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Freitag, 22. April 2022
Lama Rinpoche -27
mariant, 12:48h
"Behalte sie in liebevoller Erinnerung, aber lasse sie los!" rate ich ihm eindringlich. "Gib sie frei! Bleiben deine Visionen, dann suche nach ihr. Denn was du frei gibst und es strebt aus sich heraus zu dir zurück, ist dein! Nicht jedoch das, was du nicht loslassen kannst!
Suche nach einem Kind, das zum Todeszeitpunkt gezeugt und neun Monate später geboren wurde."
"Was ist mit dem Kind, das sie unter ihrem Herzen trug?" fragt er mich.
"Es könnte direkt ins Nirwana übergegangen sein, so wie auch die Christen glauben, dass solche unschuldigen Kinder sofort ins Paradies kommen," erkläre ich ihm darauf.
Bedächtig nickend, bedankt er sich für meinen Rat.
Einige Monate nach dieser Unterredung kommt er wieder zu mir. Er erklärt mir, dass er meinem Rat gefolgt ist und die Vision sich verflüchtigt hat. Nun aber hat er sie wieder gesehen. Sie hat ein Baby im Arm getragen und ist einen Weg entlang gegangen, an dessen Rand Pflanzen wachsen, wie er sie von Hawaii kennt.
Ich ermuntere ihn jetzt:
"Dann musst du nach Hawaii reisen und dort suchen!"
Eine Woche darauf fliegt er mit einer Linienmaschine zum Kona International Airport nach Hawaii und will zuerst das dortige buddhistische Kloster aufsuchen, wie ich ihm geraten habe. Ich wünsche ihm viel Glück, wohl wissend, dass seine Suche ungleich schwieriger wird, als Lama Dorjes Suche damals. Vor allem, wie will er kleine Kinder prüfen, ob sie die Nangwa -Wiedergeburt- von Yong Tai und dem damals noch ungeborenen Kind sind?
*
Zwei Wochen nachdem Noah nach Hawaii geflogen ist, ist er wieder zurück. Das überrascht mich. Ich hätte mit einer längeren Suche gerechnet. Ich sitze gerade vor meiner Liege auf dem Boden und meditiere, als ich Bewegung in meiner Nähe wahrnehme. Also öffne ich die Augen und erkenne zwei dunkelhäutige Mädchen, etwa fünf Jahre alt. Noah steht bei ihnen und ermahnt sie gerade:
"Sit down, quiet, please."
Er selbst lässt sich seitlich von mir an den Tisch im Schneidersitz nieder. Eins der Mädchen sucht seine Nähe und lehnt sich an ihn. Das andere, exakt gleich aussehende Mädchen, wählt meine Liege als Sitzplatz. Noah berichtet mir, wie er die Mädchen gefunden hat und was er mit ihnen auf Hawaii erlebt hat. Er sagt, dass sie früher adoptionswillige Paare regelrecht vergrault haben. Er habe den Kindern im Kinderheim Spielzeug gespendet und das Souvenir aus Hongkong, den Plüschdrachen, sowie Yong Tais Lieblingspuppe hinzugetan.
Genau diese beiden Spielzeuge haben sich die Zwillinge ausgesucht und niemanden der anderen Kinder auch nur in die Nähe der Spielzeuge gelassen. Das hat zu Streit unter den Kindern geführt, so dass die Betreuer gezwungen gewesen sind, einzugreifen und die beiden Spielzeuge vorübergehend sicherzustellen. Anschließend habe er sich um eine Probewoche mit den Zwillingen bemüht, wie die adoptionswilligen Paare vor ihm auch.
Die Mädchen sind ihm gegenüber ganz anders aufgetreten, als das Personal des Kinderheims die vorangegangenen Adoptionsversuche beschrieben haben. Sie haben ihn gleich am ersten Tag von sich aus 'Daddy' genannt. Nach einer ganzen Weile, als Noah geendet hat, erheben wir uns, um zum Abendessen zu gehen. Noah erklärt das den Mädchen:
"Wir bringen euch eben zum Abendessen zu den Klosterschülerinnen. Ich gehe mit Lama Rinpoche zum Abt des Klosters, um dort mein Abendessen einzunehmen. Ich muss auch noch etwas wichtiges mit Seiner Heiligkeit besprechen. Danach hole ich euch ab und wir gehen zum Schlafen in unsere Zimmer."
"Daddy? Will you read a story before sleeping?" fragt das Mädchen, dass sich neben mir auf meiner Liege niedergelassen hat.
"Yes, I will!" verspricht er ihr.
Sie rutscht von der Liege, läuft auf ihn zu und umarmt ihn.
'So viel Vertrauen und keine Scheu, nachdem sie sich erst kurz kennen, ist bemerkenswert!' denke ich mir.
Sie folgen Noah und mir zum Speisesaal. Dort finden wir schon Klosterschülerinnen und Gelongma -Nonnen- vor. Wir erklären ihnen, dass die Mädchen heute hier speisen, und dass sie eine weite Reise hinter sich haben. Sie können kein Deutsch sprechen, aber auf Englisch wäre eine Verständigung möglich. Dann gehen wir weiter in Richtung des Thronsaals.
Nach dem Essen bleiben Noah und ich beim Khenchen Lama sitzen. Noah berichtet auch Seiner Heiligkeit von den letzten Ereignissen auf Hawaii und fragt:
"Ich möchte die Mädchen einerseits mit der asiatischen Lebensweise vertraut machen und sie eine Klosterschule besuchen lassen. Dazu, denke ich, ist das Kloster nahe Katmandu sehr geeignet. Was haltet Ihr davon?"
"Du sagst, du erkennst in Anne deine verstorbene Frau Li Yong Tai wieder - und Andrea müsste demnach die Seele deines ungeborenen Kindes beherbergen..."
