Sonntag, 20. November 2022
Aufbruch ins All -58
"Das ist alles Gold, das wir besitzen," versichert Master al Tajir dem Schamanen.

Nun führt er uns zu einer Feuerstelle, flankiert von den anderen Indianern mit ihren Speeren. Wir dürfen uns ans Feuer setzen und etwas essen. In der Abenddämmerung kommen die jungen Männer des Dorfes und bringen gejagte Tiere. Kurz darauf hören wir Fluggerät über unseren Köpfen. Der Raumhafen hat die Behörden in der Region Brasilien, Guyana und Venezuela alarmiert.

Nun sucht man die Absturzstelle und wird dann Überlebende und die Blackbox suchen. Sie werden dem Raumhafen die Explosion melden und dass wohl niemand überlebt hat. Nun wird man untersuchen, wieso die Versorgungsrakete der SRC in unsere Flugbahn geraten ist. Wir bleiben drei Tage bei den Indianern und verlassen sie dann mit einem Kanu über den Fluss, den wir kurz vor der Explosion gefunden haben.

Wir entfernen uns paddelnd einen ganzen Tag und übernachten im Kanu. Am nächsten Tag hören wir ein Fluggerät, dass wir eindeutig als eines aus dem Hangar des Jinja identifizieren. Es landet in der Nähe auf einem Strand des Flusses. Ein Mann entsteigt dem Fluggerät und kommt breit lächelnd auf uns zu. Wir paddeln ans Ufer und steigen aus dem Kanu, während der andere Okuden -Meister- das Boot festhält. Danach nehmen wir die Raketen-Rucksäcke aus dem Boot und tragen sie zu dem Fluggerät. Wir steigen ein und der Pilot fliegt weiter zur Absturzstelle.

"Selbstzerstörung?" fragt er.

Okuden Dayak nickt lächelnd. Die Space Ressource Corporation soll nichts entdecken, woraus sie Schlüsse ziehen kann. Wir fliegen zum Jinja zurück, den wir in acht Stunden erreichen. Wir erhalten Zimmer und können erst einmal ausruhen. Später erfahre ich, dass Master Dayak al Tajir zuerst zum Rat der Chisei gegangen ist. Dort erfährt er, was wir schon angenommen haben. Der Unfall ist ein Anschlag gewesen.

*

Wir landen auf der obersten Plattform des Jinja. Der Boden, auf dem wir aufgesetzt haben, versinkt langsam im Gebäude. Über uns wird die Öffnung von einer Platte verschlossen und wir steigen aus.

"Ich soll Ihnen ihre Quartiere zuweisen," informiert uns der Pilot.

Wir fahren einige Stockwerke tiefer und beziehen dort zwei nebeneinanderliegende Zimmer. Ich biete Mirco an, sich erst einmal auszuschlafen, vielleicht auch mittels Meditation die Ruhe und Gelassenheit wiederzufinden. Danach folge ich dem Okuden -Meister- zu Saikou Chisei Fujiwara-Sensei.

Mich fasziniert dieser Teil des Jinja -Schrein- immer wieder. Man gewinnt den Eindruck, als befände man sich in einem orientalischen Palast. Viele Rundbögen und Kuppeldecken erwecken den Eindruck. Große Fenster lassen Licht herein und es scheint, als ob die Vegetation von draußen hereindrängen will. Im Besprechungsraum befinden sich bei meinem Eintritt etwa zwei Dutzend Chisei. Fujiwara-Sensei begrüßt mich, freundlich lächelnd:

"Aisatsu -Seien Sie gegrüßt-, Al-Tajir-San. Ich bedauere die Umstände ihrer Landung. Wir haben Sie zwar über Funk angewiesen, direkt auf dem Raumhafen zu landen, statt wie üblich über die Moonbase und den Orbiter, weil wir Zeit sparen wollten - aber, dass die Gegenseite zu solchen Mitteln greift, haben wir nicht erwartet. Wir werden deren Philosophie in die KI eingeben, um unsere zukünftigen Entscheidungen vorher überprüfen zu können."

In die Gedankenpause hinein, pflichte ich Fujiwara-Sensei bei:

"Salam! Das ist ein guter Gedanke!"

