Mittwoch, 3. Mai 2023
Neue Heimat L98 59b (29)
Neun Monate später haben wir unsere Bevölkerungszahl auf 1800 fast verdoppelt. Nun folgen alle vier Jahre 800 weitere Geburten, so dass wir nach zwölf Jahren auf Angeon alle aufgetauten Embryonen verteilt haben. Von nun an wollen wir es den Paaren überlassen, wann sie schwanger werden wollen. Unsere Siedlung, Eseís, bekommt inzwischen schon die ersten repräsentativen Gebäude in der Nähe der Potami Falls, darunter ein Museum, eine Ausstellungshalle mit wechselnden Ausstellungen, ein Archiv und einen Verwaltungsbau. Vor dem Rathaus wird eine weite Plaza erbaut.

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Unsere Biologen sind in der ganzen Zeit nicht untätig geblieben. Sie haben die weite Hochebene erkundet und tag-, sowie nachtaktive Tiere entdeckt, eingefangen und untersucht. Darunter sind Fledertiere genauso wie auf dem Gras lebende Tiere. Auch gibt es Tiere, die den Untergrund durchwühlen.

Die Frage, wie die letzteren Tiere auf die Hochebene gelangt sein könnten, ist schnell geklärt, nachdem sie ihr Arbeitsfeld auf das Hochgebirge ausgeweitet haben. Vorsichtig haben sie sich die Seite des Gebirges, die der Hochebene gegenüberliegt angesehen. Währenddessen sind sie auch die Hänge hinabgestiegen und haben sich vorsichtig dem Dschungel genähert.

Dabei sind sie mit verschiedenen aggressiven Tieren in Kontakt gekommen und haben sich wieder in höhere Regionen des Gebirges zurückgezogen. Das Leben im Dschungel ist sicher wie auf der Erde, ein ständiges Fressen oder gefressen werden.

Sie richten eine wissenschaftliche Station in einem kleinen Gebirgstal ein, wo ein Kleinflugzeug starten und landen kann. Dort erbauen sie einige Labors, um die gefangenen Tiere zu untersuchen. Ein junger Pilot übernimmt die Erkundungsflüge über den Dschungel, gemeinsam mit einem Biologen an Bord. Man sollte sich den Dschungel nicht als dicht mit Riesenbäumen bewachsene Fläche vorstellen.

Diese Vorstellung trifft auf vielleicht 50 Prozent der Fläche zu. Dann findet man beim Überflug Lichtungen mit hohem Gras, sowie Seen, Flüsse und Moore. Auf diesen Lichtungen kann man Tiere beobachten, die für unsereins sehr fremdartig aussehen, sofern man aus großer Höhe Fernrohre benutzt. Wir haben auch beobachten können, dass man sich besser von dunkelgrünen Lichtungen fernhält. Nicht selten sehen wir dort Tiere versinken. Das sind dann wohl die Moore.

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Eines schrecklichen Tages attackiert ein Tier, das aussieht wie ein Flugdrache, unser Kleinflugzeug. Das Tier dürfte in etwa die gleiche Größe haben. Sofort löse ich den Schleudersitz aus. Das Kabinendach wird abgesprengt und mein Sitz startet mit mir, von kleinen Notraketen angetrieben. Ich sehe, dass der Biologe ebenfalls den Schleudersitz auslöst.

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Sonntag, 30. April 2023
Neue Heimat L98 59b (28)
Beim Überflug entschließen die Menschen sich, aufgrund der idyllischen Lage, ihre erste Siedlung an einem der Wasserfälle zu bauen. Beide Flüsse verbreitern sich im Inneren der Hochebene in Senken zu wunderschönen Seenlandschaften, das schnell den Namen 'Seenland' bekommt. Dort möchte man keine Stadtlandschaft aufbauen. Es soll der Erholung dienen.

Als Nächstes steigen die Architekten und Bauingenieure in den Lander und wagen den Abstieg zur Oberfläche von Angion. Sie vermessen je ein großzügiges Areal im Hinterland der Wasserfälle und senden Ultraschalltöne in das Gestein. Man will sichergehen, dass der Felssturz stabil ist. Der Wasserfall soll den Untergrund nicht abgraben und im Laufe von Jahrzehnten oder Jahrhunderten immer weiter nach hinten wandern. Die Kraft des Wassers ist nicht zu unterschätzen.

Nachdem sich die Fachleute für einen der Wasserfälle entschieden haben, werden Maschinen zum Abbruch von Sandsteinblöcken aus dem Untergrund ausgeladen. Ein weiterer Flußarm wird gegraben, der in der Entfernung von einigen Kilometern auf den Felsabbruch trifft. Die Rinne ist sehr breit gehalten. Dann wird ein Schleusentor gebaut, dass im Falle von Hochwasser das überschüssige Flusswasser in den künstlichen Flussarm leitet. Den Fluss nennen wir, der begonnenen Tradition folgend, Potami River. Potami bedeutet auf Griechisch einfach 'Fluss'. Danach heißen die Wasserfälle Potami Falls. Und unsere erste Siedlung auf Angeon nennen wir Eseís, also übersetzt ganz einfach 'Sie', unsere Stadt.

