Sonntag, 11. Juni 2023
Neue Heimat L98 59b (42)
Nun bin ich schon über ein Jahr bei den Ngachi. Immer wieder habe ich den Kommandanten mit meinem Kommunikator über die Vorgänge im Volk informiert. Gleichzeitig habe ich mitbekommen, dass der Kommandant vieles delegiert. Mit der Zeit sind dadurch Verwaltungsposten entstanden. Gleichzeitig hat er angeregt, dass eine Art gewählter Rat entsteht, der der Gemeinschaft Regeln gibt. Daneben hat er nach Personen gesucht, die die Regeln gerichtlich durchsetzen sollen. So ist neben dem architektonischen Aufbau unserer Siedlung auch der Beginn einer menschlichen Gesellschaft auf Angeon entstanden.

Nun bekommt die unsere Gesellschaft zum ersten Mal Außenkontakte. Ich habe mit dem Kommandanten einen Termin für ein Treffen ausgemacht und beschrieben, wie wir nach Eseís kommen wollen. An dem vereinbarten Termin fliegen wir beide also auf dem Luftgeist am Ckelchichi -Heimatbaum- los.

*

Mein Name ist Mark Collins. Ich bin der Kommandant der Mission in das System des Sterns L98-59, einem 'roten Zwerg' im Sternbild 'Fliegender Fisch'. Rote Zwerge sind kälter als die heimatliche Sonne, daher liegt die sogenannte habitable Zone näher beim Stern. Der Planet L98-59 b ist für die Wissenschaft so interessant, weil man dort, von der Erde aus, flüssiges Wasser auf der Oberfläche vermutet hat.

Aus diesem Grund ist die Mission gestartet worden, an der über 200 Besatzungsmitglieder teilnehmen. Außerdem hat man uns 5000 Embryonen mitgegeben und genug Gerät, um damit eine kleine Stadt zu bauen.

Man hat uns genauso wie die Embryonen in einen Kälteschlaf gelegt. Die Spezial-Schlafkammern sind gegen die harte Weltraumstrahlung abgeschottet, denn der Flug zu L98-59 soll 50 Jahre dauern. Allerdings sollen wir davon nur 30 Jahre verschlafen. Während der restlichen 20 Jahre, in der Bremsphase, sollen die Mediziner an Bord den weiblichen Besatzungsmitgliedern in einem Rhythmus von vier Jahren je zwei Embryonen in die Gebärmütter einsetzen, die nach neun Monaten geboren werden und an Bord heranwachsen.

Sie sollen von Lehrern an Bord unterrichtet werden und eine Berufsausbildung erfahren, die es uns erlaubt, uns auf dem Planeten einzurichten. Wir sind also mit 200 Personen gestartet und werden mit 1000 Personen am Ziel ankommen.

Dort schlage ich vor, dass wir den lebensfreundlichen Planeten 'Angeon' nennen. Das ergibt sich aus dem Namen des Astronomen, der den Stern vor 1000 Jahren entdeckt hat. Da dieser Name eine griechische Entsprechung hat, habe ich weiter vorgeschlagen, dass wir den roten Stern 'Ilios' -Sonne- nennen. Damit bleibe ich bei der griechischen Sprache. Spätere Namen für die anderen Planeten um L98-59 können ebenfalls der griechischen Sprache entlehnt werden, damit Kontinuität herrscht.

Wir parken unser Raumschiff in der Umlaufbahn und nehmen den Lander, nachdem wir einen Platz für unsere erste Siedlung auf dem Planeten gefunden haben, die wir sinnigerweise wieder in griechischer Sprache Eseís getauft haben. Das bedeutet einfach 'Sie'. Damit ist klar, 'Sie' ist es, die erste Siedlung von Menschen außerhalb des Sonnensystems. 'Sie' liegt am Potami-River, wo der Potami in einem Wasserfall auf eine tiefere Ebene stürzt.

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Donnerstag, 8. Juni 2023
Neue Heimat L98 59b (41)
Dazu muss ich sagen, dass junge Frauen manchmal ihr Volk verlassen, um alleine durch den Wald zu streifen, in der Hoffnung bald ein anderes Volk und dort einen Mann zu finden.

Während meine Mutter mit unserem besten Mann spricht, legt mein Vater meine Hand in die Hand vom Vchhtep und sagt zu 'Schimm':

"Sie ist deine Ssucke -Ehefrau-!"

Zu mir gewandt, sagt er dann:
"Er ist dein Ssuckan -Ehemann-!"

Sicher würden sich meine Eltern über Enkelkinder freuen.

'Schimm' hält sich allerdings zurück. Ich weiß nicht, wovor er Angst hat. Also habe ich mich eines Abends zu ihm gelegt und begonnen, ihn zu streicheln.

Ich verstehe, dass ich sensibel vorgehen muss, um zum Ziel zu kommen. 'Schimm' erwidert meine Zärtlichkeiten, sagt aber:

"Ngachischi, wir gehören zwei unterschiedlichen Spezies an. Ich glaube daher nicht, dass wir Kinder miteinander haben werden. Es sei denn unsere Schamanen finden einen Weg."

*

Ich, Jim Albright, habe mir eine einfache Panflöte aus drei nebeneinander gebundenen Halmen gebaut und bin damit zum See gewandert. Tatsächlich finde ich den jungen Luftgeist dort wieder. Neugierig reagiert er auf die Töne der Flöte. Ich füttere ihn und er lässt es zu, dass ich mich auf seinen Rücken schwinge. Ich übe auf diese Art mit ihm, dass er auf die einfache Melodie aus der improvisierten Flöte zu mir kommt und sich reiten lässt. Wieder fliege ich bis zum Abend mit ihm über den Regenwald und lasse mich von ihm auf dem Heimatbaum absetzen.