"Warum haben wir Sie zur Erde zurückbeordert?" kommt Fujiwara-Sensei auf unser Thema zu sprechen. "Chisei Myers Gegner beim Fechtturnier auf dem Mars ist zur Erde gekommen. Ihn dürstet nach Rache. Er hat auf der Venus erfahren, dass Chisei Myers zur Erde geflogen ist. Wir haben von seinen Aktivitäten erfahren, als der Mensch sich in der Ringerschule nach Chisei Myers erkundigt hat, in der dieser einen Ringerkurs absolviert hat, vor seinem Abflug zum Mars."

"Sie meinen also, wir müssen Chisei Myers warnen?"

Der Saikou Chisei nickt und lächelt.

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Donnerstag, 17. November 2022
Aufbruch ins All -57
"Delta-8a, du wirst eine selbständige Notlandung durchführen! Das Ziel ist nicht mehr der Raumhafen. Bring uns irgendwo herunter. Sende den Film vom Start und der Annäherung der Versorgungsrakete an die Flight Control und zum Jinja. Sende ebenso ein Peilsignal auf der Notfrequenz."

"Zu Befehl, Kommandant."

Nun wende ich mich zu Master al Tajir. Da ich sehe, dass er in Meditation versinkt, halte ich mich mit Fragen zurück. Der Raumhafen wandert aus dem Frontbildschirm. Bald kann ich die Atlantikküste unter uns erkennen. Etwa eine halbe Stunde später haben wir die Wasserwüste unter uns überflogen. Wir sind laut der Kontrollen noch etwa 1500 Stundenkilometer schnell, als sich unter uns die grüne Hölle des Amazonasbeckens auszubreiten beginnt.

Bald reißen wir eine Schneise der Verwüstung in die Vegetation. Als die Delta-8a zur Ruhe kommt, wacht Master Dayak aus der Meditation auf. Er schaut mich an und fordert mich mit ernstem Gesicht auf:

"Wir müssen hier raus! Schnalle dir deinen Raketen-Rucksack auf den Rücken!"

"Sind die nicht für den Weltraum gedacht?" frage ich zurück und ziehe eine verständnislose Miene.

Okuden al Tajir nickt und antwortet, während wir zu den Fächern gehen, hinter denen sich die Rucksäcke befinden:

"Eigentlich ja! Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen!"

Wir ziehen die Raketen-Rucksäcke über und gehen zur Not-Tür. Okuden Dayak drückt einen Knopf. Die Tür wird abgesprengt.

"Nimm zwei Schritte Abstand!" empfiehlt er mir, bevor er die Raketen startet und aus der Tür nach draußen schwebt.

Draußen dreht er in der Luft und ich höre seine Stimme in meinem Helm:

"Jetzt du, Mirko!"

Also starte ich meinen Raketen-Rucksack und fliege auf Master Dayak zu. Dieser dreht um und fliegt davon. Ich beeile mich, hinter ihm her zu kommen. Nach der Information auf der Helmbrille haben wir 10 Kilometer zurückgelegt, als Master Dayak al Tajir zur Landung ansetzt. Ich lande neben ihm auf ein paar Quadratmetern kniehoher Vegetation in einer Biegung eines Wasserlaufes. Ich höre Okuden Dayak sprechen und Delta-8a antworten:

"Delta-8a, sind die Bestätigungen vom Jinja -Schrein- und der Flight-Control hereingekommen?"

"Ja, Kommandant!"

"Leite die Selbstzerstörung ein, Delta-8a. Jetzt!"

Eine Sekunde darauf wird es mir warm. Master al Tajir ist wieder gestartet. Infolge des Feuerballs der Explosion im Rücken, hebe ich ebenfalls ab und folge meinem Okuden -Meister-. Wir fliegen weitere 30 Kilometer, als Master Dayak wieder landet. Er manövriert zwischen mehreren Urwaldriesen hindurch. Bald sind wir durch das Laub hindurch und landen auf Feldern. Ein paar Frauen, die auf den Feldern gearbeitet haben laufen verängstigt in verschiedenen Richtungen davon.

Sie haben glattes schwarzes Haar, braune Haut und sind nur mit bunten Schnüren bekleidet. Ihre nackte Haut haben sie mit Mustern in roter Farbe bedeckt. Wir gehen langsam aus den Feldern heraus und erkennen bald einen Palisadenzaun, der sich nach rechts und links ausdehnt. An der Palisade aus dünnen Stämmen, die man in den Boden gerammt hat, ist ein Pultdach befestigt, dass zwei Meter vor der Palisade von dünnen Stöcken gehalten wird. Alle ungefähr vier Meter gibt es eine Feuerstelle unter dem Pultdach, an dem Frauen sitzen.

