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Freitag, 30. August 2024
Neue Philosophie -27
mariant, 09:47h
Mir, Sean Potter oder Big Forehead, wie man mich im Dorf nennt, ist ein wenig flau in der Magengegend. Bisher ist sie immer gemeinsam mit ihrer Mutter in den Wald gegangen. Bushika ist immer bei ihr gewesen, um sie zu lehren, aber auch, um sie im Notfall zu beschützen. Nun muss sie beweisen, dass sie genug gelernt hat, um später einmal Schamanin zu werden, jetzt aber erst einmal eine erfolgreiche Jägerin zu sein.
Es scheint, dass unser Mädchen bereit für die Prüfung ist. Also wünsche ich ihr in Gedanken alles Gute. Sie mit der Drohne zu überwachen, klappt im Unterholz nicht, und sie hätte es auch nicht gut gefunden.
*
Nachdem ich unser Dorf verlassen habe, gehe ich geradeaus auf den Pfad zu, den unzählige Menschenfüße in Generationen in den Wald getreten haben. Nachdem sich die Vegetation um mich geschlossen hat, weiche ich vom ausgetretenen Pfad ab und bewege mich lautlos vorwärts. Dabei suche ich aufmerksam nach Spuren, die ein Yaro -jagdbares Tier- an den Pflanzen beim Vorbeistreifen hinterlassen hat, und horche auf jedes Geräusch. Genauso hat Mama es mir unzählige Male gezeigt.
Am ersten Tag meiner Prüfung gehe ich leer aus. Als es Abend wird erklettere ich einen Baum und flechte mir mit biegsamen Zweigen zweier Äste ein Nachtlager. Meinen Hunger stille ich aus einer Tasche, die um meinen Hals hängt. In aller Frühe werde ich wach und lausche. Ich darf nicht geräuschvoll aus dem Baum herabsteigen.
Einerseits hätte das jagdbare Tiere vertrieben, die in meiner Nähe vielleicht Nahrung suchen. Andererseits hätte ich damit aber auch Raubtiere auf mich aufmerksam gemacht. Ich höre eine Rotte von vielleicht zwanzig Pekaris näherkommen, die schnaufend das Erdreich umgraben, auf der Suche nach Wurzeln, Pilzen und anderer Nahrung. Also mache ich meinen Bogen klar und lege einen Pfeil auf, der in Betäubungsgift getränkt ist. Dann warte ich geduldig.
Kurz darauf wandert die Rotte unter mir vorbei. Als ein Pekari mir ein gutes Ziel abgibt, verlässt der Pfeil meinen Bogen und steckt einen Sekundenbruchteil später im Rücken des Tieres unter mir. Nun rennt die ganze Rotte davon und macht dabei einen großen Lärm. Ich klettere vom Baum und verfolge die Tiere. Nach einigen Metern sehe ich das angeschossene Tier vor mir auf der Seite liegen.
Zuerst ziehe ich den Pfeil heraus und schiebe ihn zu den anderen in sein Futteral. Ich habe mich neben das Pekari gekniet und töte es durch einen Schnitt in die Luftröhre. Dabei danke ich dem Yaro -jagdbaren Tier-, dass es sich hat jagen lassen.
Es scheint, dass unser Mädchen bereit für die Prüfung ist. Also wünsche ich ihr in Gedanken alles Gute. Sie mit der Drohne zu überwachen, klappt im Unterholz nicht, und sie hätte es auch nicht gut gefunden.
*
Nachdem ich unser Dorf verlassen habe, gehe ich geradeaus auf den Pfad zu, den unzählige Menschenfüße in Generationen in den Wald getreten haben. Nachdem sich die Vegetation um mich geschlossen hat, weiche ich vom ausgetretenen Pfad ab und bewege mich lautlos vorwärts. Dabei suche ich aufmerksam nach Spuren, die ein Yaro -jagdbares Tier- an den Pflanzen beim Vorbeistreifen hinterlassen hat, und horche auf jedes Geräusch. Genauso hat Mama es mir unzählige Male gezeigt.
Am ersten Tag meiner Prüfung gehe ich leer aus. Als es Abend wird erklettere ich einen Baum und flechte mir mit biegsamen Zweigen zweier Äste ein Nachtlager. Meinen Hunger stille ich aus einer Tasche, die um meinen Hals hängt. In aller Frühe werde ich wach und lausche. Ich darf nicht geräuschvoll aus dem Baum herabsteigen.
Einerseits hätte das jagdbare Tiere vertrieben, die in meiner Nähe vielleicht Nahrung suchen. Andererseits hätte ich damit aber auch Raubtiere auf mich aufmerksam gemacht. Ich höre eine Rotte von vielleicht zwanzig Pekaris näherkommen, die schnaufend das Erdreich umgraben, auf der Suche nach Wurzeln, Pilzen und anderer Nahrung. Also mache ich meinen Bogen klar und lege einen Pfeil auf, der in Betäubungsgift getränkt ist. Dann warte ich geduldig.
