Samstag, 13. Juli 2024
Neue Philosophie -11
Jedes Dorf wird von einem gewählten Häuptling geführt und einem Schamanen. Manchmal sind beide Funktionen auch in Personalunion. Es gibt aber auch Dörfer, wo die Frau des Häuptlings die Schamanin des Ortes ist. Unsere Männer fragen nach einem Dorf, das Ärger mit einer Mine der Nabuh -Weißen- auf ihrem Gebiet hat.

Der Häuptling dieses Ortes weiß davon. Denchuu-San will nun wissen, ob man mit dem Thomoro -Kanu- dorthin kommen kann. Das verneint der Häuptling. Also müssen meine Männer durch den Regenwald wandern, geführt von einem Mann der Leute aus diesem Shapono.

Meine Leute bleiben noch zwei Tage bei den freundlichen Menschen mit ihrem besonderen Humor. Sie lieben es, die Nabuh zu necken. Dann lösen sie die Knoten, an denen ihre Hängematten befestigt sind und fragen nach dem Mann, der sie führen soll.

*

Als die Mitglieder des Henimou -Jagdexpedition- mit dem Nabuh -Weißen- und mir, Yarima, der Tochter des Häuptlings und der Okape -Schamanin- in unserem Shapono -Dorf- den Versammlungsplatz betreten, treten uns mein Vater, der Häuptling und meine Mutter, die Schamanin, entgegen.

Der Leiter der Jagdexpedition muss nun erklären, warum sie ohne Yarope -Tiere-, dafür aber mit einem Nabuh zurückkommen. Er wisse doch, dass Weißen, der Zugang ins Dorf verwehrt sei. Der Mann verweist auf mich. Ich hätte den Nabuh beschützt und gesagt, es hätte ein Zeichen gegeben.

Mein Vater wendet sich nun zu mir. Er fragt:
"Was hast du dazu zu sagen?"

Ich trete vor und antworte ihm:
"Ich wollte ihm einen Pfeil zwischen die Rippen senden, da er zu den bewaffneten Männern gehört, die das große Erdloch vor uns schützen sollen. Ich habe den Bogen gespannt, als sich ein Samen der heiligen Liane an seinem Schirmchen auf meinen Pfeil niederließ. Also tötete ich den Jaguar, der ihn bedrängte."

Ich mache eine Atempause, in der die umstehenden Männer grimmige Gesichter machen. Es ist verboten, ein Rishi -Doppeltier- ohne Not zu töten. Denn wenn man ein 'Doppeltier' tötet, stirbt nach unserem Glauben gleichzeitig das damit verbundene Yanomami thepe -Menschenwesen-. Nur Notwehr ist erlaubt.

Nach einem Atemzug berichte ich weiter:
"Ich habe mich dann entfernt, aber der Nabuh verfolgte mich. Ich schlug ihn und forderte ihn auf, zu seinen Leuten zurückzukehren. Plötzlich senken sich viele der Samen auf ihm nieder. It’l -Gott des Windes- hat uns ein Zeichen gesandt. Nur bei besonders reinen Seelen soll das geschehen, heißt es."

"Gut," antwortet mein Vater nach einer kurzen Weile. "Er wird bei uns leben und ein Yanomami werden. Du wirst ihm alles Nötige dafür beibringen!"

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Mittwoch, 10. Juli 2024
Neue Philosophie -10
Ich spreche das Problem in unserem Rat an und einer der neuen Chisei erklärt sich bereit nach Brasilien zu reisen. Einer der Fortgeschrittenen zeigt ebenfalls gute Anlagen, zu Reiki vorzudringen. Denchuu Naoki, der Chisei, spricht nach unserer Versammlung den Chuden Safuji Takeo an und erklärt ihm den Auftrag. Der Chuden ist einverstanden den Chisei als dessen Kyoshi -Schüler- zu begleiten. Nun unterziehen beide sich einer umfangreichen Vorbereitung. Zuerst lernen beide die portugiesische Sprache, danach das Yanomam, um sich vor Ort verständlich machen zu können. Danach tauchen beide so tief wie möglich in die Mythologie, Sitten und Gebräuche der Indigenen ein.

Anschließend fliegen beide mit einer Linienmaschine von Oosaka nach Boa Vista in Brasiliens Präfektur Roraima. Der Flug dauert mit drei Zwischenstopps 39 Stunden. Zuerst geht der Flug nach Paris. Dort müssen sie fünf Stunden auf den Weiterflug warten. Der nächste Stopp ist dann schon Sao Paulo, Brasilien. Von dort geht es nach zwei Stunden Wartezeit nach Brasilia weiter und nach weiteren zwei Stunden warten, erreicht der Flieger endlich Boa Vista. Hier kaufen beide in einem Ethno-Shop ein Thomoro -Kanu- und lassen sich zum Orinoko-River fahren.

Beim Orinoko angekommen, setzen sie den Einbaum ins Wasser und paddeln ihrem Ziel entgegen. Immer wieder müssen sie Stromschnellen überland umgehen. Auf ihrem Weg flussaufwärts haben sie sich entkleidet und mit den dekorativen Schnüren behängt, die Yanomami als Kleidung dienen. Hinzu kommt noch ein gräserner Lendenschurz und sie behandeln ihre Körper mit einem Insektizid.

