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Freitag, 29. April 2022
Kiron, der Sucher - 01
mariant, 11:33h
Als ein wandernder Guru in unser Dorf kommt, bin ich, Kiron -Lichtstrahl-, gerade 11 Jahre alt. Wir haben unser Spiel kurz unterbrochen und uns neugierig in seiner Nähe auf den Boden gesetzt. Padma, die Tochter des Patil -Dorfältesten- bringt ihm eine Schale Reis. Der Guru findet segensreiche Worte für sie. Er leert die Schale und Padma bringt sie zu ihrer Mutter zurück.
Nun wendet sich der heilige Mann uns Kindern zu. Er beginnt von einem Jungen zu erzählen, einem wie wir, der als Sohn reicher Eltern in einem schönen Haus aufgewachsen ist. Seine Mutter ist leider kurz nach seiner Geburt verstorben.
"Siddharta, so hat der Junge geheißen, kennt nur Luxus. Mit 16 Jahren musste er seine Cousine heiraten. Er kennt nur das Leben im Haus. Es einmal verlassen und draußen mit anderen Jungs spielen, hat er nie tun dürfen.
Sein Wunsch, das Leben draußen kennenzulernen, wird mit der Zeit stärker. So hat er sich heimlich fortgeschlichen und dabei lernt er zum ersten Mal in seinem Leben nackte Not kennen, einen krassen Gegensatz zu seinem Leben zuhause.
Er beobachtet, wie seine Mitmenschen leiden, weil sie arm, krank, einsam sind oder weil sie ein schlimmes Schicksal verkraften müssen.
Daneben sieht er aber auch gesunde und vom Schicksal verwöhnte, reiche Menschen, die unzufrieden oder neidisch auf andere sind. Menschen, die von Gier und Hass geplagt werden.
Als seine Frau ihm einen Sohn zur Welt bringt, verlässt er sein Elternhaus und ändert sein Leben. Er wandert umher auf der Suche nach Frieden und Erkenntnis. Zwischendurch hält er immer wieder inne und versinkt in seinen Gedanken. Dabei erkennt er irgendwann einen Weg, sich von allem Leid zu befreien.
Während seiner Wanderungen hat er ein bescheidenes Leben geführt, seinen Mitmenschen Mut gemacht und ihnen so Freude und Gutes beschert. Seinen Mitmenschen ist er mit Gelassenheit gegenübergetreten, ohne sie und ihr Handeln in irgendeiner Art zu bewerten. Darüber ist er zur wahren Erkenntnis aller Dinge gekommen. Das hat Siddharta zum Buddha -Erleuchteten- gemacht."
Während die anderen Kinder nach der Erzählung des Mannes aufstehen und ihr lärmendes Spiel wieder aufnehmen, bleibe ich nachdenklich sitzen. Ich bemerke gar nicht, dass mich einige meiner Spielkameraden anstoßen, um mich aufzufordern mit ihnen zu spielen.
"Siddharta hat all den Reichtum seiner Familie zurückgelassen? Was aus seiner Frau und seinem Sohn wird, hat ihn nicht gekümmert?" frage ich den Guru nach einer Weile.
"Ja," bestätigt der Mann und nickt mir freundlich lächelnd zu. "Ihn hat das Schicksal der Menschen interessiert und sich gefragt, wie sie ihr Leiden beenden können. Darüber hat er nachgedacht, wenn er sich auf seinen Wanderungen einmal niedergelassen hat."
"Er wollte also, dass die Menschen nicht mehr leiden," fasse ich seine Erzählung zusammen.
"Genau!" antwortet der Guru.
Nun sitze ich nachdenklich vor dem Guru auf dem Boden und denke nach. Eine ganze Weile später frage ich den Guru:
"Und du? Du ziehst umher und erzählst den Menschen die Geschichte. Was bezweckst du damit?"