"Ja, Eure Heiligkeit. Obwohl gleichaussehend, kann man beide leicht auseinanderhalten. Anne ist anlehnungsbedürftig, zurückhaltend, trotzdem neugierig. Ihr erster Griff unter all den Spielsachen galt Yong Tais Lieblingspuppe, die sie seitdem nicht mehr aus den Augen lässt. Andrea ist immer zu irgendwelchen Streichen aufgelegt und zieht Anne oft mit. Ihr erster Griff galt dem Stoffdrachen, den ich vor langer Zeit von meinem Vater in Hongkong geschenkt bekommen habe. Ich habe ihn Yong Tai damals beim Abschied auf Hawaii zur Erinnerung geschenkt. Andrea hat viel von meinem Charakter," erklärt Noah.
Seine Heiligkeit nickt. Er meint:
"Das Kloster nahe Katmandu, wo Lama Rinpoche seine Ausbildung begonnen hat, ist weit entfernt. Hast du schon einmal etwas über die Sakya-Schule gehört?"
"Ja, Eure Heiligkeit," antwortet er irritiert. "Im tibetischen Buddhismus gibt es vier Schulen. Eine davon ist Sakya. Anders als in den anderen Schulen, bei denen die Nangwa -Reinkarnation- des vorherigen Trülku -Oberhauptes- gesucht wird, wird dort seit der Gründung vor 900 Jahren der erstgeborene Sohn des bisherigen Trülku sein Nachfolger."
"Das heißt also, in der Sakya-Schule wird nicht so viel Wert auf die Askese gelegt. Sollte in einem Gelong die Liebe zu einer weiblichen Person in seiner Nähe entfacht werden, heiraten sie und zeugen Kinder. Die Tugenden des Mönchtums sind damit natürlich nicht außer Kraft gesetzt! Die Tugend des Mitgefühls gegenüber allen Lebewesen wurde stattdessen ausgeweitet! Warum rede ich davon? Ich kenne deinen Lebensweg, mein Bruder, und sehe Parallelen bei der Sakya-Schule. Nun gibt es in wenigen hundert Kilometern Entfernung eine Sakya-Schule. Sie liegt im Elsass, nur fünfzig Kilometer von Straßburg entfernt. Dort bist du mit den Zwillingen am besten aufgehoben. Wenn du magst, nehme ich Kontakt dorthin auf."
Noah verbeugt sich tief vor Seiner Heiligkeit und bestätigt, dass die Zwillinge dort sicher am besten aufgehoben wären. Danach erheben wir uns. Während sich Noah voller Ehrfurcht langsam rückwärts der Tür nähert, bin ich schon vorgegangen und halte sie ihm auf. Draußen frage ich Noah:
"Habt ihr schon eine Unterkunft?"
Suche nach einem Kind, das zum Todeszeitpunkt gezeugt und neun Monate später geboren wurde."
"Was ist mit dem Kind, das sie unter ihrem Herzen trug?" fragt er mich.
"Es könnte direkt ins Nirwana übergegangen sein, so wie auch die Christen glauben, dass solche unschuldigen Kinder sofort ins Paradies kommen," erkläre ich ihm darauf.
Bedächtig nickend, bedankt er sich für meinen Rat.
Einige Monate nach dieser Unterredung kommt er wieder zu mir. Er erklärt mir, dass er meinem Rat gefolgt ist und die Vision sich verflüchtigt hat. Nun aber hat er sie wieder gesehen. Sie hat ein Baby im Arm getragen und ist einen Weg entlang gegangen, an dessen Rand Pflanzen wachsen, wie er sie von Hawaii kennt.
Ich ermuntere ihn jetzt:
"Dann musst du nach Hawaii reisen und dort suchen!"
Eine Woche darauf fliegt er mit einer Linienmaschine zum Kona International Airport nach Hawaii und will zuerst das dortige buddhistische Kloster aufsuchen, wie ich ihm geraten habe. Ich wünsche ihm viel Glück, wohl wissend, dass seine Suche ungleich schwieriger wird, als Lama Dorjes Suche damals. Vor allem, wie will er kleine Kinder prüfen, ob sie die Nangwa -Wiedergeburt- von Yong Tai und dem damals noch ungeborenen Kind sind?
*
Zwei Wochen nachdem Noah nach Hawaii geflogen ist, ist er wieder zurück. Das überrascht mich. Ich hätte mit einer längeren Suche gerechnet. Ich sitze gerade vor meiner Liege auf dem Boden und meditiere, als ich Bewegung in meiner Nähe wahrnehme. Also öffne ich die Augen und erkenne zwei dunkelhäutige Mädchen, etwa fünf Jahre alt. Noah steht bei ihnen und ermahnt sie gerade:
"Sit down, quiet, please."
Er selbst lässt sich seitlich von mir an den Tisch im Schneidersitz nieder. Eins der Mädchen sucht seine Nähe und lehnt sich an ihn. Das andere, exakt gleich aussehende Mädchen, wählt meine Liege als Sitzplatz. Noah berichtet mir, wie er die Mädchen gefunden hat und was er mit ihnen auf Hawaii erlebt hat. Er sagt, dass sie früher adoptionswillige Paare regelrecht vergrault haben. Er habe den Kindern im Kinderheim Spielzeug gespendet und das Souvenir aus Hongkong, den Plüschdrachen, sowie Yong Tais Lieblingspuppe hinzugetan.
Genau diese beiden Spielzeuge haben sich die Zwillinge ausgesucht und niemanden der anderen Kinder auch nur in die Nähe der Spielzeuge gelassen. Das hat zu Streit unter den Kindern geführt, so dass die Betreuer gezwungen gewesen sind, einzugreifen und die beiden Spielzeuge vorübergehend sicherzustellen. Anschließend habe er sich um eine Probewoche mit den Zwillingen bemüht, wie die adoptionswilligen Paare vor ihm auch.
