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Sonntag, 5. Juni 2022
Eine neue Hoffnung -02
mariant, 12:12h
"Das ist 'Hammer'! Schau mal, Emma!" entfährt es mir und ich rüttele meine Freundin wach.
Sie schaut mich mit kleinen Augen an und riskiert dann auch einen Blick aus dem Fenster. Ihre mürrische Stimmung ist wie weggeblasen.
"Sheesh!" lässt sie sich vernehmen.
Wir hängen mit den Blicken an den Berggipfeln bis die Maschine landet und wir aufstehen müssen. Nun warten wir noch einmal etwa zwei Stunden bis jeder seinen Koffer hat. Anschließend gehen wir langsam auf den Ausgang zu. Frau Müller schaut sich suchend um. Endlich hat sie den einheimischen Kontaktmann gefunden, der auch unser Guide sein wird.
Er führt uns nach draußen auf den Parkplatz. Viele Motorradrikschas kurven hier herum und suchen nach Fahrgästen. Der Mann führt uns zu einem bunt bemalten Bus. Wir sollen unsere Koffer abgeben und der Guide wuchtet sie zusammen mit dem Busfahrer auf das Dach des Busses. Dort gibt es auf voller Länge einen Gepäckträger. Zum Abschluss wird darüber ein Netz gespannt. Nun dürfen wir einsteigen. Bevor wir abfahren, hält neben uns ein Motorrad mit gasbefeuertem Ofen vor der Lenkstange. Der Mann verkauft warme Speisen für umgerechnet wenige Cent. Dann kurvt der Bus vom Parkplatz herunter.
Angesichts der Bilder vor den Busfenstern beginnt Frau Müller einen kleinen Vortrag. Wir sollen ja nicht denken, dass wir hier Urlaub machen. Sie erklärt:
"Kathmandu hat gut 1 Million Einwohner und liegt in einem breiten Tal. Wie ihr sehen könnt, hier ist alles staubig - und bunt! Elektrokabel hängen wie Spinnweben zwischen den Häusern, die weder Frischwasser- noch Abwasserleitungen haben. Wer es sich leisten kann, lässt sich einmal im Monat den Haustank mit Frischwasser per Lastwagen füllen.
Trinkbares Wasser wird in Plastikflaschen verkauft.
2015 hat es in Kathmandu ein schweres Erdbeben gegeben, dessen Zerstörungskraft man heute noch sehen kann. Das Land erholt sich nur sehr langsam davon.
An jeder Ecke wird etwas verkauft oder steht ein Tempel für einen der vielen buddhistischen oder hinduistischen Götter. Nur wenige Völker der Welt feiern so viele Feste wie die Nepalesen."
Dann haben wir die Stadt mit ihrem Gehupe auf den Straßen verlassen. Unser Ziel ist der Chitwan Nationalpark. Fast sieben Stunden soll die Fahrt von Katmandu dorthin dauern, erklärt unser Guide.
Sehr schnell ändert sich schon nach wenigen Kilometern die Landschaft. Eben sind wir noch im Herzen der quirligen Großstadt beinahe im Schritt vorwärtsgekommen. Neben der Straße fließt nun ein malerischer Bach einher, der aber schnell zu einem reißenden Strom wird. Wie der Guide erklärt, handelt es sich dabei um den River Trishuli.
Das Gelände, durch das die Straße dem Fluss folgt, wird immer grüner und hügeliger. Kleine Bananenplantagen säumen die Hänge und Reisfelder liegen in Terrassen daran. Die Sonne spiegelt sich in dem Wasser auf den Feldern. Kleine Dörfer und Hütten säumen das Ufer des Flusses, der hier und da von Hängebrücken überspannt wird.
Auf unserem Weg nach Süden, die Hänge des Himalaya hinunter, fährt der Bus durch Serpentinen. Einige Straßenabschnitte haben auf der einen Seite himmelhohe Felswände und auf der anderen Seite steile Abgründe. Andere Straßenabschnitte sind eng und ungesichert. Der Bus fährt sehr langsam, so dass ich allmählich ein sicheres Gefühl bekomme. Das Vertrauen in das Können des Fahrers wächst.
Immer wieder begegnen uns bunte Lkw mit Gardinen hinter den Scheiben, an denen alle Handbreit eine Bommel baumelt. Wenn sie an uns vorbeifahren, von Indien kommend oder dorthin fahrend, sind oft nur wenige Zentimeter Platz, aber die Fahrer sind das gewohnt und meistern solche Situationen gekonnt.
Je weiter südlich wir kommen, desto grüner wird die Landschaft und desto höher wachsen die Pflanzen. Es fühlt sich mehr und mehr nach Dschungel an. Auch das Thermometer klettert über 30 Grad. Die Luftfeuchtigkeit steigt in Bereiche, in denen nichts mehr trocken bleibt.
