Dienstag, 16. Juli 2024
Neue Philosophie -12
Ich mache ein entsetztes Gesicht, aber füge mich dem Richterspruch des Häuptlings. Zuerst einmal muss er dringend Yanomam lernen. Gleichzeitig erläutere ich ihm unsere Mythologie. Dazu setzen wir uns unter das Strohdach und ich beginne:

"Wir befinden uns hier alle im Urihi -Erdenwald-. Für uns er ist nicht bloß zur Nutzung bestimmt. Er lebt und im ständigen Austausch mit den Yanomami thepe -menschlichen Wesen- steht. Er ist komplex. Weitere Wesen im Austausch die Yaro -jagdbaren Tiere-, Rishi -Doppeltiere- und Sharipe -Geister- sind.
Die Weißen nichts wissen davon und so sie das Gleichgewicht zerstören. Unsere Schamanen nun nicht mehr die Rauch-Epidemien von uns können fernhalten. Die Nabuh schon immer dumm gewesen. Darum Omama -Schöpfer- sie durch das große Wasser von uns getrennt hat. Aber die Weißen ihren Teil des Urihi a pree -großen Welt-Waldes- zerstört haben, um Riesenkanus, Riesenvögel und Riesengürteltiere (Bulldozer) zu bauen, atmen stinkenden Rauch.
Nun die Weißen erzählen eine Lüge. Sie sagen, sie entdeckt haben Urihi. Und nun ihnen alles gehört. Aber wir seit Anbeginn der Zeit sind hier! Das die Nabuh -Weißen- nicht hören wollen. Wegen ihrer Lügengeschichte sie sich nun nehmen die Bäume, graben Löcher in den Boden und vergiften die Flüsse."

Der Nabuh legt seine Stirn in Falten und macht ein betroffenes Gesicht während ich rede. Dann glätten sich seine Gesichtszüge wieder, als er antwortet:

"Ich bin ein Krieger. Ich wollte mein ganzes Leben für eine gerechte Sache kämpfen. Aus dem Grund bin ich auch hergekommen. Das ist alles falsch gewesen..."

Er hört sich niedergeschlagen an. Seine Schultern hängen. Deshalb setze ich nach:

"Wir Yanomami -Menschenwesen- möchten, dass der Regenwald so bleibt, wie er schon immer war - und das für immer! Wir möchten in ihm leben können, in guter Gesundheit, und mit uns die Shapiripe -Geister-, die Yaro -jagdbaren Tiere- und alle Fische. Wir kultivieren nur die Pflanzen, die uns ernähren! – Wir brauchen keine Fabriken, keine Löcher in der Erde und keine verschmutzten Flüsse! Wir möchten, dass der Wald ein ruhiger Ort bleibt, dass der Himmel klar über uns steht, dass sich die Dunkelheit der Nacht weiterhin und mit aller Regelmäßigkeit über Menschen und Tiere senkt, und dass man die Sterne sehen kann.
Die Erde der Nabuh -Weißen- ist verdorben, sie ist bedeckt von Shawara -einem epidemischen Rauch-, der sich bis zum Gewölbe ihres Himmels erhebt. Dieser Rauch fließt auch in unsere Richtung, aber noch hat er uns nicht erreicht, denn Hutukarari -der himmlische Geist- vertreibt ihn unermüdlich. Über unserem Wald ist der Himmel immer noch klar, weil es noch nicht lange her ist, dass sich die Weißen in unser Gebiet eingeschlichen haben.
Aber eines Tages wird auch dieser Rauch sich soweit ausgebreitet haben, dass er die Erde verdunkelt und die Sonne zum Erlöschen bringt. Die Weißen denken nie an diese Dinge, welche die Okape -Schamanen- schon seit langem befürchten, und deshalb haben die Weißen keine Angst vor den Konsequenzen. Ihre Gedanken sind voll von Vergessenheit. Denn sie fahren fort, ihre Gedanken nur an ihre Waren zu verschwenden - so als ob diese ihre Geliebten seien."

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 13. Juli 2024
Neue Philosophie -11
Jedes Dorf wird von einem gewählten Häuptling geführt und einem Schamanen. Manchmal sind beide Funktionen auch in Personalunion. Es gibt aber auch Dörfer, wo die Frau des Häuptlings die Schamanin des Ortes ist. Unsere Männer fragen nach einem Dorf, das Ärger mit einer Mine der Nabuh -Weißen- auf ihrem Gebiet hat.

Der Häuptling dieses Ortes weiß davon. Denchuu-San will nun wissen, ob man mit dem Thomoro -Kanu- dorthin kommen kann. Das verneint der Häuptling. Also müssen meine Männer durch den Regenwald wandern, geführt von einem Mann der Leute aus diesem Shapono.

Meine Leute bleiben noch zwei Tage bei den freundlichen Menschen mit ihrem besonderen Humor. Sie lieben es, die Nabuh zu necken. Dann lösen sie die Knoten, an denen ihre Hängematten befestigt sind und fragen nach dem Mann, der sie führen soll.

*

Als die Mitglieder des Henimou -Jagdexpedition- mit dem Nabuh -Weißen- und mir, Yarima, der Tochter des Häuptlings und der Okape -Schamanin- in unserem Shapono -Dorf- den Versammlungsplatz betreten, treten uns mein Vater, der Häuptling und meine Mutter, die Schamanin, entgegen.

Der Leiter der Jagdexpedition muss nun erklären, warum sie ohne Yarope -Tiere-, dafür aber mit einem Nabuh zurückkommen. Er wisse doch, dass Weißen, der Zugang ins Dorf verwehrt sei. Der Mann verweist auf mich. Ich hätte den Nabuh beschützt und gesagt, es hätte ein Zeichen gegeben.