Während sie am Ufer rasten, lassen sie ihre Drohne die Landschaft vor sich erkunden. Als sie das Yanomami-Dorf in Flussnähe erreicht haben und anlanden, sind sie sogleich von einer ganzen Schar Kinder umringt. Hinter ihnen warten Männer und Frauen, um uns in ihr Dorf zu begleiten. Alle sind unbewaffnet und Denchuu-San hört aus dem 'Geschnatter' heraus, dass sie erwartet wurden. Ihre Ankunft hat sich herumgesprochen. Sie sind also von den Leuten auf dem Fluss entdeckt und beobachtet worden.

Nun ziehen sie das Boot bis zur Vegetationsgrenze hoch und werden dabei auf Yanomami angesprochen und angestachelt. Die Erwachsenen stehen dabei und grinsen breit. Die Kinder bedrängen die Ankömmlinge total. Denchuu-San meint beim Internet-Kontakt vor dem Einschlafen, so viele Hände hätte er noch nie auf sich gehabt, die ihn am Ohr gezogen, an der Nase und an den Haaren berührt haben.

Unsere beiden 'Botschafter' haben natürlich eine hellere Haut als die Yanomami, aber Nabuh -Weiße- sind sie nun auch nicht direkt. Sie werden in das Shapono geführt, einem großen Rund aus einer Palisade mit einem Strohdach. Dort lebt die Dorfgemeinschaft Seite an Seite, ohne seitliche Trennwände. Wo der Platz einer Familie ist, zeigt die Feuerstelle an. Sie wird den ganzen Tag unterhalten und über der glühenden Holzkohle werden des Nachts die Hängematten aufgehängt, um die Kühle der Nacht zu überstehen.

Der freie Platz im Rund ist eine Arena für die Rituale des Handels und des Schamanismus, für öffentliche Dispute und sogar Kämpfe.

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Sonntag, 7. Juli 2024
Neue Philosophie -09
Wir bestärken sie darin, ihren Weg nach ihren Fähigkeiten und Sehnsüchten zu finden. Sollte ein Studium nur am Geld scheitern, unterstützen wir die jungen Leute. Viele dieser jungen Menschen finden später in großen Firmen eine Anstellung. Einige unserer Stipendiaten gründen kleine Firmen, die sich mit speziellen Bedürfnissen großer Firmen beschäftigen.

Den großen Firmen kommt das Angebot entgegen, denn die kleinen Firmen kosten weniger als ihre aufgeblähten Abteilungen. So können unsere früheren Stipendiaten ihr Stipendium zurückzahlen und sie legen noch eine großzügige Spende obendrauf. Auch nehmen sie Leute aus dem Umfeld des Klosters gerne als Arbeitskräfte an.

Daneben machen wir Reisen überallhin zu hilfebedürftigen Menschen aus den indigenen Gesellschaften auf der Erde. Leider kommt es auf allen Kontinenten immer wieder zu Zusammenstößen der angestammten Bevölkerung mit der Zivilisation. Dafür haben wir uns extra eine Datenbank aufgebaut.

Wir haben es uns angewöhnt, zu solch einer Expedition immer nur zwei Personen zu senden, idealerweise einen Okuden -Meister- und einen Chuden -Fortgeschrittenen-. An den Zielorten lassen wir eine Drohne fliegen, die mit GPS ausgestattet ist, damit wir über die Zielkoordinaten informiert sind.

Solch eine Reisegruppe aus zwei Personen informiert sich vorab im Internet über alles, was dort zu finden ist. So auch über die Mythologie der Indigenen und ihre Gebräuche, ihre Kleidung, Sprache und deren gebräuchliche Nahrung. Wir wollen, dass unsere Männer auf diese Weise in den Augen der Indigenen einen Vorteil gegenüber den 'zivilisierten Menschen' erhalten.

Als es einem von meinen Leuten gelingt, in seiner Meditation bis zu Reiki -Lebenskraft- vorzudringen und in die Gedankenwelt seiner Mitbrüder einbricht, muss ich ihm sagen, dass der Respekt es ihm gebietet, sich dort herauszuhalten. Als Alternative gebe ich ihm vor, seine Fähigkeit in der Tierwelt zu erproben. Nach einigen Jahren der Übung erhebe ich den jeweiligen Mann ebenfalls in den Stand des Chisei. Ich behalte mir selbst, als Gründer der Gruppe, den Titel des Saiko Chisei -oberster Mann mit Geisteskraft- vor.

*

Uns ist bekannt geworden, dass im Norden Brasiliens auf dem Gebiet der Yanomami eine Bergbaugesellschaft den Urwald gerodet und die Erde abgetragen hat, um an Bodenschätze unter dem Waldboden zu kommen, die dort liegen. Sie haben eine tiefe Grube gegraben, mehrere Fußballfelder groß, um dort Tagebau zu betreiben.

Wenn sie wenigstens ökologisch vorgehen würden und die Yanomami an ihren Gewinnen teilhaben ließen... Aber die Gesellschaft igelt sich ein und beschäftigt eine paramilitärische Sicherheitsfirma zu ihrem Schutz. Für sie sind die indigenen Waldmenschen 'Wilde' und wenn sie ihren Unmut äußern sind es angebliche 'Partisanen'. Sie behaupten, das Land gehöre sowieso ihnen, denn ihre Vorfahren haben es vor 400 Jahren entdeckt.

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