Der Rat des Volkes hat mich zum Mittler zwischen den Kulturen ernannt, obwohl der Anführer der Jagdgruppe zuerst dagegengesprochen hat. Der Häuptling hat daraufhin Ngachischi an meine Seite gestellt. Sie kann schon viele Wörter unserer Sprache, die für sie ebenso schwer auszusprechen sind, wie für mich ihre. Nach der Entscheidung des Häuptlings habe ich das Lehren unserer Sprache für sie intensiviert.

Der 'Geist der Lüfte' ist immer größer geworden und hat bald die Größe seines Muttertieres erreicht. Ich habe aus der Haut eines erjagten Tieres einen größeren Sattel mit zwei Sitzen hintereinander hergestellt. Er hat Beinschlaufen für ebenfalls zwei Personen und eine Schlaufe zum Festhalten zwischen den beiden Sitzen.

Danach üben wir das Fliegen mit zwei Personen auf seinem Rücken. Ngachischi ist anfangs sehr zurückhaltend, bald überwiegt aber die Aufregung. Das kann man an ihrer Hautfarbe ablesen: Anfangs hat sich Ngachischi dem Luftgeist vorsichtig mit dunkelbrauner Haut genähert. Nach ein paar Flügen in meinem Rücken ist ihre Hautfarbe hin zu gelb gewechselt.

Ich habe ihr gezeigt, mit welchen Bewegungen ich den Luftgeist steuere. Danach haben wir die Plätze getauscht und ich habe Ngachischi überlassen den Luftgeist zu fliegen. Darüber ist ihre Hautfarbe bald zu grün gewechselt, was Entspannung signalisiert. Zwar ist es eher ein dunkelgrün. Das zeigt, dass eine gewisse Anspannung trotzdem noch vorherrscht.

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Montag, 5. Juni 2023
Neue Heimat L98 59b (40)
Wir klettern geschwinde auf den Waldboden hinunter. 'Schimm' nähert sich dem betäubten Luftgeist und prüft, ob die Flügel nicht verletzt sind. Ein Raubtier will uns anspringen, um sich den jungen Luftgeist als Beute zu sichern. Aber wir erlegen das Tier und zerlegen es. Die Haut des Raubtieres ergibt ein primitives Sattel- und Zaumzeug.

Der junge Luftgeist ist inzwischen wieder erwacht und 'Schimm' füttert ihn. Dabei spricht er mit ihm in weichen Tönen. Er gewinnt Vertrauen zu 'Schimm' und lässt sich nach einer Weile Sattel- und Zaumzeug anlegen. Bis dahin müssen wir zwei Nächte neben den gefährlichen Krallen und dem zahnbewerten Maul auf dem Waldboden verbringen, und ihn immer wieder füttern.

Am Morgen des darauffolgenden Tages lässt 'Schimm' den jungen Luftgeist zum Ufer des Sees hüpfen. Als er dort seine Hautflügel ausbreitet, um zu starten, schwingt 'Schimm' sich auf seinen Rücken und steckt seine Beine in vorbereitete Schlaufen.

Der Luftgeist ist zuerst irritiert, führt dann aber flatternd seinen Start durch und hebt ab mit 'Schimm' auf dem Rücken. In der Luft rollt der Luftgeist zwar, um die Last auf seinem Rücken loszuwerden. 'Schimm' bleibt aber sitzen. Er klopft dem Luftgeist auf den Hals und streichelt ihn. Dann kann ich beide nicht mehr beobachten. Ich warte noch bis in den Nachmittag hinein. Schließlich gehe ich zum Heimatbaum zurück.

Ich erzähle meiner Mutter, der Schamanin, von den Erlebnissen der letzten Tage. Sie sagt anerkennend:

"Dein 'Schimm' ist ein großer Tschangßu -Mann-. Er hat ein großes Herz und ist risikofreudig, wenn er ein Ziel verfolgt. Er wird zurückkommen, meine Tochter! Sei nicht traurig."

Am Morgen des nächsten Tages ist große Aufregung beim Ngachi -Volk-. Man hat einen Luftgeist gesichtet. Minuten später klettert 'Schimm' aus dem Heimatbaum zum Boden herab. Ich laufe auf ihn zu und umarme ihn.

Die Schamanin tritt näher, gefolgt vom Häuptling. Der Anführer der Jagdgruppe und seine Männer bleiben etwas auf Abstand. Ich weiß, der Anführer der Jagdgruppe hat sich Hoffnungen gemacht mich zur Frau zu nehmen, bevor 'Schimm' bei uns aufgetaucht ist. Nun sieht er mich in inniger Umarmung mit dem Vchhtep -Himmelswesen-...

Der Häuptling schaut in die Runde. Nachdem das Volk nahe genug ist, um ihn verstehen zu können, legt er 'Schimm' seine Hand auf die Schulter und sagt laut:

"Du bist nun ein Angck -Sohn- der Ngachi! Damit bist du ein Teil des Volkes."

Die Menge beginnt zu jauchzen und zu singen. Fast geht es unter, dass er 'Schimm' an meine Seite stellt. Ich soll 'Schimms' Frau sein. Außerdem erhebt er den Vchhtep -Himmelswesen- auf eine Stufe mit dem Anführer der Jagdgruppe, und damit in den Rat unseres Volkes. Darüber wird dieser ganz schwarz auf der Haut, was seine Anspannung verrät. Die Schamanin schaut dem Anführer der Jagdgruppe ernst in die Augen und prophezeit ihm, dass er alsbald die Frau eines anderen Volkes im Wald finden wird und sich in sie verliebt.

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