Montag, 22. Januar 2024
Keltische Druiden -22
Am nächsten Morgen weckt mich Großmutter in aller Frühe. Draußen ist es noch dämmerig und die Männer und die Kinder schlafen noch. Sie flüstert mir zu, dass ich mich frisch machen soll und dann beim Zubereiten des Frühstücks helfe. Ich nicke ihr zu und erhebe mich.

Bis die Männer aufgestanden sind, haben wir das Frühstück bereit und füllen es ab. Jede von uns Frauen trägt einen Tontopf. Die Männer kümmern sich um die Kinder. Dann verlassen wir das Haus und ziehen hinaus zu Großvaters Grab.

Der Niallan -Meister- spricht einen Reinigungsspruch, um die bösen Geister zu vertreiben:

"Wind des Nordens, Wind des Südens,
Wind des Ostens und Wind des Westens.
Schützt mit euren Winden die Kinder des Lichts,
die zusammenkommen um ihren Ahnen zu huldigen.
Schütze uns vor allen bösen Mächten,
doch die Guten lasse herein, solange wir hier sind."

Nun zündet Athir -Vater- ein Feuer an. Da hinein lässt der weise Mann eine Räuchermischung rieseln. Großmutter beginnt leise mit einem Klagegesang, in den wir Frauen einfallen. Dabei halten wir uns an den Händen. Der Kian hebt die Arme gen Himmel, seinen Stab in der rechten Hand haltend und spricht:

"Strom des Geistes,
Kraft des Feuers,
Pforten der Nacht!
Kommt, denn es ist bereit.
Sprecht, denn wir sind bereit.
Wir öffnen uns, so öffnet euch.
Wir zeigen uns, so zeiget mir:
Strom des Geistes,
Kraft des Feuers,
Pforten der Nacht!
Wir sind euch ergeben
Zeiget euch! Öffnet euch!"

Dabei überkommt mich ein Kribbeln und ich meine, dass ein Luftzug über meinen Kopf streicht. Sicher ist das mein lieber Großvater, der nun unter uns weilt! Wir treten nacheinander an das Feuer und werfen eine Opfergabe hinein. Danach bedankt sich der Kian -weise Mann- bei den Geistern und schließt das Totenritual.

Anschließend setzen wir uns auf die Erde und frühstücken im Beisein von Großvaters Seele. Nach dem Frühstück verabschieden wir Großvater überglücklich nach Folkwang -jenseitiger Ort in der Anderswelt mit grünen Wiesen und wunderschöner Natur-. Wir sind alle erleichtert und freuen uns.

"Niallan Erin -Meister Erin-, wäre es nicht schön ein eigenes Haus zu besitzen? Ihr könntet in den Wald gehen, so oft Ihr wollt. Gleichzeitig könntet Ihr die Feste im Jahreslauf durch Eure Anwesenheit aufwerten und mit Eurem Wissen uns in allen Lebenslagen zur Seite stehen!" bemerkt Athir -Vater-.

Der Kian -weise Mann- gibt das Lächeln zurück und erklärt ihm:

"Wenn sich hier ein Druid niederlässt, wird das zur Folge haben, dass dieser Ort wächst. Andere werden kommen und sich ansiedeln, weil sie genauso denken werden. Mein Krafttier ist der Hirsch. Alle Menschen, die sich hier niederlassen, dürfen keine Hirsche mehr jagen! Urbó -Auerochsen- und andere Wildtiere werden stattdessen euren Speiseplan bereichern - solange bis einem von euch ein Wildtier im Traum erscheint und ihr im Alltag erfahrt, dass dies sein Krafttier ist."

Athir nickt und verspricht:
"Wir werden uns daran halten, ehrwürdiger Niallan -Meister-!"

Niallan -Meister- Erin erwidert ihm:
"Also muss Feld- und Viehwirtschaft genug Nahrung für alle zukünftigen Dorfbewohner liefern, damit es den Göttern gefällt!"

