Dienstag, 20. Juni 2023
Neue Heimat L98 59b (45)
Am nächsten Morgen informiert mich die Künstliche Intelligenz, dass in der Nacht eine Textnachricht von Pilot Albright hereingekommen ist. Ich hole sie auf den Monitor und lese sie aufmerksam durch. Er schreibt:

"Hier spricht Jim Albright. Ich befinde mich bei den Ngachi, wie sie sich selbst nennen. Zur Kontaktaufnahme abkommandiert. Heute hat man damit begonnen, mir ihre Sprache beizubringen. Sie besteht in der Hauptsache aus Klick-, Zisch- und Fauchlauten, mit ein paar Vokalen durchsetzt.
Daneben können sie ihre Haut wie Chamäleons farblich verändern, zwischen Schwarz, über braun, grau, grün, gelb bis Orange. Manchmal sind auch regelrechte Farborgien möglich. Ich denke, damit drücken sie ihre Gefühle aus. Die Bedeutung meiner Mimik und vieler Gesten, mit denen wir unsere Gefühle ausdrücken, bleibt ihnen dagegen verborgen.
Möglicherweise hat es hier kein Artensterben gegeben, sondern die Echsen haben sich zu Säugetieren weiterentwickelt und sind intelligent geworden, wenn auch Jahrtausende unter unserem Entwicklungsstand.
Morgen geht mein Sprachunterricht weiter."

Das sind interessante Neuigkeiten! Leider ist die Projektleitung auf der Erde entweder so gedankenlos oder so überheblich gewesen, auf Angeon allenfalls Viren und Bakterien, oder vielleicht noch Algen und Pilze zu vermuten. Nun haben wir es hier mit höherem Leben zu tun und könnten dringend Etymologen gebrauchen.

Ich lasse von der KI den Speicher nach etymologischen Erkenntnissen auf der Erde durchsuchen. Froh darüber, genug Material für einen speziellen Studiengang zu finden, rege ich den Aufbau eines Etymologie-Studiums an. Allerdings darf das Studium nur die Grundlagen umfassen, damit sich unsere Etymologen in zwei Jahren um die neue Spezies kümmern können.
Anschließend schreibe ich Mister Albright ein paar Vorschläge, wie er mit der fremden Intelligenz am besten umgeht:

"Stellen Sie Fragen! Lernen Sie alles, was man über Sprache, Bräuche und Mythologie in Erfahrung bringen kann! Assimilieren Sie sich, werden Sie im günstigsten Fall zu einem Ngachi. Das befähigt uns später, mögliche Fettnäpfchen zu umgehen und zu einem friedlichen Zusammenleben zu kommen. Wir müssen uns diesen Planeten schließlich irgendwie teilen.
P.S. Wenn möglich, lehren Sie ihrem Lehrer, ihre Mimik und Gestik zu lesen. Vielleicht können Sie auch unsere Sprache weitergeben. Dann sind Sie und ihr Lehrer Mittler zwischen den Kulturen. Wichtig sind immer die Achtung und der Respekt vor dem Anderen!"

Mister Albright macht sich mit der Zeit ganz gut in seiner Mittlerfunktion. Dadurch, dass er sich von den Indigenen belehren lässt und sich ihrer Lebensweise immer mehr annähert, wächst deren Vertrauen. Er schickt uns daneben immer wieder Updates per Textnachricht.

So hat er Regelmäßigkeiten bei der Färbung ihrer Haut festgestellt. Sie zeigt die Gefühlslage der Wesen an und kann über Grün nach Grau, Gelb, Braun, bis nach Orange wechseln. Sind die Ngachi entspannt, zeigen sie eine grüne Haut. Bei Stress, Angst und Unterlegenheitsgefühlen wird die Haut immer dunkler bis hin zu schwarz. Hitze scheint die Ngachi ebenfalls zu stressen, denn auch dann zeigen sie sich schwarz. In der Nacht wird ihre Hautfarbe blass, wie auch bei Krankheit. Dann zeigen sie sich grau bis bleich. Zeigen sie sich zurückhaltend, vorsichtig, dann werden die Ngachi braun bis hin zu schwarz. Sind sie aufgeregt, zeigen sie sich gelb. Werden sie wütend, wechselt ihre Hautfarbe zu orange. Werden sie sauer, dann wird ihre momentane Hautfärbung dunkler. Während sich irdische Wesen aufplustern, um einem Gegenüber zu imponieren, zeigen sich die Ngachi in der gleichen Situation in den prächtigsten Farbmustern.

