Donnerstag, 25. August 2022
Aufbruch ins All -29
Ich gehe also in voller Montur durch die Gänge von Ishtar City. Wo der 'Starlight Club' liegt, ist mir bekannt. Unbehelligt komme ich dort an. Ein Angestellter führt mich die Treppe hinauf zum Saal, den Papa angemietet hat. Die Tür schwingt auf. Alle Anwesenden wenden ihre Köpfe in meine Richtung und auch meine Aufmerksamkeit ist auf die Gäste im Saal gerichtet. Meine Augen suchen den Sitzplatz meiner Eltern. Dorthin will ich zuerst, um sie zu begrüßen und Papa zu beglückwünschen.

In diesem Augenblick bemerke ich Bewegung in den Augenwinkeln. Ich mache einen schnellen Schritt in den Saal und drehe mich dann um. Der Angestellte, der mich geführt hat und eine andere Person, die aus einer Nische herausgetreten ist, haben mich anspringen wollen und haben plötzlich Degen in der Hand. Nun sind die Beiden gegeneinander geraten, was mir einen Vorteil von einem Sekundenbruchteil verschafft. Schnell habe ich meinen Degen 'entriegelt' und gezogen.

Sofort springe ich aus dem Stand über einen halben Meter hoch und stoße mit dem Fuß nach dem Fremden. Ich schätze ihn als den Gefährlicheren der beiden Angreifer ein, denn ich erkenne schnell, dass es der im Endkampf des Turniers unterlegene Teilnehmer aus der gegnerischen Fechtschule ist.

Dort haben wir nach den Turnierregeln gefochten. Hier nutzen auch die Gegner ostasiatische Kampftechnik, zusammen mit der Waffe.

Mein Gegner weicht mir aus und gleichzeitig greift der Angestellte wieder an. Nun unterlaufe ich die Hiebe in den Gang hinaus, um sofort wieder herumzuwirbeln und meinen ersten Treffer zu setzen. Es fließt Blut, was den Getroffenen zu unbeherrschtem Vorstürmen veranlasst. Ich bringe seinen Komplizen zwischen mich und sich und drehe mich wieder den Kämpfenden zu.

Dieser Komplize, mein früherer Turniergegner, ist mir mit den Augen gefolgt und hebt die Waffe zum Hieb, als der Verletzte im blinden Hass auf mich einstürmt und dabei meinen alten Turniergegner empfindlich trifft.

Der Mann sinkt zu Boden und der andere muss seine Waffe fahren lassen. Nun zieht der Angestellte des 'Starlight Clubs' ein Messer und versucht den Bodycheck. Ich mache einen Schritt rückwärts, um meinem Degen Raum zu geben und steche dem Mann in die Waffenhand. Er lässt das Messer fallen und verzerrt vor Schmerz sein Gesicht.

Der Besitzer des 'Starlight Clubs' ist sicher nach dem Schrei des zu Boden gegangenen Kämpfers zur Treppe gekommen, denn als jetzt sein Mitarbeiter am Boden kniet und die Blutung der Hand zu stillen versucht, steht er plötzlich bei uns.

Ich schiebe den Degen zurück in die Scheide und wende mich dem Mann zu.

"Was geht hier vor?" fragt der Wirt.

"Ein Attentat!" antworte ich kurz angebunden.

"Aber das ist mein Mitarbeiter!" stellt er fest und beugt sich zu dem Mann, seine Schürze als Verband gebrauchend.

"Tja," meine ich. "Dann frage ich mich, nach welchen Kriterien sie ihr Personal aussuchen - und natürlich, für was sie im Service einen Degen brauchen? - Rufen Sie die Stadtwache und die Sanitäter!"

Der Mann nimmt seinen Kommunikator zur Hand und macht die beiden Anrufe. Die männlichen Gäste kommen nun langsam näher, während die Frauen und Kinder hinter dem Tisch bleiben. Das Möbel zwischen uns ist ihnen bestimmt sicherer.

Wenige Minuten später sind die angeforderten Uniformierten und das Sanitätspersonal vor Ort und beginnen ihre Arbeit. Ich wende mich zu den Gästen um und spreche beruhigend auf meinen Vater ein, als dieser plötzlich erschreckte Augen macht. Gleichzeitig höre ich ein Rascheln hinter mir und einer der Sanitäter ruft empört "Hey! Halt!"

