Sonntag, 17. Juli 2022
Aufbruch ins All -14
Die Kellnerin geht derweil zu anderen Gästen. Als es 'Ping' macht, ist sie geschwind am Tresen zurück und übernimmt ein Tablett. Sie bringt es zu mir und serviert mir meine Bestellung. Ich quittiere das mit einem Lächeln und sage:

"Vielen herzlichen Dank! Das gläserne Geschirr hat übrigens eine schlichte Schönheit. Die marsianischen Manufakturen sind wahre Künstler!"

Sie lächelt und schaut mich dabei etwas irritiert an. Ein Gast von einem Nachbartisch erlöst sie, indem er sie zu sich ruft.

Als die Bedienung Minuten später an mir vorbeikommt, auf dem Weg zum Tresen, halte ich sie kurz auf:

"Entschuldigung!"

Sie schaut zu mir und ich frage:
"Gibt es in Olympia eine Stelle, wo man Glaskunst bewundern kann?"

Sie lächelt und meint:
"Aber ja! Der Berufsverband der Kunstglaser unterhält eine bedeutende Ausstellung in der Stadt."

"Vielen Dank!" sage ich, um sie nicht weiter aufzuhalten.

Eine halbe Stunde später habe ich mein Menü aufgegessen. Ich bestelle noch ein Getränk aus dem Aufguss gerösteter Samen und schaue mir über mein Tablet im Internet die Glaskunst-Ausstellung an. Ich habe Glück, dass in diesem Restaurant an jedem Tisch ein Internet-Anschluss existiert. Auf dem Mars ist alles verkabelt. Funk ist in den Lavaröhren problematisch.

Irgendwann kommt die Bedienung an den Tisch. Sie meint:

"Wir nehmen für heute die letzte Bestellung auf. Möchten Sie noch etwas bestellen?"

Die Uhr auf dem Display meines Tablets bestätigt, dass wir schon eine fortgeschrittene Zeit haben. Ich schalte das Tablet aus und wende mich an die wartende Bedienung:

"Nein, danke sehr. Könnte ich bitte die Rechnung haben?"

Sie blättert in ihrem Block und händigt mir den Zettel mit meinen Bestellungen aus. Während ich mich erhebe, geht die Bedienung schnellen Schrittes zur Kasse neben dem Ausgang. Kurz nach ihr erreiche ich sie. Sie fragt, mit Blick auf den Zettel:

"Ist alles in Ordnung?"

Dabei hält sie mir die Hand hin. Ich gebe ihr den Zettel zurück und sie tippt die Artikelnummern in die Kasse, die daraufhin den Gesamtpreis ausspuckt. Meine Karte zückend, zahle ich den Betrag und bedanke mich noch einmal:

"Vielen Dank für das leckere Essen! Darf ich Sie etwas fragen?"

Sie schaut mich jetzt fragend an und antwortet:
"Gerne."

"Sie haben mir vorhin den wertvollen Tipp mit der Ausstellung für Glaskunst gegeben! Dafür habe ich mich noch gar nicht richtig bedankt. Würden Sie mich bitte in die Ausstellung begleiten, wenn sie in den nächsten Tagen Zeit haben? Sie würden mir eine große Freude bereiten!"

*

Ich habe Glück, dass Madikwe die komplette Woche frei hat, nach meinem Besuch des Gründungsmuseums in Olympia. Es ist ihr Ausgleich für den jeweils dreiwöchigen durchgehenden Dienst auch an Sonntagen.

Wir fahren getrennt zu der Ausstellung für Glaskunst, und als ich dort eintreffe, sitzt sie schon wartend im Foyer. Ich zahle meinen Eintritt und erhalte dafür ein Ticket. Dann lasse ich mich von Madikwe durch die Ausstellungsräume führen.

Der Gebäudeblock beherbergt im nichtöffentlichen Teil die Büros des Berufsverbandes der Kunstglaser. Neben dem Ausstellungsbereich dürfen wir auch Künstlerwerkstätten betreten und den Meistern über die Schultern schauen. Ich kann Skulpturen und Vasen in ihrem Entstehungsprozess beobachten. So wird auch die Herstellung von wunderschönen Schalen gezeigt.

