Sorry, you need system administrator rights for that.


Samstag, 12. März 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -47
--Der 'Heimgang'--

Drei Jahre nach unserer Hochzeit hat der komplette erste Jahrgang, 44 Schüler und Schülerinnen, den Sprung zur Highschool geschafft. Die Klosterschüler aus Europa sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Einige haben sich für den Lehrberuf entschieden und ein entsprechendes Studium begonnen. Die Lücken haben andere interessierte Klosterschüler und -schülerinnen geschlossen.

So werden wir weitere sechs Jahre später mitten im schulischen Alltag von einer Gruppe von 14 jungen Männern und Frauen überrascht. Beinahe gleichzeitig mit den ersten Lehrern frisch aus dem Studium in Europa, besuchen uns die jungen Leute, die sechs Jahre zuvor von unserer Primary-School abgegangen sind. Vierzehn der 44 Schulabgänger interessieren sich für die Arbeit im Kinderheim. Fünf der Leute sprechen Daddy an. Sie möchten Mönch werden. Die anderen neun Jugendlichen geben mir, Andrea, gegenüber als späteres Berufsziel 'Teacher' an. Ich bin gerührt und schaue, was ich für sie tun kann.

Die fünf Mönchs-Anwärter geben Dad einen neuen Lebensinhalt. Ich bin froh, dass er nun wieder eine Aufgabe hat. In den letzten Monaten hat er nämlich begonnen, Anne das tiefe Meditieren beizubringen. Ich denke, das ist eine Ersatzhandlung von ihm, damit er sich nicht überflüssig vorkommt. Die Verwaltung der Foundation liegt seit kurzem ganz in Gyanas Händen. Er bezieht Dad zwar immer noch in die Entscheidungen mit ein, aber damit ist Daddy nicht mehr so aktiv wie früher.

Dad weiht die jungen Leute in die buddhistische Philosophie ein und übt mit ihnen Kungfu und Meditation. Mit Anne übt er weiterhin die tiefe Meditation. Die jungen Lehrer, die wir zum Studieren nach Europa gesandt haben, entlasten uns nach ihrer Rückkehr sehr in der Pädagogischen Arbeit.

Endlich habe ich mehr gemeinsame Zeit mit Gyana. In uns wächst der Wunsch nach einem Kind. Schließlich bin ich jetzt schon vierzig Jahre alt. Da erhalten wir von Anne eine bestürzende Nachricht.

"Daddy ist seit drei Tagen in einer tiefen Meditation versunken!" sagt sie. "Er hat seine Schale seitdem nicht mehr angerührt."

Ich nehme meine Schwester in den Arm und versuche sie zu trösten:

"Mach dir keine Sorgen, Anne. Bisher ist er immer wieder zurückgekehrt!"

Gyana nickt und sagt:
"Es gibt Mönche, die eine Woche oder länger meditiert haben."

"Natürlich weiß ich davon, aber dieses Mal habe ich so ein unbestimmtes Gefühl, das ich nicht richtig lokalisieren kann. Es ist eher eine ängstliche Unruhe, die ich sonst nicht kenne, habe ich doch oft genug mit ihm zusammen meditiert," antwortet sie leise mit gesenktem Kopf.

Gyana rät ihr nun:
"Halte ihm eine Feder vor den Mund. Selbst sehr flacher Atem sollte die feinen Härchen bewegen können. Hilft das nicht, versuche seinen Puls zu fühlen. Ist auch das negativ, müssen wir den Arzt rufen!"

Anne erhebt sich bedrückt und wendet sich zur Tür. Ich rufe ihr hinterher:

"Du wirst Patentante unseres Kindes!"

Ich sehe noch, wie meine Ankündigung ihr ein Lächeln auf die Lippen zaubert bevor sie durch die Tür ist. Plötzlich habe ich ein schlechtes Gewissen, dass Gyana und ich vergangene Nacht wieder miteinander geschlafen haben. Hätten wir Daddy nicht stärker in die Verwaltung der Foundation einbeziehen müssen?

Ich erhebe mich und folge eine Viertelstunde später Anne in Dads Zimmer. Dort sehe ich Anne vor Dad sitzen. Ihr Kopf tief gebeugt, liegt in Daddys Schoß. Bei meinem Eintreten dreht sie mir mit rotgeweinten Augen den Kopf zu.

Als ich mich zu ihr setze und ihre Schultern umfasse, flüstert Anne:

"Ich kann es nicht... Ich schaffe es nicht, mich zu konzentrieren..."