Sofort habe ich meinen Degen wieder in der Hand und wirbele herum. Mein Turniergegner steht hinter mir mit gebeugtem rechtem Knie und gerade nach hinten gestrecktem linkem Bein und will im Moment zustoßen. Ich mache nach der schnellen Drehung sofort einen Ausfallschritt und stoße ihm meine Waffe in die Brust. Nun sackt er in sich zusammen.

"Ich hoffe, sie kriegen ihn irgendwann wieder auf die Beine," sage ich zu den Sanitätern und zu den Wachen gewandt, ergänze ich: "Sie sehen selbst, dass es sich hier um ein Attentat auf mich gehandelt hat, mit Heimtücke und krimineller Energie vorgetragen!"

Nachdem die Sanitäter die beiden Männer die Treppe hinuntergeschafft haben, beginnt die Befragung durch die Wachen. Ich berichte ihnen meine Sichtweise und die Gäste erklären, was sie gesehen haben. Anschließend muss ich meine Waffe abgeben und auch die Waffen der Gegner werden vom Boden aufgehoben. Nach einer ersten schnellen Prüfung fragt der Wachkommandant:

"Wieso haben Sie überhaupt eine scharfe Waffe dabei?"

"Ich wollte sie meinem Vater zeigen. Übrigens, sehen Sie hier die Schnalle? Die Waffe war damit gewissermaßen verriegelt. Ich hätte sie niemals in der Absicht herausgezogen, sie zu benutzen. Ich habe nur in Notwehr gehandelt, nachdem die Anderen mich mit ihren Waffen in der Hand bedroht haben."

Wieder fragt der Mann die Umstehenden, ob es in ihren Augen wirklich Notwehr gewesen sein kann. Das wird ihm mehrfach bestätigt. Danach ziehen auch die Wachen ab. Meinen Degen bin ich nun aber fürs Erste los.

Anschließend setzt sich die Geburtstagsgesellschaft wieder und der Wirt lässt die Vorsuppe servieren. Im weiteren Verlauf wird es ein schweigsamer Abend. Die Gäste verlassen auch bald den Club.

In den nächsten Tagen habe ich einen Termin bei einem Rechtsanwalt. Ich muss ihm in seinem Büro die ganze Geschichte noch einmal erzählen. Er wird ebenfalls auf Notwehr plädieren und meinen Degen von der Justiz zurückfordern. Das Verfahren zieht sich allerdings über mehr als ein Vierteljahr hin.

*

Während ich auf mein Verfahren warte, bin ich wieder einmal bei meinen Eltern zu Besuch. Mein Neffe ist ebenfalls anwesend. Er ist etwas jünger als ich und soll sich nun um eine Ausbildung kümmern. Zuhause bei seinen Eltern müssen die Emotionen hochgekocht sein, als er davon gesprochen hat, in die gleiche Fechtschule einzutreten, in der ich bin.

An der gedrückten Stimmung zuhause, erkenne ich, dass mein Vater seinem Neffen ebenfalls ins Gewissen geredet hat. Nun flüstert mir Mama beim Betreten der Wohnung zu:

"Bitte, bringe Mirco von seinem Vorhaben ab. Er soll einen normalen Beruf erlernen!"

Ich neige den Kopf und meine:
"Du hast das doch bei mir schon miterlebt: In seinem Alter wollen die Jugendlichen mit dem Kopf durch die Wand. Niemand kann sie von ihrem Entschluss abbringen."

"Versuche es wenigstens!"

Ich nicke ihr beruhigend zu, dann habe ich schon das Wohnzimmer betreten und Papa begrüßt mich mit sorgenvoller Miene. Mirco sieht mich hereinkommen und schaut mir neugierig und erwartungsvoll entgegen.

"Hallo Papa! Hey Mirco! Wie geht es euch?" frage ich zur Begrüßung.

Mama weist mir meinen Platz zu und ich setze mich an den Kaffeetisch. Nun schenkt sie Kaffee aus und serviert jedem ein Stück ihres Kuchens. Danach setzt sie sich hinzu. Ich lächele sie an und lobe sie:

"Der Kuchen schmeckt nach Zuhause, Mama. Vorzüglich wie immer!"

Sie lächelt dankbar zurück und auch Papa entspannt sich etwas. Ein paar Minuten später, ich habe auf Mircos Ansprache gewartet, spreche ich ihn an:

"Und was machst du so, Mirco?"