"Ich habe mich als junger Mann, ungefähr in deinem Alter, auf die Wanderschaft begeben und bin dem Guru gefolgt, der damals in unser Dorf gekommen ist, wie ich heute zu euch. Ich wollte die gleichen Erfahrungen machen, wie Siddharta damals. Ich wollte über Meditationen mit der Zeit selber zum Erleuchteten werden."
"Und?" frage ich ihn. "Bist du es geworden?"
"Egal was du beginnst, mein Junge: es ist noch nie ein Meister aus den Wolken gefallen. Alles braucht seine Zeit! Geduld ist eine wichtige Eigenschaft, und natürlich Gelassenheit. Ein Guru muss den Leuten Gutes tun, ihnen Freude bereiten, bescheiden leben und seine Mittmenschen immer wieder seelisch aufrichten.
Siddharta Buddha ist 80 Jahre alt geworden, bis er starb und ins Nirwana einging."
"Du wanderst alleine durch die Landschaft. Kommst du mit zu meinen Eltern und sprichst mit ihnen? Dann kann ich dich begleiten und dein Shishy -Schüler- werden. Du kannst mich alles lehren, was du schon weißt!" biete ich ihm an.
Der Guru erhebt sich lächelnd aus dem Schneidersitz und lässt sich von mir zu meinem Elternhaus führen. Meine Mutter blickt im Hauptraum von der Kochstelle auf, als sich das Licht verdunkelt, das durch den Türrahmen hereinfällt. Sie erhebt sich vom Herd und nimmt die Teekanne vom Rand des Herdes. Nun gießt sie eine Teeschale halbvoll und reicht sie dem Gast mit einer Verbeugung.
Nun wendet sich der heilige Mann uns Kindern zu. Er beginnt von einem Jungen zu erzählen, einem wie wir, der als Sohn reicher Eltern in einem schönen Haus aufgewachsen ist. Seine Mutter ist leider kurz nach seiner Geburt verstorben.
"Siddharta, so hat der Junge geheißen, kennt nur Luxus. Mit 16 Jahren musste er seine Cousine heiraten. Er kennt nur das Leben im Haus. Es einmal verlassen und draußen mit anderen Jungs spielen, hat er nie tun dürfen.
Sein Wunsch, das Leben draußen kennenzulernen, wird mit der Zeit stärker. So hat er sich heimlich fortgeschlichen und dabei lernt er zum ersten Mal in seinem Leben nackte Not kennen, einen krassen Gegensatz zu seinem Leben zuhause.
Er beobachtet, wie seine Mitmenschen leiden, weil sie arm, krank, einsam sind oder weil sie ein schlimmes Schicksal verkraften müssen.
Daneben sieht er aber auch gesunde und vom Schicksal verwöhnte, reiche Menschen, die unzufrieden oder neidisch auf andere sind. Menschen, die von Gier und Hass geplagt werden.
Als seine Frau ihm einen Sohn zur Welt bringt, verlässt er sein Elternhaus und ändert sein Leben. Er wandert umher auf der Suche nach Frieden und Erkenntnis. Zwischendurch hält er immer wieder inne und versinkt in seinen Gedanken. Dabei erkennt er irgendwann einen Weg, sich von allem Leid zu befreien.
Während seiner Wanderungen hat er ein bescheidenes Leben geführt, seinen Mitmenschen Mut gemacht und ihnen so Freude und Gutes beschert. Seinen Mitmenschen ist er mit Gelassenheit gegenübergetreten, ohne sie und ihr Handeln in irgendeiner Art zu bewerten. Darüber ist er zur wahren Erkenntnis aller Dinge gekommen. Das hat Siddharta zum Buddha -Erleuchteten- gemacht."
Während die anderen Kinder nach der Erzählung des Mannes aufstehen und ihr lärmendes Spiel wieder aufnehmen, bleibe ich nachdenklich sitzen. Ich bemerke gar nicht, dass mich einige meiner Spielkameraden anstoßen, um mich aufzufordern mit ihnen zu spielen.
"Siddharta hat all den Reichtum seiner Familie zurückgelassen? Was aus seiner Frau und seinem Sohn wird, hat ihn nicht gekümmert?" frage ich den Guru nach einer Weile.