Athir -Vater- nickt verstehend.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 19. Januar 2024
Keltische Druiden -21
Wenn ich bedenke, der Kian -weise Mann- wäre mein Onkel, muss ich lächeln. Schnell laufe ich vor das Haus und in Richtung unseres Feldes. Die Ernte ist in den letzten Wochen eingefahren worden. Jetzt pflügt Athir -Vater- mit unserem Caball -Pferd- und meinen Brüdern das Feld. Das macht soviel Lärm, dass sie mich erst bemerken, als ich bei ihnen angekommen bin.

Ich berichte, dass wir Besuch von einem Druid im Haus haben und dass Großmutter gesagt hat, sie sollten bitte zum Essen nachhause kommen. Vater fixiert den Pflug und lenkt unser Kaltblut heim. Die Brüder gehen nebenher, während ich mich beeile, um im Haus weiter helfen zu können.

Als ich heimkomme, hat Großmutter noch mehr Speisen aus der Grube geholt. Ich husche geschwind an dem weisen Mann vorbei zur Feuerstelle. Nun haben wir alle Hände voll zu tun. Großmutter will wohl ein Festessen zur Begrüßung des ehrenwerten Kian auftragen. Schnell fülle ich den Tee in seiner Schale wieder auf. Er lächelt mich dankbar an und äußert sich dazu:

"Seid bedankt, meine Tochter!"

Nachdem die Männer das Caball -Pferd- aus dem Pflug gespannt und in den Stall gebracht haben, betreten sie das Haus. Sie begrüßen den Kian ehrfurchtsvoll. Danach holt Athir den Teekrug und vier Schalen an den Essplatz. Sie setzen sich und trinken Tee, um abzuwarten, bis wir Frauen mit dem Kochen fertig sind.

Endlich tragen wir die Speisen auf. Athir -Vater- verbeugt sich noch einmal und bittet den Druid hinzu. Dann erkennt er, was wir heute Mittag alles auftragen. Er fragt Mamaí belustigt:

"Haben wir heute etwas zu feiern?"

Mamaí lächelt verschämt und füllt die ihr hingehaltenen Schalen. Als jeder eine volle Schale vor sich stehen hat, erklärt Großmutter:

"Myrddin, dieser Kian -weise Mann- ist Erin, der Sohn von Maeron und Hafren, die damals in einer schrecklichen Feuersbrunst ums Leben gekommen sind. Er wird Drystan die letzte Ehre erweisen, so dass er beruhigt nach 'Folkwang' -jenseitiger Ort in der Anderswelt mit grünen Wiesen und wunderschöner Natur- gehen kann."

Einen Augenblick ist Stille in der Runde. Dann stellt Athir -Vater- fest:

"Dann müssen wir Bedran benachrichtigen! Shay, du wirst nach dem Essen zu deinem Onkel gehen und ihn benachrichtigen!"

Nach dem Mittagessen bleiben Vater und die Brüder noch bei Tee sitzen, während Shay unser Kaltblut vor den Heuwagen spannt. Damit ist er schneller bei Onkel Bedran. Am Nachmittag ist er wieder zurück und bringt Onkel Bedran, Tante Kyra und meine Neffen und Nichten mit. Großmutter überblickt die Szene. Während sich die Männer zusammensetzen, teilt Großmutter uns Frauen und Mädchen für die anfallenden Aufgaben ein. Auch meine jüngste Nichte erhält eine leichte Aufgabe, an die sie sich stolz und mit Hingabe macht.

Myrddin spricht in seiner Funktion als Hausherr und als Großvaters ältester Sohn. Sie beraten den Ablauf der Totenfeier für Großvater am morgigen Tag. Anschließend essen alle zu Abend. Onkel Bedran erzählt Niallan -Meister- Erin, dass sie den Hof seines Athir -Vaters- wieder aufgebaut haben und seit Jahren bewirtschaften, damit der Ackerboden nicht verwildert. Als es Nacht geworden ist und der Mond durch ein Windauge hereinscheint, legen wir uns alle schlafen.