"Hmm," druckst er herum. "Ich bin ja bald mit der Schule fertig..."

Mich zu ihm umwendend, frage ich:
"Hast du irgendein Hobby, oder magst etwas besonders gerne tun? Ich meine grob die Richtung Technik, Elektronik, Künstliche Intelligenz. Oder interessieren dich eher die wissenschaftlichen Entdeckungen, die das Weltall uns noch bereithält? Magst du nach einem Studium einer Expedition angehören, zum Beispiel zu den Monden Europa oder Ganymed? Was treibt dich so um, Mirco?"

"Hm," macht er noch einmal und fragt mich direkt: "Was machst du denn nach deiner Schulzeit?"

Ich grinse ihn an und erkläre:
"Ich wollte in der Situation, in der du dich jetzt befindest, Sportler werden. Du weißt ja, je besser man wird, desto eher werden Sponsoren auf einen aufmerksam. Dafür tritt man in Werbespots auf und lügt den Leuten das Blaue vom Himmel, damit sie die Produkte des Sponsors kaufen. Gleichzeitig wird man zum gefeierten Idol für die Leute, für Siege im Sport."

"Du hast es geschafft, der Champion von Ishtar City im Fechten zu werden!" hält er mir vor.

"Und was habe ich jetzt davon?" entgegne ich ihm. "Ein paar Leute in den Gängen grüßen freundlich. Kaum einer möchte ein Autogramm. Stattdessen hat der unterlegene Konkurrent seine Niederlage nicht vergessen und trachtet mir nach dem Leben. Ist es da nicht besser, gesünder, gleich eine normale Ausbildung anzustreben?"

"Zu was würdest du mir denn raten, Florian?"

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Montag, 22. August 2022
Aufbruch ins All -28
"Die NASA ist eine staatliche Organisation. Solche Organisationen leiden zumeist unter chronischem Geldmangel. Deshalb haben sie vor 700 Jahren in der Anfangszeit der interplanetaren Raumfahrt kommerzielle Unternehmen, wie SpaceX, mit ins Boot geholt. Diese Unternehmen sind darauf ausgerichtet Gewinn zu machen. Heutzutage wird immer weniger Raketentreibstoff gebraucht.
Nur noch kleine Unternehmen oder reiche Privatpersonen nehmen den Treibstoff ab. Zwar wird er in den Raumschiffen von der Space Ressource Corporation immer noch mitgeführt, um Notraketen zu zünden und damit Rettungskapseln zu starten, aber zunehmend wird auf eine andere Antriebstechnik gesetzt."

Ich mache große Augen. Erstaunt frage ich:
"Womit werden denn die modernsten Raumschiffe angetrieben?"

"Habt ihr im Physik-Unterricht etwas vom Warp-Antrieb gehört?" fragt er lächelnd zurück.

Ich rekapituliere:
"Ein Wissenschaftlerteam hat 2022 in einem Forschungslabor mehr oder weniger zufällig eine Mikro-Warp-Blase erzeugt. Wenn man diese Technik vergrößert, um damit ein Raumschiff anzutreiben, braucht man aber eine riesige Energiemenge..."

"Nun sind 700 Jahre vergangen und die technische Entwicklung ist nicht stehengeblieben! Fusionsreaktoren brauchen heute nicht mehr so viel Raum, haben nicht mehr so viel Gewicht wie vor 700 Jahren, und sind viel leistungsfähiger. Trotzdem kann man mit den heutigen Warp-Antrieben keine Hyperraum-Reisen unternehmen! Sie eignen sich aber für interplanetarische Reisen im Sonnensystem. Ein Flug zur Erde dauert nur noch 7 Tage. Von der Erde zum Mars gelangt man damit in ungefähr 10 Tagen, wenn man das Zeitfenster der Konjunktion zwischen Start und Ziel berücksichtigt.
Also einfach starten und losfliegen, wann man will, geht immer noch nicht. Es sei denn, man nimmt eine Reisezeit von Monaten in Kauf. Will man mit dem neuen Antrieb Ceres oder Vesta erreichen, muss man ebenfalls das günstigste Zeitfenster abwarten und dann mit ungefähr drei Monaten Flugzeit rechnen. So groß sind die Entfernungen im Sonnensystem! Aber gegenüber dem alten Raketenantrieb ist es ein riesiger Fortschritt."