"Ja," bestätigt der Mann und nickt mir freundlich lächelnd zu. "Ihn hat das Schicksal der Menschen interessiert und sich gefragt, wie sie ihr Leiden beenden können. Darüber hat er nachgedacht, wenn er sich auf seinen Wanderungen einmal niedergelassen hat."
"Er wollte also, dass die Menschen nicht mehr leiden," fasse ich seine Erzählung zusammen.
"Genau!" antwortet der Guru.
Nun sitze ich nachdenklich vor dem Guru auf dem Boden und denke nach. Eine ganze Weile später frage ich den Guru:
"Und du? Du ziehst umher und erzählst den Menschen die Geschichte. Was bezweckst du damit?"
"Ich habe mich als junger Mann, ungefähr in deinem Alter, auf die Wanderschaft begeben und bin dem Guru gefolgt, der damals in unser Dorf gekommen ist, wie ich heute zu euch. Ich wollte die gleichen Erfahrungen machen, wie Siddharta damals. Ich wollte über Meditationen mit der Zeit selber zum Erleuchteten werden."
"Und?" frage ich ihn. "Bist du es geworden?"
"Egal was du beginnst, mein Junge: es ist noch nie ein Meister aus den Wolken gefallen. Alles braucht seine Zeit! Geduld ist eine wichtige Eigenschaft, und natürlich Gelassenheit. Ein Guru muss den Leuten Gutes tun, ihnen Freude bereiten, bescheiden leben und seine Mittmenschen immer wieder seelisch aufrichten.
Siddharta Buddha ist 80 Jahre alt geworden, bis er starb und ins Nirwana einging."
"Du wanderst alleine durch die Landschaft. Kommst du mit zu meinen Eltern und sprichst mit ihnen? Dann kann ich dich begleiten und dein Shishy -Schüler- werden. Du kannst mich alles lehren, was du schon weißt!" biete ich ihm an.
Der Guru erhebt sich lächelnd aus dem Schneidersitz und lässt sich von mir zu meinem Elternhaus führen. Meine Mutter blickt im Hauptraum von der Kochstelle auf, als sich das Licht verdunkelt, das durch den Türrahmen hereinfällt. Sie erhebt sich vom Herd und nimmt die Teekanne vom Rand des Herdes. Nun gießt sie eine Teeschale halbvoll und reicht sie dem Gast mit einer Verbeugung.
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Mittwoch, 27. April 2022
Lama Rinpoche -32
mariant, 11:55h
Thaye schaut seine Tante und mich jetzt unsicher an. Ich hocke mich neben ihn, um zu Thaye auf Augenhöhe zu sein und erkläre dem Jungen:
"Du wirst in den kommenden Jahren in der Schule in Weiterswiller noch einiges über die Nangwa -Manifestation, Wiedergeburt- lernen. Für jetzt nur so viel: Du hast schon als Kleinkind mehr Interesse für den Stoffdrachen gezeigt, als für jedes andere Spielzeug. Du hast ihn zuletzt Tante Anne geschenkt, damit er auf sie aufpasst, während ihr getrennt seid. - Der Stoffdrachen hatte ursprünglich einmal deinem Großvater gehört, dem ehrwürdigen Lama Kyobpa, als dieser noch ein kleiner Junge war und Noah Mann hieß. Dieser kleine Junge hatte eine Spielgefährtin, die Yong Tai hieß. Als die beiden sich trennen mussten, hat dein Großvater den Drachen Yong Tai als Erinnerung geschenkt. Später wurde dein Großvater mein Schüler und brauchte im Kloster natürlich auch eine Reisschale. Als er älter wurde, wurde er zuerst zum Gelong -Mönch- und später zum Lama geweiht. Seitdem durfte er auch einen eigenen Mönchshut tragen. Nun hast du spontan Schale und Hut deines Großvaters aus je vier Möglichkeiten gewählt. Daraus entnehmen wir, dass in dir mein ehemaliger Schüler Noah Mann und späterer Lama Kyobpa weiterlebt. Das ist insoweit bemerkenswert, da du von klein auf einen besonderen Draht zu Tante Anne hast. Tante Anne gilt als Nangwa von Yong Tai, der großen Liebe Noahs."
