Mittwoch, 18. Januar 2023
Aufbruch ins All -77
In diesem Moment hört Mister Da Silva eine Stimme - oder er vernimmt sie nur in seinem Gehirn:

"Freuen Sie sich nicht zu früh! Ich mag vielleicht körperlich besiegt sein, aber ihrem Ziel sind Sie weiter entfernt, denn je!"

Im gleichen Moment hat Saiko Chisei Fujiwara-Sensei eine Vision. Er sitzt zu dieser Zeit in seinem Büro auf der Erde am Schreibtisch, als er eine weitere Wesenheit in seiner Nähe spürt. Jemand sagt:

"Aisatsu -Seien Sie gegrüßt-, Fujiwara-Sensei."

Der Saiko Chisei schaut auf, sieht aber niemanden im Raum. Er grüßt zurück:

"Aisatsu. Anata hadare -Wer sind Sie-?"

"Ich bin Chisei O'Ceallaigh."

"Das kann nicht sein, der ehrenwerte Chisei weilt zurzeit auf der Ceres!"

"Nicht mehr, hochverehrter Saiko Chisei. Es gab 'aggressive Verhandlungen'. Ich wurde getötet und mein Raumschiff auseinander genommen... Mit anderen Worten: Die Verhandlung ist gescheitert. Wir müssen zu anderen Mitteln greifen, um unseren Anteil an den produzierten Treibstoffen zu halten."

Wortlos greift der Saiko Chisei zu seinem Kommunikator und spricht mit unserem Mann von der Lunar Ship Systems in der Mondbasis. Kurz darauf startet ein Raumschiff mit Zielort Venus. Wir blockieren unseren Anteil an den schwebenden Produktionsplattformen und programmieren sie um. Sie beliefern nur noch unsere Frachter. Gleichzeitig geben wir eigene Produktionsplattformen in Auftrag, die wir dann mit unseren Frachtern selbstständig anfliegen.

"Habt Dank, Chisei O'Ceallaigh-San."

Am Abend des Tages zieht sich Saiko Chisei Fujiwara-Sensei in seinen Wohnraum zum Meditieren zurück. Er bekommt wieder Kontakt zum Geist des Chisei O'Ceallaigh. Nun entspannt sich eine kleine Konversation:

"Da gibt es also noch mehr, als Reiki..."

"Nein, hochverehrter Saiko Chisei. Aber Reiki ist mehr als wallende Gefühle. Erforscht diese Seite von Reiki! Bald werdet Ihr die Schwelle vom Leben zum Tod willentlich überschreiten können. Aber damit ist Eure Existenz nicht in Reiki aufgegangen, sondern Ihr könnt Euer Bewusstsein bewahren. Ihr werdet mächtiger als jeder Anhänger der negativen Seite von Reiki!"

"Was ist der Weg dorthin?"

"Mitgefühl ist der Weg, und Großmut."

"Eins werden mit Reiki und noch Einfluss besitzen... Keine Kraft ist größer!"

"Auf dem Weg werdet ihr lernen, alles loszulassen, kein Gedanke an Euch selbst, kein körperliches Selbst."

"Wie erklärt sich dann die Wiedergeburt?"

"Es ist ein anderer Weg, wiedergeboren zu werden, ein neues körperliches Selbst anzunehmen, hochverehrter Saiko Chisei. Ihr müsst entscheiden: Wollt Ihr den Menschen mit Rat zur Seite stehen, oder wollt ihr erneut körperlich in die Geschicke eingreifen."

"Das ist wirklich eine besondere Überlegung. Mein neues körperliches Selbst braucht Zeit, um heranzuwachsen und zu lernen. Mein Bewusstsein kann dagegen immer wieder erscheinen und den neuen Saiko Chisei beraten."

Zuletzt hätte man glauben können, ein Schemen im Raum zu erahnen. Während das Schemen allmählich verblasst, versteht der Saiko Chisei noch die Worte:

"Sucht nach Reiki und Sie werden mich immer finden, hochverehrter Fujiwara-Sensei. Versenkt Euch in Reiki und Sie werden auch den Weg finden, den ich gegangen bin."

Bevor das Gefühl der Anwesenheit einer anderen Wesenheit nicht mehr da ist, grüßt der Saiko Chisei noch:

"Reiki ist mit dir! Sie wird dich immer begleiten."

Es ist unser Abschiedsgruß, wenn jemand von uns eine lange Reise antritt. Für Chisei O'Ceallaigh-San müsste es jetzt eigentlich heißen 'Reiki ist mit dir und du bist mit Reiki'.

Mir fallen die Augen zu. Ich schalte mein Tablet aus und lege es auf die Seite. Danach drehe ich mich zur Wand und bin kurz darauf eingeschlafen.