Es entsteht eine Gedankenpause, während der ich über das Gehörte nachdenke. Dann frage ich:

"Also nur in den größeren Raumschiffen, den Personen- und Frachttransportern lohnt sich der Warp-Antrieb?"

"Ja, und die gehören zwei bis drei großen Firmen. Eine davon ist die Space Ressource Corporation. Eine andere ist eine Firma zu deren Anteilseignern einmal die NASA, ESA und andere westliche Raumfahrtorganisationen gehört haben. Die dritte und kleinste der Drei hatte früher Anteilseigner aus der östlichen Hemisphäre der Erde."

"Oh," mache ich. "Die Firmengröße wird hier aber nach Anzahl der Raumfahrzeuge und Nutzlast bemessen?"

Mein Okuden -Meister- Clark McGiven bestätigt, breit lächelnd:

"Ja, genauso ist es. Der Chisei -Person mit Geisteskraft (Zugang zu Reiki - alles durchdringende Lebenskraft-)- Yamamoto-San ist mit einem Verantwortlichen dieser dritten Firma verwandt. Ihr Firmenziel ist die Erkundung des Sonnensystems. Statt mit Teleskopen, wie früher von der Erde aus, fliegen Raumschiffe der Solar Exploration Group durch das Sonnensystem und erkunden mit namhaften Wissenschaftlern vor Ort, was man wissen muss. Diese Informationen werden zentral gesammelt und dienen den Firmen, die auch als Sponsoren der Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- auftreten als wissenschaftliche Grundlage ihrer kommerziellen Geschäfte."

"Ah, eine Hand wäscht die andere, sozusagen: Die SEG verkauft wissenschaftliche Erkenntnisse an Firmen, die dann mit dem erzielten Gewinn die Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- sponsern."

"Du hast es erfasst, Florian. Da gibt es aber noch etwas zu bedenken."

"Was?" frage ich und schaue meinen Meister an.

"Du weißt ja inzwischen, dass Chisei Yamamoto-San Buddhist ist und wir alle seinen Lebensregeln folgen, weil sie den Menschen guttun. Vor über 2500 Jahren hat sich eine Anzahl spiritueller Lehrer des Buddhismus von Buddhas Pfad abgewandt und Habgier und Egoismus gepredigt. Sie haben zwei benachbarte Königreiche auf dem indischen Subkontinent gegeneinandergehetzt, um davon zu profitieren. Sie wurden von anderen spirituellen Lehrern besiegt, die dem rechten Pfad Buddhas gefolgt sind.
Dann hat sich vor über 1000 Jahren auf der westlichen Hemisphäre der Erde der Kapitalismus entwickelt. Bis heute hat sich daran kaum etwas geändert. Vor etwa 200 Jahren entwickelte ein buddhistischer Mönch wieder die Lehre vom Egoismus und Habgier. Er gewann Schüler. Sein Kreis erweiterte sich in die westliche Hemisphäre hinein, wo er auf fruchtbaren Boden fiel. Die Führungsebene der heutigen Space Ressource Corporation ist dieser Irrlehre komplett verfallen.
Übrigens: Auch die SRC sponsort eine Fechtschule in Ishtar City!"

"Hm," mache ich und schaue Meister Clark skeptisch an. "Das ist doch nicht etwa die Fechtschule, deren Champion ich beim Turnier besiegt habe?"

Mein Master nickt mit ernstem Gesicht und sagt:
"Diese schlimme Philosophie, die keine Rücksicht auf Menschen und die Natur nimmt, ist inzwischen auch hier angekommen!"

"Was ist denn daran so verführerisch?" frage ich.

"Dort heißt es erstens: Kümmere dich um Deine Stärke, denn Stärke ist Macht. Die Schwachen verdienen ihr Schicksal. Sie brauchen Dich nicht!
Zweitens: Lebe mit Leidenschaft, denn so erringst du Siege. Lass' dich dabei vom Zorn leiten, denn Zorn erzeugt Aggressivität.
Drittens: Stelle deinen Feinden Fragen nach ihrer Stärke, ihrer größten Angst und was sie sehr schätzen. Damit erhältst du die Informationen, wie du deine Feinde schlagen kannst.
Und Viertens: Zum Schluss frage sie, worum sie dich am Meisten bitten, so wirst du wissen, wie du sie auf ewig unterdrücken kannst."