Auf dem Weg von Raum zu Raum fragt Madikwe mich über meine Vergangenheit aus. Das verstehe ich sehr gut, denn wann trifft ein Marsianer heutzutage auf einen Erdling. Bereitwillig gebe ich ihr über mich Auskunft.

Anscheinend haben wir nach einiger Zeit alles gesehen, denn Madikwe steuert das Ausstellungsrestaurant an. Auch hier werden wir am Eingang angesprochen und zu einem freien Tisch geführt. Wir bestellen und Madikwe schaut mich aufmerksam an.

"Was verleitet einen Mann von der Erde, der sich auf dem Mars niederlassen will, eine junge Frau anzusprechen, ob sie für ihn den Fremdenführer macht?" fragt sie mit einem feinen Lächeln.

"Ich bin der Meinung, dass man im täglichen Leben immer einmal jemand kennenlernen kann. Man muss nur die Augen offenhalten und respektvoll vorgehen. Geht es der jungen Dame nicht ähnlich, hat sie die Möglichkeit jederzeit Nein zu sagen. Dieses Nein muss man als Mann unbedingt respektieren.
Zeigt die junge Dame dagegen Interesse wäre es wunderbar, wenn man etwas über ihre Vorlieben erführe. Man könnte sie dann zu den Orten begleiten und gemeinsame Freizeit verbringen. Vielleicht entdeckt die junge Dame Sympathien und es entwickelt sich eine Freundschaft. Sollte mit der Zeit eine Sehnsucht nach dem Anderen hinzukommen, wäre in einer unbestimmten Zukunft vielleicht eine Ehe ins Auge zu fassen..."

Bei den letzten Sätzen zwinkere ich ihr zu. Sie geht darauf ein und meint:

"Bei einem solchen Fahrplan sollte der Mann der Frau aber wirklich großen Respekt entgegenbringen. Er sollte sich als Beschützer erweisen und unmerklich die Führung übernehmen. Die marsianische Frau ist willensstark und kann sich im Alltag durchsetzen. Sie ist diejenige, die die Führung an DEN Mann abgibt, den sie mag, wenn SIE den Zeitpunkt für gekommen hält.
Heiratet sie ihn, ordnet sie sich ihm unter und ist subtil verführerisch. Aber erst dann! Eine Vereinigung vor der Ehe ist gesellschaftlich nicht erwünscht. Ja, sogar intime körperliche Berührungen sind unerwünscht. Sie haben sicher von der großen Pandemie vor Jahrhunderten gehört."

"Meine liebe Madikwe," sage ich und lächele glücklich. Ich schaue ihr in die Augen und ergänze: "Deinen Fahrplan in ein Leben zu zweit werde ich genauso respektieren, wie dich als Person. Ich kann dir nur zeigen, wie sehr ich dich respektiere und ehre, indem wir unsere Freizeit gemeinsam verbringen, so oft es unsere Arbeit zulässt. Damit erhältst du jede Menge Gelegenheiten, meine Gesinnung zu prüfen. Ebenso erkennst du so wie ich dich führen und beschützen würde, wenn das in ernsthaften Situationen nötig würde.
Was das Epidemologische angeht: Natürlich habe ich die erste Zeit auf dem Mars unter Quarantäne verbracht und mir wurden Impfungen verabreicht."

"Das sehe ich genauso, Tim" pflichtet sie mir bei.

Was sie mir über die marsianische Frau im Allgemeinen gesagt hat, kann ich tatsächlich auf die Mitarbeiterinnen im Amt übertragen. Sie sind willens- und durchsetzungsstark. Dass das nicht bedeutet, dass der marsianische Mann sich der Frau unterordnet, hat mir Madikwe nun 'im Vertrauen' mitgeteilt.

Man kann auch herauslesen, dass es auf dem Mars keine wirkliche Gleichberechtigung gibt. Die marsianische Frau kennt die 'Selbstverwirklichung' nicht. Sie tut alles für ihren Vater, ihren Chef, ihre Firma, ihren Mann. Darin findet sie ihre Erfüllung. Der 'Türöffner' ist wie überall Respekt! Klar, gilt das nicht für jeden Marsianer, genauso wie man die Menschen auf der Erde nicht 'über einen Kamm scheren' kann.