Die Mädchen sind ihm gegenüber ganz anders aufgetreten, als das Personal des Kinderheims die vorangegangenen Adoptionsversuche beschrieben haben. Sie haben ihn gleich am ersten Tag von sich aus 'Daddy' genannt. Nach einer ganzen Weile, als Noah geendet hat, erheben wir uns, um zum Abendessen zu gehen. Noah erklärt das den Mädchen:
"Wir bringen euch eben zum Abendessen zu den Klosterschülerinnen. Ich gehe mit Lama Rinpoche zum Abt des Klosters, um dort mein Abendessen einzunehmen. Ich muss auch noch etwas wichtiges mit Seiner Heiligkeit besprechen. Danach hole ich euch ab und wir gehen zum Schlafen in unsere Zimmer."
"Daddy? Will you read a story before sleeping?" fragt das Mädchen, dass sich neben mir auf meiner Liege niedergelassen hat.
"Yes, I will!" verspricht er ihr.
Sie rutscht von der Liege, läuft auf ihn zu und umarmt ihn.
'So viel Vertrauen und keine Scheu, nachdem sie sich erst kurz kennen, ist bemerkenswert!' denke ich mir.
Sie folgen Noah und mir zum Speisesaal. Dort finden wir schon Klosterschülerinnen und Gelongma -Nonnen- vor. Wir erklären ihnen, dass die Mädchen heute hier speisen, und dass sie eine weite Reise hinter sich haben. Sie können kein Deutsch sprechen, aber auf Englisch wäre eine Verständigung möglich. Dann gehen wir weiter in Richtung des Thronsaals.
Nach dem Essen bleiben Noah und ich beim Khenchen Lama sitzen. Noah berichtet auch Seiner Heiligkeit von den letzten Ereignissen auf Hawaii und fragt:
"Ich möchte die Mädchen einerseits mit der asiatischen Lebensweise vertraut machen und sie eine Klosterschule besuchen lassen. Dazu, denke ich, ist das Kloster nahe Katmandu sehr geeignet. Was haltet Ihr davon?"
"Du sagst, du erkennst in Anne deine verstorbene Frau Li Yong Tai wieder - und Andrea müsste demnach die Seele deines ungeborenen Kindes beherbergen..."
"Ja, Eure Heiligkeit. Obwohl gleichaussehend, kann man beide leicht auseinanderhalten. Anne ist anlehnungsbedürftig, zurückhaltend, trotzdem neugierig. Ihr erster Griff unter all den Spielsachen galt Yong Tais Lieblingspuppe, die sie seitdem nicht mehr aus den Augen lässt. Andrea ist immer zu irgendwelchen Streichen aufgelegt und zieht Anne oft mit. Ihr erster Griff galt dem Stoffdrachen, den ich vor langer Zeit von meinem Vater in Hongkong geschenkt bekommen habe. Ich habe ihn Yong Tai damals beim Abschied auf Hawaii zur Erinnerung geschenkt. Andrea hat viel von meinem Charakter," erklärt Noah.
Seine Heiligkeit nickt. Er meint:
"Das Kloster nahe Katmandu, wo Lama Rinpoche seine Ausbildung begonnen hat, ist weit entfernt. Hast du schon einmal etwas über die Sakya-Schule gehört?"
"Ja, Eure Heiligkeit," antwortet er irritiert. "Im tibetischen Buddhismus gibt es vier Schulen. Eine davon ist Sakya. Anders als in den anderen Schulen, bei denen die Nangwa -Reinkarnation- des vorherigen Trülku -Oberhauptes- gesucht wird, wird dort seit der Gründung vor 900 Jahren der erstgeborene Sohn des bisherigen Trülku sein Nachfolger."
"Das heißt also, in der Sakya-Schule wird nicht so viel Wert auf die Askese gelegt. Sollte in einem Gelong die Liebe zu einer weiblichen Person in seiner Nähe entfacht werden, heiraten sie und zeugen Kinder. Die Tugenden des Mönchtums sind damit natürlich nicht außer Kraft gesetzt! Die Tugend des Mitgefühls gegenüber allen Lebewesen wurde stattdessen ausgeweitet! Warum rede ich davon? Ich kenne deinen Lebensweg, mein Bruder, und sehe Parallelen bei der Sakya-Schule. Nun gibt es in wenigen hundert Kilometern Entfernung eine Sakya-Schule. Sie liegt im Elsass, nur fünfzig Kilometer von Straßburg entfernt. Dort bist du mit den Zwillingen am besten aufgehoben. Wenn du magst, nehme ich Kontakt dorthin auf."
Noah verbeugt sich tief vor Seiner Heiligkeit und bestätigt, dass die Zwillinge dort sicher am besten aufgehoben wären. Danach erheben wir uns. Während sich Noah voller Ehrfurcht langsam rückwärts der Tür nähert, bin ich schon vorgegangen und halte sie ihm auf. Draußen frage ich Noah:
"Habt ihr schon eine Unterkunft?"
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Donnerstag, 21. April 2022
Lama Rinpoche -26
mariant, 11:28h
Der Personenschützer schaut vom Monitor auf und meint:
"Ehrlich gesagt, würde ich mir mehr Sorgen um die Chefin machen."
Ich schaue den Mann lächelnd an.
Kaum zehn Minuten später klingelt es. Ich fahre wieder mit dem Expressaufzug nach unten und lasse die Polizeibeamten herein. Schnell überschlage ich das Geschehen heute Abend und führe die Beamten zu dem Fahrzeug, in das der späte Besucher einsteigen wollte. Von dort zeige ich auf die Bar, in der ich den Mann überwältigt und hinausgeführt habe. Wir überqueren die Straße. Vor dem Eingang wende ich mich um und zeige den Riss in meiner Jacke. Die Beamten schauen sich den Riss genau an und schätzen die Richtung, aus der der Schuss gekommen sein muss.