Meine Augen werden immer größer. Ich vergleiche sie mit Chisei Yamamoto-Sans Merksätzen, die da heißen:
Erstens: Strebe nach dem Frieden, ohne auf deine Gefühle zu achten.
Zweitens: Strebe nach Wissen. Überwinde die Unwissenheit.
Drittens: Strebe nach Gelassenheit. Überwinde die Leidenschaft.
Viertens: Strebe nach Harmonie. Überwinde das Chaos.
Fünftens: Strebe nach der Lebenskraft, so überwindest du den Tod.

Nachdem ich beide Richtungen verglichen habe, sage ich mit Überzeugung in der Stimme:

"Unsere Lebensphilosophie ist eindeutig die bessere! Wir raffen keinen Reichtum und gehen dafür nicht über Leichen."

"Genauso sehen wir Okuden -Meister- und die Chisei das auch, Florian. Daher bekämpfen wir deren Philosophie, wo wir können. Allerdings, getreu unserem Prinzip der Gelassenheit, lassen wir die anderen gewähren. Jede Überzeugung hat ihr Lebensrecht. Nur wenn wir denken, da ist jemand, der unsere Hilfe braucht, weil der Gegner an deren Besitz will, werden wir aktiv.
Das Gegeneinander antreten im Turnier ist nur ein gegenseitiges Abchecken. Ich denke, die Gegenseite weiß nun was sie von dir zu halten hat, denn auch dort gibt es Leute, die Verbindung zu Reiki -alles durchdringende Lebenskraft- bekommen und verstehen sie einzusetzen. Du weißt ja, Reiki selbst ist weder gut noch böse. Es kommt immer darauf an, was man mit ihr macht."

Wieder verharre ich eine Zeitlang in Gedanken. Dann frage ich, obwohl ich die Antwort schon zu kennen glaube:

"Deshalb nehme ich nicht mehr an Turnieren teil? Ich trainiere nur noch, um in Form zu bleiben und um der großen Konfrontation gewachsen zu sein, die zu einem noch unbekannten Zeitpunkt auf mich zukommt?"

Meister Clark nickt. Mit ernster Stimme antwortet er:
"Du hast es erfasst, Florian."

*

Mein Vater feiert einen runden Geburtstag. Neben der Verwandtschaft bin natürlich auch ich eingeladen. Es werden dann wohl insgesamt 25 Gäste kommen. Darum hat mein Vater dafür den kleinen Saal über dem 'Starlight Club' angemietet und mit dem Chef ein 3-Gänge-Menü besprochen, sowie Kaffee und Kuchen vorab. Seinen Gästen hat er eine wunderschön gestaltete Email geschickt, in der von Beginn gegen 16 Uhr und Ende voraussichtlich gegen 23 Uhr die Rede ist.

Am Tag der Feier darf ich die Schule verlassen, soll aber meine Kleidung anziehen, die ich in der Schule trage - und einen echten Degen in einer Scheide an meinen Gürtel hängen. Ein Band über dem Griff verhindert das unabsichtliche Herausziehen der scharfen Waffe. Er hat eine scharfe metallene Klinge von 90 Zentimeter Länge und gleicht damit dem Sportdegen, nur dass dieser keine scharfen Kanten hat.

"Geh nur," beruhigt mich Meister Clark. "Ich werde in meinem Zimmer meditieren und über dich wachen."

Ich denke mir, mein Turnierdegen mit Glasfiberklinge, die einen Treffer anzeigen kann, hätte als Demonstration für unbedarfte Zivilisten sicher ausgereicht. Bestimmt werde ich von den anderen Gästen auf das Turnier angesprochen und auch gefragt, warum ich danach nicht mehr angetreten bin. Naja, ich werde halt sagen, dass ich nach dem Gewinn kein weiteres Turnier mehr gebraucht habe, um mich zu beweisen. Anders wäre es wohl gewesen, wenn ich mich von Turnier zu Turnier in die Spitze hocharbeiten hätte müssen. Da hätte mir mein Ehrgeiz sicher gesagt, dass ich es wieder und wieder versuchen muss.

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Freitag, 19. August 2022
Aufbruch ins All -27
Sie macht glücklich lächelnd den Eingang frei. Ich betrete lächelnd die Wohnung und bekomme nur ein "Hallo, Mama." heraus. Mama schließt mich in ihre Arme. Papa kommt aus einer seitlichen Zimmertür. Auch er sieht froh aus. Er legt mir seine Hände auf die Schultern und meint:

"Lass dich einmal anschauen, mein Junge. Gut siehst du aus! Komm in den Livingroom."