*

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 16. Januar 2024
Keltische Druiden -20
Plötzlich höre ich ein Tierrudel vorbeistürmen. Vor Angst wage ich es immer noch nicht, meine Augen zu öffnen. Als es ruhig geworden ist, um uns herum, wendet sich der Kian zu mir um und erinnert mich noch einmal daran, was ich vorhatte:

"Würdest du mich nun bitte zu deinem ehrenwerten Athir -Vater- führen, meine Tochter?"

Ich schaue mich misstrauisch um, aber der Math -Bär- ist verschwunden. Also beeile ich mich, aus dem Wald heraus zu kommen. Der weise Mann folgt mir mit Leichtigkeit, obwohl er nur wenig jünger als mein Athir sein muss.

Als wir unseren Bauernhof erreichen, ist es fast Mittag. Ich führe ihn zu unserem Wohnhaus und schlage ihm das Bärenfell zur Seite, das den Eingang verdeckt. Der Kian bedankt sich lächelnd und betritt die Halle. Ich lasse das Bärenfell los und schlüpfe an dem ehrenwerten Besuch vorbei, um Mamaí den Tragekorb mit den gesammelten Wildkräutern und Pilzen zu übergeben.

Dabei sage ich ihr, dass wir Besuch haben. Mamaí schaut von der Feuerstelle auf und geht dem weisen Mann entgegen, um ihn zu begrüßen. Sofort lege ich den Korb ab und kümmere mich um das Essen auf dem Herd, damit nichts anbrennt. Das wäre jetzt gerade gegenüber dem hohen Besuch fatal.

Ich höre, wie Mamaí ihm Platz anbietet und ihm eine Schale Tee serviert. Nach dem Gruß kommt der Kian auf Großvaters Tod zu sprechen. Er bietet ihr an, ihm das Totenritual nachträglich zu gewähren. Mamaí antwortet:

"Ich werde einen meiner Söhne zu meinem Schwager senden und ihn davon in Kenntnis setzen. Mein Mann und alle Verwandten werden sich sehr darüber freuen!"

Jetzt betritt Großmutter die Halle mit einem Schulterjoch. Sie hat unsere Kühe gemolken und die Milch muss geschwind weiterverarbeitet werden. Ich erhebe mich und laufe Großmutter entgegen, um ihr das schwere Joch abzunehmen. Auch Großmutter begrüßt unseren Gast. Aus der Grube höre ich, wie sich das Gespräch weiterentwickelt.

Nachdem der Kian -weise Mann- den Gruß zurückgegeben hat, fragt er:

"Sehe ich hier die ehrwürdige Moja vor mir?"

Es entsteht eine kurze Pause. Dann antwortet Großmutter verhalten:

"Ja, ehrenwerter Kian -weiser Mann-, die bin ich..."

Dann spricht der Kian wieder. Er sagt zu ihr:
"Ich wäre beinahe Euer Ziehsohn geworden, wenn nicht der Druid, der hier weilte, als der Hof meiner Eltern niederbrannte, mich zu seinem Chihn -Schüler- erwählte."

Ich bin in der Grube fertig, habe die Milch in Fässer gegossen und mit einer Kelle einen Teil davon in eine Käsetrommel gefüllt, die ich nun beständig drehe. Dabei komme ich die Leiter wieder hoch. Ich sehe Großmutter stumm vor dem Kian stehen. Plötzlich beginnt sie zu zittern und sinkt vor ihm auf die Knie. Ich denke, sie hat einen Schwächeanfall erlitten und eile herbei. Ich höre noch, wie aus ihrem Mund der Name "Erin" kommt und schaue den weisen Mann an.

Dieser tritt an Großmutter heran, hilft ihr aufzustehen und sagt "Mamaí" zu ihr. Großmutter nimmt mit einem Schritt rückwärts wieder ein wenig Abstand, beugt den Kopf ehrerbietig und entfernt sich in Richtung zur Feuerstelle. Sie nimmt mir die Käsetrommel aus der Hand und fordert mich auf:

"Venia, geh auf's Feld und hole die Männer zum Essen!"

... link (0 Kommentare)   ... comment