Dienstag, 29. November 2022
Aufbruch ins All -61
"Was machen wir in den vier Wochen bis zum Mars?" fragt Mirco nach einer Weile.

"Deine Instrumente zur Planetenerkundung an Bord dürften die gleichen sein, wie in der 8a, denke ich. Schau sie dir an und prüfe die Funktionalität. Ich werde mir die Bedienungsanleitungen zu Gemüte führen und schauen, welche Änderungen man beim Bau gemacht hat. Die restliche Zeit stöbern wir im Video-Archiv und schauen uns irgendwelche Movies an."

"Okay," meint Mirco nun. "Wir sind also die meiste Zeit außerhalb der Pilotenkanzel und lassen uns fliegen, als wären wir Passagiere."

Ich muss grinsen und antworte ihm:
"Behagt dir das nicht? Fühlst du dich der Technik ausgeliefert?"

"Nein," meint Mirco und schaut mich zweifelnd an. "Oder doch? Da sitzt im Hinterkopf immer noch ein Gefühl der Machtlosigkeit, des Ausgeliefertseins, wie du es treffend beschrieben hast."

"Wir haben doch schon Monate in der 8a verbracht!" erinnere ich ihn. "Das war doch dasselbe. Du solltest dich zurückziehen und meditieren, um gelassener zu werden, Mirco."

Er nickt ergeben, allerdings mit gekräuselter Stirn.

Ein Fernaufklärer ist darauf ausgelegt, wochen- und monatelang von jeder menschlichen Ansiedlung entfernt zu operieren. Also wird es so etwas wie eine Wohnung an Bord geben. Vielleicht ist die in der 8b etwas komfortabler ausgefallen...

"Delta-8b!" sage ich nun.

"Kommandant?" kommt es aus den Lautsprechern zurück.

"Du wirst jedem Hindernis ausweichen! Berechne dazu die Bahnen der Körper um uns herum. Trotzdem wirst du mich vor jedem Ausweichmanöver benachrichtigen!" fordere ich die Mensch-Maschine-Schnittstelle unseres Raumschiffes auf.

"Wird erledigt!" antwortet die Stimme.

Jetzt schnalle ich mich los und erhebe mich aus dem Kontursessel. Mich zu Mirco umdrehend, meine ich lächelnd:

"Okay, dann! Wir erkunden unser Raumschiff."

Wir verlassen die Pilotenkanzel über die Leiter und stehen in dem Raum, wo wir unser Gepäck zurückgelassen haben. Wir nehmen unsere Koffer aus den abschließbaren Fächern - ganz so, wie bei der Delta-8a auch. Hier befinden sich die Liegen mit unseren Raumanzügen in zwei Wandnischen übereinander. Unsere Raketen-Rucksäcke befinden sich auch hier und die Not-Tür, durch die wir die Delta-8b verlassen könnten.

Nun müssen wir eine hermetisch verschließbare Tür durchschreiten. Damit ist dieser vordere Teil des Raumschiffes quasi eine Schleuse. Hinter der Tür liegt unser Wohnraum. Ein großer Bildschirm an einer Wand zeigt den umgebenden Weltraum. Wir haben einen Tisch und vier Schalensessel, die drehbar sind und deren Fuß im Kabinenboden verankert ist. In der gegenüberliegenden Wand befinden sich Fächer für alle möglichen Wohn-Utensilien. Dazwischen und im hinteren Bereich liegen weitere Türen.

Durch die Tür in der Seitenwand kommen wir in eine schmale Kombüse, ähnlich der auf der Delta-8a. Die zwei Türen im hinteren Bereich führen in zwei Schlafräume, zwischen denen sich zwei Sanitärzellen befinden, von denen je eine von einem Schlafraum durch eine weitere Tür betreten werden kann.

"Okay," meint Mirco. "Wir sind nur zu Zweit. Also hätte hier jeder von uns sein eigenes Schlafzimmer."

"Gut," antworte ich und nicke. "Das können wir gerne so regeln."

"Aber wo sind jetzt meine Instrumente?"

Er schaut mich mit fragendem Gesichtsausdruck an.

Ich lächele ihn an und meine:
"Dazu müssen wir noch einmal zurück. Über uns, und damit hinter der Pilotenkanzel dürfte das Elektronengehirn des Raumschiffes liegen. Ist dir unter der Leiter nach oben nicht eine ovale Umrandung aufgefallen? Drücke einen Knopf in der Wand hinter der Leiter und ein Loch wird sich im Boden öffnen. Es ist groß genug, um uns im Raumanzug hindurch zu lassen, wenn nötig. Dort wirst du eine Leiter nach unten in dein Labor finden."

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Samstag, 26. November 2022
Aufbruch ins All -60
Ich frage einen Automaten, in welchem Hangar eine 'Delta-8a' oder 'Delta-8b' vom Mond kommend festgemacht hat. Daraufhin werde ich aufgefordert, mich auszuweisen. Auch Mirco muss sich ausweisen. Danach gibt der Automat die Information frei und ich lasse mir den Weg dorthin auf meinen Kommunikator überspielen. Nun führt mich mein Handgerät zum richtigen Hangar.