Im Verlauf unseres Gespräches stelle ich fest, dass Madikwe vielseitig interessiert ist. Sie mag Ausstellungen und Museen, genauso wie quirlige Sportevents. Die komplette Woche hat Madikwe noch frei. Sicher wird sie Freunde haben und hat mit ihrer Clique einiges vor an ihren freien Abenden. Dennoch frage ich an, ob ich sie wiedersehen und mit ihr einen Club besuchen darf. Madikwe lächelt mich über den Bildschirm des Tablets an und sagt zu, auch wenn sie den Termin um einen Tag verschiebt, weil sie am vorgeschlagenen Termin schon besetzt ist.

Als es schließlich ans Nachhausefahren geht, darf ich sie bis zu ihrem Wohnblock begleiten. Ich nutze dieselbe Cab, um von dort zu mir heim zu kommen. Als wir bei ihr ankommen, bleiben wir noch einen Moment sitzen. Sie gibt mir ihre Nummer, über die sowohl Videotelefonie, als auch Textnachrichten-Übertragung möglich ist - wenn das Gerät am Internetkabel hängt.

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Freitag, 15. Juli 2022
Aufbruch ins All -13
Sie will sich aufsetzen. Eine Pflegekraft fährt das Kopfteil des Bettes ein wenig hoch. Der Mann beugt sich über die alte Frau und greift ihre Hand, die sie ihm entgegenstreckt, um sie sanft zu drücken. Dann sagt die Pflegekraft, er müsse jetzt den Raum verlassen, um sie nicht zu sehr anzustrengen.
Nachdem der Vorhang wieder zugezogen worden ist und die Titelmusik gespielt wird, stehen die Leute von ihren Plätzen auf und verlassen allmählich das Theater. Auch ich reihe mich in den Strom der Leute ein. Ich bin sehr nachdenklich geworden.?

*

Interessant und spaßig ist es, zu sehen wie man damals gelebt hat! Daher sind die ersten Arbeiter fast ausschließlich US-Amerikaner gewesen. Eine ganze Infrastruktur wurde für sie auf dem Mars geschaffen. Unter den hellhäutigen Amerikanern hat es bald vermehrt Fälle von Krebs gegeben, bedingt durch die harte Sonnenstrahlung, die ungehindert die Marsoberfläche bombardiert. Die dunkelhäutigen Amerikaner sind hier klar im Vorteil gewesen. Also hat man bald im Äquatorgürtel rund um den Erdball dunkelhäutige Menschen gesucht, um den amerikanischen Wissenschaftlern und Ingenieuren zuzuarbeiten und die Infrastruktur der Wohnstätten aufrecht zu erhalten.

Scouts aus den Reihen der südafrikanischen Khoisan und der australischen Aborigines haben die Oberfläche des Planeten auf der Suche nach weiteren Lagerstätten von wertvollen Mineralien mit speziellen Mars-Rovern bereist, die eine ummantelte Kabine erhalten haben, und zu ihrer Unterstützung wurden Quadrokopter eingesetzt. Die Oberfläche des Mars hat nach Quadratkilometern etwa die Größe Eurasiens, um sich ein Bild machen zu können.

Bis etwa um das Jahr 2150 haben sich die Leute in verschiedenen Berufsverbänden organisiert, die sich um die bei ihnen organisierten Beschäftigten gekümmert und deren Interessen gegenüber der Corporation vertreten haben. All dies wird wunderbar in den verschiedenen 'Kojen' dargestellt.

Neben den Berufsverbänden wurden später auch Vereine gegründet, um die Freizeit der Menschen zu organisieren. Muss die Arbeit rund um die Uhr aufrechterhalten werden, weil Unterbrechungen teurer werden würden, hat man das in vier Sechsstundenschichten geteilt. Doch bei den Handwerkern und Verkäufern hat es sich herausgebildet, dass sie den Betrieb an zweimal je sechs Stunden offen haben. Genauso hat man auch die Öffnungszeit des Museums eingerichtet.