Ich rufe meinen Sekretär herbei und bitte ihn:
"Würdest du Thaye zu den anderen Kindern in den Innenhof bringen, mein Bruder? Und habe dort ein Auge auf ihn! Ich muss noch etwas mit der verehrten Schwester besprechen."
Während die Beiden den Raum verlassen, erhebe ich mich und wende mich Anne zu:
"Meine Schwester, nun weißt du, dass Lama Kyobpa nicht von dir lassen kann. Die Liebe ist das stärkste Gefühl im Universum! Was gedenkst du zu tun?"
Sie schaut mir direkt in die Augen. In ihr ist wohl ein Entschluss gereift.
"Darf ich um höchste Diskretion bitten?" bittet sie mich.
Ich nicke mit ernstem Gesicht und antworte:
"Natürlich, meine Tochter!"
"Daddy hat mich vor seinem Weggang in der tiefen Meditation unterrichtet. Würde ich den gleichen Weg wählen wie Daddy, müsste ich aber meine geliebte Schwester Andrea zurücklassen."
"Du willst wiedergeboren werden, um dann an der Seite Thayes die Foundation in dritter Generation zu leiten?" frage ich erstaunt.
Sie nickt mir fest entschlossen zu.
"Überlege dir dein Handeln gut, meine Tochter! Du könntest als Thayes Patentante ihn sein Leben lang stützen und seine Vertraute sein."
"Sobald Thaye heiratet bin ich an der dritten oder vierten Stelle seiner vertrauten Personen," gibt sie zu Bedenken.
"Die Yong Tai in dir möchte mit Noah in ihm alt werden! Egoismus ist eine schlechte Angewohnheit, meine Tochter!" erkläre ich ihr.
"Aber warum hat Daddy mich sonst in der tiefen Meditation unterwiesen vor seinem Weggang?" hält sie dagegen. "Er möchte es sicher auch!"
"Dann wähle Ort und Zeitpunkt gut, meine Tochter! Ich wünsche dir viel Glück! Erleben werde ich es wohl nicht mehr!"
Ich ziehe sie mit mir hinüber in meine Räume und nehme eine kleine goldene Karaffe vom Regal. Dann gieße ich ein paar Tropfen heiliges Wasser auf ihre Stirn.
"Ich segne dich, meine Tochter!" sage ich dazu.
Sie fällt ergriffen vor mir auf die Knie und küsst meine Hand.
"Nun wollen wir nach Thaye sehen," meine ich, helfe ihr auf und begleite sie hinunter in den Innenhof.
Wir verabschieden uns herzlich voneinander. Vielleicht ist dieses Treffen wirklich das letzte Mal, an dem wir uns noch lebend sehen. Wenn Thaye seine Schulabschlussfeier hat, wäre ich schon über 90.
"Du wirst in den kommenden Jahren in der Schule in Weiterswiller noch einiges über die Nangwa -Manifestation, Wiedergeburt- lernen. Für jetzt nur so viel: Du hast schon als Kleinkind mehr Interesse für den Stoffdrachen gezeigt, als für jedes andere Spielzeug. Du hast ihn zuletzt Tante Anne geschenkt, damit er auf sie aufpasst, während ihr getrennt seid. - Der Stoffdrachen hatte ursprünglich einmal deinem Großvater gehört, dem ehrwürdigen Lama Kyobpa, als dieser noch ein kleiner Junge war und Noah Mann hieß. Dieser kleine Junge hatte eine Spielgefährtin, die Yong Tai hieß. Als die beiden sich trennen mussten, hat dein Großvater den Drachen Yong Tai als Erinnerung geschenkt. Später wurde dein Großvater mein Schüler und brauchte im Kloster natürlich auch eine Reisschale. Als er älter wurde, wurde er zuerst zum Gelong -Mönch- und später zum Lama geweiht. Seitdem durfte er auch einen eigenen Mönchshut tragen. Nun hast du spontan Schale und Hut deines Großvaters aus je vier Möglichkeiten gewählt. Daraus entnehmen wir, dass in dir mein ehemaliger Schüler Noah Mann und späterer Lama Kyobpa weiterlebt. Das ist insoweit bemerkenswert, da du von klein auf einen besonderen Draht zu Tante Anne hast. Tante Anne gilt als Nangwa von Yong Tai, der großen Liebe Noahs."