Dort treffen wir einen Mitarbeiter der Solar Exploration Group. Nach der freundlichen Begrüßung erklärt er uns:

"Saikou Chisei Fujiwara-Sensei hat uns darüber informiert, dass Sie unseren neuesten Fernaufklärer fliegen sollen. Die Lunar Ship Systems hat die Pläne nach Ihren Angaben beim letzten Flug generalüberholt. Dadurch ist er ein wenig größer geworden. Ich wünsche Ihnen viel Glück!"

Bevor wir den Hangar betreten können, müssen wir uns wieder bei einem Mitarbeiter der Flugkontrolle ausweisen. Danach durchschreiten wir die sich öffnende Personenschleuse und nähern uns unserem Raumschiff. Es ist ein neues Exemplar Fernaufklärer, das in seiner Form einem stark vergrößerten Pfeilschwanzkrebs ähnelt.

Es steht mit dem Bug in unsere Richtung vor uns und mich beschleicht eine Assoziation, als ob es langsam 'seinen Rachen öffnet und seine Zunge ausfährt'. Als die Rampe den Boden des Hangars berührt, betreten wir sie und gehen ins Innere der Delta-8b. Eine Stimme begrüßt uns, während hinter uns die Rampe hochfährt und sich das Raumfahrzeug schließt. Das kenne ich schon vom Vorgängermodell. Es handelt sich dabei um 'künstliche Intelligenz'. Das Raumschiff kann man seiner Gänze als einen Roboter betrachten, in dem wir uns wie die Bakterien in unserem Darm ausmachen. Die Stimme sagt:

"Hallo, guten Tag. Mein Name ist 'Delta-8b'. Ich werde sie überall dort hinbringen, wohin sie fliegen wollen!"

Die 'Delta-8b' könnte ein Kleinkind fliegen, solange das Raumschiff die richtigen Befehle erhält. Es ist weitgehend sprachgesteuert. Wir klettern in die Pilotenkanzel. Im Gegensatz zur 'Delta-8a' sind unsere Kontursessel hier nebeneinander angeordnet. Dahinter befinden sich zwei Passagiersessel.

Nachdem wir Platz genommen und unsere Helme aufgesetzt haben, sage ich in den Raum:

"Delta-8b! Start vorbereiten!"

Sofort kommt Leben in die Instrumente vor mir. Dann höre ich eine fremde Männerstimme im Helm:

"Identifizierung erfolgreich. Alles Gute Ihnen!"

Das ist die Flight Control des Orbiters gewesen. Das Außentor fährt langsam zur Seite und lässt auf dem Bildschirm, der das Bild der Heckkamera zeigt, die Sterne sehen. Wir werden leicht angehoben und bewegen uns langsam rückwärts aus dem Hangar hinaus.

Nachdem wir draußen sind, schließt sich der Hangar wieder. Die 'Delta-8b' dreht sich um zwei Achsen und zündet nach einer Ankündigung die Hecktriebwerke. Wir entfernen uns allmählich von der Orbitalstation.

Nun fragt die 'Delta-8b':
"Welches Ziel darf ich ansteuern?"

Ich schaue auf die Kontrollen und sehe, dass alle Tanks gefüllt sind. Also frage ich den Automaten:

"Wieviel Zeit brauchen wir aktuell, um eine weite Umlaufbahn um den Mars zu erreichen?"

"Den Mars erreichen wir aktuell in 29 Tagen," gibt der Automat zurück.

Also fordere ich:
"Delta-8b! Bring uns in eine weite Umlaufbahn um den Mars, außerhalb von Phobos und Deimos."

Nun zündet der Fusionsreaktor im hinteren unteren Bereich des Raumfahrzeuges. Die Fenster verdunkeln sich, weil sich Platten aus dem gleichen Material, aus dem die Außenhaut besteht, vor die Fenster schieben. Gleichzeitig wird der Fusionsreaktor im schwanzförmigen Heck hochgefahren. Sobald er die Energie für den Warp-Antrieb bereitstellen kann, schaltet dieser sich ein.

Mit der Energie des Fusionsreaktors baut er hinter dem Raumschiff eine 'Welle' in der Raumzeit auf. Auf dieser Welle 'surft' die Delta und bewegt sich dadurch schneller vorwärts. Wir befinden uns im Raumschiff in einer Art 'Blase' und bemerken von der Art der Fortbewegung nichts, außer dass wir wie beim permanent brennenden Ionenantrieb eine Art 'Gravitation' an Bord haben. Schneller als das Licht sind wir dabei noch nicht. Interstellare Raumfahrt ist uns also noch nicht möglich!

