Dienstag, 18. April 2023
Neue Heimat L98 59b (24)
Dennoch spüren unsere Kinder die Geduld, Freundlichkeit und das Mitgefühl ihrer Eltern, so dass sie sich geliebt, geschätzt und respektiert fühlen können und dies dann auch im Umgang mit fremden Personen leben. Das Kind wird darin bestärkt, neugierig zu sein. Die Kinder brauchen sich nicht um Zuwendung und Aufmerksamkeit bemühen. Das führt dazu, dass sie ruhig und ausgeglichen wirken. Entnervte Blicke Umstehender sieht man nie. Mit Höflichkeit und Nachsicht wird über lärmende Kinder hinweggesehen. Ihr Verhalten wird respektiert. Das wirkt in einer Gesellschaft von fast 100 Milliarden Menschen entspannend.

Um ihren Gemeinschaftssinn zu stärken, werden unsere Kinder von klein auf überallhin mitgenommen. Das sieht man bei den vielen zeremoniellen Festlichkeiten und den damit verbundenen Bräuchen, genauso wie bei den festgelegten Familienbesuchen. Benehmen sich Kinder dennoch einmal daneben, beweisen die Eltern eine Engelsgeduld. Sie reden den Kleinen gut zu, spiegeln das unerwünschte Verhalten und fragen, was wäre, wenn jemand so mit ihnen umspringen würde.

Die Erwartungen, denen sich die Kinder in der Familie gegenübersehen, finden sie auch in der Umwelt vor. Überall gelten die gleichen Regeln, was die persönliche Freiheit, sich auszudrücken, zwar einschränkt, gleichzeitig aber auch Orientierung und Sicherheit bietet. Das beginnt im Kindergarten, setzt sich in der Schule und Studium fort und regelt das Zusammensein in der Berufswelt.

*

In den vergangenen Jahren hat unser automatisches Raumschiff in dem System des Sterns L98-59 in 35 Lichtjahren Entfernung immer neue Daten gesammelt und zur Erde gefunkt. Natürlich sind die Daten dann schon 35 Jahre alt, wenn sie bei uns ankommen. Aber sie sind so spektakulär, dass sie quasi immer noch aktuell sind.

Das System besteht aus dem 'roten Zwerg' L98-59 und insgesamt sieben Planeten mit den Kennzahlen L98-59 a bis g. Die beiden äußeren Planeten sind Gasriesen, deren Bahn zu den Bahnen der restlichen fünf Planeten so gekippt ist, dass irdische Teleskope sie mittels Transitbeobachtung nicht entdecken konnten. Man nimmt an, dass es 'einsame Wanderer' gewesen sind, die vom Schwerefeld der Sonne eingefangen wurden.

Interessanter sind da die fünf Planeten, die den Stern alle auf einer Bahnebene umkreisen. Hier nehmen die Wissenschaftler an, dass sie aus der gleichen Staubscheibe entstanden sind, die die Sonne vor Jahrmilliarden umkreist hat. Einer der Planeten, L98-59 b liegt innerhalb der habitablen Zone und ist eine Welt wie die Erde.

Es gibt dort Kontinente und Anzeichen von Kontinentalverschiebungen. Der Planet hat Landmassen und Ozeane. Bevor jetzt alle jauchzen und in Gedanken 50 Milliarden Menschen auf dem Planeten landen, ist zu bedenken, dass auch auf diesem Planeten Leben existieren kann. Dieses Leben, in Form von Bakterien und Viren, wird sich auf die Kolonisten stürzen und sie genüsslich verspeisen, da sie nur gegen irdische Krankheitserreger geschützt sind. Daneben kann es dort eine Nahrungskette geben, die wir noch nicht kennen, so dass Raubtiere von dort die Kolonisten töten könnten.

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Samstag, 15. April 2023
Neue Heimat L98 59b (23)
Als John in die Kindertagesstätte kommt, ist Anne schon fast sechs Jahre alt, ein großes Mädchen, das uns keine Schande macht. Wir haben uns über Grundschulen informiert und sie in einer angemeldet. Hier wird sie in den nächsten vier Jahren lernen. Auch die Schule gibt uns eine Liste von Dingen, die wir vor dem ersten Schultag besorgen müssen.

Damit alle Schüler gleich aussehen und es keine Eifersüchteleien oder Sticheleien gibt, kaufen wir nach Angaben der Schule eine Schuluniform und Sportkleidung. Sie benötigt auch ein Paar Schuhe, die nur im Inneren der Schule getragen werden. Ihre Straßenschuhe wechseln die Schüler im Eingangsbereich und stellen sie in dafür vorgesehene Fächer.

Nun bringe ich beide Kinder mit dem Lufttaxi in die Kita und die Schule, und hole sie von dort später am Tag wieder ab. Genauso wie die Eltern den Kindern Respekt und Höflichkeit, gepaart mit Hilfsbereitschaft, vorleben, achten die Erzieher und Lehrer auf diese Tugenden, denn sie sind die Essenz, nach der eine Gesellschaft von 93 Milliarden Menschen überhaupt funktionieren kann.

Nach der Grundschule geht Anne auf die sechsjährige Mittelschule. Zum Zeitpunkt ihres Schulwechsels kommt auch John schon in die Grundschule. In der Mittelschule muss Anne nach dem eigentlichen Unterricht verschiedene schulische Clubs besuchen. Dort werden Angebote gemacht, wie Judo und anderer Sport. Auch Clubaktivitäten wie der International Club, Sustainability Club und andere werden angeboten. All dies fördert den Gemeinschaftssinn. Die Clubs sind Wahl-Pflicht-Veranstaltungen der Schule.

