Montag, 22. August 2022
Aufbruch ins All -28
"Die NASA ist eine staatliche Organisation. Solche Organisationen leiden zumeist unter chronischem Geldmangel. Deshalb haben sie vor 700 Jahren in der Anfangszeit der interplanetaren Raumfahrt kommerzielle Unternehmen, wie SpaceX, mit ins Boot geholt. Diese Unternehmen sind darauf ausgerichtet Gewinn zu machen. Heutzutage wird immer weniger Raketentreibstoff gebraucht.
Nur noch kleine Unternehmen oder reiche Privatpersonen nehmen den Treibstoff ab. Zwar wird er in den Raumschiffen von der Space Ressource Corporation immer noch mitgeführt, um Notraketen zu zünden und damit Rettungskapseln zu starten, aber zunehmend wird auf eine andere Antriebstechnik gesetzt."

Ich mache große Augen. Erstaunt frage ich:
"Womit werden denn die modernsten Raumschiffe angetrieben?"

"Habt ihr im Physik-Unterricht etwas vom Warp-Antrieb gehört?" fragt er lächelnd zurück.

Ich rekapituliere:
"Ein Wissenschaftlerteam hat 2022 in einem Forschungslabor mehr oder weniger zufällig eine Mikro-Warp-Blase erzeugt. Wenn man diese Technik vergrößert, um damit ein Raumschiff anzutreiben, braucht man aber eine riesige Energiemenge..."

"Nun sind 700 Jahre vergangen und die technische Entwicklung ist nicht stehengeblieben! Fusionsreaktoren brauchen heute nicht mehr so viel Raum, haben nicht mehr so viel Gewicht wie vor 700 Jahren, und sind viel leistungsfähiger. Trotzdem kann man mit den heutigen Warp-Antrieben keine Hyperraum-Reisen unternehmen! Sie eignen sich aber für interplanetarische Reisen im Sonnensystem. Ein Flug zur Erde dauert nur noch 7 Tage. Von der Erde zum Mars gelangt man damit in ungefähr 10 Tagen, wenn man das Zeitfenster der Konjunktion zwischen Start und Ziel berücksichtigt.
Also einfach starten und losfliegen, wann man will, geht immer noch nicht. Es sei denn, man nimmt eine Reisezeit von Monaten in Kauf. Will man mit dem neuen Antrieb Ceres oder Vesta erreichen, muss man ebenfalls das günstigste Zeitfenster abwarten und dann mit ungefähr drei Monaten Flugzeit rechnen. So groß sind die Entfernungen im Sonnensystem! Aber gegenüber dem alten Raketenantrieb ist es ein riesiger Fortschritt."

Es entsteht eine Gedankenpause, während der ich über das Gehörte nachdenke. Dann frage ich:

"Also nur in den größeren Raumschiffen, den Personen- und Frachttransportern lohnt sich der Warp-Antrieb?"

"Ja, und die gehören zwei bis drei großen Firmen. Eine davon ist die Space Ressource Corporation. Eine andere ist eine Firma zu deren Anteilseignern einmal die NASA, ESA und andere westliche Raumfahrtorganisationen gehört haben. Die dritte und kleinste der Drei hatte früher Anteilseigner aus der östlichen Hemisphäre der Erde."

"Oh," mache ich. "Die Firmengröße wird hier aber nach Anzahl der Raumfahrzeuge und Nutzlast bemessen?"

Mein Okuden -Meister- Clark McGiven bestätigt, breit lächelnd:

"Ja, genauso ist es. Der Chisei -Person mit Geisteskraft (Zugang zu Reiki - alles durchdringende Lebenskraft-)- Yamamoto-San ist mit einem Verantwortlichen dieser dritten Firma verwandt. Ihr Firmenziel ist die Erkundung des Sonnensystems. Statt mit Teleskopen, wie früher von der Erde aus, fliegen Raumschiffe der Solar Exploration Group durch das Sonnensystem und erkunden mit namhaften Wissenschaftlern vor Ort, was man wissen muss. Diese Informationen werden zentral gesammelt und dienen den Firmen, die auch als Sponsoren der Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- auftreten als wissenschaftliche Grundlage ihrer kommerziellen Geschäfte."