Ich persönlich habe als Büromensch auch nach sechs Arbeitsstunden frei. Ich übergebe dann an meinen Kollegen der Spätschicht und die Nacht über sind die Büros geschlossen, wie auch sämtliche Freizeitangebote.

Bald haben sich die Berufsverbände zusammengeschlossen, um in verbandsübergreifenden Tagungen allgemeingültige Beschlüsse für ihre Mitglieder zu fassen. Das wiederum hat die Vereine veranlasst, sich zu Verbänden zusammenzuschließen, um ihren Mitgliedern ebenfalls eine Stimme auf den Tagungen zu geben.

Mit der Zeit hat man auf diesen Tagungen ein für alle Marsianer gültiges Regelwerk geschaffen. Auf den Tagungen hat man Räte auf Zeit gewählt, die über dieses Regelwerk wachen und Urteile aussprechen können. Dieser ersten Verfassung ist eine ganze 'Koje' gewidmet.

Am Ende des 22. Jahrhunderts hat man die Tagungen in der Hauptstadt Olympia in einer Lavaröhre des Olympus Mons permanent als Ständeparlament eingerichtet. Man hat sich einen Parlamentssprecher gegeben, sowie eine Regierung aus Ressort-Ministern und einem Premierminister auf Zeit gewählt. Der Premierminister hat sich damals wiederum gegenüber der Mars Ressource Corporation verantworten müssen.
Im Jahr 2214 ist es dann zu einem marsweiten Generalstreik gekommen. Im Ergebnis dieses Volksaufstandes hat sich die irdische Firma aus der direkten Einflussnahme zurückgezogen und ihr Verhältnis über Verträge mit der Regierung des Mars geregelt.

Ein weiterer Erfolg des Volksaufstandes ist es gewesen, dass ein Petitionsamt eingerichtet worden ist. Hierhin können alle Einwohner des Mars Eingaben stellen, denen dann nachgegangen wird. An der Spitze des Petitionsamtes hat man einen Mann gestellt, der vom Volk direkt gewählt wird, ganz im Gegensatz zu den Parlamentariern. Dieser Mann hat den Titel des Präsidenten des Mars erhalten. Er kann die Petitionen bündeln und daraus Volksbegehren schneidern, die er den Marsianern zur Abstimmung vorlegt. Mit den Ergebnissen dieser Volksbegehren kann er Politik machen, indem er sie dem Parlament zur Abstimmung vorlegt. Das Parlament kann nun den Inhalt der Volksbegehren leicht abändern, aber seine Substanz nicht verändern.

Mitte des 23. Jahrhunderts hat der Mars nun die Verträge mit der Mars Ressource Corporation insoweit gekündigt, dass die Ressourcen des Mars als Eigentum der Marsianer angesehen werden und die Corporation für den Abbau zahlen muss. Der Mars hat sich abgeschottet.

Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ist die Bevölkerung des Mars immer wieder durch Auswanderer von der Erde aufgefrischt worden. Das hat mehrere Gründe gehabt: Einmal wurden hellhäutige Menschen, die an Krebs gestorben sind, durch Dunkelhäutige ersetzt. Aber es sind auch Menschen an einer unbekannten Virusinfektion gestorben. Oftmals ist es sogar zu multiplen Virusinfektionen gekommen.

Laut der Wissenschaftler hat es sich dabei um Krankheitserreger gehandelt, die seit Jahrmillionen auf dem Mars existieren. Da die Menschen in den Lavaröhren in irdischem Atmosphärendruck und ohne Raumanzüge leben, hat es nun die verschiedensten Infektionswege für die marsianischen Krankheitserreger gegeben. Die Wissenschaftler haben unter Hochdruck an Impfstoffen gearbeitet. Trotzdem wurde die Bevölkerung des Mars um die Hälfte reduziert.

Die Überlebenden und nun immunisierten Menschen kann man seitdem als echte Marsianer bezeichnen. Würde einer von ihnen auf der Erde landen, müsste er einen Raumanzug tragen, weil er die irdischen Mikroben nicht vertragen würde - und er bräuchte ein Außenskelett aus Metall, wegen der dreifach höheren Schwerkraft auf der Erde.