Wir werden schnell von einer Vielzahl Kinder umringt, die alles neugierig anfassen. Als ein Kind sich die Finger an einer Düse des Raketen-Rucksacks verbrennt und aufschreit, werden wir von einigen älteren Männern umringt. Sie bedrohen uns mit Speeren und einer fragt:

"Quem é você -Wer seid ihr-?"

"Does anyone speak english?" fragt mein Master.

Einer der älteren Männer stellt sich nun vor:
"I?m the Shaman of this Village. Who are you?"

"You are Yanomami. We are spacemen. Our great bird is broken thirty Kilometers from here. You may going there and look," stellt Okuden Dayak uns vor und weist in die Richtung, aus der wir gekommen sind.

"Ah," macht der Mann und fragt nun: "Was wollt ihr bei uns?"

"Wenn wir hier willkommen sind, würden wir gerne ein paar Tage bleiben wollen. Die Weißen werden die Absturzstelle untersuchen kommen und dann wieder abfliegen. Wenn sie weg sind, würden wir euch ebenfalls verlassen, damit ihr euch nicht über Gebühr gestört fühlt. Damit sich niemand zu sehr für euch interessiert, wäre es schön, wenn wir ein Kanu bekämen, um euch verlassen zu können, ohne die Raketen-Rucksäcke zu benutzen."

"Könnt ihr das bezahlen?" fragt der Schamane der Indigenen.

"Hm," macht Okuden -Meister- Dayak al Tajir und gräbt in einer Oberschenkeltasche. Er fördert einen unförmigen gelb-glänzenden Klumpen zutage, hält ihn dem Mann hin und fragt: "Wäre damit unser Aufenthalt und die Abreise in ein paar Tagen bezahlt?"

Okuden Dayak übergibt den Gold-Nugget an den Schamanen. Dieser nickt und bestätigt:

"Okay, das dürfte reichen."

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Montag, 14. November 2022
Aufbruch ins All -56
Ich, Chisei Myers, erinnere mich an unsere Vereinbarung mit Frau Ndluvo vom Präsidialamt hier in Olympia. Bevor wir beginnen durften, habe ich ihr versichert, dass wir sie unterrichten würden, wenn sich die Gegenseite wieder auf dem Mars zeigt. Nun sind wir in den Vorwettkämpfen auf dem ganzen Planeten herumgekommen und haben das Ringerturnier in Olympia initiiert, ohne etwas von der Space Ressource Corporation zu spüren. Sie ist auch nicht hinter Aktivitäten irgendwelcher 'Strohfirmen' zu erkennen gewesen.

Das ist sicher für den Moment ein positives Zeichen. Eigentlich könnten wir uns also still verhalten und weiterhin aus der Deckung der 'Ringer Schule Olympia' heraus beobachten. Aber ich will mich trotzdem mit meiner Kontaktperson im 'Amt' treffen, um ihr zu signalisieren, dass wir die 'Augen' offenhalten.

Also telefoniere ich mit dem 'Amt' und lasse mir einen Gesprächstermin bei Frau Ndluvo vermitteln. Zu dem Termin fahre ich schließlich mit einem Cab hin. Die Concierge bittet mich wie üblich im Foyer zu warten. Bald nach ihrem Anruf begrüßt mich die Ordonanz Frau Amahle und bringt mich zu meiner Gesprächspartnerin. Frau Ndluvo begrüßt mich herzlich und fragt mit umwölkter Stirn, ob ich schlechte Nachrichten bringe. Wir haben uns inzwischen an den Besprechungstisch gesetzt.

Ich schüttele lächelnd den Kopf und erkläre ihr:
"Wir waren während der Vorausscheidungswettbewerbe über den gesamten Planeten unterwegs. Nirgends haben wir Anzeichen verwerflicher Aktivitäten gespürt. Auch beim abschließenden Ringerturnier hier in Olympia war nichts zu erspüren. Ich kann Ihnen daher berichten, dass die Space Ressource Corporation für den Moment keinen Fuß auf den Planeten setzt.
Wir wollen trotzdem weiter wachsam bleiben und auch bei den Laufwettbewerben dabei sein, bei denen es immer wieder zu Bodychecks kommt. Damit wir nichts auslassen, verstehen Sie?"