Er dreht sich um und zieht mich mit der Hand an meinem Unterarm in das Zimmer, während Mama die Wohnungstür schließt. Dort setzen wir uns um den Coffee-Table und Papa fordert mich auf:

"So! Nun erzähle mal!"

Mama kommt hinzu und schenkt uns Tee aus. Ich zucke mit den Schultern und meine:

"Mister Yamamoto, der Schulleiter entstammt der japanischen Ethnie in den USA. Er kommt also von der Erde und hat hier vor etwas über zehn Jahren seine Fenshingu no gakkoh gegründet. Übersetzt heißt das 'Schule der Fechtkunst'. Anders als in meinem früheren Fechtverein, lehrt er nebenbei auch eine waffenlose japanische Selbstverteidigungstechnik und zeigt uns eine Meditationstechnik, mit der wir uns wunderbar auf Wettkämpfe vorbereiten können.
Wir beginnen die Schule als 'Shoden'. Das heißt Anfänger. Und in meinem Kurs sind etwa ein Dutzend Anfänger gewesen. Sicher war das bei anderen Lehrern ähnlich. Nach einem halben Jahr sind wir zu einer Feier zusammengekommen. Dabei wurden einige Mitglieder der Schule höhergestuft. Auch mich hat man vom Shoden zum 'Chuhden' befördert. Das heißt Fortgeschrittener. Sicher ist das daher gekommen, weil ich schon seit zehn Jahren fechte.
Aber auch Mitglieder mit höheren Rängen sind an dem Tag aufgestuft worden. Zum Beispiel wurden drei der bisher 'Fortgeschrittenen' zu 'Okuden', also zum Meister befördert. Die Meister in der Schule dürfen sich einen von den Fortgeschrittenen wählen, dem sie Einzelunterricht geben wollen. So ist es mir passiert. Einer der neu beförderten Meister hat mich nach der Feier besucht und gefragt, ob ich sein Schüler werden möchte. Ich habe neugierig 'Ja' gesagt.
Nun bekam ich Einzelunterricht. Das ist anstrengender gewesen, als vorher in der Gruppe, war aber gut!"

"Stimmt! Es hat dich befähigt, diese Woche das Turnier zu gewinnen!" pflichtet mir mein Vater bei.

Ich schaue ihn lächelnd an und wende meinen Blick Mama zu, die mir stolz über den Rand ihrer Teetasse zulächelt.

"Ja, das war eine wunderbare Erfahrung! Mein Gegner aus der Fechtschule eines Mannes aus der irdischen Region Brasilien ist kein leichter Gegner gewesen!"

"Wir haben das Turnier verfolgt und als wir dich teilnehmen gesehen haben, haben wir dir natürlich alle Daumen gedrückt!"

"Danke!" antworte ich höflich lächelnd.

"Der Endkampf hatte es aber in sich," meint Papa. "Wir haben richtig mitgefiebert und am Schluss gejubelt! Hast du schon einen Werbevertrag mit einer finanzstarken Firma?"

"Wie ich hörte, hat mein Gegner einen Vertrag mit 'Space Ressource Corporation' gemacht. Über die Konditionen weiß ich nichts. Die Philosophie des Gründers unserer Schule ist, dass wir uns nicht hervortun sollen. Wir bekommen Kost und Logis von der Schule. Die Schule selbst wird von mehreren kleinen Firmen gesponsert. Spenden von Privatleuten sind auch gerne gesehen. Aber niemand von uns nimmt einen Sponsor-Vertrag an. Mister Yamamoto sagt, wir sollen uns von niemandem abhängig machen."

"Aber ist dann die Schule als Ganzes nicht abhängig von den Sponsoren?" fragt Papa mit einer steilen Falte auf der Stirn.

"Ich kenne die Sponsoren nicht, aber sie sollen breit gestreut sein, so dass wir immer einer anderen Firma auf die Füße treten würden, wenn wir für die Produkte irgendeiner Firma gezielt Werbung machen. Hier gilt das Gleichbehandlungs-Prinzip. Also dann lieber keine Werbung."

"Aber was haben die Firmen dann von ihrem Sponsoring? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie keine Gegenleistung erwarten!"

"Ich kann es dir nicht sagen. Das ist eine Frage, die man einem der Gründungsmitglieder der Schule stellen müsste. - Aber wenn dir danach ist, kannst du gerne spenden," meine ich augenzwinkernd.