Die neuen Erkenntnisse geben sie per Funk an ihre Zentrale weiter. Dann soll ich sie zu dem Toten führen. Kurz nachdem wir den Raum des Personenschützers betreten haben, kommen Spezialisten der Polizei hinzu. Während die Männer ihre Arbeit machen, nimmt einer der zuerst eingetroffenen Beamten mein Protokoll auf. Ich weise sie auch auf die Hongkong-Geschichte hin. Vielleicht ergibt sich in dieser Richtung mehr.
Der Tote wird abgeholt und ich soll mich vor Ort für weitere Vernehmungen zur Verfügung halten, wird mir gesagt. Also gehe ich in meinem Zimmer zu Bett. Aus der Zeitung erfahre ich eine Woche später, dass man einen chinesischen Agenten verhaften konnte mit Schmauchspuren an seiner Kleidung. Ich fahre nun ins Polizeipräsidium und frage, ob man mich noch weiter braucht. Ansonsten würde ich gerne in mein Kloster zurückkehren.
Mir wird gesagt, dass das Gericht in einigen Wochen meine Zeugenaussage braucht. Ich nicke und erkläre, dass ich anwesend sein werde, wenn ich von dem Termin früh genug erfahre. Danach fahre ich wieder in die Heimat zurück.
*
Ich habe über ein halbes Jahr nichts mehr von Noah gehört. Dann erreicht mich eine Nachricht via Skype. Zuerst denke ich an Nepal. Aber nein, von dort kann keine Nachricht kommen, meine ich. Neugierig öffne ich Skype und sehe, dass die Nachricht von Noah kommt. Ich öffne sie und lese, dass er und Yong Tai ihre Hochzeit planen. Sie leben jetzt zurückgezogen auf Hawaii. Ich wünsche ihnen alles Glück der Welt.
Drei Monate darauf erhalte ich die Nachricht, dass die beiden im ganz kleinen Kreis geheiratet haben. Ihre Verwandten sind beim Anflug auf Hawaii durch einen Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Mir kommt China in den Sinn. Ich drücke Noah mein Beileid aus, mache ihn wiederholt darauf aufmerksam, dass für uns der Tod nicht das Ende bedeutet und empfehle ihm auf sich und sein junges Glück zu achten.
Fast drei weitere Monate danach erhalte ich die nächste Nachricht von Noah. Er ist am Boden zerstört. Seine hochschwangere Frau Yong Tai ist einem Autobomben-Anschlag zum Opfer gefallen. Nun macht er sich schwere Vorwürfe, nicht auch im Wagen gesessen zu haben und mit ihr gestorben zu sein.
Wochen später trifft ein sichtlich gealterter Noah Mann bei uns im Kloster ein. Er klopft an meine Tür und redet sich die ganze Geschichte von der Seele. Nachdem er fertig ist, schließt er seine Rede mit der niederschmetternden Aussage:
"Ich weiß nicht mehr weiter, mein Tsopo -Meister-. Mein Leben ist sinnlos ohne sie!"
Ich schaue ihn lange an und antworte ihm, um ihm eine Aufgabe zu geben:
"Dir ist ein großes Vermögen zugefallen, das du irgendwie verwalten musst. Du hast aber keine Ausbildung bisher. Ich rate dir, mache eine Banklehre. Lerne mit viel Geld umzugehen und es zu mehren! Dann überlege dir, wofür du den Geldzuwachs ausgeben willst."
"Aber ohne Yong Tai hat alles keinen Sinn!" entgegnet er mir depressiv.
Darum erinnere ich ihn wieder an die buddhistische Denkart:
"Denke daran, was ich dich gelehrt habe: der Tod ist nicht das Ende! Dann bekommt dein Leben wieder einen Sinn, wenn du ihn auch jetzt noch nicht erkennst. Komm gerne im Laufe deiner Ausbildung immer wieder hierher zurück! Du hast meditieren gelernt! Nutze deine Fähigkeit."
Er lächelt unsicher, nickt nach einer Weile des Schweigens und antwortet:
"Ich danke Euch, mein Tsopo."
Nun wird er aktiv. Er holt sich Adressen, bewirbt sich bei verschiedenen Banken und erhält die Zusage für eine Ausbildung. In seiner Urlaubszeit während der nächsten drei Jahre reist er nach Hamburg und Frankfurt, Yong Tais Wirkungsstätte und ihr Elternhaus besuchend. Auch Plauen und sein Geburtsort sind Ziele der Städtereisen, die er unternimmt. Daneben kommt er immer wieder ins Kloster zurück, zum Meditieren und sich mit mir unterhalten.
Während solcher Gespräche, die seiner Seele gut zu tun scheinen, erzähle ich ihm von meiner Vergangenheit und mache ihm Mut, seine Zukunft in Angriff zu nehmen.
"Schließe erst einmal deine Ausbildung mit Bravour ab, dann sehen wir weiter!" rate ich ihm, um ihn auf das Nächstliegende zu fokussieren.
Nach diesem Schritt mögen weitere folgen.
Nach der Banklehre zieht er zu uns ins Kloster und bindet sich in unseren Tagesablauf ein. Er sagt, dass unser Kloster für ihn der beste Platz ist, um zur Ruhe zu kommen. Hier fühlt er sich geborgen und gebraucht. Daneben meditiert er täglich mehrere Stunden.
Zwölf Monate dürften darüber vergangen sein, als Noah, inzwischen 28 Jahre alt, zu mir kommt. Er beginnt geheimnisvoll:
"Tsopo Rinpoche, man sagt, du wärest die Wiedergeburt eines bedeutenden Lamas aus Nepal. Könnte es sein, dass auch gewöhnliche Menschen wiedergeboren werden?"
Ich bin etwas irritiert über die Frage und antworte ihm:
"Als du vor deiner Ausbildung, frisch von Hawaii, zu mir gekommen bist, habe ich dir gesagt, dass wir alle 'gewöhnliche Menschen sind', Noah! Es gibt keine Bevorzugung oder Benachteiligung! Der Tod ist nicht das Ende! Einzig je nach Lebensweise im jetzigen Leben, werden wir im nächsten Leben als Pflanze, Tier oder auch als Mensch wiedergeboren - oder erreichen das Nirwana bei untadeliger, heiliger Lebensweise."