Ich flüstere ihr eindringlich zu:
"Geh du nicht auch seinen Weg, Anne! Wir brauchen dich!"

Ich nehme mein Handy und rufe den Arzt an, der immer zu uns kommt, wenn im Kinderheim irgendein medizinisches Problem auftaucht. Er verspricht, baldmöglichst zu kommen.

Eine Stunde danach stellt er Dads Tod fest. Gyana sagt, dass es immer wieder Mönche gibt, deren Meditation so tief ist, dass sie willentlich heimgehen können. Ob das auch bei Daddy der Fall ist, weiß keiner so genau.

Wir haben eine Feuerbestattung beantragt und ihn in Meditationshaltung sitzend in einer Zeremonie verbrennen lassen. Die Asche haben wir in einer Urne überreicht bekommen. Gemäß den buddhistischen Gepflogenheiten haben wir die Asche den Elementen der Natur überlassen: Ein Teil haben wir in den Wasserfall geschüttet, den man von der Bergwiese sehen kann, wo er vor ewigen Zeiten mit Yong Tai gepicknickt hat. Ein weiterer Teil haben wir auf die Bergwiese gestreut, auf der auch Andrea und Gyana zum Picknick gesessen haben. Den letzten Teil haben wir dort mit weißen Ballons aufsteigen lassen und damit den Winden übergeben.

Ein Monat später komme ich vom Frauenarzt zurück und falle als Erstes Anne in den Arm.

"Anne, ich bin schwanger!"

Dann laufe ich weiter zu Gyana. Ich treffe ihn im Büro. Er dreht sich zu mir um und lächelt mich an. Mit scheuem, ängstlichem Ausdruck im Gesicht sage ich:

"Gyana, etwas wunderbares ist geschehen! Ich bin schwanger!"

Sein Lächeln wird intensiver. Er tritt auf mich zu und sagt:

"Oh, das ist wunderschön!"

Er hebt mich an und dreht sich mit mir um seine Achse, glücklich lächelnd und mit feuchten Augen.

"Was sollen wir jetzt machen? Ich bin doch nicht mehr die Jüngste... Und dabei eine Erstgebärende!"

"Auf keinen Fall werden wir uns jetzt Sorgen machen! Einverstanden?" sagt Gyana. "Die Ärzte verstehen ihr Handwerk! Sie wissen, was in deinem Fall zu tun ist."

Wir fallen wir uns in die Arme und küssen uns. Tränen der Erleichterung laufen mir über die Wangen und werden von seinen Lippen aufgefangen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 11. März 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -46
Anne schüttelt beruhigend den Kopf und meint:
"Alles in Ordnung! Eure Kinder werden sich mit unseren Internatskindern beschäftigen. Kein Grund zur Sorge!"

*

Am Tag, an dem wir das Morimoto Asia zum Teil angemietet haben, fahren wir in einer Wagenkolonne zum Ala Way Community Park, unserer ersten Shooting-Location. Bunte Gebetsfahnen flattern im Wind und bilden den bunten Hintergrund in der grünen Landschaft, während das Brautpaar in Gold und Weiß gekleidet ist.

Nach dem Foto-Shooting geht die ganze Gesellschaft, die dem Shooting beigewohnt hat, zum Wasser hinunter. Auf dem Ala Way Canal liegt ein Motorboot bereit. Nach und nach wird die Hochzeitsgesellschaft auf die andere Seite übergesetzt. Drüben, auf dem Ala Way Boulevard, steht inzwischen die Wagenkolonne bereit.

Während das Brautpaar mit dem Motorboot weiterfährt, folgen wir dem Boot auf dem Boulevard, bis das Boot anlegt. Das Brautpaar steigt nun in ein weißes, amerikanisches Caprio um. Unter Gehupe erreicht die Kolonne schließlich das Morimoto Asia Waikiki in der Kalakaua Avenue. Zuerst steigen die Verwandten des Bräutigams und der Bräutigam aus, damit sie die Braut und deren Verwandten im Restaurant begrüßen können, das jetzt die Funktion des Hauses des Bräutigams übernimmt, in das die Braut symbolisch einzieht.

Nachdem wir also einige Minuten gewartet haben, betreten wir das Morimoto Asia und werden in den Raum geleitet, indem die Zeremonie stattfinden soll. Hier herrscht bereits eine festliche Stimmung. Wunderschöne bunte Blumen stehen in Vasen, die mit Goldfolie aufgewertet worden sind. Die Wände wurden mit bunten Tüchern verkleidet. Ein fast zwei Meter hoher Buddha thront auf einem Podest.