"Ah, eine Hand wäscht die andere, sozusagen: Die SEG verkauft wissenschaftliche Erkenntnisse an Firmen, die dann mit dem erzielten Gewinn die Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- sponsern."

"Du hast es erfasst, Florian. Da gibt es aber noch etwas zu bedenken."

"Was?" frage ich und schaue meinen Meister an.

"Du weißt ja inzwischen, dass Chisei Yamamoto-San Buddhist ist und wir alle seinen Lebensregeln folgen, weil sie den Menschen guttun. Vor über 2500 Jahren hat sich eine Anzahl spiritueller Lehrer des Buddhismus von Buddhas Pfad abgewandt und Habgier und Egoismus gepredigt. Sie haben zwei benachbarte Königreiche auf dem indischen Subkontinent gegeneinandergehetzt, um davon zu profitieren. Sie wurden von anderen spirituellen Lehrern besiegt, die dem rechten Pfad Buddhas gefolgt sind.
Dann hat sich vor über 1000 Jahren auf der westlichen Hemisphäre der Erde der Kapitalismus entwickelt. Bis heute hat sich daran kaum etwas geändert. Vor etwa 200 Jahren entwickelte ein buddhistischer Mönch wieder die Lehre vom Egoismus und Habgier. Er gewann Schüler. Sein Kreis erweiterte sich in die westliche Hemisphäre hinein, wo er auf fruchtbaren Boden fiel. Die Führungsebene der heutigen Space Ressource Corporation ist dieser Irrlehre komplett verfallen.
Übrigens: Auch die SRC sponsort eine Fechtschule in Ishtar City!"

"Hm," mache ich und schaue Meister Clark skeptisch an. "Das ist doch nicht etwa die Fechtschule, deren Champion ich beim Turnier besiegt habe?"

Mein Master nickt mit ernstem Gesicht und sagt:
"Diese schlimme Philosophie, die keine Rücksicht auf Menschen und die Natur nimmt, ist inzwischen auch hier angekommen!"

"Was ist denn daran so verführerisch?" frage ich.

"Dort heißt es erstens: Kümmere dich um Deine Stärke, denn Stärke ist Macht. Die Schwachen verdienen ihr Schicksal. Sie brauchen Dich nicht!
Zweitens: Lebe mit Leidenschaft, denn so erringst du Siege. Lass' dich dabei vom Zorn leiten, denn Zorn erzeugt Aggressivität.
Drittens: Stelle deinen Feinden Fragen nach ihrer Stärke, ihrer größten Angst und was sie sehr schätzen. Damit erhältst du die Informationen, wie du deine Feinde schlagen kannst.
Und Viertens: Zum Schluss frage sie, worum sie dich am Meisten bitten, so wirst du wissen, wie du sie auf ewig unterdrücken kannst."

Meine Augen werden immer größer. Ich vergleiche sie mit Chisei Yamamoto-Sans Merksätzen, die da heißen:
Erstens: Strebe nach dem Frieden, ohne auf deine Gefühle zu achten.
Zweitens: Strebe nach Wissen. Überwinde die Unwissenheit.
Drittens: Strebe nach Gelassenheit. Überwinde die Leidenschaft.
Viertens: Strebe nach Harmonie. Überwinde das Chaos.
Fünftens: Strebe nach der Lebenskraft, so überwindest du den Tod.

Nachdem ich beide Richtungen verglichen habe, sage ich mit Überzeugung in der Stimme:

"Unsere Lebensphilosophie ist eindeutig die bessere! Wir raffen keinen Reichtum und gehen dafür nicht über Leichen."