Mitte des 23. Jahrhunderts hat man auch eine Kalenderreform eingeführt. Seitdem gilt nicht mehr der Erdumlauf als Zählung, sondern der Marsumlauf. Die Woche hat sieben Tage behalten. So dauert ein Marsjahr 98 Wochen und einen Tag. Das Jahr bekommt zwanzig 'Monate' von 34 bis 35 Tagen Länge. Das Jahr der Kalenderreform, 2250, heißt nun 1196 seit Christi Geburt.

*

Als ich die Koje zur Kalenderreform erreicht habe, schaue ich zufällig auf meine Armband-Uhr. Ich bin überrascht, dass ich nun schon vier Stunden durch die Gänge gewandert bin. Zum Glück brauche ich heute nicht arbeiten. Es ist Sonntag. So habe ich noch drei Stunden, bis das Museum schließt. Die Faltkarte macht mich auf ein Restaurant aufmerksam.

Nach den trockenen Vorträgen in vielen 'Kojen' spüre ich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Also folge ich der Wegbeschreibung und betrete eine Viertelstunde später das Restaurant. Am Eingang spricht mich eine Mitarbeiterin an. Auch sie trägt die silbergraue Kleidung der Museumsangestellten. Sie heißt mich willkommen und fragt, wieviel Personen zu bewirten wären.

"Vielen Dank," erwidere ich. "Ich bin alleine und möchte mich nach dem Besuch dieses sehr informativen Museums bei Speise und Trank etwas ausruhen."

Die junge Frau nickt lächelnd und weist in den Raum:
"Bitte, folgen Sie mir."

An einem kleinen freien Tisch angekommen, bietet sie mir an:

"Bitte, setzen Sie sich hier."

Sie überreicht mir eine Speisekarte und begibt sich zum Eingang zurück, um weitere Ankömmlinge zu den Tischen zu führen. Einige Minuten später kommt eine andere Mitarbeiterin an meinen Tisch und fragt, ob ich mir schon etwas ausgesucht hätte.

Ich bestelle ein Menü und eine Flasche eines unvergorenen Getränkes.

"Okay, bitte warten Sie einen Moment," antwortet die Kellnerin, nickt und geht zum Tresen, um meine Bestellung in eine Maschine einzutippen. Sie erhält einen Bon und gibt ihn dem Mann hinter dem Tresen. Dieser hängt ihn an eine Leiste und kümmert sich weiter um die Zubereitung der Speisen.

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Mittwoch, 13. Juli 2022
Aufbruch ins All -12
Nach einigen Minuten ertönt ein 'Ping' und die Bedienung eilt zum Tresen. Wenig später serviert sie mir das Essen. Ich frage sie nach einem zweiten Glas Coke. Danach beschäftige ich mich mit Genuss mit meinem Menü. Dabei schweifen meine Gedanken ab.

Die Bedienung hat mich sehr zuvorkommend bedient. Ob ich sie einmal dazu einladen soll, mit mir das Theater von Mars City zu besuchen? Leider hat man uns eingeschärft, keine Beziehungen zu den einheimischen Arbeitskräften einzugehen. Anderenfalls würden wir aus dem Raumfahrtprogramm herausgenommen. Auch untereinander, besonders während des Marsfluges, sollen wir nur kollegial miteinander umgehen, damit unsere Gefühle bei Ernstfällen im Weltraum die Mission nicht gefährden können.

Nachdem ich Teller und Glas geleert habe, warte ich wieder bis sie in meiner Nähe vorbeigeht, um kurz die Hand zu heben und sie mit einem "Excuse me!" zu mir zu rufen. Als sie sich auf mich konzentriert hat, frage ich:

"Could I have the bill please?"