Frau Ndluvo nickt mir zu.

"Das halte ich für sehr vernünftig," pflichtet sie mir bei.

Dann kommt sie auf unsere Organisation zu sprechen. Sie erklärt mir:

"Wir haben uns in der letzten Zeit über Ihre Organisation informiert. Es ist immer gut, sich aus verschiedenen Quellen über bisher Unbekanntes ins Bild setzen zu lassen."

Ich werde aufmerksam. Sie redet lächelnd weiter:

"Ihre Organisation O-Chisei hat sich auf der Erde gegründet und unterhält dort einen großen Stützpunkt, den sie 'Jinja' nennen. Von dort sind Mitglieder zur Venus aufgebrochen und haben die 'Schule der Fechtkunst' gegründet. Sie haben ihr Turnier gewonnen und sind Master geworden. Dann hat man Sie hierher gesandt, um auf dem Mars etwas ähnliches zu gründen.
Steckt wirklich nur der Kampf gegen die Space Ressource Corporation dahinter, oder wollen Sie Spionage betreiben?"

Nun ist es an mir, meine Stirn in Falten zu legen und meine Gesprächspartnerin ernst anzuschauen.

"Ein Spion muss in gewissen Abständen mit seinem Auftraggeber in Kontakt treten, denn er will gesammelte Daten weitergeben. Haben Sie jemals bemerkt, dass die Ringer Schule Olympia oder einer ihrer Mitglieder einen Funkspruch in den Weltraum abgesetzt hat, oder eine Rakete gestartet hätte mit einer Box voller Schriftstücke, die ein Raumschiff im Orbit eingesammelt hätte?"

Frau Ndluvo schaut mich stumm an.

"Nein!" rede ich weiter. "Wir sind loyal dem Mars verpflichtet. Ich halte mich an meine Vereinbarung und spreche in regelmäßigen Abständen mit Ihnen - gerne auch außerplanmäßig, sobald wir etwas entdecken!"

Es entsteht eine Gedankenpause.

"Dieser Sportler, dessen Sponsor Mister Armstrong ist, der durch ein Bodycheck so schwer verletzt wurde, dass er seine Karriere als Läufer aufgeben musste... Diesen Sportler haben wir zum Champion der Ringerturniers gemacht. Nun spricht wieder die ganze Welt von ihm," werfe ich ein.

Auch ihn hat sie uns damals vor Gründung der Schule ans Herz gelegt.

"Außerdem," fahre ich fort. "Ich bin ein White. Über kurz oder lang werde ich wegen der harten Strahlung an Krebs erkranken und sterben. Dann ist die Schule ganz in marsianischer Hand. Das ist mir bewusst und darauf arbeite ich hin!"

"Sie werden die Schule also irgendwann in marsianische Hände legen?" will sich Frau Ndluvo noch einmal vergewissern.

"Aber ja!" bekräftige ich.

"Okay," meint sie. "Ich sehe, Sie meinen es ehrlich."

*

Master Dayak al Tajir hat Saikou Chisei -oberster 'Mann mit Geisteskraft'- Fujiwara-Sensei - Lehrer Fujiwara- in unserem Jinja -Schrein- unser Eintreffen angemeldet. Er hat uns gleichzeitig der Flight Control des Raumhafens gemeldet und ihm wurde ein Landefeld etwas abseits der Start- und Landebahn des Nurflüglers zugewiesen.

Mein Pilot Master al Tajir zündet die Bremstriebwerke und wir tauchen in die Atmosphäre ein. Plötzlich geht ein Schlag durch die Delta-8a, der mich in die Gurte presst. Im gleichen Moment schrillt der Bordalarm und die synthetische Stimme der Bord-KI erklärt emotionslos:

"Das Heck wurde abgerissen und der Fusionsreaktor abgetrennt. Schalte auf Notstrom um."

"Delta-8a, was hat uns getroffen?"

"Eine Versorgungsrakete der Space Ressource Corporation. Ihr Raumschiff verharrt noch in der Position, die die Rakete erreichen sollte."

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