"Genauso sehen wir Okuden -Meister- und die Chisei das auch, Florian. Daher bekämpfen wir deren Philosophie, wo wir können. Allerdings, getreu unserem Prinzip der Gelassenheit, lassen wir die anderen gewähren. Jede Überzeugung hat ihr Lebensrecht. Nur wenn wir denken, da ist jemand, der unsere Hilfe braucht, weil der Gegner an deren Besitz will, werden wir aktiv.
Das Gegeneinander antreten im Turnier ist nur ein gegenseitiges Abchecken. Ich denke, die Gegenseite weiß nun was sie von dir zu halten hat, denn auch dort gibt es Leute, die Verbindung zu Reiki -alles durchdringende Lebenskraft- bekommen und verstehen sie einzusetzen. Du weißt ja, Reiki selbst ist weder gut noch böse. Es kommt immer darauf an, was man mit ihr macht."

Wieder verharre ich eine Zeitlang in Gedanken. Dann frage ich, obwohl ich die Antwort schon zu kennen glaube:

"Deshalb nehme ich nicht mehr an Turnieren teil? Ich trainiere nur noch, um in Form zu bleiben und um der großen Konfrontation gewachsen zu sein, die zu einem noch unbekannten Zeitpunkt auf mich zukommt?"

Meister Clark nickt. Mit ernster Stimme antwortet er:
"Du hast es erfasst, Florian."

*

Mein Vater feiert einen runden Geburtstag. Neben der Verwandtschaft bin natürlich auch ich eingeladen. Es werden dann wohl insgesamt 25 Gäste kommen. Darum hat mein Vater dafür den kleinen Saal über dem 'Starlight Club' angemietet und mit dem Chef ein 3-Gänge-Menü besprochen, sowie Kaffee und Kuchen vorab. Seinen Gästen hat er eine wunderschön gestaltete Email geschickt, in der von Beginn gegen 16 Uhr und Ende voraussichtlich gegen 23 Uhr die Rede ist.

Am Tag der Feier darf ich die Schule verlassen, soll aber meine Kleidung anziehen, die ich in der Schule trage - und einen echten Degen in einer Scheide an meinen Gürtel hängen. Ein Band über dem Griff verhindert das unabsichtliche Herausziehen der scharfen Waffe. Er hat eine scharfe metallene Klinge von 90 Zentimeter Länge und gleicht damit dem Sportdegen, nur dass dieser keine scharfen Kanten hat.

"Geh nur," beruhigt mich Meister Clark. "Ich werde in meinem Zimmer meditieren und über dich wachen."

Ich denke mir, mein Turnierdegen mit Glasfiberklinge, die einen Treffer anzeigen kann, hätte als Demonstration für unbedarfte Zivilisten sicher ausgereicht. Bestimmt werde ich von den anderen Gästen auf das Turnier angesprochen und auch gefragt, warum ich danach nicht mehr angetreten bin. Naja, ich werde halt sagen, dass ich nach dem Gewinn kein weiteres Turnier mehr gebraucht habe, um mich zu beweisen. Anders wäre es wohl gewesen, wenn ich mich von Turnier zu Turnier in die Spitze hocharbeiten hätte müssen. Da hätte mir mein Ehrgeiz sicher gesagt, dass ich es wieder und wieder versuchen muss.

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Freitag, 19. August 2022
Aufbruch ins All -27
Sie macht glücklich lächelnd den Eingang frei. Ich betrete lächelnd die Wohnung und bekomme nur ein "Hallo, Mama." heraus. Mama schließt mich in ihre Arme. Papa kommt aus einer seitlichen Zimmertür. Auch er sieht froh aus. Er legt mir seine Hände auf die Schultern und meint:

"Lass dich einmal anschauen, mein Junge. Gut siehst du aus! Komm in den Livingroom."

Er dreht sich um und zieht mich mit der Hand an meinem Unterarm in das Zimmer, während Mama die Wohnungstür schließt. Dort setzen wir uns um den Coffee-Table und Papa fordert mich auf:

"So! Nun erzähle mal!"