Gegen Abend haben wir endlich unser Ziel erreicht. Der Bus hält in einem Dorf der Tharu. Wir steigen aus und recken unsere Glieder. Der Fahrer und der Guide kümmern sich um das Abladen des Gepäcks. Ich nehme meinen Koffer in Empfang. Dann kommt auch schon eine Frau in einem bestickten Sari aus einem Haus auf unsere Reisegruppe zu. Wir werden zu Zweit auf die Gastfamilien aufgeteilt und zu ihnen hingeführt. Dort gibt es ein schüchternes "Hello".
Die Familien haben strohgedeckte Hütten neben die ihren errichtet mit angeschlossenem Badezimmer. Diese Bezeichnung mag auf Europäer vielleicht hochtrabend wirken, denn fließendes Wasser findet man hier in keiner Hütte. Ansonsten gibt es bequeme Betten, Moskitonetze und Deckenventilatoren. Die Toiletten sind Plumpsklos an der Hüttenwand.
Bald werden wir in die Hütten zu den Familien eingeladen und setzen uns im Kreis auf den Boden. Ich sehe, dass die Menschen den Schneidersitz bevorzugen und setze mich genauso hin. Dann erhält jeder eine Schale mit Reis, Hähnchenfleisch und einer scharfen Soße. Aufschauend erkenne ich, dass die Leute mit den Fingern Reisbällchen formen und sie dann in ihren Mund befördern.
Mit der Zeit werden meine Finger klebrig davon, aber nach der Mahlzeit erhält jeder eine Schale Wasser und ein Gästetuch. Danach wird hier geschlafen. Die Abenddämmerung hat auch schon eingesetzt und das Geräusch des Dschungels ändert sich allmählich. Wir gehen in unsere Hütte und lassen das Moskitonetz herunter. Bald bin ich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wecken mich die lauten Geräusche des erwachten Dschungels. Lange sträube ich mich dagegen, aber irgendwann öffne ich doch die Augen. Wir kleiden uns an, nachdem eine junge Frau zur Tür unserer Hütte hereingeschaut hat. Sie hat irgendetwas auf Nepali gesagt, oder ist es Hindi gewesen? Hier im Grenzgebiet bin ich mir nicht sicher. Dabei hat sie die gefalteten Hände zum Kinn gehoben und mit dem Kopf lächelnd genickt.
Sie schaut mich mit kleinen Augen an und riskiert dann auch einen Blick aus dem Fenster. Ihre mürrische Stimmung ist wie weggeblasen.
"Sheesh!" lässt sie sich vernehmen.
Wir hängen mit den Blicken an den Berggipfeln bis die Maschine landet und wir aufstehen müssen. Nun warten wir noch einmal etwa zwei Stunden bis jeder seinen Koffer hat. Anschließend gehen wir langsam auf den Ausgang zu. Frau Müller schaut sich suchend um. Endlich hat sie den einheimischen Kontaktmann gefunden, der auch unser Guide sein wird.
Er führt uns nach draußen auf den Parkplatz. Viele Motorradrikschas kurven hier herum und suchen nach Fahrgästen. Der Mann führt uns zu einem bunt bemalten Bus. Wir sollen unsere Koffer abgeben und der Guide wuchtet sie zusammen mit dem Busfahrer auf das Dach des Busses. Dort gibt es auf voller Länge einen Gepäckträger. Zum Abschluss wird darüber ein Netz gespannt. Nun dürfen wir einsteigen. Bevor wir abfahren, hält neben uns ein Motorrad mit gasbefeuertem Ofen vor der Lenkstange. Der Mann verkauft warme Speisen für umgerechnet wenige Cent. Dann kurvt der Bus vom Parkplatz herunter.
Angesichts der Bilder vor den Busfenstern beginnt Frau Müller einen kleinen Vortrag. Wir sollen ja nicht denken, dass wir hier Urlaub machen. Sie erklärt:
"Kathmandu hat gut 1 Million Einwohner und liegt in einem breiten Tal. Wie ihr sehen könnt, hier ist alles staubig - und bunt! Elektrokabel hängen wie Spinnweben zwischen den Häusern, die weder Frischwasser- noch Abwasserleitungen haben. Wer es sich leisten kann, lässt sich einmal im Monat den Haustank mit Frischwasser per Lastwagen füllen.
Trinkbares Wasser wird in Plastikflaschen verkauft.
2015 hat es in Kathmandu ein schweres Erdbeben gegeben, dessen Zerstörungskraft man heute noch sehen kann. Das Land erholt sich nur sehr langsam davon.
An jeder Ecke wird etwas verkauft oder steht ein Tempel für einen der vielen buddhistischen oder hinduistischen Götter. Nur wenige Völker der Welt feiern so viele Feste wie die Nepalesen."
Dann haben wir die Stadt mit ihrem Gehupe auf den Straßen verlassen. Unser Ziel ist der Chitwan Nationalpark. Fast sieben Stunden soll die Fahrt von Katmandu dorthin dauern, erklärt unser Guide.
Sehr schnell ändert sich schon nach wenigen Kilometern die Landschaft. Eben sind wir noch im Herzen der quirligen Großstadt beinahe im Schritt vorwärtsgekommen. Neben der Straße fließt nun ein malerischer Bach einher, der aber schnell zu einem reißenden Strom wird. Wie der Guide erklärt, handelt es sich dabei um den River Trishuli.