Sie nickt mir lächelnd zu und geht zum Tresen. Dort tippt sie noch einmal auf dem Gerät herum, der danach einen Zettel ausspuckt. Die Bedienung bringt mir den Bon. Ich bedanke mich, schaue darauf, finde alles in Ordnung und gehe nun zur Kasse am Ausgang. Dort übergebe ich der Bedienung den Bon, die nun die Einzelposten in den Kassenautomaten tippt. Ich halte meine Karte an das Lesegerät. Kurz darauf meldet der Automat mit einem 'Ping', dass alles in Ordnung ist und die Transaktion in die Wege geleitet wurde.

Nun bedanke ich mich bei der Bedienung höflich für das Essen, indem ich ihr lächelnd zunicke und sage:

"Thank you very much for the meal!"

Mit gemischten Gefühlen verlasse ich das Restaurant der Glaskunst-Ausstellung und gehe zum Foyer zurück. Dort betrete ich die Geschäftsräume und wandere durch die Gänge an den Regalen vorbei.

Ich sehe viele Gebrauchsgegenstände, die künstlerisch aufgewertet sind, aber auch unterschiedliche Skulpturen in unterschiedlichen Größen. Darunter sind Elefanten und andere Tiere, Buddhas und Engel. Sie haben sich sogar auf ihre US-amerikanische Kundschaft eingestellt und Indianer in den Regalen stehen. Ich finde aber auch Pferde und Bisons, sowie Bären. Endlich habe ich das Regal mit Hollywoods Oscars in verschiedenen Größen erreicht. Ich entscheide mich für eine etwa zwanzig Zentimeter hohe Figur, denn wenn ich bedenke, dass mein Aufenthalt in Mars City begrenzt ist und ich die Figur irgendwie mit zurück in die Staaten nehmen muss...

Danach setze ich mich in ein Cab, gebe mein Ziel an und lasse mich nachhause fahren. Dort wickele ich die Skulptur aus dem Papier und platziere sie auf dem Highboard.

*

Ein weiteres Vierteljahr später geht mein Aufenthalt in Mars City zu Ende. Zum Abschluss besuche ich das Theater von Mars City. Dort bin ich bisher noch nicht gewesen. Ein Kollege hat mir davon vorgeschwärmt. Ich kenne aus Erzählungen das Metropolitan Theatre in den Staaten und habe daher bisher skeptisch einen Bogen um solche Etablissements gemacht.

Mein Kollege hat mir schon gesagt, dass ich Hunger mitbringen soll. Dort werden mehrgängige Menüs aus vielen kleinen Gängen serviert, während auf der Bühne die Vorstellung läuft. Erwartungsvoll lasse ich mich dorthin fahren, bezahle im Foyer meinen Eintritt und folge den Leuten, die sich die heutige Vorführung ebenfalls anschauen wollen.

Wir gehen zur Treppe und im zweiten Stock des Blocks einen Gang entlang. Am Ende des Ganges geht es durch eine offenstehende zweiflügelige Tür in einen großen Saal. Fünf Meter vor uns beginnt der Boden des Saales treppenförmig abzufallen. Eine Treppe führt in die Tiefe. Alle drei Treppenstufen führt eine Plattform nach rechts und links. Ich erkenne Sitze und davor schmale Tische. Die Leute verteilen sich auf die Sitzplätze hinter den Tischen. Also suche ich mir auf halber Höhe ebenfalls einen Sitzplatz. Der Vorhang der Theaterbühne, schräg unter und vor uns, ist noch zugezogen. Vor mir liegt eine Speisekarte und an jedem Platz liegt in eine Serviette eingewickeltes Besteck bereit. Ich nehme die Speisekarte auf und schaue mir an, was sie hier bieten. Ich kann zwischen amerikanischem und vietnamesischem Essen wählen.

Nachdem alle Zuschauer Platz genommen haben, kommt die Bedienung herum und nimmt die Bestellung auf. Wenig später wird der erste Gang auf die Tische verteilt. Dann geht der Vorhang auf. Die Grafik im Hintergrund der Bühne zeigt ein amerikanisches Farmhaus mit riesigem Maisfeld daneben. Ein Mann reinigt im Vordergrund Ackergerät, während ein vielleicht zehnjähriges Mädchen auf einem Traktor sitzt und zuschaut.