Ich rufe meinen Sekretär herbei und bitte ihn:
"Würdest du Thaye zu den anderen Kindern in den Innenhof bringen, mein Bruder? Und habe dort ein Auge auf ihn! Ich muss noch etwas mit der verehrten Schwester besprechen."
Während die Beiden den Raum verlassen, erhebe ich mich und wende mich Anne zu:
"Meine Schwester, nun weißt du, dass Lama Kyobpa nicht von dir lassen kann. Die Liebe ist das stärkste Gefühl im Universum! Was gedenkst du zu tun?"
Sie schaut mir direkt in die Augen. In ihr ist wohl ein Entschluss gereift.
"Darf ich um höchste Diskretion bitten?" bittet sie mich.
Ich nicke mit ernstem Gesicht und antworte:
"Natürlich, meine Tochter!"
"Daddy hat mich vor seinem Weggang in der tiefen Meditation unterrichtet. Würde ich den gleichen Weg wählen wie Daddy, müsste ich aber meine geliebte Schwester Andrea zurücklassen."
"Du willst wiedergeboren werden, um dann an der Seite Thayes die Foundation in dritter Generation zu leiten?" frage ich erstaunt.
Sie nickt mir fest entschlossen zu.
"Überlege dir dein Handeln gut, meine Tochter! Du könntest als Thayes Patentante ihn sein Leben lang stützen und seine Vertraute sein."
"Sobald Thaye heiratet bin ich an der dritten oder vierten Stelle seiner vertrauten Personen," gibt sie zu Bedenken.
"Die Yong Tai in dir möchte mit Noah in ihm alt werden! Egoismus ist eine schlechte Angewohnheit, meine Tochter!" erkläre ich ihr.
"Aber warum hat Daddy mich sonst in der tiefen Meditation unterwiesen vor seinem Weggang?" hält sie dagegen. "Er möchte es sicher auch!"
"Dann wähle Ort und Zeitpunkt gut, meine Tochter! Ich wünsche dir viel Glück! Erleben werde ich es wohl nicht mehr!"
Ich ziehe sie mit mir hinüber in meine Räume und nehme eine kleine goldene Karaffe vom Regal. Dann gieße ich ein paar Tropfen heiliges Wasser auf ihre Stirn.
"Ich segne dich, meine Tochter!" sage ich dazu.
Sie fällt ergriffen vor mir auf die Knie und küsst meine Hand.
"Nun wollen wir nach Thaye sehen," meine ich, helfe ihr auf und begleite sie hinunter in den Innenhof.
Wir verabschieden uns herzlich voneinander. Vielleicht ist dieses Treffen wirklich das letzte Mal, an dem wir uns noch lebend sehen. Wenn Thaye seine Schulabschlussfeier hat, wäre ich schon über 90.
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Dienstag, 26. April 2022
Lama Rinpoche -31
mariant, 13:00h
"Wenn sich bei der Prüfung aber herausstellen sollte, dass Thaye doch nicht die Seele Noahs beherbergt... Würde das etwas an deinen Gefühlen zu dem Jungen ändern? Noah könnte doch auch hier in der Nähe des Klosters wiedergeboren sein..." rede ich weiter.
"Nein!" antwortet sie, vielleicht eine Spur zu heftig. "Thaye wird immer meine Liebe als Tante behalten, egal ob Daddy in ihm weiterlebt oder nicht!"
