Samstag, 4. März 2023
Neue Heimat L98 59b (09)
Ein weiterer Fixpunkt dieser Art ist der 'Teufelsturm', eine 385 Meter hohe Lavasäule, die zu einem Monolith erstarrt ist. Sie ragt weithin sichtbar aus der Prairie heraus und ist deshalb für unseren Luftschiffkapitän ein willkommener Wendepunkt. Für die First Nations ist er eine heilige Stätte.

Ein wenig nordamerikanische Geschichte dürfen wir erleben, als das Luftschiff einen Fluss erreicht und ihm eine Zeitlang folgt. Der Kapitän erklärt über Lautsprecher, dass vor über 1000 Jahren hier das 7. US-Kavallerie-Regiment unter General Custer von den Lakota- und Dakota-Sioux, Arapaho und Cheyenne unter den Häuptlingen Sitting Bull, Crazy Horse und Gall vernichtend geschlagen wurden. Der Fluss ist der Little Bighorn River.

In den Bighorn Mountains liegt auch das Medicine Wheel, ein heiliger Ort verschiedener Völker der First Nations. In stilisierter Form wird das Medizinrad besonders von den Lakota als religiöses Symbol verwendet.

Als wir zwei Wochen nach Beginn der Reise wieder über dem Luftschiffhangar schweben und der Kapitän mit der Landung beschäftigt ist, haben wir viel über den etwa 2,7 Millionen Quadratkilometer großen Naturpark gehört und gesehen. Die frühere landwirtschaftliche Nutzung hat man zugunsten der Natur wieder aufgegeben und die Städte dem Erdboden gleichgemacht. Nun ist das Gebiet über die Luftschiff-Touren touristisch erschlossen, was ich als wunderschön empfinde!

Wir fliegen danach zurück auf die britische Insel und ich entschließe mich endlich, mit Raimond in einer Wohnung zusammenzuziehen. Für unsere Eltern und Freunde organisieren wir im Saal eines Restaurants eine Verlobungsfeier. Wir wollen unsere Eltern aber nicht zu lange warten lassen, so dass Raimond nun beginnt Termine zu planen für eine Hochzeit.

*

Wir haben eine Wohnung im 'Speckgürtel' von Manchester gefunden. Sie liegt ungefähr auf halber Höhe eines der Wohntürme und besitzt einen verglasten Balkon - keinen eigenen Start- und Landeplatz für Lufttaxis -, ein Foyer an der Aufzugtür, Wohn-Esszimmer, Schlafzimmer und Gäste-Kinderzimmer. Das Bad reißt mich jedes Mal von den Socken, wenn ich es betrete.

Unsere Küche ist vollautomatisch. Sie besteht aus einem Förderband, auf das ich die gekauften oder gelieferten Lebensmittel lege. Sie werden nun gescannt, nach Produktname, Packungsgröße und Mindesthaltbarkeit. Die Automatik verwendet den Produktnamen, um die Lebensmittel in den Gefrierschrank, Kühlschrank oder Vorratsschrank zu sortieren. Die Packungsgröße braucht die Automatik, um zu berechnen, wann der nächste Einkauf fällig ist. Die Küchenmaschine gebraucht die Mindesthaltbarkeit, um mir Gerichte vorzuschlagen, die innerhalb des vorgegebenen Zeitraumes liegen. Allerdings darf ich hier eingreifen. Ich habe die Haltbarkeit um zwei Wochen in die Zukunft verschoben.

Wenn ich nun etwas kochen will, gehe ich an die Steuerung der Automatik und lasse mir etwas vorschlagen. Die Automatik gibt mir drei Gerichte zur Auswahl, so dass ich wählen kann, wonach uns aktuell der Sinn steht. Habe ich ein Gericht angeklickt und auch die Anzahl eingetragen, beginnt die Automatik mit der Vorbereitung und schließlich der Herstellung. Einzelne Verarbeitungsschritte werden mir durch 'Pling'-Töne angezeigt.

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Mittwoch, 1. März 2023
Neue Heimat L98 59b (08)
Ich schaue mich um und zeige Raimond das Rot der aufgehenden Sonne am Horizont. Er nickt mir lächelnd zu und steuert einen Tisch an, der bis jetzt noch unbesetzt ist. Den Sonnenaufgang stört von hier aus keine Verstrebung des Fensters. Die Bedienung nähert sich und Raimond bestellt unser Frühstück. Die Verpflegung ist im Reisepreis inbegriffen. Nur alkoholische Getränke müssen bezahlt werden.

Während wir frühstücken, kommen drei oder vier weitere Paare zum Frühstücken in den Salon. Der Bodennebel unter uns wird immer dünner und so wechselt die Farbe des Erdbodens allmählich von weißgrau zu grün. Dazwischen heben sich hier und da hunderte von braunen Buckeln aus dem Gras: Bisons. Sie liegen noch faul herum und warten, dass ihnen die Sonne das Fell wärmt.

Bald sehen wir Mitglieder der First Nations, die mit geländegängigen Jeeps ihrer Aufgabe als Park-Ranger nachgehen. Nachdem die Sonne höher steht, erheben sich die Kolosse und beginnen nun ihrerseits mit dem Frühstück. Wir selbst können die Sonne nun nicht mehr sehen, aber die Landschaft unter uns ist nun sonnendurchflutet.