Das Gelände, durch das die Straße dem Fluss folgt, wird immer grüner und hügeliger. Kleine Bananenplantagen säumen die Hänge und Reisfelder liegen in Terrassen daran. Die Sonne spiegelt sich in dem Wasser auf den Feldern. Kleine Dörfer und Hütten säumen das Ufer des Flusses, der hier und da von Hängebrücken überspannt wird.
Auf unserem Weg nach Süden, die Hänge des Himalaya hinunter, fährt der Bus durch Serpentinen. Einige Straßenabschnitte haben auf der einen Seite himmelhohe Felswände und auf der anderen Seite steile Abgründe. Andere Straßenabschnitte sind eng und ungesichert. Der Bus fährt sehr langsam, so dass ich allmählich ein sicheres Gefühl bekomme. Das Vertrauen in das Können des Fahrers wächst.
Immer wieder begegnen uns bunte Lkw mit Gardinen hinter den Scheiben, an denen alle Handbreit eine Bommel baumelt. Wenn sie an uns vorbeifahren, von Indien kommend oder dorthin fahrend, sind oft nur wenige Zentimeter Platz, aber die Fahrer sind das gewohnt und meistern solche Situationen gekonnt.
Je weiter südlich wir kommen, desto grüner wird die Landschaft und desto höher wachsen die Pflanzen. Es fühlt sich mehr und mehr nach Dschungel an. Auch das Thermometer klettert über 30 Grad. Die Luftfeuchtigkeit steigt in Bereiche, in denen nichts mehr trocken bleibt.
Gegen Abend haben wir endlich unser Ziel erreicht. Der Bus hält in einem Dorf der Tharu. Wir steigen aus und recken unsere Glieder. Der Fahrer und der Guide kümmern sich um das Abladen des Gepäcks. Ich nehme meinen Koffer in Empfang. Dann kommt auch schon eine Frau in einem bestickten Sari aus einem Haus auf unsere Reisegruppe zu. Wir werden zu Zweit auf die Gastfamilien aufgeteilt und zu ihnen hingeführt. Dort gibt es ein schüchternes "Hello".
Die Familien haben strohgedeckte Hütten neben die ihren errichtet mit angeschlossenem Badezimmer. Diese Bezeichnung mag auf Europäer vielleicht hochtrabend wirken, denn fließendes Wasser findet man hier in keiner Hütte. Ansonsten gibt es bequeme Betten, Moskitonetze und Deckenventilatoren. Die Toiletten sind Plumpsklos an der Hüttenwand.
Bald werden wir in die Hütten zu den Familien eingeladen und setzen uns im Kreis auf den Boden. Ich sehe, dass die Menschen den Schneidersitz bevorzugen und setze mich genauso hin. Dann erhält jeder eine Schale mit Reis, Hähnchenfleisch und einer scharfen Soße. Aufschauend erkenne ich, dass die Leute mit den Fingern Reisbällchen formen und sie dann in ihren Mund befördern.
Mit der Zeit werden meine Finger klebrig davon, aber nach der Mahlzeit erhält jeder eine Schale Wasser und ein Gästetuch. Danach wird hier geschlafen. Die Abenddämmerung hat auch schon eingesetzt und das Geräusch des Dschungels ändert sich allmählich. Wir gehen in unsere Hütte und lassen das Moskitonetz herunter. Bald bin ich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wecken mich die lauten Geräusche des erwachten Dschungels. Lange sträube ich mich dagegen, aber irgendwann öffne ich doch die Augen. Wir kleiden uns an, nachdem eine junge Frau zur Tür unserer Hütte hereingeschaut hat. Sie hat irgendetwas auf Nepali gesagt, oder ist es Hindi gewesen? Hier im Grenzgebiet bin ich mir nicht sicher. Dabei hat sie die gefalteten Hände zum Kinn gehoben und mit dem Kopf lächelnd genickt.
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Samstag, 4. Juni 2022
Eine neue Hoffnung -01
mariant, 12:01h
Unsere Lehrerin in Gesellschaftslehre, Frau Müller, betritt unseren Klassenraum. In dem Moment, in dem sie uns grüßt, ersterben alle Privatgespräche und unsere Aufmerksamkeit richtet sich nach vorne. Frau Müller ist eine beliebte Lehrerin, denn sie schafft es, jeden von uns in ihrem Stoff mitzunehmen. Wir grüßen sie im Chor zurück und sind neugierig, was sie heute mit uns vorhat.
Frau Müller legt ein Buch auf ihr Lehrerpult und wendet ihre Aufmerksamkeit der Klasse zu. Sie fragt:
"Wer von euch weiß, was der Begriff 'indigenes Volk' aussagt?"
Mehrere von uns melden sich. Frau Müller überblickt die Klasse und spricht nun einen von uns persönlich an:
"Herr Dibke, was verbinden Sie mit dem Begriff?"
"Ein indigenes Volk ist ein Volk, das in einer Landschaft schon ansässig ist, als ein anderes Volk dort einwandert," antwortet er und schaut sie zuversichtlich an.