"Okay," entscheide ich nun. "Dann reise mit gutem Gewissen nach Hawaii zurück. Thaye ist in Weiterswiller in guten Händen! In den großen Ferien im nächsten Jahr kommst du ihn wieder besuchen und machst mit ihm eine 'Reise in das Land seines Großvaters, des großen Lamas Kyobpa'. Komm hierher, zeige ihm das Kloster. Bei dieser Gelegenheit werden wir ihn prüfen. Dazu musst du aber ein paar Gegenstände aus dem Besitz deines ehrenwerten Daddys mitbringen, von denen Thaye nichts wissen darf!"
Sie lächelt mich dankbar an und erhebt sich. Ich stehe ebenfalls auf. Nun nimmt sie meine Hand und haucht einen Kuss darauf, bevor sie die Wohnung rückwärtsgehend verlässt. Die Zwillinge dürften jetzt ungefähr schon 45 Jahre alt sein. In den darauffolgenden Sommerferien besucht mich Anne mit dem kleinen Thaye. Sie bringt Lama Kyobpas Mönchshut und seine Reisschale mit.
Bevor Anne zu mir kommt, öffnet sich die Tür meiner Wohnung. Ich bin gerade aus dem Thronsaal gekommen, wo ich mit den anderen Lamas gegessen habe. Mein Sekretär sieht den Eintretenden auch und will ihn hinausschicken. Ich trete hinzu und gehe in die Hocke. Dann lege ich ihm meinen Arm über die Schultern und frage ihn:
"Na, wer bist du denn?"
Der Junge schaut mich fasziniert an und antwortet:
"Ich heiße Khön Thaye."
"Oh," mache ich. "Dann bist du sicher nicht alleine gekommen! Magst du dich zu mir setzen?"
Ich führe ihn in meinen privaten Bereich und lasse mich im Schneidersitz nieder. Der Junge orientiert sich kurz und setzt sich dann zu mir übereck an den Tisch.
"Du bist 'Seine Heiligkeit'?" fragt er mich.
"Das stimmt zwar," meine ich lachend, "aber mich interessiert nicht, wie mich die Leute nennen. Lama Rinpoche kannst du mich auch nennen. Oder vielleicht sogar 'Dennis'! So bin ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr genannt worden."
Schmerzlich fällt mir beim nennen meines Vornamens der Weggang meiner ehrwürdigen Mutter ein. Die Gefühle der Einsamkeit wollen mich übermannen.
"Lama Rinpoche," spricht mich der Kleine an. "Dürfen Mönche heiraten?"
'Oh,' denke ich, und versuche mir eine kindgerechte Antwort zu basteln. Da geht die Tür meiner Wohnung wieder auf. Gelongma Anne tritt ein und verbeugt sich tief, bevor sie nähertritt. Nun wendet sie sich an Thaye:
"Hier bist du! Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Thaye! Du warst plötzlich verschwunden. Was hätte ich deinen Eltern sagen sollen, wenn dir ein Unglück geschehen wäre?"
Thaye erhebt sich, geht um den Tisch herum und umarmt seine Tante. Er antwortet ihr:
"Aber Tante Anne, hier bin ich im Haus meines Großvaters. Was soll mir hier schon passieren?"
Anne schüttele gequält lächelnd den Kopf, ob solcher Einfalt, die sicher seinem kindlichen Alter geschuldet ist. Ich frage sie:
"Sei gegrüßt, meine Tochter. Hast du die Gegenstände in deiner Tasche, von denen wir beim letzten Besuch gesprochen haben?"
Sie nickt und bestätigt es mir. Über den Tisch hinweg reicht sie mir eine Tasche. Neugierig öffne ich den Reisverschluss und schaue hinein. Danach erhebe ich mich und übergebe die Tasche meinem Sekretär. Ich erkläre ihm flüsternd den Versuchsaufbau. Danach nimmt er die Tasche und verlässt den Raum.