Ich weiß von Raimond, dass die Sonne jetzt günstig steht, um mit den Sonnenkollektoren an der Oberseite des Luftschiffes Strom zu erzeugen und damit unsere Batterien zu füllen, die durch die vergangene Nachtfahrt einen ziemlich niedrigen Füllstand haben werden.

Bald ist Lunch-Time und danach können wir ein Nachmittags-Nickerchen in unseren Kabinen halten. Heute Abend hat die Schiffsführung das Dinner eine Stunde früher angesetzt. Es besteht aus sieben nicht sehr großen Gängen und wird mit Musik untermalt.

Gegen Ende des Dinners beginnt die Bedienung mit einer Tanzvorführung und animiert die Gäste zur Teilnahme. Dazu gehen wir in das weite Foyer. Dort werden wir nicht durch Tische und Stühle beim Tanzen gestört. Draußen ist nach einem malerischen Sonnenuntergang allmählich die Nacht hereingebrochen. So kommen wir erst spät ins Bett.

Während der zwei Wochen dauernden Fahrt über die Prairie haben wir viele Tierarten beobachten können. Die schon beschriebenen Bisons, die zu tausenden in Herden über die Prairie ziehen, werden von Kojoten verfolgt, die alte, kranke und schwache Tiere aus den Herden erlegen. Daneben gibt es noch Dickhornschafe, Maultierhirsche, Weißwedelhirsche und Gabelböcke in den Great Plains. Zu den unvermeidlichen Raubtieren, die diesen Pflanzenfressern nachstellen, gehört der eben beschriebene Kojote, aber auch Silberdachs, Rotluchs und Swift-Fuchs gehören zu den Raubtieren der Prairie.

Während dieser Reise kommen wir auch der Geschichte der First Nations nahe, deren Lebensraum einmal die weiten Ebenen gewesen sind. In der Nähe der Rocky Mountains gibt es einige kleine Gebirgszüge, die in die flache Steppe hineinragen. Einer davon, die Black Hills, gilt den Lakota als heiliges Land und Mittelpunkt der Erde, vermutlich weil die bis zu 900 Meter hohen Berge in der endlosen Ebene der Great Plains über eine weite Strecke Orientierung geben.

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Sonntag, 26. Februar 2023
Neue Heimat L98 59b (07)
Aber das Luftschiff steigt langsam immer weiter und bald kommt das geöffnete Dach des Hangars ins Blickfeld. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Dann schaue ich mich um. Die Hochhäuser sind im Umkreis der Halle nicht so hoch. Bald geht unser Luftfahrzeug in den Geradeausflug über. Raimond erhebt sich und fordert mich auf:

"Komm, Sophie. Wir richten uns in unserer Kabine ein und kommen dann in den Salon zurück, um etwas zu essen."

Ich nicke und stehe ebenfalls auf. Um uns herum erheben sich auch die anderen Passagiere. Wir streben auf die Treppe zu und gehen zu unserer Kabine. Dort leeren wir unsere Koffer in die Schränke und Raimond zieht sich um. Statt der legeren Kleidung, zieht er sich nun eine weiße Shorts und darüber ein weißes Sweat-Shirt mit dem blauen Aufdruck eines Luftschiffes über seinem Herzen an.

Innerlich schmunzelnd, schaue ich meine Kleider durch und entscheide mich für ein blaues schulterfreies Kleid, das nur von einem Halsreifen gehalten wird, den man vorne schließt. So gehen wir die Treppe hinunter ins Foyer und betreten von dort wieder den Salon.

Raimond orientiert sich kurz und führt mich dann an einen Vierertisch, an dem schon ein Paar in unserem Alter sitzt. Er fragt:

"Ist hier noch frei?"

Das Paar nickt lächelnd. Raimond rückt einen Designer-Stuhl etwas vom Tisch ab und lächelt mich an. Ich nehme die stumme Aufforderung gerne an, setze mich und nehme dabei die Sitzfläche in beide Hände, um näher an den Tisch zu kommen. In der Zwischenzeit hat sich Raimond übereck neben mir niedergelassen.

Eine Bedienung nähert sich und fragt nun nach unseren Wünschen. Raimond gibt mir die Speisekarte und ich wähle ein Menü für mich. Anschließend gibt er die Bestellung für uns beide ab.

Nach dem Abendessen gehen wir in unsere Kabine. Draußen ist es inzwischen dunkel geworden. Außer vielen beleuchteten Fenstern kann man unter uns nichts mehr sehen. Also legen wir uns schlafen.

Am nächsten Morgen geht mein Blick zuerst durch das breite Fenster nach unten. Bodennebel bedeckt eine weite Grasebene. Wir haben also in der Nacht die Stadtlandschaft hinter uns gelassen und befinden uns hier über dem Naturpark 'Great Plains'. Leider kann ich aus dieser Position den Sonnenaufgang nicht sehen. Ich wecke Raimond und bitte ihn, dass er mit mir nach unten in den Salon geht. Solange die Sonne noch knapp über dem Horizont steht, wird sie von dort zu sehen sein. Ich stelle es mir romantisch vor, im Sonnenaufgang zu frühstücken.

Nach ein wenig Murren und aus dem Fenster schauen, hat er sich mir in seiner Meinung angeschlossen. Er geht ans Waschbecken und kleidet sich danach an. Wieder trägt er die 'Safarikleidung' mit dem Luftschiffemblem. Also schlüpfe ich auch in das Kleid, das ich gestern schon zum Dinner getragen habe. Danach gehen wir die Treppe hinunter und in den Salon. Heute früh ist hier nur wenig los.

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