Unsere Lehrerin nickt lächelnd. Sie fragt jetzt:
"Wer kann mir Beispiele indigener Völker nennen?"
Wieder melden sich mehrere Schüler und Schülerinnen. Sie fragt die ihr am nächsten sitzende Schülerin:
"Frau Schmichke, was fällt Ihnen dazu ein?"
"Die Indianer in Nord- und Südamerika."
"Stimmt!" bestätigt unsere Lehrerin. "Wer weiß noch ein anderes Volk?"
"Die Germanen zur Zeit der Römer!" wirft ein Schüler dazwischen.
Frau Müller lächelt und windet sich:
"Joah, das kann man mit Einschränkung gelten lassen. Kennt jemand noch weitere indigene Völker, vielleicht auf anderen Kontinenten?"
Sie schaut in ratlose Gesichter und zählt noch einige auf:
"Da wären die Khoi im Süden Afrikas, die Tuareg in der Sahara und dem Sahel. Auf dem japanischen Archipel haben wir die Ainu. In Nordeuropa sind es die Saami. Im Inneren Asiens gibt es sicher noch einige. Eins davon lebt in Nordindien und in Nepal. Es sind die Tharu. Was wisst ihr über die Tharu?"
Kein Finger hebt sich. Die Klasse schaut ihre Lehrerin erwartungsvoll an. Frau Müller lässt eine Gedankenpause zu, bevor sie weiterredet.
"Vor etwa fünf- bis sechstausend Jahren sollen sich indogermanische Stämme aus Zentralasien vorzugsweise nach Westen und Süden verbreitet haben. Sie haben damals auch den indischen Subkontinent besiedelt, obwohl das Land nicht leer war. Die ansässige Bevölkerung wurde entweder assimiliert oder in Randgebiete gedrängt.
So mussten die Vorfahren der Tharu nach Norden in den Dschungel am Fuß des Himalaya ausweichen. Der Name 'Tharu' bedeutet übersetzt daher 'Waldmensch'. Sie haben eine eigene Kultur entwickelt.
Ein Aspekt davon, die Kamaiya oder 'Schuldknechtschaft' ist erst 2002 per Gesetz abgeschafft. Aber wie viele dort immer noch in Sklaverei leben, weiß niemand. Vielen der befreiten Menschen wurde Land zugewiesen, dass sich dann nicht als landwirtschaftlich nutzbar erwies. So kam es, dass viele Bauern ihre Kinder aus wirtschaftlicher Not verkauft haben, um selber genug zu essen zu haben, und gleichzeitig ihre Kinder in den Haushalten der reichen Grundbesitzer versorgt zu wissen.
Diese Praxis wurde 2013 zwar offiziell verboten, aber trotzdem haben Hilfsorganisationen alle Hände voll zu tun."
Frau Müller baut nun einen Beamer auf und lässt uns den Film einer Hilforganisation sehen. Diese Organisation ist, wie viele andere, auf Spenden angewiesen. Es wird gezeigt, wie eine Delegation der Organisation ein neu errichtetes Schulwohnheim besucht. Der Sprecher im Hintergrund erklärt, dass inzwischen 12.000 Kamlahari -schwer arbeitende Frau- aus der Leibeigenschaft befreit werden konnten. Ausbildungsstipendien für fast 200 Mädchen konnten aufgebracht werden. Eine junge Frau hat mit den Spendengeldern studieren können und kämpft heute als Rechtsanwältin Seite an Seite mit der Hilfsorganisation gegen die Sklaverei.
Drüber vergeht die Schulstunde wie im Flug. Ich habe nicht gewusst, dass es im 21. Jahrhundert immer noch Sklaverei gibt! Ich, das heißt, mein Name ist Leni Mrachartz. Mein Vater ist im Bankenbereich tätig. Er prüft die Kreditwürdigkeit der Antragsteller. Zuhause habe ich eine unbeschwerte Kindheit verbringen dürfen und bin nun in der neunten Klasse des Gymnasiums unserer Heimatstadt.
*
Nun sitze ich, Leni Mrachartz, mit sieben Mitschülern im Flugzeug. Zweidrittel unserer Klasse haben sich entschieden, lieber einen Betrag ihrer Wahl an die Hilfsorganisation zu spenden, als eine Woche ihrer Ferien zu opfern und Land und Leute kennen zu lernen. Wir mussten mehrere Impfungen über uns ergehen lassen, unter anderem auch gegen Malaria, bevor wir fliegen durften. Frau Müller hat von jedem Mitreisenden über 600 Euro eingesammelt, von denen über 200 Euro an die Gastfamilie geht. So unterstützen wir die Menschen dort auch direkt.
Der Flug ab Berlin nach Katmandu soll 12 Stunden und 35 Minuten dauern. Es ist gleichzeitig auch mein erster Flug. Ungefähr zwei Stunden haben die Formalitäten vor dem Start gedauert, dann dürfen wir das Flugzeug entern. Wir suchen unsere Sitzplätze und machen es uns bequem. Dann ertönt ein Gong und ich spüre eine Vibration. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich, dass wir uns rasend schnell fortbewegen. Dann werde ich in den Sitz gepresst und die Maschine steigt in einem irren Winkel in den Himmel. Nach einigen Minuten kippt das Flugzeug in die horizontale Lage zurück und wir dürfen den Gurt wieder lösen.