Ich nicke Anne lächelnd zu und sage, zu Thaye gewandt:
"Wir wollen warten, bis Gelong Manfred zurückkommt. Er wird uns dann in einen Raum führen, wo etwas Interessantes für dich zu sehen ist, Thaye!"
Als mein Sekretär zurückkommt und Anne lächelnd ihre Tasche zurückgibt, lassen wir uns von dem Gelong in einen Nebenraum führen. Ich lege Thaye meine Hand auf die Schulter und weise auf ein seitliches Regal, auf dem vier Mönchshüte nebeneinander aufgereiht sind. Dabei sage ich zu Thaye:
"Ich habe eine Aufgabe für dich, mein Junge. Siehst du dort die roten Hüte? Sage mir, welcher dir am besten gefällt."
Thaye runzelt die Stirn und geht näher heran. Er dreht sich alsbald zu uns um und meint:
"Aber sie sind doch alle gleich!"
Ich erkläre ihm nun lächelnd:
"Das stimmt, sie sehen alle gleich aus. Aber sie sind es nicht, mein Junge. Horche in dich hinein! Was sagt dir dein Gefühl?"
Thaye schaut noch einmal hin und wählt gefühlsmäßig den zweiten Hut von rechts. Er nimmt ihn vom Regal und übergibt ihn mir. Ich gebe ihn an Anne weiter und sie schaut hinein. Dann nickt sie mir zu. Nun führe ich Thaye zu einem anderen Regal.
"Schau, Thaye. Dort stehen vier alte Reisschalen. Sie gehörten einmal verdienten Chöje -Ehrentitel für hohe Lamas- dieses Klosters. Welcher davon sagt dir gefühlsmäßig am ehesten zu?"
Der Junge wählt ohne viel zu überlegen die Zweite von links und bringt sie mir. Auch diesmal gebe ich die Schale unbesehen an Anne weiter. Sie schaut auch die Schale genauer an und bestätigt mir:
"Sie ist es, Eure Heiligkeit!"
"Nein!" antwortet sie, vielleicht eine Spur zu heftig. "Thaye wird immer meine Liebe als Tante behalten, egal ob Daddy in ihm weiterlebt oder nicht!"
"Okay," entscheide ich nun. "Dann reise mit gutem Gewissen nach Hawaii zurück. Thaye ist in Weiterswiller in guten Händen! In den großen Ferien im nächsten Jahr kommst du ihn wieder besuchen und machst mit ihm eine 'Reise in das Land seines Großvaters, des großen Lamas Kyobpa'. Komm hierher, zeige ihm das Kloster. Bei dieser Gelegenheit werden wir ihn prüfen. Dazu musst du aber ein paar Gegenstände aus dem Besitz deines ehrenwerten Daddys mitbringen, von denen Thaye nichts wissen darf!"
Sie lächelt mich dankbar an und erhebt sich. Ich stehe ebenfalls auf. Nun nimmt sie meine Hand und haucht einen Kuss darauf, bevor sie die Wohnung rückwärtsgehend verlässt. Die Zwillinge dürften jetzt ungefähr schon 45 Jahre alt sein. In den darauffolgenden Sommerferien besucht mich Anne mit dem kleinen Thaye. Sie bringt Lama Kyobpas Mönchshut und seine Reisschale mit.
Bevor Anne zu mir kommt, öffnet sich die Tür meiner Wohnung. Ich bin gerade aus dem Thronsaal gekommen, wo ich mit den anderen Lamas gegessen habe. Mein Sekretär sieht den Eintretenden auch und will ihn hinausschicken. Ich trete hinzu und gehe in die Hocke. Dann lege ich ihm meinen Arm über die Schultern und frage ihn:
"Na, wer bist du denn?"
Der Junge schaut mich fasziniert an und antwortet:
"Ich heiße Khön Thaye."
"Oh," mache ich. "Dann bist du sicher nicht alleine gekommen! Magst du dich zu mir setzen?"
Ich führe ihn in meinen privaten Bereich und lasse mich im Schneidersitz nieder. Der Junge orientiert sich kurz und setzt sich dann zu mir übereck an den Tisch.