Er schaut mir direkt in die Augen und erklärt mir:
"Während der letzten Meditation habe ich Yong Tai gesehen. Sie hat sich im Verlauf der Erscheinung in ein Kind verwandelt..."
"Das kann zweierlei Gründe haben," meine ich zurückhaltend. "Entweder ein Mara -böser Geist- sucht den Kontakt zu dir und will dich zur negativen Seite hinüberziehen, weil du verführbar geworden bist, da du anscheinend noch immer nicht wirklich loslassen kannst. Oder du hast doch losgelassen, gibst der bedauernswerten Li Yong Tai ihren Frieden - und sie strebt aus Liebe zu dir zurück."
"Was soll ich jetzt tun?" frage er mich nun.
"Ehrlich gesagt, würde ich mir mehr Sorgen um die Chefin machen."
Ich schaue den Mann lächelnd an.
Kaum zehn Minuten später klingelt es. Ich fahre wieder mit dem Expressaufzug nach unten und lasse die Polizeibeamten herein. Schnell überschlage ich das Geschehen heute Abend und führe die Beamten zu dem Fahrzeug, in das der späte Besucher einsteigen wollte. Von dort zeige ich auf die Bar, in der ich den Mann überwältigt und hinausgeführt habe. Wir überqueren die Straße. Vor dem Eingang wende ich mich um und zeige den Riss in meiner Jacke. Die Beamten schauen sich den Riss genau an und schätzen die Richtung, aus der der Schuss gekommen sein muss.
Die neuen Erkenntnisse geben sie per Funk an ihre Zentrale weiter. Dann soll ich sie zu dem Toten führen. Kurz nachdem wir den Raum des Personenschützers betreten haben, kommen Spezialisten der Polizei hinzu. Während die Männer ihre Arbeit machen, nimmt einer der zuerst eingetroffenen Beamten mein Protokoll auf. Ich weise sie auch auf die Hongkong-Geschichte hin. Vielleicht ergibt sich in dieser Richtung mehr.
Der Tote wird abgeholt und ich soll mich vor Ort für weitere Vernehmungen zur Verfügung halten, wird mir gesagt. Also gehe ich in meinem Zimmer zu Bett. Aus der Zeitung erfahre ich eine Woche später, dass man einen chinesischen Agenten verhaften konnte mit Schmauchspuren an seiner Kleidung. Ich fahre nun ins Polizeipräsidium und frage, ob man mich noch weiter braucht. Ansonsten würde ich gerne in mein Kloster zurückkehren.
Mir wird gesagt, dass das Gericht in einigen Wochen meine Zeugenaussage braucht. Ich nicke und erkläre, dass ich anwesend sein werde, wenn ich von dem Termin früh genug erfahre. Danach fahre ich wieder in die Heimat zurück.
*
Ich habe über ein halbes Jahr nichts mehr von Noah gehört. Dann erreicht mich eine Nachricht via Skype. Zuerst denke ich an Nepal. Aber nein, von dort kann keine Nachricht kommen, meine ich. Neugierig öffne ich Skype und sehe, dass die Nachricht von Noah kommt. Ich öffne sie und lese, dass er und Yong Tai ihre Hochzeit planen. Sie leben jetzt zurückgezogen auf Hawaii. Ich wünsche ihnen alles Glück der Welt.
Drei Monate darauf erhalte ich die Nachricht, dass die beiden im ganz kleinen Kreis geheiratet haben. Ihre Verwandten sind beim Anflug auf Hawaii durch einen Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Mir kommt China in den Sinn. Ich drücke Noah mein Beileid aus, mache ihn wiederholt darauf aufmerksam, dass für uns der Tod nicht das Ende bedeutet und empfehle ihm auf sich und sein junges Glück zu achten.
Fast drei weitere Monate danach erhalte ich die nächste Nachricht von Noah. Er ist am Boden zerstört. Seine hochschwangere Frau Yong Tai ist einem Autobomben-Anschlag zum Opfer gefallen. Nun macht er sich schwere Vorwürfe, nicht auch im Wagen gesessen zu haben und mit ihr gestorben zu sein.
Wochen später trifft ein sichtlich gealterter Noah Mann bei uns im Kloster ein. Er klopft an meine Tür und redet sich die ganze Geschichte von der Seele. Nachdem er fertig ist, schließt er seine Rede mit der niederschmetternden Aussage:
"Ich weiß nicht mehr weiter, mein Tsopo -Meister-. Mein Leben ist sinnlos ohne sie!"
Ich schaue ihn lange an und antworte ihm, um ihm eine Aufgabe zu geben:
"Dir ist ein großes Vermögen zugefallen, das du irgendwie verwalten musst. Du hast aber keine Ausbildung bisher. Ich rate dir, mache eine Banklehre. Lerne mit viel Geld umzugehen und es zu mehren! Dann überlege dir, wofür du den Geldzuwachs ausgeben willst."
"Aber ohne Yong Tai hat alles keinen Sinn!" entgegnet er mir depressiv.
Darum erinnere ich ihn wieder an die buddhistische Denkart:
"Denke daran, was ich dich gelehrt habe: der Tod ist nicht das Ende! Dann bekommt dein Leben wieder einen Sinn, wenn du ihn auch jetzt noch nicht erkennst. Komm gerne im Laufe deiner Ausbildung immer wieder hierher zurück! Du hast meditieren gelernt! Nutze deine Fähigkeit."
Er lächelt unsicher, nickt nach einer Weile des Schweigens und antwortet:
"Ich danke Euch, mein Tsopo."