Die Flugbegleiter gehen herum und fragen jeden, ob er ein Imbiss haben möchte. Dabei lassen sie ihren Blick schweifen. Ich bestelle nur eine Kleinigkeit, denn ich habe vor, während des Großteils des Fluges zu schlafen. Bald darauf bin ich auch eingeschlummert.
Als ich wach werde, haben wir den Himalaya erreicht. Wir haben 9:40 Ortszeit und sollen in einer halben Stunde etwa in Katmandu landen. Mein erster Blick geht aus dem Kabinenfenster. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist einfach überwältigend! Wir fliegen über den Wolken. Viele Berggipfel in weiß und grau durchstoßen die Wolkendecke und erscheinen mir zum Greifen nah.
Frau Müller legt ein Buch auf ihr Lehrerpult und wendet ihre Aufmerksamkeit der Klasse zu. Sie fragt:
"Wer von euch weiß, was der Begriff 'indigenes Volk' aussagt?"
Mehrere von uns melden sich. Frau Müller überblickt die Klasse und spricht nun einen von uns persönlich an:
"Herr Dibke, was verbinden Sie mit dem Begriff?"
"Ein indigenes Volk ist ein Volk, das in einer Landschaft schon ansässig ist, als ein anderes Volk dort einwandert," antwortet er und schaut sie zuversichtlich an.
Unsere Lehrerin nickt lächelnd. Sie fragt jetzt:
"Wer kann mir Beispiele indigener Völker nennen?"
Wieder melden sich mehrere Schüler und Schülerinnen. Sie fragt die ihr am nächsten sitzende Schülerin:
"Frau Schmichke, was fällt Ihnen dazu ein?"
"Die Indianer in Nord- und Südamerika."
"Stimmt!" bestätigt unsere Lehrerin. "Wer weiß noch ein anderes Volk?"
"Die Germanen zur Zeit der Römer!" wirft ein Schüler dazwischen.
Frau Müller lächelt und windet sich:
"Joah, das kann man mit Einschränkung gelten lassen. Kennt jemand noch weitere indigene Völker, vielleicht auf anderen Kontinenten?"
Sie schaut in ratlose Gesichter und zählt noch einige auf:
"Da wären die Khoi im Süden Afrikas, die Tuareg in der Sahara und dem Sahel. Auf dem japanischen Archipel haben wir die Ainu. In Nordeuropa sind es die Saami. Im Inneren Asiens gibt es sicher noch einige. Eins davon lebt in Nordindien und in Nepal. Es sind die Tharu. Was wisst ihr über die Tharu?"
Kein Finger hebt sich. Die Klasse schaut ihre Lehrerin erwartungsvoll an. Frau Müller lässt eine Gedankenpause zu, bevor sie weiterredet.
"Vor etwa fünf- bis sechstausend Jahren sollen sich indogermanische Stämme aus Zentralasien vorzugsweise nach Westen und Süden verbreitet haben. Sie haben damals auch den indischen Subkontinent besiedelt, obwohl das Land nicht leer war. Die ansässige Bevölkerung wurde entweder assimiliert oder in Randgebiete gedrängt.
So mussten die Vorfahren der Tharu nach Norden in den Dschungel am Fuß des Himalaya ausweichen. Der Name 'Tharu' bedeutet übersetzt daher 'Waldmensch'. Sie haben eine eigene Kultur entwickelt.
Ein Aspekt davon, die Kamaiya oder 'Schuldknechtschaft' ist erst 2002 per Gesetz abgeschafft. Aber wie viele dort immer noch in Sklaverei leben, weiß niemand. Vielen der befreiten Menschen wurde Land zugewiesen, dass sich dann nicht als landwirtschaftlich nutzbar erwies. So kam es, dass viele Bauern ihre Kinder aus wirtschaftlicher Not verkauft haben, um selber genug zu essen zu haben, und gleichzeitig ihre Kinder in den Haushalten der reichen Grundbesitzer versorgt zu wissen.
Diese Praxis wurde 2013 zwar offiziell verboten, aber trotzdem haben Hilfsorganisationen alle Hände voll zu tun."
Frau Müller baut nun einen Beamer auf und lässt uns den Film einer Hilforganisation sehen. Diese Organisation ist, wie viele andere, auf Spenden angewiesen. Es wird gezeigt, wie eine Delegation der Organisation ein neu errichtetes Schulwohnheim besucht. Der Sprecher im Hintergrund erklärt, dass inzwischen 12.000 Kamlahari -schwer arbeitende Frau- aus der Leibeigenschaft befreit werden konnten. Ausbildungsstipendien für fast 200 Mädchen konnten aufgebracht werden. Eine junge Frau hat mit den Spendengeldern studieren können und kämpft heute als Rechtsanwältin Seite an Seite mit der Hilfsorganisation gegen die Sklaverei.
