Montag, 5. Februar 2024
Keltische Druiden -27
Also mache ich ein paar Gänge allein in den Wald, um mich dort mit der Natur zu verbinden. Während eines Rückweges entdecke ich einen am Boden hockenden Eichelhäher, der weder krächzt noch auffliegt, um sich zu entfernen. Ich gehe in die Hocke und streiche ihm sanft über den Rücken. Der Vogel lässt es geschehen. Er zeigt mir gegenüber volles Vertrauen, als gehöre ich zu ihm. Einer seiner Flügel spreizt er unnatürlich ab.

Ich entscheide mich dafür, ihn mit nachhause zu nehmen. Meister Erin wird sicher wissen, was man gegen einen gebrochenen Flügel unternehmen kann. Also fasse ich vorsichtig mit beiden Händen zu und setze ihn in den Korb zu den gesammelten Pflanzen.

Wie so oft, wenn Meister Erin zuhause geblieben ist, wird mir bei meinem Eintreffen sogleich das Bärenfell zur Seite gehoben. Ich habe mich schon daran gewöhnt, schlüpfe durch den Eingang und setze den Korb ab. Dann frage ich den weisen Mann:

"Ehrwürdiger Meister, schau dir den Sgrechlah -Eichelhäher- einmal an. Wie kann ich ihm helfen?"

Der Kian -weiser Mann- nickt und erklärt, dass ich dem Vogel den gebrochenen Flügel schienen soll. Er gibt mir Schritt-für-Schritt-Anweisungen und lässt mich alles selbst machen. Anschließend hole ich Körner herbei und füttere den Vogel. Eine Teeschale dient als Vogeltränke.

Nach einer Weile meint der weise Mann, wir könnten ihm den Verband abnehmen. Statt, dass er auffliegt und durch ein Windauge in die Freiheit entweicht, folgt er mir hüpfend. In der folgenden Nacht schläft er an meiner Schlafstatt, ein Bein ins Gefieder gezogen.

Beim Frühstück am nächsten Tag frage ich deshalb:
"Meister Erin, sollte der Sgrechlah nicht besser in den Wald zurückkehren?"

"Wenn du das für das Bessere hältst, Venia, dann nimm ihn heute mit in den Wald."

Ich folge dem Rat des Meisters und halte im Wald den Korb, in dem der Vogel sitzt und alles neugierig beäugt, über meinen Kopf. Kurz darauf spüre ich, wie er die Flügel ausbreitet und zu einem Baum in der Nähe fliegt. Er lässt sich auf einem Ast nieder und äugt von dort zu mir herüber.

Er schaut mir zu, wie ich die Wyda-Übungen mache, die der Meister mir beigebracht hat. Danach bücke ich mich und sammele Heilpflanzen für Tees und Salben. Als ich mich dabei wieder einmal aufrichte, ist der Vogel verschwunden.

*

Wenn Meister Erin mit mir zusammen in den Wald geht, redet er oft von 'Odam' -Lebenskraft, -energie-. Wieder geht es um Schwingungen in der Natur, die ich erspüren soll. Diesmal spricht er aber vor allem von der Kraft der Bäume.

Dazu setzen wir uns unter eine riesige Eiche und er leitet mich an, die Augen zu schließen und nach innen zu horchen. Eine Menge Gedanken fließen dort an mir vorbei. Ich soll nun versuchen, an den Quell meiner Gedanken vorzustoßen.

Dort könnte ich die Schwingungen der Erde und der Bäume erfühlen. Meister Erin erklärt mir, dass Odam die Schwingungen und Energien der Bäume mit dem uralten Wissen der Druidi verbindet. Odam sei eine Erdenergie, die durch jedes Lebewesen fließt. Die Wurzeln der Bäume reichen tief in die Erde, so dass sie Odam in sich aufnehmen und über ihre Äste und Zweige weitergeben können.

"Ist ein Druid mit dieser Energie vertraut, kann er sie durch Handauflegen auf andere Lebewesen übertragen. Deren Körper und Anam -Seele- werden dadurch geheilt, indem sie wieder miteinander in Einklang gebracht und die Selbstheilungskräfte aktiviert werden."

