen gelebt und einen Greifschwanz gehabt haben, wie wir. Irgendwann sind die Wälder immer kleiner geworden und das Grasland hat sich weiter ausgebreitet.

Die Menschen sind zum Jagen von den Bäumen gestiegen und haben dabei über Generationen hinweg ihren Greifschwanz verloren, weil sie ihn im Grasland nicht mehr gebraucht haben. Um sich vor Regen zu schützen, sind sie in Höhlen geflüchtet. Später haben sie dann begonnen 'Häuser' in allen Formen und Größen zu bauen, um vor dem Regen geschützt zu sein.

Er hat unsere Waffen mit einem dünnen Material, wie das Material aus dem meine neue Haut besteht, umwickelt und trägt sie nun versteckt. Das hat er mir damit erklärt, dass bei den Menschen nur noch ein bestimmter Stamm Waffen tragen darf. Sie achten eifersüchtig darauf, dass niemand sonst eine Waffe trägt und kümmern sich dafür um die Sicherheit.

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