In diesem Moment kommt ein weißhaariger Mann hinzu, den der Vater des Mädchens anscheinend kennt. Der Neuankömmling bietet dem Farmer das Kommando über eine waghalsige Weltraum-Expedition zu entfernten Sternen an. Der Farmer sei früher der beste Raumpilot der NASA gewesen und er müsse einfach annehmen, argumentiert der weißhaarige Mann. Man hätte ein Wurmloch entdeckt, das die Reisezeit erheblich verkürzt. Das ginge aus den Berechnungen hervor. Danach verlässt der Besucher wieder die Bühne. Das Mädchen springt vom Traktor herunter und fragt seinen Vater unter Tränen:

"Will you really go to space, Daddy?"

Der Vorhang wird zugezogen. Die Bedienung geht herum, um Geschirr und Besteck einzusammeln und anschließend den zweiten Gang der Menüs zu verteilen.

Während des nächsten Aufzugs sieht man den Start des Raumfahrzeuges vom Kennedy Space Center am Cape Canaveral in Florida. Der Start verläuft vorbildlich. Sie erreichen das Wurmloch und sie erkunden anschließend ein fremdes Sonnensystem.
Wieder wird der Vorhang zugezogen und der nächste Gang der Menüs verteilt. Auch wird gefragt, wer noch etwas zu trinken haben möchte.

Nachdem der Vorhang wieder aufgezogen wurde, erkenne ich, dass der Wissenschaftler der NASA, der den Farmer zu einem neuen Raumflug animiert hat, inzwischen im Ruhestand ist. Die Tochter des Farmers hat nach ihrem Studium eine Stelle als Stellvertreterin des Wissenschaftlers erhalten und nach dessen Pensionierung seine Stelle übertragen bekommen. Sie hat einen Fehler in der Berechnung ihres Chefs entdeckt und die Berechnung neu durchgeführt. Leider funktioniert das Wurmloch mit der aktuellen Technik nur in eine Richtung - von der Erde weg -, außer die Crew im Weltraum schickt eine kleine Menge Material durch das Wurmloch. Ein Raumschiff würde zerstört werden, prognostiziert sie.

Der Vorhang wird an dieser Stelle zugezogen und die Bedienung kümmert sich wieder um die Gäste. Als der Vorhang aufgeht, sieht man das Raumschiff und seine Crew wieder. Auch dort hat man bemerkt, dass etwas mit dem Wurmloch oder mit ihren Instrumenten an Bord nicht stimmt. Die Planeten in dem fremden Sonnensystem stellen sich als lebensfeindlich heraus. Einer aus der Besatzung stellt sich als Saboteur heraus. Beim Versuch, ihn zu stoppen, explodiert das Raumschiff und der Kommandant treibt hilflos im All auf das Wurmloch zu.

Wieder kommt es zu einem Szenenwechsel durch Zuziehen des Vorhangs. Die Aufmerksamkeit der Gäste wird von der Bedienung kurz von der Geschichte auf der Bühne weggezogen.

Als der Vorhang wieder aufgezogen wird hat sich das Bühnenbild im Hintergrund wieder verändert. Beziehungsweise der Vorhang öffnet sich nur zur Hälfte. Im Hintergrund ist der Jupiter zu sehen und eine radförmige Raumstation in der Nähe davor. Der Kommandant im Raumanzug funkt einen Hilferuf und man rettet ihn aus Raumnot.

Man will ihn zur Cooperstation bringen. Der Kommandant fragt erstaunt:

"Habt ihr sie nach mir benannt?"

Sie haben inzwischen die Schleuse erreicht und ziehen sich die Raumanzüge aus. Der andere Mann schüttelt lächelnd den Kopf und erklärt:

"Nein, die Station wurde nach ihrer Tochter benannt. Eine große Astrophysikerin, die die Menschheit einen großen Schritt weitergebracht hat!"

Nun wird dieser Teil der Bühne zugezogen und gleichzeitig öffnet sich der Vorhang für die andere Hälfte der Bühne. Dort wird ein Krankenzimmer auf der Raumstation simuliert.

Der Kommandant betritt das Zimmer. In einem Krankenbett liegt dort eine uralte Frau.

"Du bist meine Jessi?" fragt er unter Tränen.

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