Der Meister meint, dass man diese Energie, oder Lebenskraft fühlt, wenn man unter den Ästen eines Baumes steht oder ihn umarmt, und sich auf ihn konzentriert. Er meint, dass einige Bäume Kraft geben, während Andere Inspiration vermitteln. Ehrlich gesagt, fühle ich nichts dergleichen. Sicher gilt auch hier, dass das erst mit jahrelanger Übung klappt. Meister Erin sagt:

"Du kannst auf diese Weise im Laufe der Jahre deine persönliche Energie-Ebene erhöhen und mächtiger werden."

Jetzt hat er mich also in zwei Geheimnisse der Druidi eingeweiht, die ich nur noch weiter vervollkommnen muss. Wyda lässt mich mit der Natur und ihren Geschöpfen eins werden, 'durch den Schleier gehen', wie er das nennt und Odam aktiviert und stärkt meine geistigen Energien.

*

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Samstag, 3. Februar 2024
Keltische Druiden -26
Ich habe Meister Erin mit aufgerissenen Augen zugehört. Nun frage ich ihn:

"Ist mir das auch möglich?"

"Ich kann es versuchen, dich zu lehren. Aber es dauert lange. Du darfst nie die Geduld und deinen Mut verlieren!"

"Wann bin ich soweit?"

"Nun," meint er lächelnd. "Bei dem Einen geht es schneller, andere brauchen etwas länger und wieder andere erreichen diesen Zustand nie. Das weiß man im Vornherein nie. Darum gilt: Wenn dir daran gelegen ist, versuche es einfach!"

In der Folgezeit schaufele ich mir immer mal einen Tag frei, an dem ich Meister Erin in den Wald folge. Er zeigt mir Heilkräuter, die ich noch gar nicht kenne. Einiges weiß ich ja schon von Mamaí, aber der weise Mann kennt noch viel mehr. Wir ernten die Kräuter, um sie zuhause zu trocknen. Im Wald habe ich immer ein mulmiges Gefühl, aber der Kian -weise Mann- bewegt sich hier mit einer Selbstverständlichkeit, einer fast traumwandlerischen Sicherheit. Ich mache ihn auf meine Unsicherheit aufmerksam:

"Die Natur ist wild und gefährlich, haben mich meine Eltern von klein auf gelehrt. Man muss sie fürchten! Ich erinnere mich noch an die Begegnung mit dem Bären, als ich Euch das erste Mal traf, Meister Erin."

Der weise Mann schaut mich lächelnd an und antwortet mir:

"Wo Math -Bär- und Mensch unvereint sind, kann er sterben. Doch, wo der Math und der Mensch eins sind, gibt es keine Angst, keine Gefahr. Welche Kreatur, die eins ist mit der Natur, greift sich selbst an?"

Über diese Antwort gerate ich ins Grübeln. Nach einer Weile frage ich:

"Könnt Ihr mir zeigen, wie man eins wird mit der Natur?"

"Schließe deine Augen, Venia. Stelle dir das frische Grün im Wald und auf den Wiesen in der warmen Jahreszeit vor. Spüre den tragenden Felsen unter deinen Füßen oder die bewegende Kraft des Wassers. Du musst dich der Natur öffnen, denn alle Übungen dienen dem Ziel, die Harmonie zwischen deinem menschlichen Sein und den feinstofflichen Schwingungen der Natur herzustellen. Bleibe dabei stets gelassen! Bis du die Schwingungen wahrnimmst, können Jahre vergehen.
Außerdem gibt es gewisse Kraftorte in der Natur. Mit der Zeit wirst du fühlen, welcher Platz der Passende ist, denn der Ort wird in dir einen Widerhall erzeugen."

Sobald ich mit Meister Erin im Wald unterwegs bin, versuche ich seinem Rat zu folgen. Ich möchte mehr über diese 'Kraftorte' erfahren und frage danach. Er erklärt mir:

"Dazu gehst du am Besten alleine in den Wald. Meine Anwesenheit könnte die Schwingungen verfälschen. Bald aber hast du heraus, wie und vor allen Dingen wo du dich am besten gedanklich versenken kannst! Atme regelmäßig! Stehe aufrecht dabei! Schließe für einen Moment die Augen und fühle, was du an diesem Ort an positiven Energien fühlen kannst!
Mach dir bewusst, dass du nicht nur aus feststofflicher Materie bestehst - aus Muskeln und Knochen -, sondern dass du ein Energiefeld bist, ein feinstoffliches Wesen, die Anam -Seele-. Dein Körper existiert in diesem Feld des Lichts inmitten der Natur.
Allmählich richtet sich deine Wahrnehmung dadurch auf Sichtbares und Unsichtbares, sowie alles Fühlbare aus. Du belebst deinen Körper mit reiner Urkraft - und das ohne große Anstrengung. Auch richtest du deine Achtsamkeit nach innen und dein Sein auf die Harmonie mit der Natur."