Mama ist während der Diskussion aufgestanden und kümmert sich in der Küche um unser Mittagessen. Kochen brauchen wir heutzutage ja nicht mehr. Das erledigt eine Multi-Küchenmaschine. Dennoch muss man von Zeit zu Zeit nachschauen und eine Einstellung vornehmen.

"Wie stellst du dir deine Zukunft vor?" fragt Papa jetzt.

Ich zucke leicht mit den Schultern.
"Den Status quo möchte ich gerne beibehalten. Also ich erhalte von der Schule, was ich zum Leben brauche, wie alle anderen auch. Ich nehme an Turnieren teil und entwickele mich so weiter. Vielleicht werde ich einmal selbst Meister und bilde einen Schüler aus."

"Bei deinem Können wird es sicher irgendwann dazu kommen!" ist Papa sich sicher. "Und - weißt du: Niemand muss sein ganzes Leben lang ein selbstloser Held sein. Es reicht aus, in seiner Organisation, Verein oder Firma aufzusteigen, und danach ein ganz normales Leben führen. Seinem Hobby nachgehen oder sich ein ruhiges Hobby zulegen!"

Mama ist hinzugekommen und serviert uns den ersten Gang. Sie setzt sich zu uns und meint:

"Du weißt, wir werden dich immer unterstützen!"

Ich hebe den Blick und lächele sie an.
"Danke!"

*

Zurück in der Schule reduziert Meister Clark mein Training auf zweimal pro Woche, damit ich in der Übung bleibe. Dazwischen erhalte ich so etwas wie Geschichtsunterricht. Es geht um den Aufbruch des Menschen ins Weltall.

Die US-amerikanische 'National Aeronautics and Space Association' arbeitet mit einer Reihe von Universitäten und Forschungslaboren zusammen. Deren Erkenntnisse verkauft sie an kommerzielle Firmen, die damit Antriebe entwickeln und Raumfahrzeuge bauen.

So ist die Mars Ressource Corporation entstanden, die maßgeblich an der Kolonisation des Mars beteiligt gewesen ist. Gut zweihundert Jahre später hat sich der Mars emanzipiert und ihre Ressourcen als ihr Eigentum bezeichnet. Die Mars Ressource Corporation muss seitdem für den Abbau bezahlen.

Das hat zur Folge gehabt, dass sich die Firma anderweitig umgesehen und die Asteroiden Ceres und Vesta zugesprochen bekommen hat. Seitdem nennt sich die Bergbaufirma Space Ressource Corporation. Sie hat sich vom Mars zurückgezogen, der seitdem seine Raumfahrt vernachlässigt hat.

Die Venuskolonisation ist langsamer verlaufen. 'Schuld' daran ist, dass sich die NASA selbst darum bemüht hat. Zuerst hat sie eine dauerhaft bewohnte wissenschaftliche Station im Orbit geschaffen. Danach wurde Ishtar City gegründet. Es ist eine in 55 Kilometer Höhe über dem Boden der Venus schwebende Wolkenstadt. Sie befindet sich auf dem 60. Breitengrad über einer Kontinentalplatte, die von den Wissenschaftlern Ishtar Terra genannt wird. Dieses 'Ishtarland' hat ungefähr die Größe von Australien. Daher kommt der Name der Wolkenstadt.

Außer der bewohnten Ishtar City schweben in der Venusatmosphäre noch einige unbewohnte Produktionsplattformen, in denen aus den Atmosphärengasen Raketentreibstoffe hergestellt werden. Sie funktionieren vollautomatisch KI-gesteuert und werden von Zeit zu Zeit von unseren Luftschiffen zur Überprüfung und Reparatur angesteuert.

Sind die Tanks mit Raketentreibstoff voll, werden sie in die Umlaufbahn geschossen und von der Orbitalstation aus eingesammelt. Von dort werden sie zum Erdmond gebracht. Im dortigen Raumflughafen kann jeder sein Raumfahrzeug auftanken.

"Also kann uns das Schicksal der Marsianer nicht passieren?" frage ich meinen Meister.

"Dass wir unter die Vorherrschaft der Space Ressource Corporation geraten, meinst du?" fragt er zurück.

Ich nicke und schaue ihn erwartungsvoll an. Master Clark runzelt die Stirn und meint geheimnisvoll:

"Wollen wir es hoffen."

"Wie meinst du das?" frage ich nun.

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