Nun wird er aktiv. Er holt sich Adressen, bewirbt sich bei verschiedenen Banken und erhält die Zusage für eine Ausbildung. In seiner Urlaubszeit während der nächsten drei Jahre reist er nach Hamburg und Frankfurt, Yong Tais Wirkungsstätte und ihr Elternhaus besuchend. Auch Plauen und sein Geburtsort sind Ziele der Städtereisen, die er unternimmt. Daneben kommt er immer wieder ins Kloster zurück, zum Meditieren und sich mit mir unterhalten.
Während solcher Gespräche, die seiner Seele gut zu tun scheinen, erzähle ich ihm von meiner Vergangenheit und mache ihm Mut, seine Zukunft in Angriff zu nehmen.
"Schließe erst einmal deine Ausbildung mit Bravour ab, dann sehen wir weiter!" rate ich ihm, um ihn auf das Nächstliegende zu fokussieren.
Nach diesem Schritt mögen weitere folgen.
Nach der Banklehre zieht er zu uns ins Kloster und bindet sich in unseren Tagesablauf ein. Er sagt, dass unser Kloster für ihn der beste Platz ist, um zur Ruhe zu kommen. Hier fühlt er sich geborgen und gebraucht. Daneben meditiert er täglich mehrere Stunden.
Zwölf Monate dürften darüber vergangen sein, als Noah, inzwischen 28 Jahre alt, zu mir kommt. Er beginnt geheimnisvoll:
"Tsopo Rinpoche, man sagt, du wärest die Wiedergeburt eines bedeutenden Lamas aus Nepal. Könnte es sein, dass auch gewöhnliche Menschen wiedergeboren werden?"
Ich bin etwas irritiert über die Frage und antworte ihm:
"Als du vor deiner Ausbildung, frisch von Hawaii, zu mir gekommen bist, habe ich dir gesagt, dass wir alle 'gewöhnliche Menschen sind', Noah! Es gibt keine Bevorzugung oder Benachteiligung! Der Tod ist nicht das Ende! Einzig je nach Lebensweise im jetzigen Leben, werden wir im nächsten Leben als Pflanze, Tier oder auch als Mensch wiedergeboren - oder erreichen das Nirwana bei untadeliger, heiliger Lebensweise."
Er schaut mir direkt in die Augen und erklärt mir:
"Während der letzten Meditation habe ich Yong Tai gesehen. Sie hat sich im Verlauf der Erscheinung in ein Kind verwandelt..."
"Das kann zweierlei Gründe haben," meine ich zurückhaltend. "Entweder ein Mara -böser Geist- sucht den Kontakt zu dir und will dich zur negativen Seite hinüberziehen, weil du verführbar geworden bist, da du anscheinend noch immer nicht wirklich loslassen kannst. Oder du hast doch losgelassen, gibst der bedauernswerten Li Yong Tai ihren Frieden - und sie strebt aus Liebe zu dir zurück."
"Was soll ich jetzt tun?" frage er mich nun.
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Mittwoch, 20. April 2022
Lama Rinpoche -25
mariant, 11:29h
Wir erheben uns höflich und neigen den Kopf. Sie erhebt sich ebenfalls und geht davon. Es ist ja auch schon später Abend. Als wir mit dem Personenschützer allein sind, sagt dieser:
"Mich beruhigt es, dass Sie hier sind! Ich halte mich zumeist im provisorischen Kontrollzentrum auf. Nach Mitternacht löst mich mein Kollege ab. In den Treppenhäusern, unten im Eingang und im Aufzug sind Kameras installiert und die Chefin trägt einen Sender am Körper, für den Fall, dass sie entführt wird. - Ich zeige Ihnen eben noch Ihre Zimmer!"
Er führt uns zu der Zimmerflucht für Gäste und öffnet zwei in asiatischem Stil eingerichtete Zimmer. Ich bedanke mich und wünsche eine 'Gute Nacht'.
Am folgenden Morgen essen wir mit der verehrten Dame Li Yong Tai. Ihre Köchin hat das Frühstück zubereitet. Wir begegnen uns herzlich, aber auch höflich zurückhaltend. Danach fährt sie eine Etage tiefer in ihre Geschäftsräume. Dorthin begleiten wir sie und schauen uns alle Räume an. Dabei wechseln wir immer ein paar freundliche Worte mit den Angestellten.
Bis zum späten Nachmittag gibt es keine besonderen Vorkommnisse. Dann betritt ein Mann im Anzug und Aktenkoffer die Geschäftsräume, der durchaus ein Banker sein könnte. Die Rezeptionskraft bittet ihn, sich zu setzen und kurz zu warten bis die Chefin Zeit hat. Er gibt sich sehr nervös. Irgendwann, als er sich unbeobachtet fühlt, öffnet er seinen Aktenkoffer und lässt ein Gerät wie einen Saugroboter frei. Er schaltet ihn ein und lässt ihn laufen.
Kurz darauf meldet er sich bei der Rezeptionskraft und meint:
"Ich denke, ich komme morgen wieder. Ich habe noch weitere Termine."
Sie lächelt ihn freundlich an und antwortet:
"In Ordnung, dann bis Morgen!"
Ich stoppe das Gerät, das der Mann zurückgelassen hat und drehe es um. Unten blinkt eine rote LED. Nun nehme ich es hoch und laufe damit zu dem Personenschützer.
"Das hat ein Besucher zurückgelassen!" sage ich gehetzt und bin schon am Aufzug.
Noah ist zur Stelle. Ich sage schnell zu ihm:
"Bleib' du hier! Ich folge einem Verdächtigen!"
Mit einem Spezialschlüssel nutze ich den Expressaufzug, der mich sofort nach unten bringt. Dort sehe ich den Mann gerade das Gebäude verlassen. Draußen wird es allmählich dämmrig.
Ich beeile mich, hinter ihm her zu kommen. Er will gerade in einen Wagen einsteigen, der in der Nähe geparkt ist. Dabei erkennt er mich, schlägt die Wagentür wieder zu und überquert die Straße. Schräg gegenüber liegt eine Bar. Ich gebe eine Beschreibung des Fahrzeugs und das Kennzeichen mit meinem Handy an den Personenschützer weiter und betrete die Bar.