"Du bist 'Seine Heiligkeit'?" fragt er mich.
"Das stimmt zwar," meine ich lachend, "aber mich interessiert nicht, wie mich die Leute nennen. Lama Rinpoche kannst du mich auch nennen. Oder vielleicht sogar 'Dennis'! So bin ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr genannt worden."
Schmerzlich fällt mir beim nennen meines Vornamens der Weggang meiner ehrwürdigen Mutter ein. Die Gefühle der Einsamkeit wollen mich übermannen.
"Lama Rinpoche," spricht mich der Kleine an. "Dürfen Mönche heiraten?"
'Oh,' denke ich, und versuche mir eine kindgerechte Antwort zu basteln. Da geht die Tür meiner Wohnung wieder auf. Gelongma Anne tritt ein und verbeugt sich tief, bevor sie nähertritt. Nun wendet sie sich an Thaye:
"Hier bist du! Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Thaye! Du warst plötzlich verschwunden. Was hätte ich deinen Eltern sagen sollen, wenn dir ein Unglück geschehen wäre?"
Thaye erhebt sich, geht um den Tisch herum und umarmt seine Tante. Er antwortet ihr:
"Aber Tante Anne, hier bin ich im Haus meines Großvaters. Was soll mir hier schon passieren?"
Anne schüttele gequält lächelnd den Kopf, ob solcher Einfalt, die sicher seinem kindlichen Alter geschuldet ist. Ich frage sie:
"Sei gegrüßt, meine Tochter. Hast du die Gegenstände in deiner Tasche, von denen wir beim letzten Besuch gesprochen haben?"
Sie nickt und bestätigt es mir. Über den Tisch hinweg reicht sie mir eine Tasche. Neugierig öffne ich den Reisverschluss und schaue hinein. Danach erhebe ich mich und übergebe die Tasche meinem Sekretär. Ich erkläre ihm flüsternd den Versuchsaufbau. Danach nimmt er die Tasche und verlässt den Raum.
Ich nicke Anne lächelnd zu und sage, zu Thaye gewandt:
"Wir wollen warten, bis Gelong Manfred zurückkommt. Er wird uns dann in einen Raum führen, wo etwas Interessantes für dich zu sehen ist, Thaye!"
Als mein Sekretär zurückkommt und Anne lächelnd ihre Tasche zurückgibt, lassen wir uns von dem Gelong in einen Nebenraum führen. Ich lege Thaye meine Hand auf die Schulter und weise auf ein seitliches Regal, auf dem vier Mönchshüte nebeneinander aufgereiht sind. Dabei sage ich zu Thaye:
"Ich habe eine Aufgabe für dich, mein Junge. Siehst du dort die roten Hüte? Sage mir, welcher dir am besten gefällt."
Thaye runzelt die Stirn und geht näher heran. Er dreht sich alsbald zu uns um und meint:
"Aber sie sind doch alle gleich!"
Ich erkläre ihm nun lächelnd:
"Das stimmt, sie sehen alle gleich aus. Aber sie sind es nicht, mein Junge. Horche in dich hinein! Was sagt dir dein Gefühl?"
Thaye schaut noch einmal hin und wählt gefühlsmäßig den zweiten Hut von rechts. Er nimmt ihn vom Regal und übergibt ihn mir. Ich gebe ihn an Anne weiter und sie schaut hinein. Dann nickt sie mir zu. Nun führe ich Thaye zu einem anderen Regal.
"Schau, Thaye. Dort stehen vier alte Reisschalen. Sie gehörten einmal verdienten Chöje -Ehrentitel für hohe Lamas- dieses Klosters. Welcher davon sagt dir gefühlsmäßig am ehesten zu?"
Der Junge wählt ohne viel zu überlegen die Zweite von links und bringt sie mir. Auch diesmal gebe ich die Schale unbesehen an Anne weiter. Sie schaut auch die Schale genauer an und bestätigt mir:
"Sie ist es, Eure Heiligkeit!"
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