Dienstag, 14. Februar 2023
Neue Heimat L98 59b (03)
Die Bedienung verlässt uns wieder, tippt am Tresen ihre Notizen in den Abrechnungscomputer und erhält einen Bon. Sie bringt mir nun den Bon und ich zücke meine Karte, die ich kurz über ihr Lesegerät halte. Als die Transaktion geschehen ist, bedankt sie sich höflich.

Wir haben uns in der Zwischenzeit erhoben. Jetzt gehen wir nebeneinander auf den Ausgang zu. Raimond hält mir lächelnd die Tür auf und tritt nach mir auf den überdachten Pedway, rechts und links befinden sich weitere Gastronomien, aber auch Geschäfte. Wir schlendern an den Schaufenstern entlang, ohne uns wirklich für die Auslagen zu interessieren. Stattdessen unterhalten wir uns über die vier Tugenden, die er im Café angesprochen hat. Ich will mehr darüber wissen und wie er zu der gegenseitigen Wirkung steht.

Es ist schon längst Nacht geworden, als ich anspreche:
"Ich muss jetzt langsam nachhause, Raimond!"

"Darf ich dich nachhause bringen?" fragt er mit gespannter Miene.

Ich nicke lächelnd und schränke ein:
"Aber nur bis zur Haustür!"

Raimond schüttelt den Kopf und verspricht:
"Das ist selbstverständlich!"

Wir gehen zum Landeplatz der Lufttaxis. Dort steigen wir in ein wartendes Taxi und ich nenne der Automatik das Ziel. Raimond hält seine Karte an das Lesegerät und das selbstfliegende Taxi hebt ab. Am Ziel angekommen, lässt er mich aussteigen und fragt:

"Sehen wir uns wieder?"

Ich lächele ihn an und antworte:
"Gerne!"

Während ich mich umwende und auf die Tür zugehe, hinter der der Aufzug liegt, startet hinter mir das Lufttaxi.

*

Wir leben mit 93 Milliarden anderen Menschen auf der Erde, die sich inzwischen zu einem Stadtplaneten entwickelt hat. Den Boden bedecken automatische Fabriken. Dazwischen und darüber steht ein Wald von Hochhäusern, die mehrere hundert Meter hoch sind. Nur hier und da, wo alte erhaltungswürdige Bauten stehen mit wunderbaren Parks, lassen die Hochhäuser Platz.

Es gibt auch Parks, in denen indigene Menschen nach ihren Jahrtausende alten Regeln leben. Sie kümmern sich mit Hilfe von Park-Rangern auch um die Tierwelt in ihrem Lebensraum. Spontan fallen mir dazu das Amazonasbecken, die nordamerikanische Prairie, das Okavango-Delta in Afrika, der Dschungel in Süd- und Südostasien ein.

Die Nahrungsmittel für die 93 Milliarden Menschen werden in speziellen Firmen mittels Vertical Farming erzeugt. Andere Artikel des täglichen Bedarfs fertigen Firmen aus dem Recyclen von weggeworfenen Artikeln an. Wasser wird unter anderem der Atmosphäre entzogen und in einem Kreislauf immer wieder verwendet.

Auswanderer von der Erde haben sich auf der Venus in ‚Wolkenstädten‘ angesiedelt. Ihr größter Exportartikel ist Raketentreibstoff, der aus der Atmosphäre der Venus gewonnen wird. Aus dem atmosphärischen Kohlendioxyd wird Karbon für Konstruktionselemente gewonnen und ebenfalls zur Erde transportiert. Außerdem wird in einer Moonbase viel produziert, was wegen der Umweltgesetze auf der Erde nicht möglich ist.

Manches Mal habe ich schon den Eindruck, dass die Menschen sich gegenseitig auf die Füße treten. In den letzten Jahrhunderten hat sich darum ein besonders respektvoller Umgang miteinander eingebürgert. Die Politik hat verschiedene Maßnahmen unternommen, die Erdbevölkerung weniger stark anwachsen zu lassen, aber nichts hat wirklich Nutzen gezeigt.

Gleichzeitig haben die Wissenschaftler natürlich nach erdähnlichen Planeten im näheren Umkreis der Sonne Ausschau gehalten. Zuerst muss man ein vielversprechendes Sonnensystem aus der Nähe erkunden, bevor man ein Kolonisten-Raumschiff losschickt. Dazu muss man ein automatisches Raumschiff starten, da man ja nicht weiß, was einen irdischen Raumfahrer in dem Zielsystem erwartet. Gleichzeitig muss man die langen Flugzeiten berücksichtigen. Mit welchem Antrieb muss man ein solches Raumschiff ausrüsten?

*

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Samstag, 11. Februar 2023
Neue Heimat L98 59b (02)
"Ja, das habe ich," gibt er unumwunden zu. "Es ist ein amerikanischer Begriff, der 'Domestic Discipline' bedeutet. Aber es gibt nicht nur das eine DD, sondern verschiedene Ausprägungen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie Regeln aufstellen und der dominante Part das Einhalten kontrolliert. Im Zweifelsfall wird der devote Part für eine Übertretung bestraft. Ich habe mich ja schon beim Schreiben über den Messenger dazu geäußert, dass ich dieses Sanktionieren nicht mag. Ich bin eher dafür, dass regelkonformes Verhalten belohnt wird."