*

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Sonntag, 15. Januar 2023
Aufbruch ins All -76
Es dauert eine Sekunde, dann baut sich der Bildschirm auf und zeigt mir den Bericht eines Geschehnisses vor über hundert Jahren, untermalt mit einigen Bildern. Ich lese dort mit Spannung:

2605 hat die Space Ressource Corporation damit begonnen die Produktionsplattformen in der Venusatmosphäre aufzukaufen, um in der Produktion von Raketentreibstoffen zum Monopolisten zu werden. Diese Plattformen werden von einer venusischen Firma betrieben und gewartet. Volle Tanks mit Raketentreibstoff werden dann in eine höherliegende Umlaufbahn geschossen und von dem dort wartenden Tanker eingefangen. Dazu muss es eine kaufmännische Vereinbarung geben, damit die venusische Firma möglicherweise fehlende Zahlungen einklagen kann.

Nun hat die Space Ressource Corporation 33 Prozent dieser Firma erworben und erreicht, dass die Hälfte des Direktoriums aus ihren Managern besteht. Als nun die Treibstofflieferungen an unsere Lunar Ship Systems ausbleiben und nach einiger Zeit eine Wiederaufnahme der Lieferung zu doppelten Konditionen angeboten wurden, hat die Lunar Ship Systems um Verhandlungen gebeten.

Die Space Ressource Corporation hat zugestimmt, dass von unsererseits Chisei Liam O'Ceallaigh aus der irischen Region Europas die Verhandlungen führen soll. Es wurde jedoch zur Auflage gemacht, dass er allein kommt und der Verhandlungsort auf Ceres liegen soll. Diesen Kleinplaneten im Asteroidengürtel beutet die Space Ressource Corporation seit etwa 500 Jahren aus. Er ist eigentlich kein neutraler Ort.

Chisei Liam O'Ceallaigh nimmt ein handelsübliches Raumschiff mit Ionen-Antrieb und fliegt das Schiff als Pilot. In seinen Schlafphasen übernimmt die Raumkontrolle der Lunar Ship Systems die Fernsteuerung. Die Flugzeit hat vier Jahre gedauert. Dabei hat das Ionentriebwerk zwei Jahre kontinuierlich beschleunigt und nach einem Wendemanöver weitere zwei Jahre kontinuierlich gebremst. Unsere Raumkontrolle auf dem Mond ist ständig mit den wichtigen Installationen des Raumschiffes und dem Piloten in seinen Wachphasen in Kontakt. Sie kennt daher in jedem Augenblick den Zustand an Bord, auch wenn man die Verzögerung durch die Laufzeit der Funkwellen in Betracht zieht.

Laut Chisei Liam O'Ceallaigh hat er bei der Annäherung an Ceres eine starke Präsenz der negativen Seite von Reiki verspürt. Also hat er Vorbereitungen für den Fall getroffen, dass er auf Ceres sterben sollte. Er ist in Meditation versunken und hat die Automatik des Raumschiffes die Landung und Verankerung durchführen lassen. Dann ist er in seinen Raumanzug gestiegen und mit seinem Jetpack auf die Schleuse der dortigen Station zugeflogen.

Man hat ihn eingelassen und in einen Raum geführt, wo man ihn lange warten gelassen hat. Sicher hat man damit seine psychische Belastbarkeit testen wollen. Der Chisei hat sich auf den Boden gesetzt und begonnen zu meditieren. Dabei hat er erkannt, dass er in einer Falle steckt. Sein Raumschiff wurde geentert und durchsucht. Anschließend zeigt sich ihm sein Verhandlungspartner von der Space Ressource Corporation in Sportkleidung mit einem Degen in der Hand. Der Gegner hat einige Gewichte am Gürtel, so dass ihm die geringe Schwerkraft von nur drei Prozent der Irdischen nichts ausmacht.

"Ah, hallo, Mister O'Ceallaigh. Freut mich, sie zu sehen. Sie kennen sicher unsere 'aggressive Negotiations' -aggressive Verhandlungen-. Ich will Ihnen eine Chance geben: Schälen Sie sich aus ihrem Raumanzug, um genauso gekleidet zu sein, wie ich. Sie erhalten ebenfalls einen Degen und dann fechten wir unser Problem aus."

"Sie sind in der stärkeren Position, Mister Da Silva. Okay, fechten wir unser Problem aus," antwortet ihm der Chisei und beginnt, sich des Raumanzuges zu entledigen.

Als er in der Unterkleidung aus Shorts und T-Shirt vor dem Mitglied des Direktoriums der Space Ressource Corporation steht, wirft dieser ihm einen Degen zu. Der Chisei fängt ihn auf und nun entspannt sich ein kurzer Fechtkampf, der regelkonform beginnt. Aber das ist wohl nur das erste gegenseitige Abtasten gewesen.

Bald nimmt die Geschwindigkeit des Fechtkampfes zu. Chisei O'Ceallaigh kann eine Blessur anbringen. Nun mischt der Gegner seinen Fechtkampf mit Elementen aus dem Capoeira. Der Chisei kontert mit dem Einbinden von Ju-Jutsu-Techniken, lässt sich aber immer mehr in eine Ecke des Raumes drängen. Der Gegner will die Vernichtung des Chisei. Eine andere Option gibt es nicht. Also lässt sich der Chisei bei der Touchierung seiner Brust in den feindlichen Degen fallen.

