Dienstag, 14. Juni 2022
Eine neue Hoffnung -11
"Ja und nein," antwortet Ashok. "Wir sind von einem Wagen eine ganze Weile verfolgt worden. Auf einmal hat er beschleunigt und sich neben uns gesetzt. Er hat das Fenster geöffnet und eine Waffe auf dich gerichtet. Er hat sogar noch abdrücken können, aber im gleichen Moment hat der Fahrer die Kontrolle verloren und der Schuss ist abgefälscht worden. Dabei hat dann ein Baum die Fahrt des anderen Fahrzeugs gestoppt."

Ich höre ihm ungläubig zu. Was Ashok da erzählt, hört sich ungeheuerlich an. Mir fallen sofort einige Ungereimtheiten auf und ich spreche sie sofort an:

"Nehmen wir einmal an, das wäre so gewesen... Wieso hat der Fahrer die Kontrolle über den Wagen gerade in dem Moment verloren, als der Beifahrer auf mich geschossen hat."

Ashok grinst und meint nur: "Ich habe neben dir gesessen und meditiert."

Nun schaue ich ihn verstört an und sage:
"Du willst damit sagen, durch dein Meditieren hast du mich gerettet? Wieder einmal..."

Sofort habe ich wieder die Bilder von gestern Abend aus dem Club im Kopf.

Mein Gegenüber nickt ernsthaft und antwortet:
"Du kannst mir später von den Geschäften deiner Firma erzählen. Jetzt gilt es erst einmal, niemand von diesen Leuten in deine Nähe zu lassen! Ich setze mich also in eine Ecke und meditiere, bis dein Feierabend heran ist."

"Dann hast du heute Abend aber ebenfalls etwas zu erzählen!" entgegne ich. "Ich möchte wissen, was du machst, während du meditierst."

Er nickt mir zu und verspricht:
"Okay, das werde ich."

Der Tag verläuft beinahe wie jeder andere Montag. Nur dass ich einen indischen Sadhu, in europäischer Kleidung, in meinem Büro in Meditationshaltung sitzen habe. Und kurz vor Feierabend erhalte ich einen Anruf von meinem Vater.

"Leni?"

"Papa? Ist etwas bei euch passiert?"

Mein Vater hört sich nun erleichtert an. Er beruhigt mich:

"Nein, bei uns ist alles in Ordnung. Dafür bin ich erleichtert, dass es DIR gutgeht. Ich habe nämlich einen Brief erhalten, in dem man dir mit dem Tod droht, wenn nicht eine Million Euro an einer bestimmten Stelle deponiert werden."

Mir bleibt für mehrere Sekunden die Luft weg.

"Hast du den Brief an die Polizei weitergegeben?" frage ich dann.

"Ja, das habe ich gemacht. Aber du solltest schnellstmöglich aus Berlin wegfahren! Übergib' die Leitung an deinen Stellvertreter und komm her zu mir!"

"Ja, aber wenn man deine Adresse kennt - sonst hättest du den Brief nicht bekommen -, dann bin ich bei dir doch auch nicht sicher!" gebe ich zu bedenken. "Vielleicht beobachtet man ja, wer bei dir aus und ein geht?!"

"Das kann sein, halte ich aber zumindest jetzt noch nicht für gegeben."

"Wer ist denn derjenige?"

"Erinnerst du dich noch? Wir haben einmal dem Chef eines arabischen Familienclans eine schlechte Bewertung gegeben. Nun sperrt sich die Bank sicher, als er einen höheren Betrag abheben wollte."

"Hm, gar nicht gut!"

Ein Signal ertönt. Daraufhin sage ich zu Papa:
"Ich muss auflegen. Bis später dann."

"Ja, bis später!"

Dann drücke ich den Knopf der Gegensprechanlage, an der jetzt eine rote LED blinkt.

"Ja, Frau Sander?"

"Ich habe die Polizei hier, die sie dringend sprechen möchte."

"Einen Moment bitte!"

Ich gehe zu Ashok und rüttele ihn leicht an der Schulter. Er schlägt die Augen auf. Ihn anlächelnd gehe ich zur Gegensprechanlage zurück, drücke den Knopf und sage:

"Frau Sander, ich lasse bitten."

Kurz darauf wird die Bürotür geöffnet und meine Sekretärin lässt einen Mann in schwarzer Uniform herein.

"Hallo, ich bin Hauptkommissar Becker. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?"

Ich nicke ihm zu und biete ihm am Besprechungstisch einen Platz an. Wir setzen uns zu Ashok. Der Polizist grüßt freundlich und fragt ihn:

"Hallo, darf ich fragen, wer Sie sind?"

"Gerne," antwortet dieser. "Mein Name ist Ashok Gurun. Ich bin nepalesischer Staatsbürger und langjähriger Bekannter der Dame."

"Können Sie sich ausweisen?"

Ashok übergibt ihm seinen Pass.

"Haben Sie auch ein Visum?"

"Leider zuhause in meiner Tasche, Herr Kommissar."

"Okay, dann zu Ihnen, Frau Mrachartz. Wir haben da ein Schreiben vorliegen, dass ihr Vater heute Mittag per Post erhalten hat. Darin werden Sie mit dem Tod bedroht, wenn Sie nicht eine Million Euro zahlen. Können Sie uns dazu etwas sagen?"

"Ja, mein Vater hat mich informiert, kurz bevor sie hereinkamen. Er hat mir auch gesagt, wer der Absender ist und warum..."

"Oh, darf ich mehr darüber erfahren?"

"Gerne," antworte ich. "Seine Bank hat vor einigen Jahren ein Rating angefordert. Das war, als mein Vater die Firma noch führte und ich seine rechte Hand gewesen bin. Die Bewertung fiel vernichtend aus. Anscheinend hat sich die Bank nun gesperrt, als es um eine größere Summe ging."

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