Drüber vergeht die Schulstunde wie im Flug. Ich habe nicht gewusst, dass es im 21. Jahrhundert immer noch Sklaverei gibt! Ich, das heißt, mein Name ist Leni Mrachartz. Mein Vater ist im Bankenbereich tätig. Er prüft die Kreditwürdigkeit der Antragsteller. Zuhause habe ich eine unbeschwerte Kindheit verbringen dürfen und bin nun in der neunten Klasse des Gymnasiums unserer Heimatstadt.
*
Nun sitze ich, Leni Mrachartz, mit sieben Mitschülern im Flugzeug. Zweidrittel unserer Klasse haben sich entschieden, lieber einen Betrag ihrer Wahl an die Hilfsorganisation zu spenden, als eine Woche ihrer Ferien zu opfern und Land und Leute kennen zu lernen. Wir mussten mehrere Impfungen über uns ergehen lassen, unter anderem auch gegen Malaria, bevor wir fliegen durften. Frau Müller hat von jedem Mitreisenden über 600 Euro eingesammelt, von denen über 200 Euro an die Gastfamilie geht. So unterstützen wir die Menschen dort auch direkt.
Der Flug ab Berlin nach Katmandu soll 12 Stunden und 35 Minuten dauern. Es ist gleichzeitig auch mein erster Flug. Ungefähr zwei Stunden haben die Formalitäten vor dem Start gedauert, dann dürfen wir das Flugzeug entern. Wir suchen unsere Sitzplätze und machen es uns bequem. Dann ertönt ein Gong und ich spüre eine Vibration. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich, dass wir uns rasend schnell fortbewegen. Dann werde ich in den Sitz gepresst und die Maschine steigt in einem irren Winkel in den Himmel. Nach einigen Minuten kippt das Flugzeug in die horizontale Lage zurück und wir dürfen den Gurt wieder lösen.
Die Flugbegleiter gehen herum und fragen jeden, ob er ein Imbiss haben möchte. Dabei lassen sie ihren Blick schweifen. Ich bestelle nur eine Kleinigkeit, denn ich habe vor, während des Großteils des Fluges zu schlafen. Bald darauf bin ich auch eingeschlummert.
Als ich wach werde, haben wir den Himalaya erreicht. Wir haben 9:40 Ortszeit und sollen in einer halben Stunde etwa in Katmandu landen. Mein erster Blick geht aus dem Kabinenfenster. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist einfach überwältigend! Wir fliegen über den Wolken. Viele Berggipfel in weiß und grau durchstoßen die Wolkendecke und erscheinen mir zum Greifen nah.
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Freitag, 3. Juni 2022
Kiron, der Sucher - 20
mariant, 12:02h
Inzwischen sind sieben Jahre vergangen. Wir haben wieder begonnen durch das Land zu wandern, nachdem wir festgestellt haben, dass in der Hauptstadt kein Kind neuneinhalb Monde nach dem Tod des schwarzen Mönchs bei der Schlacht in der Nähe unseres Ashrams geboren worden ist.
Wir wollen unbedingt die Punarjanm -Wiedergeburt- des schwarzen Saadhu finden, der Prana-sensitiv an der Schlacht teilgenommen hat. Ihn im Sinne Buddhas zu erziehen, wäre unser Traum, damit die Irrlehre keine Anhänger mehr findet, oder auch, damit die Urheber der Irrlehre in ihrem zweiten Leben geläutert werden.
Wir legen den gefundenen Kindern die persönlichen Gegenstände des schwarzen Saadhu -Mönchs- vor und beobachten ihre Reaktion. Oder wir lassen sie aus mehreren gleich aussehenden Gegenständen auswählen und schauen, was sie spontan wählen.
Bisher haben wir kein Glück. Keines der gefundenen Kinder, die das richtige Geburtsdatum haben, zeigt die Reaktion, die wir brauchen, um sicher zu sein. Wir fragen die Eltern dann, ob sie ihren Sohn wieder in ihr Dorf zurücknehmen wollen, oder ob sie sich vorstellen können, dass er ein Mönch würde. Ein großer Teil der Leute lässt eine Spende da und verlässt uns wieder mit ihrem Sohn. Sie brauchen ihren Jungen zuhause als Arbeitskraft auf den Feldern.
Einige wenige lassen ihre Jungs im Tempel von uns Saadhu -Mönchen- unterrichten. Sie haben damit das Beste für ihr Kind im Sinn, denn die Bildung, die ihr Sohn bei uns bekommt, erhält er in ihrem Heimatdorf nicht.
Eines Tages wird mir wieder ein Junge zugeführt. Ein Saadhu bringt seine Eltern mit ihrem Sohn in meine Klause und hält sich im Hintergrund bereit. Ich lächele die Familie an, hebe die gefalteten Hände an mein Kinn und begrüße den Besuch. Dann frage ich den Jungen:
"Wie heißt du, mein Sohn?"
"Tejas, Paramapaavan -deine Heiligkeit."
"Namastee, Tejas -Hallo, Leuchten-. Ich möchte dir etwas Besonderes zeigen. Magst du mich begleiten?"