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Samstag, 17. Juni 2023
Neue Heimat L98 59b (44)
Die Künstliche Intelligenz hat derjenigen im Lander den Absturz gemeldet, die mich sofort informiert hat. Ich schalte das Funkgerät ein und wähle die Kennung des Piloten.

"Hallo, Mister Albright?" frage ich.

Der Mann antwortet sofort:
"Albright hier. Bei mir ist alles in Ordnung. Wir hatten einen Unfall. Ich konnte mich mit dem Schleudersitz retten. Doctor Myers hat es leider nicht geschafft. Er und unser Fluggerät sind hier in einem See versunken."

Ich ziehe die Stirn kraus.

"Wie konnte das passieren?" will ich wissen.

"Ein Flugdrachen, ungefähr so groß wie das Kleinflugzeug, fühlte sich wohl gestört und attackierte uns."

"Hm... Bleiben Sie, wo Sie sind! Wir kommen mit dem Lander und holen Sie und ihr Kleinflugzeug heraus!" entscheide ich.

"Okay!" antwortet der Pilot.

Ich starte den Lander und lasse die Künstliche Intelligenz den Kommunikator des Piloten anpeilen.

Eine weitere Meldung des Piloten kommt herein, als ich schon in der Luft bin.

"Achtung! Keine Taucher in den See schicken! Unterwassermonster, wie Echsen!"

"In Ordnung! Danke sehr!" antworte ich.

Das erschwert die Sache etwas. Die künstliche Intelligenz kann unser Kleinflugzeug ohne weiteres bergen. Aber die Suche nach dem Wissenschaftler muss dann vorerst unterbleiben. Wir haben die Strecke ungefähr zur Hälfte abgeflogen, als sich der junge Pilot noch einmal meldet:

"Eine dieser Echsen hat mich eben attackiert. Daraufhin bin ich von einer extraterrestrischen Lebensform gerettet worden, halb und halb Affe und Chamäleon."

Ich atme erst einmal tief ein und aus. Dann antworte ich dem Mann in vorwurfsvollem Ton:

"Bedenken Sie, dass WIR hier die extraterrestrische Lebensform sind, während die Anderen hier beheimatet sind. Nebenbei, auch wir gleichen Affen bis zu einem gewissen Grad! Versuchen Sie eine friedliche Kontaktaufnahme zustande zu bringen. Wir können hier ja sehen, wo Sie sich befinden. Bedenken Sie bei ihren Handlungen immer, wir sind hier die Gäste und sie die Gastgeber!"

Als wir den See erreichen, aus dem die Signale der 'Black Box' zu kommen scheinen, holt die KI des Landers unser Kleinflugzeug aus dem Wasser. Währenddessen werden auch wir von einem Wesen attackiert, dass einem Flugsaurier ähnelt. Da das Tier keine Reaktion unsererseits erkennt, fliegt es einen nahen Baum an, einen regelrechten Urwaldriesen.

Es drückt sich knapp unterhalb des Wipfels in eine Art Nest: Rundum sind Zweige geflochten, wie ein riesiger Korb. Jetzt weiß ich auch, warum das Tier so reagiert hat. Es verteidigt seinen Nachwuchs! Kurz darauf ist das Kleinflugzeug frei und wir ziehen uns zurück. Um den Flugsaurier zu verwirren schrauben wir uns in Kreisen höher, um danach in einem weiten Bogen nach Eseís zurückzukehren.

Dort gebe ich das Fluggerät den Mechanikern. Entweder können sie die Funktionsfähigkeit wiederherstellen, oder sie schlachten es aus und legen die Einzelteile in unser Ersatzteillager. Anschließend esse ich zu Abend und lege mich schlafen.