Kurz darauf wandert die Rotte unter mir vorbei. Als ein Pekari mir ein gutes Ziel abgibt, verlässt der Pfeil meinen Bogen und steckt einen Sekundenbruchteil später im Rücken des Tieres unter mir. Nun rennt die ganze Rotte davon und macht dabei einen großen Lärm. Ich klettere vom Baum und verfolge die Tiere. Nach einigen Metern sehe ich das angeschossene Tier vor mir auf der Seite liegen.
Zuerst ziehe ich den Pfeil heraus und schiebe ihn zu den anderen in sein Futteral. Ich habe mich neben das Pekari gekniet und töte es durch einen Schnitt in die Luftröhre. Dabei danke ich dem Yaro -jagdbaren Tier-, dass es sich hat jagen lassen.
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Dienstag, 27. August 2024
Neue Philosophie -26
mariant, 08:53h
Der kleine Jaguar ist herangewachsen und hat eines der Kinder im Dorf gebissen, wohl weil der Jaguar sich bedrängt gefühlt hat. Waitheri hat den Jaguar gebändigt und wir haben schnell einen Käfig gebaut, damit Gleiches nicht noch einmal geschieht. Den Jaguar in den Wald bringen, hätte nichts genutzt. Er ist seit Jahren an den Menschen gewöhnt und würde den Weg zurück schnell finden.
Zehn Jahre nach ihrem Erscheinen in unserem Dorf sind die buddhistischen Mönche wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie haben die Knoten ihrer Hängematten gelöst. Das ist für die Yanomami die ultimative symbolische Geste des Abschieds. Auf einmal sind überall Tränen. Ein Klagegeschrei erhebt sich im Dorf.
Sie sind zu mir gekommen und haben mir die Drohne übergeben, sowie ein Mini-Solarkraftwerk, um das Fluggerät und die Steuerung aufzuladen. Mit ihm sind in den letzten Jahren immer wieder Kontrollflüge unternommen worden. Das soll ich weiterführen. Auch erhalte ich ein Internet-fähiges Handy. Mittels Skype kann ich so mit ihnen in Verbindung treten, wenn ein erneuter Hilferuf nötig sein sollte.
Sie haben sich für diesen Schritt entschieden, weil es zunehmend unwahrscheinlicher wird, dass von Seiten der Minengesellschaft noch einmal Gefahr droht. Kleine Trupps Goldsucher oder Farmer haben sich nicht als große Gefahr für uns herausgestellt.
Drei Jahre vor ihrem Abschied, als Waitheri fünf Jahre alt ist, beginnt meine 'Kleine' -Bushika- unserer Tochter die unterschiedlichen Pflanzen und Pilze – vor allem die giftigen und die essbaren – zu erklären. Unsere Tochter ist sehr lernbegierig und saugt die Informationen über deren Aussehen und Wirkung regelrecht auf. Welches die Yaro -jagdbaren Tiere- sind und welches die Rishi -Doppeltiere-, weiß sie auch bald sicher zu unterscheiden. In der Mythologie des Volkes bedeutet der Tod eines Doppeltieres, dass zur selben Zeit irgendwo ein Yanomami sterben muss.
Seit sie 8 Jahre alt ist, begleitet sie ihre Mutter auf die Jagd. Bushika bringt ihr bei, sich immer gegen It’ls Atem - den Wind - anzupirschen und dabei kein Geräusch zu verursachen. Sie bringt ihr das Spurenlesen bei und vieles mehr, was man im Urihi -Regenwald- braucht.
Nun ist sie 12 Jahre alt. Bald wird sie ihre erste Blutung haben und damit körperlich zur Frau werden. Waitheri ist in den Augen der Dorfbewohner nun alt genug für den Initiationsritus. Wir haben unsere Tochter feierlich verabschiedet. Sie trägt ein rituelles Messer aus Obsidian mit sich, sowie Pfeil und Bogen, mit dem sie inzwischen sehr gut umzugehen weiß. Der Initiationsritus besagt, dass sie einige Tage auf sich allein gestellt im Wald überleben muss.
Zehn Jahre nach ihrem Erscheinen in unserem Dorf sind die buddhistischen Mönche wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie haben die Knoten ihrer Hängematten gelöst. Das ist für die Yanomami die ultimative symbolische Geste des Abschieds. Auf einmal sind überall Tränen. Ein Klagegeschrei erhebt sich im Dorf.