Seine Heiligkeit Trülku Khön Sakya Trizin leitet die Zeremonie. Anne übersetzt seine Worte Satz für Satz ins Deutsche. Andrea, die Gelongma, und seine Eminenz Lama Khön Gyana bekommen vor dem goldenen Buddha von Seiner Heiligkeit die Ringe, um sie dem Partner auf den Finger zu schieben.

Anschließend treten die Gäste mit weißen Schals in der Hand vor. Sie legen dem Brautpaar je einen um. Danach werden die Gäste an die Tafel geleitet, wo das Brautpaar die Hochzeitstorte anschneidet und jedem ein Stück auf einem Teller reicht. Während die Gäste essen, stehen Daddy, Seine Heiligkeit und Khenchen Lama nacheinander auf, um dem Brautpaar in kurzen Reden Glück für die gemeinsame Zukunft zu wünschen. Auch Onkel Stefan macht mit und sagt ein paar Sätze.

Danach startet Dad die Musikanlage und bittet die Gesellschaft zum Tanz. Ob Daddy will oder nicht, jetzt ist er dran!

Wir wissen wohl, dass Daddy nicht tanzen kann, also führe zuerst ich ihn über die Tanzfläche, danach macht Andrea es mir gleich. Dabei fließen Freudentränen.

Draußen ist es schon dunkel, als das Festessen aufgefahren wird. Daher wird es gegen Mitternacht, als wir das Restaurant verlassen und unsere Gäste zu ihren Zimmern zurückbringen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 10. März 2022
Doch die Liebe währet ewiglich -45
Wir haben uns im Internet schlau gemacht und verschiedene Restaurants besucht. Schließlich haben wir uns für das Morimoto Asia Waikiki entschieden, denn das Restaurant ist wunderbar gelegen, um auch die 'Heimführung der Braut' symbolisch zu gestalten und dabei in der Moderne zu bleiben.

Seit der Explosion der Privatmaschine durch eine chinesische Rakete, abgefeuert aus einem Klein-Uboot, während des Landeanfluges - damals als Daddy seine Yong Tai heiraten wollte -, hat Papa keine Eltern mehr. Aber da gibt es noch seine Tante und deren Tochter, die inzwischen ebenfalls Kinder hat.

Auch Khenchen Lama Rinpoches Mutter lebt noch. Sie und Tante Alice sind miteinander befreundet, aber schon über achtzig Jahre alt. Beide ehrwürdigen alten Damen kann man die weite Reise nicht mehr zumuten. Dafür soll die Hochzeit fotografiert und streckenweise gefilmt werden.

Khenchen Lama Rinpoche hat sein Kommen zugesagt, wie auch Cousine Ruth mit Familie. Von Gyanas Seite ist Trülku Khön Sakya Trizin mit Frau und Kindern dabei. Alle Gäste aus Übersee kommen mit Touristen-Maschinen im Kona International Airport an. Von dort bringen wir sie nach einer herzlichen Begrüßung zum Internat und dort in Gästezimmern unter.

Die älteren Mitglieder unserer Familien haben sich viel zu erzählen. Da tritt der Grund ihrer Reise erst einmal in den Hintergrund. Wir bewirten unsere Gäste zuvorkommend und lassen sie sich ein paar Tage akklimatisieren.

Ein Gesprächsthema wird zu einer längeren Erzählung, bei der die halbwüchsigen Kinder von Daddys Cousine Ruth mit offenem Mund an Seiner Heiligkeit Lama Rinpoches Worten hängen. Ruths Mann, Onkel Stefan, fragt Lama Rinpoche nämlich nach der Wiedergeburt.

"Jetzt kann ich Ihnen endlich einmal, die Frage stellen, die mir auf der Zunge liegt, seit meine Schwiegermutter davon erzählte: Wie konnte man in Ihnen die Wiedergeburt eines verstorbenen Tibeters feststellen?"