Mama kommt hinzu und schenkt uns Tee aus. Ich zucke mit den Schultern und meine:

"Mister Yamamoto, der Schulleiter entstammt der japanischen Ethnie in den USA. Er kommt also von der Erde und hat hier vor etwas über zehn Jahren seine Fenshingu no gakkoh gegründet. Übersetzt heißt das 'Schule der Fechtkunst'. Anders als in meinem früheren Fechtverein, lehrt er nebenbei auch eine waffenlose japanische Selbstverteidigungstechnik und zeigt uns eine Meditationstechnik, mit der wir uns wunderbar auf Wettkämpfe vorbereiten können.
Wir beginnen die Schule als 'Shoden'. Das heißt Anfänger. Und in meinem Kurs sind etwa ein Dutzend Anfänger gewesen. Sicher war das bei anderen Lehrern ähnlich. Nach einem halben Jahr sind wir zu einer Feier zusammengekommen. Dabei wurden einige Mitglieder der Schule höhergestuft. Auch mich hat man vom Shoden zum 'Chuhden' befördert. Das heißt Fortgeschrittener. Sicher ist das daher gekommen, weil ich schon seit zehn Jahren fechte.
Aber auch Mitglieder mit höheren Rängen sind an dem Tag aufgestuft worden. Zum Beispiel wurden drei der bisher 'Fortgeschrittenen' zu 'Okuden', also zum Meister befördert. Die Meister in der Schule dürfen sich einen von den Fortgeschrittenen wählen, dem sie Einzelunterricht geben wollen. So ist es mir passiert. Einer der neu beförderten Meister hat mich nach der Feier besucht und gefragt, ob ich sein Schüler werden möchte. Ich habe neugierig 'Ja' gesagt.
Nun bekam ich Einzelunterricht. Das ist anstrengender gewesen, als vorher in der Gruppe, war aber gut!"

"Stimmt! Es hat dich befähigt, diese Woche das Turnier zu gewinnen!" pflichtet mir mein Vater bei.

Ich schaue ihn lächelnd an und wende meinen Blick Mama zu, die mir stolz über den Rand ihrer Teetasse zulächelt.

"Ja, das war eine wunderbare Erfahrung! Mein Gegner aus der Fechtschule eines Mannes aus der irdischen Region Brasilien ist kein leichter Gegner gewesen!"

"Wir haben das Turnier verfolgt und als wir dich teilnehmen gesehen haben, haben wir dir natürlich alle Daumen gedrückt!"

"Danke!" antworte ich höflich lächelnd.

"Der Endkampf hatte es aber in sich," meint Papa. "Wir haben richtig mitgefiebert und am Schluss gejubelt! Hast du schon einen Werbevertrag mit einer finanzstarken Firma?"

"Wie ich hörte, hat mein Gegner einen Vertrag mit 'Space Ressource Corporation' gemacht. Über die Konditionen weiß ich nichts. Die Philosophie des Gründers unserer Schule ist, dass wir uns nicht hervortun sollen. Wir bekommen Kost und Logis von der Schule. Die Schule selbst wird von mehreren kleinen Firmen gesponsert. Spenden von Privatleuten sind auch gerne gesehen. Aber niemand von uns nimmt einen Sponsor-Vertrag an. Mister Yamamoto sagt, wir sollen uns von niemandem abhängig machen."

"Aber ist dann die Schule als Ganzes nicht abhängig von den Sponsoren?" fragt Papa mit einer steilen Falte auf der Stirn.

"Ich kenne die Sponsoren nicht, aber sie sollen breit gestreut sein, so dass wir immer einer anderen Firma auf die Füße treten würden, wenn wir für die Produkte irgendeiner Firma gezielt Werbung machen. Hier gilt das Gleichbehandlungs-Prinzip. Also dann lieber keine Werbung."

"Aber was haben die Firmen dann von ihrem Sponsoring? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie keine Gegenleistung erwarten!"