Mein Vater wendet sich nun zu mir. Er fragt:
"Was hast du dazu zu sagen?"

Ich trete vor und antworte ihm:
"Ich wollte ihm einen Pfeil zwischen die Rippen senden, da er zu den bewaffneten Männern gehört, die das große Erdloch vor uns schützen sollen. Ich habe den Bogen gespannt, als sich ein Samen der heiligen Liane an seinem Schirmchen auf meinen Pfeil niederließ. Also tötete ich den Jaguar, der ihn bedrängte."

Ich mache eine Atempause, in der die umstehenden Männer grimmige Gesichter machen. Es ist verboten, ein Rishi -Doppeltier- ohne Not zu töten. Denn wenn man ein 'Doppeltier' tötet, stirbt nach unserem Glauben gleichzeitig das damit verbundene Yanomami thepe -Menschenwesen-. Nur Notwehr ist erlaubt.

Nach einem Atemzug berichte ich weiter:
"Ich habe mich dann entfernt, aber der Nabuh verfolgte mich. Ich schlug ihn und forderte ihn auf, zu seinen Leuten zurückzukehren. Plötzlich senken sich viele der Samen auf ihm nieder. It’l -Gott des Windes- hat uns ein Zeichen gesandt. Nur bei besonders reinen Seelen soll das geschehen, heißt es."

"Gut," antwortet mein Vater nach einer kurzen Weile. "Er wird bei uns leben und ein Yanomami werden. Du wirst ihm alles Nötige dafür beibringen!"

... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 10. Juli 2024
Neue Philosophie -10
Ich spreche das Problem in unserem Rat an und einer der neuen Chisei erklärt sich bereit nach Brasilien zu reisen. Einer der Fortgeschrittenen zeigt ebenfalls gute Anlagen, zu Reiki vorzudringen. Denchuu Naoki, der Chisei, spricht nach unserer Versammlung den Chuden Safuji Takeo an und erklärt ihm den Auftrag. Der Chuden ist einverstanden den Chisei als dessen Kyoshi -Schüler- zu begleiten. Nun unterziehen beide sich einer umfangreichen Vorbereitung. Zuerst lernen beide die portugiesische Sprache, danach das Yanomam, um sich vor Ort verständlich machen zu können. Danach tauchen beide so tief wie möglich in die Mythologie, Sitten und Gebräuche der Indigenen ein.

Anschließend fliegen beide mit einer Linienmaschine von Oosaka nach Boa Vista in Brasiliens Präfektur Roraima. Der Flug dauert mit drei Zwischenstopps 39 Stunden. Zuerst geht der Flug nach Paris. Dort müssen sie fünf Stunden auf den Weiterflug warten. Der nächste Stopp ist dann schon Sao Paulo, Brasilien. Von dort geht es nach zwei Stunden Wartezeit nach Brasilia weiter und nach weiteren zwei Stunden warten, erreicht der Flieger endlich Boa Vista. Hier kaufen beide in einem Ethno-Shop ein Thomoro -Kanu- und lassen sich zum Orinoko-River fahren.

Beim Orinoko angekommen, setzen sie den Einbaum ins Wasser und paddeln ihrem Ziel entgegen. Immer wieder müssen sie Stromschnellen überland umgehen. Auf ihrem Weg flussaufwärts haben sie sich entkleidet und mit den dekorativen Schnüren behängt, die Yanomami als Kleidung dienen. Hinzu kommt noch ein gräserner Lendenschurz und sie behandeln ihre Körper mit einem Insektizid.

Während sie am Ufer rasten, lassen sie ihre Drohne die Landschaft vor sich erkunden. Als sie das Yanomami-Dorf in Flussnähe erreicht haben und anlanden, sind sie sogleich von einer ganzen Schar Kinder umringt. Hinter ihnen warten Männer und Frauen, um uns in ihr Dorf zu begleiten. Alle sind unbewaffnet und Denchuu-San hört aus dem 'Geschnatter' heraus, dass sie erwartet wurden. Ihre Ankunft hat sich herumgesprochen. Sie sind also von den Leuten auf dem Fluss entdeckt und beobachtet worden.

Nun ziehen sie das Boot bis zur Vegetationsgrenze hoch und werden dabei auf Yanomami angesprochen und angestachelt. Die Erwachsenen stehen dabei und grinsen breit. Die Kinder bedrängen die Ankömmlinge total. Denchuu-San meint beim Internet-Kontakt vor dem Einschlafen, so viele Hände hätte er noch nie auf sich gehabt, die ihn am Ohr gezogen, an der Nase und an den Haaren berührt haben.

Unsere beiden 'Botschafter' haben natürlich eine hellere Haut als die Yanomami, aber Nabuh -Weiße- sind sie nun auch nicht direkt. Sie werden in das Shapono geführt, einem großen Rund aus einer Palisade mit einem Strohdach. Dort lebt die Dorfgemeinschaft Seite an Seite, ohne seitliche Trennwände. Wo der Platz einer Familie ist, zeigt die Feuerstelle an. Sie wird den ganzen Tag unterhalten und über der glühenden Holzkohle werden des Nachts die Hängematten aufgehängt, um die Kühle der Nacht zu überstehen.

Der freie Platz im Rund ist eine Arena für die Rituale des Handels und des Schamanismus, für öffentliche Dispute und sogar Kämpfe.

... link (0 Kommentare)   ... comment