Nachdem auch John in die Schule gekommen ist, organisieren wir unser Leben wieder um. Beide Kinder schlafen seitdem in dem Kinderzimmer, dass Übernachtungsgästen nun nicht mehr zur Verfügung steht. Wir haben für sie ein Etagenbett hineingestellt, mit blickdichten Gardinen zum Zuziehen.

Sie werden noch lange von mir angekleidet, das heißt, natürlich kleiden sich die Kinder schon bald selbständig an, aber ihre Kleidung lege ich ihnen abends heraus und kontrolliere ihren Sitz noch als sie selbst schon Jugendliche sind. Die Beziehung zwischen Mutter und Kind ist sehr intim, da sie lange in meinem Bett geschlafen haben. In den ersten drei Lebensjahren begleiten Anne und John mich überall hin. So bilden Mutter und Kind eine Einheit, in der sie sich als ‚geteilter Geist‘ verstehen, statt zweier getrennter, voneinander mehr und mehr unabhängiger Personen.

Wie bei uns üblich, verwenden die Mütter bei der Erziehung Überredung, Suggestion und manchmal auch Scham oder subtilen Spott. Wenn das Kind, zum Beispiel gerade in der Trotzphase, nicht willens ist, seine Spielsachen wegzuräumen, sagt sie vielleicht:

"Anscheinend bist du gerade nicht bereit, auf Mama zu hören, oder bist du vielleicht noch ein Baby? Vielleicht bist du aber auch zu müde und musst daher sofort ins Bett?"

Bisher hat das so angesprochene Kind lieber gehorcht, als dass es sich vor Mama schämt. Über die Jahre ist die Einheit Mutter-Kind so stark geworden, dass das Kind erkennt oder fühlt, in welchem Zustand der Harmonie diese Einheit ist. Das Kind wird nun alles dafür tun, diese Harmonie aufrechtzuerhalten. Ein weiterer Aspekt ist auch die Mimik der Mutter. So begleitet sie ihren Wunsch an das Kind mit einem Gesichtsausdruck, der dem Kind zu verstehen gibt, dass sie überrascht wäre, wenn das Kind nicht wie erwartet handelt.

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Mittwoch, 12. April 2023
Neue Heimat L98 59b (22)
Im Sommer spielen die Kinder draußen in warmem Wasser und ich muss extra passende Hosen besorgen, die man über die Windeln anziehen kann. Im Tageslauf erhöht der Kindergarten nach und nach von einer richtigen Mahlzeit auf drei und Anne braucht für jede Mahlzeit ein frisches Lätzchen. Zum Jahresende bittet uns der Kindergarten um Schuhe. Vorher haben sie auf Strümpfen draußen spielen dürfen. Sobald sie allerdings größer und sicherer werden, sollen die Kinder Schuhe anziehen.

Das erste Kindergartenjahr ist sehr spannend gewesen, wenn man ihre Entwicklung beobachtet. Sie spricht immer mehr und kennt schon das Symbol, das ihr zugeordnet ist. Auch erkennt man Sympathien der Kinder untereinander. Als Anne bei der morgendlichen Begrüßung von einem anderen Mädchen umarmt wurde, ist mir warm ums Herz geworden.

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Wir haben uns so daran gewöhnt, dass wir nach Jahren immer noch zu dritt im Doppelbett schlafen. Meine friedlich schlummernde Kleine schütze ich, indem ich Raimond den Rücken zukehre. So liege ich in der Mitte und Raimond auf meiner anderen Seite.

Der liebevolle Vater unserer Kleinen streichelt meinen Rücken, fährt sanft mit den Fingerspitzen über meine Rippen und stemmt sich auf seinem Ellbogen hoch. Er legt sein Kinn auf meine obenliegende Schulter und schaut nach Anne. Unsere Kleine schläft tief und fest im Urvertrauen beschützt zu werden. Sie ist jetzt schon fast vier Jahre alt.

Wieder einmal drehe ich mich vorsichtig auf den Rücken und lasse Raimonds Liebkosungen zu. Diesmal ist etwas anders als sonst. Zwei Wochen später warte ich vergeblich auf meine Regel. In leiser Vorahnung fliege ich zu meinem Frauenarzt und er bestätigt meinen Verdacht. An den nächsten Tagen fliege ich mit dem Lufttaxi zu der Geburtsklinik, in der schon Anne geboren wurde.

Wieder bereite ich uns ein festliches Abendessen, um Raimond die freudige Nachricht nach seinem Feierabend im gebührenden Rahmen übermitteln zu können. Bei den folgenden Untersuchungen in der Klinik eröffnet man mir, dass ich einem kleinen Jungen das Leben schenken werde.

Raimond schlägt vor, dass wir unseren Jungen John nennen sollen. Ich bin mit der Entscheidung einverstanden. Wir lassen ihn also später unter diesem Namen in der Verwaltung registrieren. Nun müssen wir uns umorganisieren. Raimond zieht mit Anne in das Gästezimmer, während ich mit John weiterhin im Schlafzimmer nächtige. Zu Anfang schläft unser Sohn über 20 Stunden am Tag mit gelegentlichen Wachphasen, weil er Hunger bekommt. Anne geht von 8 bis 18 Uhr in den Kindergarten. Ihr Papa bringt sie dorthin und holt sie wieder ab. Sie hat ihren vierten Geburtstag inzwischen hinter sich.

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