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Mittwoch, 14. Juni 2023
Neue Heimat L98 59b (43)
Eseís, also 'Sie', liegt damit am Rande einer weiten Hochebene, deren Untergrund in der Hauptsache aus Sandstein besteht. Dieser Werkstoff wird der Baustoff unserer Siedlung, die in der Folgezeit langsam Form annimmt.

Unsere Mediziner sind weiterhin mit In-Vitro-Fertilisationen beschäftigt. Von den 5000 Embryonen haben nur etwa 3600 die lange Reise überstanden. Daneben müssen sie sich mehr und mehr mit den verschiedensten Krebserkrankungen beschäftigen. 20 Jahre Weltraumstrahlung, die wir außerhalb der Kälteschlafboxen abbekommen haben, fordern ihren Tribut.

Unsere Geologen fliegen mit Kleinflugzeugen über den Planeten, der zu 60 Prozent aus Ozean besteht, um ihn zu erforschen. Die Biologen erforschen zuerst die nähere Umgebung von 'Eseís'. Sie entdecken auf der Hochebene tag- und nachtaktive Tiere. Manche Arten wühlen sich durch den lockeren Untergrund unter der Grasnarbe. Andere suchen zum Schlafen Höhlen auf, wie Fledertiere.

Als die Frage aufkommt, wie die Tiere die Hochebene besiedelt haben könnten, interessieren sich einige Biologen für das Hochgebirge, das auf einer Seite der Hochebene liegt. Sie steigen langsam in den Dschungel auf der anderen Seite des Gebirges hinab. Dabei sind sie mit höheren Tieren dieses Planeten in Kontakt gekommen und haben sich wieder zurückgezogen. Auch auf der Erde herrscht im Dschungel das Prinzip des Fressens und Gefressenwerdens vor.

Um sich davor zu schützen, haben sie in einem kleinen Gebirgstal einen Außenposten errichtet. Die wissenschaftliche Station erhält einige Labors, um gefangene Tiere zu untersuchen. Für kleinere Exkursionen im näheren Umkreis und als Verbindung nach 'Eseís' stelle ich ihnen ein Kleinflugzeug zur Verfügung. Einer der auf dem Raumflug geborenen jungen Menschen mit Pilotenausbildung wird sie fliegen, wohin sie wollen.

Gleichzeitig habe ich den Aufbau einer kleinen Stadtverwaltung vorgeschlagen, mit Fachabteilungen, denen jeweils ein Sekretär vorsteht. Diese Sekretäre informieren mich über die Vorgänge in ihren Abteilungen und erhalten von mir Aufträge.

*

Eines Tages erhalte ich aus dem Camp der Biologen die Nachricht, dass unser Kleinflugzeug beim Tiefflug über den Dschungel von einem Tier angegriffen worden ist, das aussieht wie man sich einen Flugdrachen in irdischen Märchen vorstellt. Unser Kleinflugzeug ist zu dem Zeitpunkt mit dem Piloten und einem Wissenschaftler besetzt gewesen, der den Dschungel unter sich mit Infrarot-Strahlung durchleuchtet hat. So ist es der künstlichen Intelligenz möglich die Vegetation 'heraus zu rechnen'. Wir können Bodenformationen erkennen und die Fauna. Das Tier könnte auch eine Art Flugsaurier sein. Es hat in etwa die gleiche Größe wie unser Kleinflugzeug gehabt.

Anscheinend haben es unsere Männer unwissentlich gereizt, weil sie in eine Art Sicherheitszone hineingeflogen sind. Beide Männer haben den Schleudersitz ausgelöst. Dabei wird das Kabinendach abgesprengt und die Sitze von kleinen Notraketen aus der Kabine katapultiert. Anschließend entfaltet sich ein Fallschirm und sie schweben zu Boden.

Soweit, so theoretisch. Der Pilot hat eine vorbildliche Landung am Ufer eines Sees hingelegt. Der Wissenschaftler hat sich leider in den Seilen verheddert und ist in den See gestürzt, wie auch das Kleinflugzeug. Wir werden den Ausstieg mit dem Schleudersitz auch mit den Wissenschaftlern üben müssen!

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