"Richtig," antworte ich. "Das ist aber etwas, das ich bisher noch nicht getroffen habe. Deshalb wollte ich dich unbedingt kennenlernen! Erklärst du mir dein DD bitte?"

Ich schaue ihm dabei in die Augen. Sein Lächeln verdunkelt sich einen Wimpernschlag lang.

"Auch ich bin für feste Regeln in einer Beziehung, wie auch immer sie geartet ist," erklärt er. "Es handelt sich um Respekt, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Gehorsam. Ich nenne sie die vier Säulen. Bricht eine Säule weg, fällt das ganze Gebilde in sich zusammen. Außerdem bin ich der Meinung, dass nicht nur der devote Part an diese Regeln gebunden ist, sondern es handelt sich dabei um zweiseitige Tugenden. Auch der dominante Part sollte sich daranhalten. So entwickelt sich gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung, die in Beziehungen jeglicher Art äußerst wichtig sind."

"Hm," mache ich nun. "Du hast jetzt schon zweimal kurz hintereinander das Wort 'Beziehung' angesprochen..."

Er nickt mir lächelnd zu und antwortet:
"Ich hoffe, du denkst jetzt nicht, ich 'falle mit der Tür ins Haus'. Eine Beziehung zwischen zwei Menschen, die sich sympathisch sind, muss wachsen. Das braucht Zeit. Zuerst macht man sich miteinander bekannt. In diesem Stadium sind wir jetzt! Man checkt ab, ob man gleiche Interessen und Hobbys hat, oder zumindest, ob man sich vorstellen kann, die Interessen seines neuen Bekannten zu teilen. Man teilt die gemeinsame Freizeit und schaut dabei, wie der Bekannte dabei auf Einen wirkt.
Mag man sich und stellt fest, dass der Andere gerne mit Einem zusammen ist und man sich wertgeschätzt fühlt, freundet man sich an. Wächst die Freundschaft und es kommt mit der Zeit Liebe hinzu, entscheidet man sich zusammenzuziehen."

Inzwischen hat er seine Mini-Pizza verputzt und die große Cola getrunken. Nun fragt er mich:

"Darf ich die Bedienung rufen?"

Ich nicke ihm lächelnd zu, also hebt er die Hand. Kurz darauf steht die Bedienung wieder an unserem Tisch.

"Möchten Sie noch etwas bestellen?"

Raimond schüttelt den Kopf und meint:
"Nein, wir wollen gehen. Bringen Sie bitte die Rechnung!"

"Geht das zusammen, oder getrennt?"

Raimond schaut mich lächelnd an und nickt unmerklich mit dem Kopf. Ich meine daraufhin:

"Okay."

Nun antwortet er der Bedienung:
"Das geht zusammen!"

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Mittwoch, 8. Februar 2023
Neue Heimat L98 59b (01)
--Stadtplanet Erde--

Er verharrt kurz an der Tür des Cafés und schaut in die Runde. Dann zeigt sich ein feines Lächeln auf seinen Lippen und er nähert sich meinem Tisch.

"Guten Abend," grüßt er mich höflich. "Darf ich mich zu Ihnen setzen?"

Ich nicke lächelnd und er rückt einen Stuhl zurecht, um sich mir gegenüber an den Tisch zu setzen. Kaum hat er Platz genommen, ist auch schon die Robot-Bedienung heran und fragt:

"Guten Abend, der Herr. Haben Sie einen Wunsch?"

Mein Gegenüber wendet sich ihm zu und bestellt:

"Eine Cola und eine Mini-Pizza mit Thunfisch."

"Eine große Cola?" fragt die Robot-Bedienung noch einmal nach.

Mein Gegenüber nickt und bestätigt:
"Ja."

Nun sind wir für ein paar Minuten wieder allein. Er spricht mich an:

"Ich freue mich, dass wir uns heute Abend treffen, Sophie. Wir haben uns auf dem Messenger ja schon sehr gut verstanden. Aber das reale Treffen halte ich für wichtiger. Nur so kann man feststellen, ob Sympathie überspringt."

Ich nicke ihm freundlich zu und antworte:
"Stimmt, das sehe ich auch so, Raimond."

Sein Blick hat etwas Gefühlvolles. Ich bin irgendwie gefesselt von seinen Augen. In diesem Moment werden wir von der Robot-Bedienung gestört, der meinem Gegenüber seine Bestellung bringt. Nun meint Raimond:

"Ich habe dir die Gestaltung des Abends überlassen. Ich bin der Meinung, dass man sein Gegenüber am besten kennenlernt, wenn sie freie Hand hat."

"Hm," mache ich, und schaue ihn zweifelnd an. "Wir haben im Messenger über alles Mögliche geredet. Ich halte es für authentischer, wenn wir über das alles gerne noch einmal Aug in Aug reden. Dazu sind Spaziergänge besonders geeignet."

"Gerne," meint er mit einem gewinnenden Lächeln. "Dann beginnen wir hier, und wenn wir bezahlt haben, wandern wir draußen an den Schaufenstern entlang, wenn du magst."

Ich überlege kurz, werfe dann aber jede Planung über den Haufen, mit der ich vorgehabt habe das Gespräch zu steuern.

"Du hast schon etwas von DD gehört?" beginne ich.

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