Der Mönch, der die Familie zu mir geführt hat, ist kurz vorher durch die Tür geschlüpft. Nun steht er an einer anderen Tür, die bisher verschlossen gewesen ist. Als wir uns nähern, öffnet er sie und verbeugt sich mit einem Lächeln.
Wir betreten den Raum. Ich zünde eine Öllampe an und reiche sie dem Mönch, damit er das Regal an der Wand ausleuchtet. Dann frage ich den Jungen:
"Du siehst im Regal verschiedene Gegenstände in mehrfacher Ausführung ausgestellt, Tejas. Sage mir, welche Kesa dir besser gefällt."
Der Junge schaut hin und wendet sich danach wieder mir zu.
"Aber das sind vier gleiche Kesa -Mönchsgewänder-!"
Ich lächele und korrigiere:
"Die Kesa sehen gleich aus, aber sie sind tatsächlich unterschiedlich. Geh' ruhig näher heran und fasse sie auch gern einmal an, mein Junge!"
Tejas ist neugierig geworden. Er tritt näher an das Regal heran und befühlt die Stoffe. Schließlich deutet er auf eine der schwarzen Kesa. Der Saadhu nimmt sie aus dem Regal und bringt sie mir. Ich schaue auf das versteckte Zeichen und nicke.
Der Junge schaut mich aufmerksam an. Nun deute ich auf die vier Reisschalen, die nebeneinander in einem weiteren Regal stehen. Ich sage lächelnd zu dem Jungen:
"Schau! Dort neben den Kesa stehen vier Reisschalen. Gefällt dir eine davon auch mehr als die Anderen?"
Tejas geht noch einmal zum Regal. Er nimmt eine Schale nach der Anderen in die Hand und dreht sie herum. Er schaut sich auch ihre Unterseite an und riecht sogar daran. Dann stellt er sie zurück und untersucht die nächste Schale. Als er alle vier Schalen eingehend unter die Lupe genommen hat deutet er auf die Dritte in der Reihe.
"Diese mag ich!" entscheidet er.
Der Saadhu nimmt die Schale aus dem Regal und bringt sie mir. Im Gegenzug nimmt er mir die Kesa ab und faltet sie sorgfältig, um sie wieder ins Regal zurückzulegen. Währenddessen schaue ich nach dem versteckten Zeichen auf der Reisschale. Treffer Nummer Zwei! Nun sage ich zu ihm:
"An der Seite des Regals hängen vier Rassee -Kordeln-, mit denen sich ein Mönch gürten kann. Magst du auch eine der Kordeln lieber, als die Anderen, Tejas?"
Er nähert sich nun der Seite des Regals und nimmt eine Schnur nach der anderen in die Hand. Schließlich reicht er dem Saadhu -Mönch- eine der Schnüre. Ich erhalte auch sie zur Prüfung und gebe sie danach dem Mönch zurück.
"Kuna -Gut-," sage ich und mache Anstalten, den Raum zu verlassen.
"Kommt mit in meine Wohnung," fordere ich die Familie auf, während der Mönch den Raum wieder verschließt.
In meiner Klause lasse ich mich auf dem Boden im Schneidersitz nieder. Tejas und sein Vater machen es genauso, während die Mutter sich neben ihre Füße setzt. Der Saadhu ist wieder bei uns und serviert allen eine Schale Tee.
"Könnte ich dich dazu bewegen, deinen Sohn in unserer Klosterschule unterrichten zu lassen, ehrenwerter Herr?" frage ich den Vater.
Nun entwickelt sich ein kurzes Palaver. An dessen Ende lasse ich Tejas von dem Saadhu -Mönch- in seine Jahrgangsklasse bringen, nachdem er sich von seinen Eltern verabschiedet hat. Danach verabschiede ich die Eltern mit Segenswünschen ebenfalls.
Beim Abendessen im Speisesaal berichte ich meinen Mitbrüdern, dass wir die gesuchte Punarjanm -Wiedergeburt- des feindlichen Klostervorstehers gefunden haben. Ich lege ihnen Tejas ans Herz, damit sie gut auf den Jungen achten.
Wir wollen unbedingt die Punarjanm -Wiedergeburt- des schwarzen Saadhu finden, der Prana-sensitiv an der Schlacht teilgenommen hat. Ihn im Sinne Buddhas zu erziehen, wäre unser Traum, damit die Irrlehre keine Anhänger mehr findet, oder auch, damit die Urheber der Irrlehre in ihrem zweiten Leben geläutert werden.
Wir legen den gefundenen Kindern die persönlichen Gegenstände des schwarzen Saadhu -Mönchs- vor und beobachten ihre Reaktion. Oder wir lassen sie aus mehreren gleich aussehenden Gegenständen auswählen und schauen, was sie spontan wählen.
Bisher haben wir kein Glück. Keines der gefundenen Kinder, die das richtige Geburtsdatum haben, zeigt die Reaktion, die wir brauchen, um sicher zu sein. Wir fragen die Eltern dann, ob sie ihren Sohn wieder in ihr Dorf zurücknehmen wollen, oder ob sie sich vorstellen können, dass er ein Mönch würde. Ein großer Teil der Leute lässt eine Spende da und verlässt uns wieder mit ihrem Sohn. Sie brauchen ihren Jungen zuhause als Arbeitskraft auf den Feldern.