Sie sind zu mir gekommen und haben mir die Drohne übergeben, sowie ein Mini-Solarkraftwerk, um das Fluggerät und die Steuerung aufzuladen. Mit ihm sind in den letzten Jahren immer wieder Kontrollflüge unternommen worden. Das soll ich weiterführen. Auch erhalte ich ein Internet-fähiges Handy. Mittels Skype kann ich so mit ihnen in Verbindung treten, wenn ein erneuter Hilferuf nötig sein sollte.
Sie haben sich für diesen Schritt entschieden, weil es zunehmend unwahrscheinlicher wird, dass von Seiten der Minengesellschaft noch einmal Gefahr droht. Kleine Trupps Goldsucher oder Farmer haben sich nicht als große Gefahr für uns herausgestellt.
Drei Jahre vor ihrem Abschied, als Waitheri fünf Jahre alt ist, beginnt meine 'Kleine' -Bushika- unserer Tochter die unterschiedlichen Pflanzen und Pilze – vor allem die giftigen und die essbaren – zu erklären. Unsere Tochter ist sehr lernbegierig und saugt die Informationen über deren Aussehen und Wirkung regelrecht auf. Welches die Yaro -jagdbaren Tiere- sind und welches die Rishi -Doppeltiere-, weiß sie auch bald sicher zu unterscheiden. In der Mythologie des Volkes bedeutet der Tod eines Doppeltieres, dass zur selben Zeit irgendwo ein Yanomami sterben muss.
Seit sie 8 Jahre alt ist, begleitet sie ihre Mutter auf die Jagd. Bushika bringt ihr bei, sich immer gegen It’ls Atem - den Wind - anzupirschen und dabei kein Geräusch zu verursachen. Sie bringt ihr das Spurenlesen bei und vieles mehr, was man im Urihi -Regenwald- braucht.
Nun ist sie 12 Jahre alt. Bald wird sie ihre erste Blutung haben und damit körperlich zur Frau werden. Waitheri ist in den Augen der Dorfbewohner nun alt genug für den Initiationsritus. Wir haben unsere Tochter feierlich verabschiedet. Sie trägt ein rituelles Messer aus Obsidian mit sich, sowie Pfeil und Bogen, mit dem sie inzwischen sehr gut umzugehen weiß. Der Initiationsritus besagt, dass sie einige Tage auf sich allein gestellt im Wald überleben muss.
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Samstag, 24. August 2024
Neue Philosophie -25
mariant, 10:04h
Er muss erkennen, dass er mir gehorchen muss, bevor ich richtig wütend werde. Kete setzt sich hin und gibt auf. Wie immer, wenn ich mit ihm schimpfe, guckt er ärgerlich.
Oma kümmert sich sofort um den Jungen, trägt ihn zu seiner Mutter und verbindet dort seine Wunden. Er bekommt sicher noch eine von Omas berühmten Salben und ist bald wieder gesund.
Kete wurde dagegen schwer bestraft. Ihn im Wald auszusetzen, klappt nicht mehr, sagen Mama und Papa. Er würde den Rückweg finden und bald wieder im Dorf auftauchen. Also bekommt er einen Käfig, aus dem er nicht mehr herauskann. Der Käfig wird außen an der Palisade angebracht, in der Nähe der Aussparung, durch die man das Shabono betritt oder verlässt.
Ich besuche ihn immer wieder, um mit ihm zu sprechen und ihn durch das Gitter hindurch zu streicheln. Das mag er so sehr, dass er einmal durch das Gitter auf mich uriniert hat. Damit zeigen Jaguare, wie sehr sie jemand mögen. Ich habe mich danach gesträubt, mich zu waschen, um den Geruch seiner Freundschaft zu bewahren. Aber Mama ist darin unerbittlich.
Zwei Jahre später entdecke ich ein großes Loch in einer Seitenwand. Es sieht so aus, als hätte sich 'Kete' mit Gewalt die Freiheit erkämpft. Ich bete zu Omama -Schöpfer-, dass er sich um 'Kete' kümmert, ihm vielleicht eine Partnerin zuführt.
*
Seit dem Kampf mit der Minengesellschaft und dem korrupten Militär sind sechzehn Jahre vergangen. Einiges ist in der Zeit passiert. Ich habe eine Yanomami zur Frau genommen und bin im Shabono -Dorf- ein geachteter Jäger geworden. Dazu habe ich die seit Generationen gewachsenen Strukturen nicht angetastet. Obwohl ich die Tochter der Schamanin und des Häuptlings, oder 'Dorfältesten', geheiratet habe, ist mir das nicht zu Kopf gestiegen.