"Ich kann es dir nicht sagen. Das ist eine Frage, die man einem der Gründungsmitglieder der Schule stellen müsste. - Aber wenn dir danach ist, kannst du gerne spenden," meine ich augenzwinkernd.

Mama ist während der Diskussion aufgestanden und kümmert sich in der Küche um unser Mittagessen. Kochen brauchen wir heutzutage ja nicht mehr. Das erledigt eine Multi-Küchenmaschine. Dennoch muss man von Zeit zu Zeit nachschauen und eine Einstellung vornehmen.

"Wie stellst du dir deine Zukunft vor?" fragt Papa jetzt.

Ich zucke leicht mit den Schultern.
"Den Status quo möchte ich gerne beibehalten. Also ich erhalte von der Schule, was ich zum Leben brauche, wie alle anderen auch. Ich nehme an Turnieren teil und entwickele mich so weiter. Vielleicht werde ich einmal selbst Meister und bilde einen Schüler aus."

"Bei deinem Können wird es sicher irgendwann dazu kommen!" ist Papa sich sicher. "Und - weißt du: Niemand muss sein ganzes Leben lang ein selbstloser Held sein. Es reicht aus, in seiner Organisation, Verein oder Firma aufzusteigen, und danach ein ganz normales Leben führen. Seinem Hobby nachgehen oder sich ein ruhiges Hobby zulegen!"

Mama ist hinzugekommen und serviert uns den ersten Gang. Sie setzt sich zu uns und meint:

"Du weißt, wir werden dich immer unterstützen!"

Ich hebe den Blick und lächele sie an.
"Danke!"

*

Zurück in der Schule reduziert Meister Clark mein Training auf zweimal pro Woche, damit ich in der Übung bleibe. Dazwischen erhalte ich so etwas wie Geschichtsunterricht. Es geht um den Aufbruch des Menschen ins Weltall.

Die US-amerikanische 'National Aeronautics and Space Association' arbeitet mit einer Reihe von Universitäten und Forschungslaboren zusammen. Deren Erkenntnisse verkauft sie an kommerzielle Firmen, die damit Antriebe entwickeln und Raumfahrzeuge bauen.

So ist die Mars Ressource Corporation entstanden, die maßgeblich an der Kolonisation des Mars beteiligt gewesen ist. Gut zweihundert Jahre später hat sich der Mars emanzipiert und ihre Ressourcen als ihr Eigentum bezeichnet. Die Mars Ressource Corporation muss seitdem für den Abbau bezahlen.

Das hat zur Folge gehabt, dass sich die Firma anderweitig umgesehen und die Asteroiden Ceres und Vesta zugesprochen bekommen hat. Seitdem nennt sich die Bergbaufirma Space Ressource Corporation. Sie hat sich vom Mars zurückgezogen, der seitdem seine Raumfahrt vernachlässigt hat.

Die Venuskolonisation ist langsamer verlaufen. 'Schuld' daran ist, dass sich die NASA selbst darum bemüht hat. Zuerst hat sie eine dauerhaft bewohnte wissenschaftliche Station im Orbit geschaffen. Danach wurde Ishtar City gegründet. Es ist eine in 55 Kilometer Höhe über dem Boden der Venus schwebende Wolkenstadt. Sie befindet sich auf dem 60. Breitengrad über einer Kontinentalplatte, die von den Wissenschaftlern Ishtar Terra genannt wird. Dieses 'Ishtarland' hat ungefähr die Größe von Australien. Daher kommt der Name der Wolkenstadt.

Außer der bewohnten Ishtar City schweben in der Venusatmosphäre noch einige unbewohnte Produktionsplattformen, in denen aus den Atmosphärengasen Raketentreibstoffe hergestellt werden. Sie funktionieren vollautomatisch KI-gesteuert und werden von Zeit zu Zeit von unseren Luftschiffen zur Überprüfung und Reparatur angesteuert.