Kurz orientiere ich mich, dann gehe ich zum Tresen und bestelle ein Getränk. Während ich mein Glas hebe, spüre ich eine Waffe im Rücken. Ich wirbele herum und schlage sie dem Mann aus der Hand. Sofort weichen andere Gäste an der Bar zurück. Der Mann taumelt rückwärts und ich setze sofort nach. Bald liegt er am Boden und ich fessele seine Hände auf den Rücken.
Jetzt ziehe ich den Mann auf die Beine und schaue mich suchend nach der Waffe um, aber sie ist verschwunden. Dem Barmädchen zunickend, verlasse ich mit dem Mann die Bar, um ihn unserem Sicherheitspersonal zu übergeben. Vor dem Eingang der Bar peitscht ein Schuss.
Ich spüre einen Schlag an der Schulter. Mein Gefangener sackt zusammen. Ihn auf beiden Armen über die Straße tragend, erreiche ich bald Li Yong Tais Geschäftshaus und fahre mit dem Expressaufzug hoch. Mit einiger Mühe betrete ich den Raum, der zum provisorischen Kontrollzentrum umfunktioniert worden ist. Der Mann hinter dem Laptop macht große Augen.
"Haben Sie...?" beginnt er.
Ich schüttele den Kopf und erkläre ihm:
"Wie könnte ich, ohne Waffe? Ich wollte ihn zur Befragung zurückbringen. Draußen auf der Straße peitscht plötzlich ein Schuss, streift mich und trifft ihn. Zu viele Zeugen. - Darum konnte ich ihn nicht liegenlassen. Nun werden wir der Polizei einiges erklären müssen."
"Womit Sie Recht haben!" meint der Mann.
Ich bin nun erst einmal in Hamburg gebunden. Also müssen wir uns aufteilen, überlege ich. Darauf spreche ich Noah an, der hinzugekommen ist:
"Noah, die ehrenwerte Dame muss sofort aus der Schusslinie! Die Gegenseite ist nervös geworden. Begleite Du sie zu ihren Eltern nach Frankfurt. Nimm den gepanzerten Wagen!"
Der Personenschützer hat soeben die Polizei von dem Vorfall informiert und sagt:
"Mein Kollege wird den Wagen fahren!"
Ich nicke. Noah zieht mich einen Schritt weg. Er hat etwas auf dem Herzen. Wir verlassen den Raum und gehen in Richtung Li Yong Tais Büro.
"Sie hat mich gestern bei der Ankunft fast nicht wiedererkannt, Tsopo -Meister-. Ich habe in der Vergangenheit jeden Tag an sie gedacht, seit unserem Abschied auf Hawaii - und sie hat mich vollkommen vergessen! Vergangene Nacht habe ich sehr unruhig geschlafen."
Ich schaue Noah an und entgegne ihm, während ich meine Hand auf seine Schulter lege:
"Du konzentrierst dich auf das Negative, Noah! Du musst als zukünftiger Gelong -Mönch- auf deine Gedanken achten! Sie WAR erfreut, dich zu sehen!"
"Es gefällt mir nicht, darauf zu warten, dass ihr etwas geschieht!"
"So darfst du es nicht sehen! Wir nehmen Sie aus der Schusslinie, indem sie den Ort wechselt. An den weiteren Aktionen des Gegners sehen wir dann, ob die Angriffe ihr persönlich gelten, oder ihr als Managerin der Immobilienfirma. Was hat übrigens die Untersuchung des Roboters ergeben?"
"Er wurde unschädlich gemacht. Er hatte eine kleine Bombe eingebaut!"
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Einer Eingebung folgend, frage ich:
"Japanisches oder chinesisches Fabrikat?"
"Herstellungsort Hongkong," antwortet Noah mit ernstem Gesicht.
Wir haben Li Yong Tais Büro erreicht. Ich informiere die ehrenwerte Dame über meinen Entschluss. Der zweite Personenschützer ist inzwischen hinzugetreten und informiert Li Yong Tai über die Geschehnisse des heutigen Abends. Auch er ist der Meinung, dass sie Hamburg für ein paar Tage verlassen soll. Während Noah und der Personenschützer bei der Dame bleiben, gehe ich zum Kontrollzentrum zurück. Wir warten auf das Eintreffen der Polizeibeamten.
"Ich hoffe, mein Schüler wird nichts Unüberlegtes machen," sage ich, wie im Selbstgespräch.
"Mich beruhigt es, dass Sie hier sind! Ich halte mich zumeist im provisorischen Kontrollzentrum auf. Nach Mitternacht löst mich mein Kollege ab. In den Treppenhäusern, unten im Eingang und im Aufzug sind Kameras installiert und die Chefin trägt einen Sender am Körper, für den Fall, dass sie entführt wird. - Ich zeige Ihnen eben noch Ihre Zimmer!"
Er führt uns zu der Zimmerflucht für Gäste und öffnet zwei in asiatischem Stil eingerichtete Zimmer. Ich bedanke mich und wünsche eine 'Gute Nacht'.
Am folgenden Morgen essen wir mit der verehrten Dame Li Yong Tai. Ihre Köchin hat das Frühstück zubereitet. Wir begegnen uns herzlich, aber auch höflich zurückhaltend. Danach fährt sie eine Etage tiefer in ihre Geschäftsräume. Dorthin begleiten wir sie und schauen uns alle Räume an. Dabei wechseln wir immer ein paar freundliche Worte mit den Angestellten.
Bis zum späten Nachmittag gibt es keine besonderen Vorkommnisse. Dann betritt ein Mann im Anzug und Aktenkoffer die Geschäftsräume, der durchaus ein Banker sein könnte. Die Rezeptionskraft bittet ihn, sich zu setzen und kurz zu warten bis die Chefin Zeit hat. Er gibt sich sehr nervös. Irgendwann, als er sich unbeobachtet fühlt, öffnet er seinen Aktenkoffer und lässt ein Gerät wie einen Saugroboter frei. Er schaltet ihn ein und lässt ihn laufen.