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Mittwoch, 23. November 2022
Aufbruch ins All -59
"Das konnten wir Ihnen nicht per Funk übermitteln, daher haben wir Sie hierher beordert. Fliegen Sie zum Mond und lassen Sie sich eine neue Delta übergeben. Fliegen Sie damit zum Mars und nehmen sie mental zu Chisei Myers Kontakt auf. Anschließend übermitteln Sie ihm die Nachricht mittels des uralten Morsecodes. Sie wissen ja, mit Reiki können Sie Gefühle erspüren. Wenn Sie Kontakt zu Chisei Myers haben, werden sie für Sekunden zornig. Wechseln sie zwischen Zorn und Gelassenheit im Rhythmus der Morsezeichen. Haben Sie ihre Nachricht abgesetzt, verlassen Sie die Umlaufbahn wieder und gehen ihrer Beschäftigung für Meisterin Jade Dubois weiter nach."

"Okay, O-Sensei," antworte ich und verbeuge mich respektvoll.

Danach bin ich entlassen und gehe auf mein Zimmer, um etwas zu schlafen. 'Hüte dich vor Zorn, Furcht und Aggressivität! Sie ergreifen schnell Besitz von dir! Du musst diese Gefühle bekämpfen!' hat man uns hier in unserer Organisation O-Chisei von Beginn an beigebracht. Nun soll ich mich angesichts der Space Ressource Corporation zornig zeigen. Aber nicht, um voll Zorn unüberlegt zu handeln, sondern um zwischen den Gefühlen Gelassenheit und Zorn zu wechseln und so unter Umgehung des Funks eine Nachricht zu übermitteln. Ich bin gespannt, ob das funktioniert.

Am nächsten Morgen checken wir auf dem nahen Raumhafen ein. Zusammen mit etwa fünfzig 'Weltraumtouristen' warten wir anschließend auf den Start unseres Shuttles, das uns zur Orbitalstation bringen soll. Meine Gedanken schweifen ab. Bisher hat es zwischen unserer Organisation und der SRC eine Art Koexistenz gegeben. Der als Unfall getarnte Abschuss unseres Fernaufklärers hat daraus nun eine Art bewaffnete Konkurrenz gemacht. Die Space Ressource Corporation wird sicher niemals einen offenen Kampf versuchen, sondern uns sabotieren, wo sie es können.

Die Verhandlung zum Absturz der Delta-8a wird ihnen eine hohe Summe kosten. Zum einen verlangt die Solar Exploration Group, für die wir vordergründig arbeiten, einen hohen Schadenersatz. Zum anderen wird sich die UNO ein solches Verhalten nicht bieten lassen, dass ein Raumschiff unangemeldet startet und ein anderes gemeldetes Raumschiff mit dieser Aktion vom Himmel holt. Sie wird die SRC mit einer hohen Geldstrafe belegen. Ich denke mal, dass die Space Ressource Corporation die Gesamtsumme aus ihrer 'Portokasse' zahlen kann.

Endlich dürfen wir unsere Plätze in dem 'Nurflügler' einnehmen. Nachdem alle Passagiere und die Flugbegleiter angeschnallt sind, startet das dreieckige Shuttle. Seine Triebwerke zünden und im gleichen Moment läuft ein Zittern durch den Flugkörper. Man bekommt den Eindruck, als setze sich das Shuttle nur widerwillig in Bewegung.

Einen Sekundenbruchteil später werden wir in die Kontursessel gedrückt. Als das Ende der Startbahn erreicht ist, zieht der Pilot den 'Nurflügler' in einem irren Winkel in den Himmel. Dann kippt er sein Shuttle in die Waagerechte und schraubt uns in kleinem Winkel mit jeder Umdrehung um die Erde höher. Der hellblaue Himmel im Bildschirm vor uns in der Rückenlehne unseres Vordermannes wird immer dunkler und wechselt bald zur Schwärze des Weltraums.

Drei Stunden nach dem Start sehen wir die Orbitalstation vor uns. Zuerst ist sie nur ein kleiner Punkt in der Schwärze des Alls, aber sie wird schnell größer. Das Shuttle steuert einen Hangar an, zündet die Bremstriebwerke und lässt sich schwerelos auf die offene Schleusentür zutreiben, indem er nur noch mit kurzen Gasstößen aus den Steuerdüsen navigiert. Im Hangar wird der Shuttle von einer riesigen Klammer umfasst, dann schließt sich das äußere Schleusentor.
Die Flugbegleiter schnallen sich ab und gehen von Fluggast zu Fluggast, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen, während sie die Gurte lösen. Danach öffnet einer von ihnen eine Tür, indem er an einem Rad inmitten der Tür dreht bis es zischt. Nun lässt sich die Tür nach innen öffnen.

Wir dürfen den Shuttle verlassen und gehen auf eine Personen-Schleuse zu. Dahinter steigen wir eine Treppe hinauf und gelangen in den Ankunftsbereich. Hier müssen wir uns wieder einem Medi-Check unterziehen, nachdem wir die Prozedur schon vor dem Start über uns ergehen gelassen haben. An der Gepäckausgabe erhalten wir unser Gepäck, das inzwischen ebenfalls ausgeladen und gecheckt worden ist.

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