Sind die Tanks mit Raketentreibstoff voll, werden sie in die Umlaufbahn geschossen und von der Orbitalstation aus eingesammelt. Von dort werden sie zum Erdmond gebracht. Im dortigen Raumflughafen kann jeder sein Raumfahrzeug auftanken.

"Also kann uns das Schicksal der Marsianer nicht passieren?" frage ich meinen Meister.

"Dass wir unter die Vorherrschaft der Space Ressource Corporation geraten, meinst du?" fragt er zurück.

Ich nicke und schaue ihn erwartungsvoll an. Master Clark runzelt die Stirn und meint geheimnisvoll:

"Wollen wir es hoffen."

"Wie meinst du das?" frage ich nun.

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Dienstag, 16. August 2022
Aufbruch ins All -26
Wenige Tage nachdem mich Okuden -Meister- Clark McGiven in meinem Zimmer besucht hat, lese ich im Internet auf meinem Tablet meinen Namen in der Aufstellung des Fechtturniers von Ishtar City in der diesjährigen Saison. Okuden Clark hat mich wohl dem Chisei gemeldet, der unseren Kader für das Turnier zusammenstellt. Endlich hat das Training ein Ende und ich kann zeigen, was in mir steckt.

So bin ich leicht euphorisch, als Meister Clark mich in der Mensa auffordert mit ihm zu kommen. Er bemerkt meinen Zustand und redet mir ins Gewissen. Ich soll nicht die Bodenhaftung verlieren, sondern rational in das Turnier gehen. Auf dem Weg durch die Gänge von Ishtar City zum Turnierraum redet er beruhigend auf mich ein. Schließlich erreichen wir die Umkleidekabinen.

Dort ziehe ich meine weiße Turnierkleidung an. Mein Meister kleidet sich in die weiße Sekundanten-Kleidung. Danach setzen wir uns zum Meditieren auf die Sitzbank. Meine Störgedanken sind durch meine Aufregung bedingt sehr stark. Es dauert daher etwas, bis ich zu Reiki durchgedrungen bin. Ich lasse meine Aufmerksamkeit wandern und beobachte, was sich in den anderen Umkleidekabinen tut.

Irgendwann holt mich Master Clark aus der meditativen Betrachtung und sagt:

"Florian! Du bist gleich dran."

Bei diesem ersten Wettkampf geht es noch um nichts. Die Gegner sind nach dem Zufallsprinzip ausgelost worden. Die Gewinner dieses Wettkampfes werden später in eine Gruppe zusammengefasst und genauso verfährt man mit den Verlierern. Beim nächsten Wettkampf lässt man Fechter mit der gleichen Punktzahl aus jeder Gruppe gegeneinander antreten, um eine Abstufung vornehmen zu können. Dann hat man eine erste Reihenfolge in den beiden Gruppen.

Da das Fechten in Ishtar City ein Volkssport ist, gibt es entsprechend viele Anmeldungen. Deshalb wird vom nächsten Wettkampftag das Knock-out-System angewandt: Der Unterlegene scheidet aus. Als Anerkennung werden ihm seine nächsten zehn Trainingsstunden in seinem Heimatverein von der Turnierleitung bezahlt. So hat sich nach dem zweiten Wettkampftag die Anzahl der teilnehmenden Sportler halbiert. An jedem weiteren Wettkampftag haben wir es so mit weniger Gegnern zu tun.

Am Morgen jeden Kampftages holt mich Okuden -Meister- Clark McGiven ab und macht den Weg zum Turnierraum mit mir gemeinsam. Wir rezitieren dabei unsere Turnierregeln:

"Sei frei von Zorn!" gibt er vor. Ich wiederhole den Merksatz.

"Sei frei von Sorgen!" sagt er darauf. Auch hier wiederhole ich ihn.

"Sei fair zu deinen Mitkämpfern!" spricht er weiter.

"Sei fair zu deinen Mitkämpfern!" antworte ich ihm.

"Sei dankbar für das Resultat deiner Leistung!"