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Mittwoch, 31. Januar 2024
Keltische Druiden -25
Zurück am Haus des Druid wird mir das Bärenfell sofort zur Seite geschlagen. Ich bin darüber erfreut, aber auch leicht irritiert. Hat Meister Erin etwa die ganze Zeit hinter dem Eingang gestanden?

Zur Feuerstelle gehend, beginne ich sogleich mit der Zubereitung des Essens. Der Meister verlässt sein Haus mit einem hölzernen Eimer und ist bald wieder mit dem vollen Eimer Wasser zurück. Ich bedanke mich und koche damit Tee auf. Den Rest stelle ich in die Grube und decke den Eimer ab. Danach bringe ich dem Meister zuerst einen Krug Tee und eine Schale. Er bedankt sich herzlich für die Aufmerksamkeit, die für mich eigentlich selbstverständlich ist. Das ist die Erziehung meiner Mamaí!

*

Ein paar Monate sind seit meinem Einzug bei Niallan Erin vergangen. Er hat in der Zeit das Totenfest Samhain mit uns gefeiert und das Julfest. Nun haben wir einen strengen Winter. Der Schnee liegt kniehoch. Eigentlich ist es ja meine Aufgabe die Wege schneefrei zu halten, aber Meister Erin macht diese Arbeit gerne, hat er mir gesagt. Also kümmere ich mich um das Haus und arbeite nebenbei im Stall meiner lieben Eltern, von denen ich dafür Eier und Milch bekomme. Meister Erin geht in den Wald und kommt immer wieder mit frischen Kräutern für Eierkuchen und Wasser vom nahen Fluss zurück.

Wenn wir abends beieinander sitzen, reden wir bei Tee miteinander. Ich will Meister Erins Lebenswandel verstehen können. Vielleicht kann ich daraus Lehren für mich selbst und meine Zukunft ziehen. Einmal habe ich ihn gefragt:

"Ehrwürdiger Meister, warum habt ihr es im Laufe eures Lebens aufgegeben Fleisch zu essen?"

"Wir Druidi haben erkannt," erklärt er mir freimütig, "dass wir Teil der uns umgebenden Natur sind. Das bedeutet aber, dass alle Lebewesen unsere Brüder und Schwestern sind. Menschen dürfen sich natürlich gegenüber anderen Menschen und auch aggressiven Tieren verteidigen. Dabei kann es vorkommen, dass wir andere Lebewesen töten müssen, um unser eigenes Leben zu schützen. Aber niemals dürfen wir selbst den ersten Schritt unternehmen."

"Hm," brumme ich, "und wie ist das bei Haustieren?"

"Haustiere geben uns Wärme, Zuneigung. Sie verteidigen uns. Sie geben uns aber auch Milch ab. Wir geben ihnen Namen und nehmen sie quasi in unsere Familie auf. Auch wir geben ihnen Zuneigung und sind traurig, wenn sie sterben.
Du fragst, weil ich bei Meister Fion in den vergangenen Jahren gelernt habe, ihr Leben zu respektieren. Weil ich mich hauptsächlich von Pflanzen ernähre?"

Ich nicke stumm. Meister Erin holt einmal tief Luft und beginnt, mir über die Natur zu berichten:

"Wir Druidi haben erkannt, dass Pflanzen, Tiere und Menschen durch das Atmen miteinander verbunden sind. Wir leben im Einklang mit der Natur, wenn wir alle Lebewesen mit dem nötigen Respekt behandeln. Wir Druidi wissen, dass das Leben zumeist aus feinstofflichen Schwingungen besteht, nicht nur aus feststofflicher Materie. Es ist so, dass nicht die Anam -Seele- in deinem Körper wohnt, solange du lebst. Sondern dein Körper lebt in deiner Seele und deine Seele lebt in der Natur!
Über die allumfassende Natur ist es dir nach jahrelanger Übung möglich, mit den anderen Seelen Verbindung aufzunehmen. Damit meine ich nicht nur die sensibilisierten menschlichen Seelen der Druidi, sondern mit allen Geschöpfen der Natur und dabei die natürlichen Schwingungen in der Natur wieder in geordnete Bahnen lenken."

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