Die Sandsteinblöcke aus dem Hochwasserschutz-Kanal werden geteilt, bis Sandsteinquader entstehen, die man leicht zu Wänden aufeinander stapeln kann. Die dabei entstehenden Bruchsteine werden zu Sand gemahlen. Nun kommt unser Vorrat an Harnstoff und Hämoglobin, den die Künstliche Intelligenz über 50 Jahre angesammelt hat, zum Einsatz. Zusammen mit Sand und Wasser entsteht Mörtel, um die entstehenden Häuser zusammenzuhalten. Durch den Einsatz von Karbon aus dem atmosphärischen Kohlendioxyd werden Geschoßdecken in die Häuser eingezogen und Dächer aufgelegt.

Wir halten uns mit dem Bau von Wohnhäusern vom Wasserfall fern, wie uns die Stadtplaner geraten haben. Dort, in exponierter Lage, sollen später die Bauten für Museen, Verwaltung und andere zentrale Einrichtungen entstehen. Zuerst ist es wichtig, dass wir aus unserem Raumschiff Schritt für Schritt auf den Planeten umziehen. Die Bildungseinrichtungen als erste zentrale Gebäude bleiben in der Nähe der Wohngebäude, haben wir beschlossen.

Vier Jahre später können wir schon auf eine wunderschöne Ansiedlung blicken. Während draußen vor den Wohngebäuden die ersten Manufakturen für Nahrungsmittel, Kleidung und Einrichtung entstehen, werden schon die ersten Frauen der neuen Generation mit aufgetauten Embryonen schwanger. Im Gürtel vor den Manufakturen und Krankenstationen, entstehen Farmen mit Pflanzen, die man in Töpfen ziehen kann, dem Vertical Farming, und dazwischen erste Versuchsfelder für Getreide.

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Donnerstag, 27. April 2023
Neue Heimat L98 59b (27)
Nachdem die Embryos geboren wurden, die sich im Mutterleib normal entwickelt haben, entwickelt sich zusätzlich auch ein System aus Erziehern und Lehrern, während die Mütter ihren 'Ziehkindern' eine Stütze abgeben, an denen sie sich aufrichten können, wenn es einmal nötig sein sollte.

In einer der regelmäßigen Zusammenkünfte macht der Kommandant einen besonderen Vorschlag:

"Das Sonnensystem ist vor langer Zeit von einem Astronomen, namens Olivier Demangeon aus der portugiesischen Region der iberischen Halbinsel auf der Erde entdeckt worden. Ich denke, wir ehren den Mann, ohne den wir jetzt nicht hier wären, indem wir unseren neuen Planeten 'Angeon' nennen. Der Stern trägt auch nur die profane Katalognummer L98-59. Ich schlage vor ihn 'Ilios' zu nennen, was aus der griechischen Sprache entlehnt ist und 'Sonne' bedeutet."

Der Vorschlag bekommt die überwiegende Zustimmung der Besatzung, die sich in den letzten zwanzig Jahren der Bremsphase durch das Einpflanzen von je zwei Embryonen pro weiblichem Besatzungsmitglied alle vier Jahre vervielfacht hat. Alle per Gentechnik auf die Umwelt von Angeon angepassten Embryonen haben die lange Reise nicht überstanden, aber das Raumschiff kommt mit ungefähr 3600 lebensfähigen Embryonen in der neuen Heimat an.

Etwa 200 junge erwachsene Liebes- und Ehepaare haben die Reise im Orbit der Erde angetreten, die alle einen systemrelevanten Beruf erlernt haben. Dreißig der fünfzig Jahre Flugdauer haben auch sie im Kälteschlaf verbracht. Die Frauen haben unterschreiben müssen, in den 20 Jahren ihrer 'fruchtbaren Phase' alle vier Jahre je zwei Embryonen auszutragen. Nun ist die Besatzung am Ziel der Reise auf 1000 Mitglieder angewachsen.

Die Kinder werden in den ersten vier Jahren ihres Lebens von ihren Zieheltern betreut. Danach kommen sie für vier Jahre in eine Spielgruppe und lernen dort das Zusammenleben mit anderen Kindern kennen. Vom achten bis zwölften Lebensjahr werden sie in einer 'Primary School' betreut. Bis zum 16. Lebensjahr lernen sie in der 'Middle School' und bis zum 20. Lebensjahr gehen sie an Bord in die Highschool. In der Middle- und der Highschool müssen sie je nach persönlichen Interessen verschiedene 'Clubs' besuchen, die vertiefendes Wissen auf dem gewählten Gebiet bieten.

Auf diese Weise sind die Mütter in der Lage, sich alle vier Jahre um weitere zwei Geburten zu kümmern. Die fünfte und letzte 'Runde' der Schwangerschaften setzt der Kommandant aus, da sie sich nun im Orbit um Angeon befinden und den Abstieg auf den Planeten vorbereiten. Sie haben sich für eine weite grasbewachsene Hochebene auf dem größten Kontinent entschieden, die auf einer Seite von einem Gebirge und auf der anderen Seite einem Felssturz von etwa 200 Metern Höhe begrenzt ist. Der Boden unter der Grasnarbe besteht zum größten Teil aus Sandstein, ein Material, das beim Aufbau gebraucht wird.

Die Hochebene hat eine Ausdehnung von 3000 Kilometern in einer Richtung und etwas über 2200 Kilometern in der anderen. Die Tiefebenen rundum bedecken ein riesiger Urwald. Im Gebirge entspringen drei Flüsse. Einer davon nimmt seinen Weg auf der der Hochebene abgewandten Seite. Die beiden anderen Flüsse durchqueren die Hochebene und stürzen dann in mehreren Wasserfällen in den Urwald hinab.

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