Auch diesen Merksatz wiederhole ich und horche dabei in mich hinein.

Da ich mich mit Reiki -Lebensenergie, die alles durchdringt- verbinde, bevor ich auf den Platz hinaustrete, bin ich über die persönliche Verfassung meines jeweiligen Gegners informiert. Auch haben wir seine vergangenen Wettkämpfe verfolgt und analysiert.

Das Turnier läuft nun schon mehr als eine Woche. Ich habe es tatsächlich in die Spitze geschafft. Mein Gegner im Kampf um den ersten Platz ist sehr stark. Während der vergangenen Wettkampftage habe ich festgestellt, dass auch er intuitiv die richtige Reaktion im Fechtkampf zeigt.

Master Clark erklärt mir vor Kampfbeginn, dass er sich die Fechtschule des Gegners genauer angesehen hat. Dort gehören zum Fechttraining auch ein Meditationstraining und ein Kampfsport. Der Leiter der Schule, ein Senhor Gabriel da Silva, stammt aus der irdischen Region Brasilien. Seine Philosophie, die er in der Schule verbreitet ist sehr aggressiv. Er sagt, dass die Schwachen ihr Schicksal verdienen. Statt ihnen zu helfen, soll man sich um die eigene Stärke kümmern, soll man egoistisch vorgehen.

Ich kräusele die Stirn und entgegne:
"Bisher hat er sich in den Kämpfen fair gezeigt, zwar kompromisslos nach vorne gerichtet, aber fair!"

Okuden -Meister- Clark McGiven nickt.

"Ja, so kann man seinen Kampfstil beschreiben! Aber er ist hier ja auch an ein Regelwerk gebunden. Verletzt er sie, riskiert er den Ausschluss vom Turnier. Wenn du ihm außerhalb des Turniers begegnest sieht es anders aus! Trotzdem, ich werde über dich wachen. Mache dir also keine Sorgen, wenn mir gleich vor Beginn des Turniers schlecht wird und ich mich in den Umkleideraum zurückziehe. Dort werde ich mich in Meditation versenken und auf dich achten."

"Okay," antworte ich und lächele.

Als wir dran sind und den Umkleideraum verlassen, klappt Master Clark neben dem 14 Meter langen Blanche -Wettkampffeld- theatralisch zusammen. Ich beuge mich zu ihm herunter, aber da ist schon der Sanitäter heran.

Master Clark erwacht, schüttelt schwach den Kopf und lässt sich vom Sanitäter aufhelfen. Die Beiden verlassen daraufhin den Turnierraum. Der Sanitäter kommt kurz darauf alleine zurück und nickt dem Kampfrichter zu.

Der Mann schaut mich und meinen Gegner kurz an. Wir gehen in die Ausgangsposition, der Oberarm mit der Turnierwaffe ist leicht abgewinkelt, der Unterarm parallel zum Boden. Die Knie sind etwas gebeugt. Nun sagt der Kampfrichter kurz hintereinander:

"Stellung! -En garde-!"

Dabei breitet er die Arme aus.

"Fertig? -Prêtes-?... Los! -Allez!-"

Er hat die Arme wieder gesenkt und tritt nun einen Schritt zurück. Ich bin voll konzentriert. Der ganze Körper ist Trefffläche. Mein Gegner stürmt einen Herzschlag nach dem Kommando 'Allez' vor und verringert so die Mensur -Abstand zum Gegner- rapide. Ich pariere seine Flèche -Pfeil-, einen besonders schnell vorgetragenen Angriff, für den er sich mit gestreckt gehaltenem Arm blitzartig nach vorn 'wirft'.

Ich laufe ihm entgegen und führe eine Cavation durch, mit der ich seine Waffe umgehe und führe eine Riposte durch, den unmittelbaren Gegenangriff. Über eine Finte erreiche ich, dass er seine Abwehr leicht öffnet und ich meinen ersten Treffer landen kann.
"Touché -Berührung-," ruft nun der Kampfrichter aus.