Kurz darauf meldet er sich bei der Rezeptionskraft und meint:
"Ich denke, ich komme morgen wieder. Ich habe noch weitere Termine."
Sie lächelt ihn freundlich an und antwortet:
"In Ordnung, dann bis Morgen!"
Ich stoppe das Gerät, das der Mann zurückgelassen hat und drehe es um. Unten blinkt eine rote LED. Nun nehme ich es hoch und laufe damit zu dem Personenschützer.
"Das hat ein Besucher zurückgelassen!" sage ich gehetzt und bin schon am Aufzug.
Noah ist zur Stelle. Ich sage schnell zu ihm:
"Bleib' du hier! Ich folge einem Verdächtigen!"
Mit einem Spezialschlüssel nutze ich den Expressaufzug, der mich sofort nach unten bringt. Dort sehe ich den Mann gerade das Gebäude verlassen. Draußen wird es allmählich dämmrig.
Ich beeile mich, hinter ihm her zu kommen. Er will gerade in einen Wagen einsteigen, der in der Nähe geparkt ist. Dabei erkennt er mich, schlägt die Wagentür wieder zu und überquert die Straße. Schräg gegenüber liegt eine Bar. Ich gebe eine Beschreibung des Fahrzeugs und das Kennzeichen mit meinem Handy an den Personenschützer weiter und betrete die Bar.
Kurz orientiere ich mich, dann gehe ich zum Tresen und bestelle ein Getränk. Während ich mein Glas hebe, spüre ich eine Waffe im Rücken. Ich wirbele herum und schlage sie dem Mann aus der Hand. Sofort weichen andere Gäste an der Bar zurück. Der Mann taumelt rückwärts und ich setze sofort nach. Bald liegt er am Boden und ich fessele seine Hände auf den Rücken.
Jetzt ziehe ich den Mann auf die Beine und schaue mich suchend nach der Waffe um, aber sie ist verschwunden. Dem Barmädchen zunickend, verlasse ich mit dem Mann die Bar, um ihn unserem Sicherheitspersonal zu übergeben. Vor dem Eingang der Bar peitscht ein Schuss.
Ich spüre einen Schlag an der Schulter. Mein Gefangener sackt zusammen. Ihn auf beiden Armen über die Straße tragend, erreiche ich bald Li Yong Tais Geschäftshaus und fahre mit dem Expressaufzug hoch. Mit einiger Mühe betrete ich den Raum, der zum provisorischen Kontrollzentrum umfunktioniert worden ist. Der Mann hinter dem Laptop macht große Augen.
"Haben Sie...?" beginnt er.
Ich schüttele den Kopf und erkläre ihm:
"Wie könnte ich, ohne Waffe? Ich wollte ihn zur Befragung zurückbringen. Draußen auf der Straße peitscht plötzlich ein Schuss, streift mich und trifft ihn. Zu viele Zeugen. - Darum konnte ich ihn nicht liegenlassen. Nun werden wir der Polizei einiges erklären müssen."
"Womit Sie Recht haben!" meint der Mann.
Ich bin nun erst einmal in Hamburg gebunden. Also müssen wir uns aufteilen, überlege ich. Darauf spreche ich Noah an, der hinzugekommen ist:
"Noah, die ehrenwerte Dame muss sofort aus der Schusslinie! Die Gegenseite ist nervös geworden. Begleite Du sie zu ihren Eltern nach Frankfurt. Nimm den gepanzerten Wagen!"
Der Personenschützer hat soeben die Polizei von dem Vorfall informiert und sagt:
"Mein Kollege wird den Wagen fahren!"
Ich nicke. Noah zieht mich einen Schritt weg. Er hat etwas auf dem Herzen. Wir verlassen den Raum und gehen in Richtung Li Yong Tais Büro.
"Sie hat mich gestern bei der Ankunft fast nicht wiedererkannt, Tsopo -Meister-. Ich habe in der Vergangenheit jeden Tag an sie gedacht, seit unserem Abschied auf Hawaii - und sie hat mich vollkommen vergessen! Vergangene Nacht habe ich sehr unruhig geschlafen."
Ich schaue Noah an und entgegne ihm, während ich meine Hand auf seine Schulter lege:
"Du konzentrierst dich auf das Negative, Noah! Du musst als zukünftiger Gelong -Mönch- auf deine Gedanken achten! Sie WAR erfreut, dich zu sehen!"
"Es gefällt mir nicht, darauf zu warten, dass ihr etwas geschieht!"
"So darfst du es nicht sehen! Wir nehmen Sie aus der Schusslinie, indem sie den Ort wechselt. An den weiteren Aktionen des Gegners sehen wir dann, ob die Angriffe ihr persönlich gelten, oder ihr als Managerin der Immobilienfirma. Was hat übrigens die Untersuchung des Roboters ergeben?"
"Er wurde unschädlich gemacht. Er hatte eine kleine Bombe eingebaut!"
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Einer Eingebung folgend, frage ich:
"Japanisches oder chinesisches Fabrikat?"
"Herstellungsort Hongkong," antwortet Noah mit ernstem Gesicht.
Wir haben Li Yong Tais Büro erreicht. Ich informiere die ehrenwerte Dame über meinen Entschluss. Der zweite Personenschützer ist inzwischen hinzugetreten und informiert Li Yong Tai über die Geschehnisse des heutigen Abends. Auch er ist der Meinung, dass sie Hamburg für ein paar Tage verlassen soll. Während Noah und der Personenschützer bei der Dame bleiben, gehe ich zum Kontrollzentrum zurück. Wir warten auf das Eintreffen der Polizeibeamten.
"Ich hoffe, mein Schüler wird nichts Unüberlegtes machen," sage ich, wie im Selbstgespräch.
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