Einige wenige lassen ihre Jungs im Tempel von uns Saadhu -Mönchen- unterrichten. Sie haben damit das Beste für ihr Kind im Sinn, denn die Bildung, die ihr Sohn bei uns bekommt, erhält er in ihrem Heimatdorf nicht.
Eines Tages wird mir wieder ein Junge zugeführt. Ein Saadhu bringt seine Eltern mit ihrem Sohn in meine Klause und hält sich im Hintergrund bereit. Ich lächele die Familie an, hebe die gefalteten Hände an mein Kinn und begrüße den Besuch. Dann frage ich den Jungen:
"Wie heißt du, mein Sohn?"
"Tejas, Paramapaavan -deine Heiligkeit."
"Namastee, Tejas -Hallo, Leuchten-. Ich möchte dir etwas Besonderes zeigen. Magst du mich begleiten?"
Der Mönch, der die Familie zu mir geführt hat, ist kurz vorher durch die Tür geschlüpft. Nun steht er an einer anderen Tür, die bisher verschlossen gewesen ist. Als wir uns nähern, öffnet er sie und verbeugt sich mit einem Lächeln.
Wir betreten den Raum. Ich zünde eine Öllampe an und reiche sie dem Mönch, damit er das Regal an der Wand ausleuchtet. Dann frage ich den Jungen:
"Du siehst im Regal verschiedene Gegenstände in mehrfacher Ausführung ausgestellt, Tejas. Sage mir, welche Kesa dir besser gefällt."
Der Junge schaut hin und wendet sich danach wieder mir zu.
"Aber das sind vier gleiche Kesa -Mönchsgewänder-!"
Ich lächele und korrigiere:
"Die Kesa sehen gleich aus, aber sie sind tatsächlich unterschiedlich. Geh' ruhig näher heran und fasse sie auch gern einmal an, mein Junge!"
Tejas ist neugierig geworden. Er tritt näher an das Regal heran und befühlt die Stoffe. Schließlich deutet er auf eine der schwarzen Kesa. Der Saadhu nimmt sie aus dem Regal und bringt sie mir. Ich schaue auf das versteckte Zeichen und nicke.
Der Junge schaut mich aufmerksam an. Nun deute ich auf die vier Reisschalen, die nebeneinander in einem weiteren Regal stehen. Ich sage lächelnd zu dem Jungen:
"Schau! Dort neben den Kesa stehen vier Reisschalen. Gefällt dir eine davon auch mehr als die Anderen?"
Tejas geht noch einmal zum Regal. Er nimmt eine Schale nach der Anderen in die Hand und dreht sie herum. Er schaut sich auch ihre Unterseite an und riecht sogar daran. Dann stellt er sie zurück und untersucht die nächste Schale. Als er alle vier Schalen eingehend unter die Lupe genommen hat deutet er auf die Dritte in der Reihe.
"Diese mag ich!" entscheidet er.
Der Saadhu nimmt die Schale aus dem Regal und bringt sie mir. Im Gegenzug nimmt er mir die Kesa ab und faltet sie sorgfältig, um sie wieder ins Regal zurückzulegen. Währenddessen schaue ich nach dem versteckten Zeichen auf der Reisschale. Treffer Nummer Zwei! Nun sage ich zu ihm:
"An der Seite des Regals hängen vier Rassee -Kordeln-, mit denen sich ein Mönch gürten kann. Magst du auch eine der Kordeln lieber, als die Anderen, Tejas?"
Er nähert sich nun der Seite des Regals und nimmt eine Schnur nach der anderen in die Hand. Schließlich reicht er dem Saadhu -Mönch- eine der Schnüre. Ich erhalte auch sie zur Prüfung und gebe sie danach dem Mönch zurück.
"Kuna -Gut-," sage ich und mache Anstalten, den Raum zu verlassen.
"Kommt mit in meine Wohnung," fordere ich die Familie auf, während der Mönch den Raum wieder verschließt.
In meiner Klause lasse ich mich auf dem Boden im Schneidersitz nieder. Tejas und sein Vater machen es genauso, während die Mutter sich neben ihre Füße setzt. Der Saadhu ist wieder bei uns und serviert allen eine Schale Tee.
"Könnte ich dich dazu bewegen, deinen Sohn in unserer Klosterschule unterrichten zu lassen, ehrenwerter Herr?" frage ich den Vater.
Nun entwickelt sich ein kurzes Palaver. An dessen Ende lasse ich Tejas von dem Saadhu -Mönch- in seine Jahrgangsklasse bringen, nachdem er sich von seinen Eltern verabschiedet hat. Danach verabschiede ich die Eltern mit Segenswünschen ebenfalls.
Beim Abendessen im Speisesaal berichte ich meinen Mitbrüdern, dass wir die gesuchte Punarjanm -Wiedergeburt- des feindlichen Klostervorstehers gefunden haben. Ich lege ihnen Tejas ans Herz, damit sie gut auf den Jungen achten.
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