Seine Heiligkeit stutzt einen Moment und schaut seinem Gegenüber in die Augen:

"Lama Dorje war der letzte Schüler des Lamas Sherab, bevor dieser starb. Lama Sherab hat da schon länger davon gesprochen, dass er einmal nach Europa will, um dort zu lehren. Nun hat Lama Dorje verschiedene Klöster in Europa angefragt, ihm zu helfen. Lama Tobgyel im deutschen Kloster hat ein Indiz entdeckt, das ihm so stark vorkam, dass es für ihn Grund genug war, Lama Dorje in Nepal mit einem Telegramm darüber zu informieren.
Lama Dorje ist nach Deutschland gereist, um den gefundenen Jungen einem ersten Test zu unterziehen. Dieser Test fiel positiv aus. Das hätte aber Zufall sein können. Also bat er die Mutter des Jungen, ihn in Nepal weiteren Tests unterziehen zu dürfen.
Auf Anraten, oder durch Überreden - wie man es sehen will -," Lama Rinpoche lächelt, "der Mutter des Jungen durch ihre beste Freundin, unternahmen Mutter und Sohn die weite Reise und es folgten weitere Tests."

"Was waren das für Tests?" fragt Onkel Stefan.

"Der Fifty/Fifty-Test in Deutschland war: Erkennt der Junge die alte Reisschale von Lama Sherab zumindest als etwas Besonderes, oder nicht. In Nepal sollte der Junge aus vier gleichen Mönchshüten den des Lama Sherab herausfinden. Auch das klappte auf Anhieb, ohne dass der Junge in dem Moment wusste, was er da tat. Dann wurde von der Versammlung der Lamas das Orakel befragt."

"Oh," macht Onkel Stefan. "Seitdem galten Sie als die Wiedergeburt?"

"Ja," antwortet Lama Rinpoche einfach. "Allerdings stand ich in den folgenden zehn Jahren in der Klosterschule unter besonderer Beobachtung. Die Beurteilungen der Lehrer wurden gesammelt, um ein Abschlusszeugnis schreiben zu können, wie bei jedem anderen Schüler auch. Aufgrund dieser Beurteilung hat man mich zum Lama ernannt, mich nach Deutschland zurückbeordert und dort die Leitung der Klosterschule übertragen."

"Hm," meint Onkel Stefan nun. "Da mussten Sie sicher hervorragende Leistungen gezeigt haben?"

"Sagen wir einmal so," sagt Lama Rinpoche lächelnd. "Meine Lehrer hielten große Stücke auf mich."

"Wie soll ich mir überhaupt eine Wiedergeburt vorstellen?" fragt Onkel Stefan nun.

Lama Rinpoche kräuselt die Stirn, antwortet aber freundlich:

"Für Menschen aus dem christlichen Kulturkreis scheint es da ein Problem zu geben. Sie glauben, das Leben ist eine Einbahnstraße von der Geburt zum Tod. Sehr religiöse Christen stellen sich eine Existenz nach dem Tod so vor: Bei untadeliger Lebensweise kommen sie in den Himmel, sündhafter Lebenswandel bedeutet das Fegefeuer, und schwere Verbrechen hätten die Hölle zum Ziel.
Für Buddhisten ist der Tod nicht das Ende. Geht ein Buddhist durch untadelige Lebensweise und Meditation nach seinem Tod ins Nirwana über, hat er einen Zustand erreicht, wie der 'Einzug ins Paradies' für Christen. Da wir aber alle Menschen sind, und als solche fehlerhaft, müssen wir nach unserem Tod ein neues Leben durchleben. Das christliche Synonym wäre hier das 'Fegefeuer'. Eine Hölle kennen wir nicht."

"Ah," fragt Onkel Stefan, und ignoriert die Rippenknüffe von Tante Ruth. "Kann dann also jeder Verstorbene im Körper eines jungen Menschen der nächsten Generation wiederentdeckt werden?"

Lama Rinpoche schüttelt den Kopf und antwortet, höflich lächelnd:

"Ob nun Pflanze, Insekt, Fisch, Reptil oder Säugetier, wozu letztlich ja auch der Mensch gehört - wir wissen nicht wie die Seele sich nach dem Tod ihre neue Hülle sucht, und welche es werden wird. Wir wissen nur, das Lebewesen muss im Todeszeitpunkt gezeugt worden sein. Dann wird es geboren, lebt bei seinen biologischen Eltern, und mit viel Glück wird die Seele von früheren Weggefährten entdeckt. Wenn das neue Lebewesen dann noch die Prüfungen besteht, sind seine früheren Weggefährten sicher, ihren alten Weggefährten wiederentdeckt zu haben, was sie überaus glücklich macht!"

Hier nun lässt Onkel Stefan das Thema zur Ruhe kommen. Tante Ruth sagt zu ihm, er solle doch einmal nach Daniel und Miriam schauen, die irgendwann aufgestanden sind.

... link (0 Kommentare)   ... comment