Mein Gegner führt sogleich eine Battuta -Klingenschlag- durch, um nun seinerseits einen Treffer landen zu können. Dafür zeige ich nun den Filo -Gleitstoß- entlang der gegnerischen Klinge, um in seine Blöße hineinzustoßen.

Wieder ruft der Kampfrichter: "Touché -Berührung-!"
Mein Gegner bestürmt mich nun zunehmend aggressiver, nachdem er mich bisher anscheinend getestet hat. Ich bleibe dagegen konzentriert und ruhig, verwende mein Fechtkönnen und vertraue auf Reiki, das mich seine Aktionen vorausahnen lässt.

Die Dauer des Ausscheidungswettkampfes erscheint mir beinahe wie eine kleine Ewigkeit, da ich das Zeitgefühl verliere. Ich bin voll auf meinen Gegner konzentriert, der auch ein paar Treffer erzielen kann. Als der fünfzehnte Treffer registriert wird, ist der Kampf beendet und ich werde als Sieger des Turniers ausgerufen.

Ich lasse die Ehrung über mich ergehen, als gelte sie nicht mir, sondern einem Alter Ego. Es dauert eine ganze Zeit bis ich realisiert habe, dass ich das Turnier gewonnen habe. Das Blitzlichtgewitter der Fotografen bringt mich in die Wirklichkeit zurück. Einige Reporter halten mir ihre Aufnahmegeräte hin. Ich soll etwas sagen...

"Ich bin gerade der glücklichste Mensch von Ishtar City, glaube ich," spreche ich in ihre Mikrofone, dann gehe ich in meine Umkleidekabine.

Mein Meister Clark McGiven erhebt sich gerade von der Bank und umarmt mich, über das ganze Gesicht lachend. Mit einem Stoß meiner Ferse befördere ich die Tür in den Rahmen. Ein Reporter ist ihr wohl zu nahe gekommen, denn ich höre ein "Ahh!" als die Tür zufällt.

"Ist alles klar gewesen, während des Wettkampfes?" frage ich nun.

Sein Gesicht wird ernst. Er antwortet kurz angebunden: "Später!"

Ich ziehe mich also um, nehme den goldfarbenen Kranz ab, den man mir draußen zur Ehrung um den Hals gehängt hat und verstaue ihn und den Scheck in meiner Sporttasche. Danach verlassen wir das Turniergelände und gehen zügig durch die Gänge auf unsere Fechtschule zu. Trotzdem werden wir unterwegs immer wieder angehalten und ich muss Glückwünsche über mich ergehen lassen.

In der Mensa unserer Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- folgt eine weitere Feier. Am Sonntag danach habe ich einen Tag frei, um meine Eltern zu besuchen.

Nach dem Frühstück gehe ich den Weg, den ich schon lange nicht mehr gegangen bin. Einerseits fühle ich Freude. Dann ist da aber auch eine gewisse Skepsis. Was werden sie dazu sagen, warum ich mich solange nicht gemeldet habe?

Nach einer halben Stunde Fußweg stehe ich vor der Tür der Wohnung, in der ich aufgewachsen bin. Hier bin ich zuhause gewesen. Hier habe ich soviel Zuneigung erfahren, wie man es nur in seinem Zuhause fühlen kann. Von hier habe ich geträumt, wenn ich mich in meinem Zimmer in der Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- einmal einsam gefühlt habe. Dennoch, meine Mitschüler und die Ausbilder möchte ich nicht mehr missen. Sie sind nun meine neue Familie. Trotzdem freue ich mich auf das Gesicht, das Mama gleich machen wird.

An der Tür angekommen, betätige ich den Signalton. Schritte nähern sich innen der Tür. Sicher bin ich jetzt im Bild der Überwachungskamera zu sehen. Kurz darauf öffnet sich die Tür und Mama breitet lächelnd die Arme aus.

"Florian! Oh, wie wundervoll, dich zu sehen! Komm herein!" ruft sie aus.

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