Ich habe erkannt, dass der Rat des Dorfältesten oder 'Häuptlings' in den Versammlungen respektiert wird, aber was letztendlich getan wird, entscheidet die Mehrheit im Rat. In diesem Gremium kann jeder erwachsene Yanomami sprechen. Auch ich gehöre inzwischen dazu. Dennoch halte ich mich zurück, wenn der Chef der Jäger spricht. Das ist übrigens auch der Mann, der mich damals 'verhaftet' hat, als ich zum Dorf der Yanomami geführt worden bin.
Inzwischen ist er mein Shori -Schwager-. Das heißt bei den Yanomami nur, dass wir mehr als freundschaftliche Bande, aber weniger als brüderliche Bande pflegen. Es ist keine familiäre Bezeichnung. Vielleicht anderthalb Jahre nach dem Sieg über das Militär wurde mir eine Tochter geboren. Die Kleine ist unser ganzer Stolz. Sie kommt gut mit den Tieren des Waldes klar, weil sie sie respektiert.
So habe ich, als sie ungefähr drei Jahre alt gewesen ist, ein Jaguarjunges mit ins Dorf gebracht, dessen Mutter in der Spießfalle von Nabuh gestorben ist. Waitheri hat den kleinen Jaguar 'Ketetiwe' genannt, oder kurz 'Kete' und mit dem Jungen gespielt. Das Jaguarbaby hat eine Verletzung am rechten Ohr gehabt, die wir behandelt haben.
Oma kümmert sich sofort um den Jungen, trägt ihn zu seiner Mutter und verbindet dort seine Wunden. Er bekommt sicher noch eine von Omas berühmten Salben und ist bald wieder gesund.
Kete wurde dagegen schwer bestraft. Ihn im Wald auszusetzen, klappt nicht mehr, sagen Mama und Papa. Er würde den Rückweg finden und bald wieder im Dorf auftauchen. Also bekommt er einen Käfig, aus dem er nicht mehr herauskann. Der Käfig wird außen an der Palisade angebracht, in der Nähe der Aussparung, durch die man das Shabono betritt oder verlässt.
Ich besuche ihn immer wieder, um mit ihm zu sprechen und ihn durch das Gitter hindurch zu streicheln. Das mag er so sehr, dass er einmal durch das Gitter auf mich uriniert hat. Damit zeigen Jaguare, wie sehr sie jemand mögen. Ich habe mich danach gesträubt, mich zu waschen, um den Geruch seiner Freundschaft zu bewahren. Aber Mama ist darin unerbittlich.
Zwei Jahre später entdecke ich ein großes Loch in einer Seitenwand. Es sieht so aus, als hätte sich 'Kete' mit Gewalt die Freiheit erkämpft. Ich bete zu Omama -Schöpfer-, dass er sich um 'Kete' kümmert, ihm vielleicht eine Partnerin zuführt.
*
Seit dem Kampf mit der Minengesellschaft und dem korrupten Militär sind sechzehn Jahre vergangen. Einiges ist in der Zeit passiert. Ich habe eine Yanomami zur Frau genommen und bin im Shabono -Dorf- ein geachteter Jäger geworden. Dazu habe ich die seit Generationen gewachsenen Strukturen nicht angetastet. Obwohl ich die Tochter der Schamanin und des Häuptlings, oder 'Dorfältesten', geheiratet habe, ist mir das nicht zu Kopf gestiegen.
Ich habe erkannt, dass der Rat des Dorfältesten oder 'Häuptlings' in den Versammlungen respektiert wird, aber was letztendlich getan wird, entscheidet die Mehrheit im Rat. In diesem Gremium kann jeder erwachsene Yanomami sprechen. Auch ich gehöre inzwischen dazu. Dennoch halte ich mich zurück, wenn der Chef der Jäger spricht. Das ist übrigens auch der Mann, der mich damals 'verhaftet' hat, als ich zum Dorf der Yanomami geführt worden bin.
Inzwischen ist er mein Shori -Schwager-. Das heißt bei den Yanomami nur, dass wir mehr als freundschaftliche Bande, aber weniger als brüderliche Bande pflegen. Es ist keine familiäre Bezeichnung. Vielleicht anderthalb Jahre nach dem Sieg über das Militär wurde mir eine Tochter geboren. Die Kleine ist unser ganzer Stolz. Sie kommt gut mit den Tieren des Waldes klar, weil sie sie respektiert.
So habe ich, als sie ungefähr drei Jahre alt gewesen ist, ein Jaguarjunges mit ins Dorf gebracht, dessen Mutter in der Spießfalle von Nabuh gestorben ist. Waitheri hat den kleinen Jaguar 'Ketetiwe' genannt, oder kurz 'Kete' und mit dem Jungen gespielt. Das Jaguarbaby hat eine Verletzung am rechten Ohr gehabt, die wir behandelt haben.
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