Freitag, 10. Juni 2022
Eine neue Hoffnung -07
Immer wieder setzt sich Babaji zum Meditieren auf die Erde. Er bringt es mir ebenso bei. Anfangs habe ich immer gedacht, er setzt sich hin, um über irgendetwas nachzudenken. Aber dann hat er sich entschlossen, mich auch darin zu unterweisen.

Dazu soll ich mich mit untergeschlagenen Beinen auf den Boden setzen und die Augen schließen, damit die Einflüsse der Umwelt weitestgehend ausgeschaltet sind. Anschließend soll ich mich entspannen und beginnen, meinen Gedanken zuzuhören, als wäre nicht ich derjenige, der da denkt. Wie mein Lehrer sagt, entdecke ich oft einen Disput zwischen meiner rationalen und der emotionalen Seite. Dann lasse ich meinen Gedanken ihren freien Lauf und beobachte sie. Ich versuche, ihnen passiv zuzuhören.

Dabei merke ich, dass ich mich trotzdem in alle Gedanken irgendwie einmische. Den Einen bevorzuge ich. Einen anderen verwerfe ich. Babaji hat das in unseren Gesprächen danach als das 'kritische Bewusstsein' bezeichnet. Verschiedene Wünsche, Hoffnungen, Pläne usw. kristallisieren sich heraus und der innere Kritiker bewertet sie.

Irgendwann findet dieser innere Kritiker nichts mehr zum Kritisieren. Der Zustand der Neutralität ist erreicht. Der Kritiker hat Pause und übrig bleibt nur die nicht wertende Aufmerksamkeit.

Nun soll ich versuchen die Wurzeln jener Gedanken zu erreichen, die dafür sorgen, dass der Quell der Gedanken einfach nicht abreißen will. Willentlich kommt man an den Bewusstseinszustand des 'Zeugen' nicht heran. Man muss ihn sich allmählich erarbeiten, indem man die Konfliktpunkte und die Quelle der Störgedanken und der Störgefühle in angemessenem Tempo löst, lehrt mich Babaji.

In den Nachgesprächen erklärt er mir auch, dass ich mich vielleicht daran erinnere, wie ich möglicherweise als Kind den Kopf in den Nacken gelegt und einen jungen Jujube -Rosenapfel- in der untergehenden Sonne am Baum gesehen habe, wenn mich die Freude des ersten vollkommen gedankenfreien Augenblicks überrascht. Da ist es nun, das namenlose Staunen. Reine Beobachtung. Keine Wertung. Das Bewusstsein denkt nicht, während es etwas wahrnimmt. Natürlich nimmt es den Apfel wahr und so weiter, doch die Gedanken sind still.

Das Zeugenbewusstsein findet noch ganz im Hier und Jetzt statt. Die Aufmerksamkeit nimmt wahr, dass sich der Geist bestimmte Gedankenbilder spinnt, doch sie identifiziert sich nicht mit der Geschichte, lässt sich nicht von ihr ködern. Der 'Beobachter' hält keinen Gedankensplitter an.

So eröffnet sich mir die Möglichkeit, nun eine gewisse Beeinflussung meines Denkens vorzunehmen. Ich erschaffe mir hilfreiche Vorstellungen im Geist.

In meinen Dyana -Meditationen- versuche ich, mich immer weiter zu entwickeln. Ich trete quasi neben mich und beobachte meine Gedanken und Gefühle. Mein ICH kann mein inneres Wesen nicht fühlen, das kann es nur selbst tun.

Der innere Beobachter, das 'Zeugenbewusstsein', ist nun das Bewusstsein des inneren Wesens, das geweckt werden muss. Denn solange das innere Wesen sich selbst nicht bewusst erkennt, bleibt es inaktiv - es schläft. In diesem Stadium befinde ich mich im Augenblick noch. Wenn Erkennen möglich werden soll, muss es zwei geben: einen Erkennenden und ein Erkanntes, also eine Dualität.

Babaji hat einmal Prana -Lebenshauch, der alles durchdringt- erwähnt, also versuche ich mit neugierigem Interesse, es bei meinen Meditationen zu finden.

Irgendwann sehe ich in der Meditation farbenfrohe Strömungen um mich herum wallen. Ich löse mich aus der Meditation und frage Babaji, was das sein könnte.

Er erklärt mir, dass ich wohl bis zu Prana vorgedrungen bin. Er schärft mir ein, niemals Buddhas Weg zu verlassen. Prana selbst ist wie Yoni und Linga (Yin und Yang) rhythmischer Natur. Mal dominiert Yoni, mal Linga. Niemand darf versuchen, diese Rhythmik anzuhalten. Ich muss immer bestrebt sein, das Karuna -begierdeloses unendliches Mitgefühl- den Menschen zu bringen, auch wenn das wegen der Rhythmik nicht immer gelingt.

"Du weißt ja, Yoni und Linga (Yin und Yang) sind ein Gegensatz rhythmischer Art," hat er mir ins Gewissen geredet. "Auf die Nacht folgt der Tag und wieder die Nacht. Es ist ein ewiger Kreislauf. Wir erkennen das an und werten nicht!"

"Ich glaube aber doch an das Gute, Babaji! Es hat mir sogar Apsara gesandt," sage ich zu ihm.

"Beobachte beim Dhyana -Meditieren- deine Gedanken und Gefühle. Hüte dich vor Zorn, Furcht und Aggressivität! Sie ergreifen schnell Besitz von dir! Du musst diese Gefühle bekämpfen!" antwortet er eindringlich.

"Sind diese Gefühle so stark?" frage ich nun, leicht verunsichert.

"Nein, aber sie sind schneller an der Oberfläche deiner Gedanken. Sie sind verführerischer. Nur wenn man Ruhe bewahrt, erkennt man die Unterschiede zwischen Yoni und Linga. Nur wenn man den inneren Frieden bewahrt, kann man ihn auch nach außen tragen!" erklärt er mit ernstem Gesicht. "Du hast Prana farbig wahrgenommen. So kannst du auch unterscheiden, ob jemand schlimme Gefühle hegt oder gute."

"Wie geht das?" frage ich zurück und schaue Babaji dabei in die Augen.

"Nun, weiche pastellartige Farben symbolisieren die guten und harte leuchtende Farben die schlimmen Gefühle."

In der Folgezeit versuche ich nun keine negativen Gefühle zuzulassen, denn ich will niemand schaden und mich an niemandem bereichern.

Durch meine Verbindung mit Prana -Lebenshauch, der alles durchdringt- habe ich bei meinen von den Meditationen begleiteten Selbstverteidigungs-Übungen bald ebenfalls eine besondere Fertigkeit erlangt.

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