Mister Da Silva lacht auf und bekennt keuchend:
"Schade, ich dachte, ich könnte Euch noch das Fechten lehren!"

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Donnerstag, 12. Januar 2023
Aufbruch ins All -75
"Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass solch ein Archiv ein Gewinn für alle ist," meint Maître Myers.

Ich nicke und beschreibe nun unsere Gegenwart:
"In jüngster Zeit haben wir begonnen, unser Sonnensystem zu erkunden. Die Erkenntnisse erhalte ich über Funk, um sie im Archiv abzulegen. Die dazugehörigen Proben bringen unsere Leute zur Space Geological Corporation, wo man sie in speziellen hochreinen Labors noch näher untersucht. Die dafür nötigen Raumschiffe stellt uns die Lunar Ship Systems in Zusammenarbeit mit dem Yamamoto Design Collective und den Warp Research Laboratories zur Verfügung. Dazu dürfen unsere Expeditionen mit Prototypen fliegen, die von Zeit zu Zeit durchgecheckt werden. So fliegen unsere Männer einerseits immer die neueste Technik, während die Firma ihre Fertigung für die nächste Generation Raumschiffe optimieren kann. Das Yamamoto Design Collective entwickelt zurzeit außerdem auch noch eine Künstliche Intelligenz, die alle Systeme an Bord miteinander vernetzt und über eine Sprachsteuerung mit der Besatzung interagiert."

"Oh, das ist interessant," meldet sich Maître Myers wieder zu Wort. "Die KI fliegt das Raumschiff, ohne dass ein Pilot in der Kommandokanzel sitzt?"

"Ja," antworte ich. "Im neuesten Prototyp gibt es zwar noch eine Kommandokanzel, für den Fall, dass die künstliche Intelligenz einmal ausfällt. Aber grundsätzlich brauchen Sie nur noch Befehle erteilen, die das Raumschiff dann ausführt. Dazu brauchen sie noch nicht einmal in der Kommandokanzel zu sein. Die KI lernt sie kennen und reagiert selbst dann, wenn sie gerade auf der Toilette sitzen würden. Es ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber vergleichen Sie den Prototyp mit einem lebenden Organismus, in dem die Raumfahrer wie Darmmikroben mitfliegen."

Bei letzterem Vergleich lachen beide Männer auf. Sie werden sich sicher unwohl fühlen, im Inneren eines Riesenroboters, ohne wirklich direkte Kontrolle über sein Flugverhalten. Aber auch ihre Reaktionen im Laufe des Fluges sind von Interesse für das Yamamoto Design Collective.

"Natürlich verkauft die Lunar Ship Systems auch Raumschiffe an jeden interessierten Käufer," erkläre ich nun. "Selbst die Space Ressource Corporation gehört zu ihren Kunden. Allerdings hält sich die Lunar Ship Systems dabei an den Stand der Technik ihrer Konkurrenten, dem wir durch die Warp Research Laboratories und das Yamamoto Design Collective um viele Jahrzehnte in der Entwicklung voraus sind."

"Ich dachte schon," meint Maître Myers.

Lächelnd den Kopf schüttelnd, antworte ich:
"Unser Prinzip ist die Gelassenheit. Jeder hat ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Natürlich kennen wir die Philosophie der Space Ressource Corporation. Daher erhalten sie nur Raumschiffe, die sie auch überall sonst kaufen können. Die neueste Technik halten wir ihnen vor!"

Maître Myers schaut verstohlen auf seine Armbanduhr. Ich verstehe den 'Wink mit dem Zaunpfahl', erhebe mich und sage lächelnd:

"Es ist heute schon ziemlich spät. Sie haben eine lange Reise hinter sich und ich habe Sie mit einer Menge Informationen versorgt. Schlafen Sie erst einmal ausgiebig, meine Herren! Gute Nacht!"

Sie verbeugen sich leicht und streben dem Ausgang des Archivs zu.

*

Nachdem wir das Archiv verlassen haben, fahren wir auf die Ebene, wo unsere Unterkünfte liegen. Vor unseren Zimmertüren verabschieden wir uns voneinander und gehen ins Bett. Ich, Florian, kann einfach nicht einschlafen. Die Informationen der Meisterin, obwohl sie nur Beispiele gebracht und die vergangenen 700 Jahre nicht voll vor uns ausgebreitet hat, sind doch etwas viel gewesen. Andererseits...

Dieses Negaigoto Nikki -'Tagebuch der Wünsche'- geht mir nicht aus dem Kopf. Also nehme ich mein Tablet und versuche mich ins Archiv einzuloggen. Nach einer verzwickten Sicherheitsabfrage klappt es. Ich stelle eine Frage an das System:

"Ist in den letzten 700 Jahren ein Chisei bei Erfüllung seines Auftrages ums Leben gekommen?"

Ich weiß auch nicht, warum ich dem Archiv ausgerechnet diese Frage stelle. Sicher ist es meinem bevorstehenden Auftrag geschuldet. Ich fühle ja selbst eine gewisse Unruhe in mir aufsteigen.

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