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Mittwoch, 31. Juli 2024
Neue Philosophie -17
mariant, 10:41h
"Okay," antworte ich. "Sie sagen, Sie sind Buddhisten. Wie kommt es, dass Sie ausgerechnet jetzt, da alles eskaliert, hier auftauchen? Sie sagen, sie haben die Tierwelt - und hier besonders die Insekten - gegen die Feinde der Yanomami gehetzt und dadurch in die Flucht geschlagen. Was ist Ihre Intention bei der Sache?"
"Hm," macht der ältere der Mandeläugigen. "Mit Ihren Worten unterstellen Sie uns gewisse eigennützige Motive, auf die wir nun in weiteren Gesprächen drängen wollen würden..."
Er schüttelt mit einem traurigen Gesichtsausdruck seinen Kopf. Dann redet er weiter:
"Zum einen ist möglicherweise nur die erste Schlacht geschlagen worden. Der Gegner kann durchaus bestrebt sein zurückzukommen. Das kommt darauf an, wieviel Geld die Mine der Betreibergesellschaft wert ist. Das brasilianische Militär wird höhere Ansprüche stellen, um mit mehr Schlagkraft wiederzukommen.
Zum anderen haben wir nicht vor, uns in das alltägliche Leben der Yanomami einzumischen. Wir freuen uns eher, wenn sie ihr seit Generationen angestammtes Leben unbehelligt fortführen können. Sie würden niemals gegen Mutter Natur handeln!"
"Das sind löbliche Worte, die sie da aussprechen! Wie begründen sie Ihre Worte?"
"Um den Grund unseres Handelns zu verstehen, müssen Sie sich etwas in unserer Weltanschauung auskennen. Darf ich Sie Ihnen erklären, Shori -Schwager-?"
"Gerne."
"Da muss ich allerdings einige tausend Jahre zurückgehen. Damals lebte ein Mann namens Siddharta Gautama, von Geburt an reich. Zufällig erlebte er, wie es vielen Menschen außerhalb der Villa seines Vaters erging, wieviel Leid sie in ihrem Leben ertragen mussten. Er sagte sich von seinem bisherigen Leben los und lebte asketisch. Dabei meditierte er oft, um zum Grund des Leids vorzudringen und eine Lehre zu etablieren, die den Ausgleich zwischen arm und reich predigt."
"Damit hatte er aber wenig Erfolg!" werfe ich ein.
"Nun, das liegt wieder am individuellen Charakter der einzelnen Menschen. Grundsätzlich hat er mit seiner Lehre und die Weisen nach ihm, mit ihren Anwendungsbeispielen, schon eine Menge bewirkt - im asiatischen Raum allerdings nur."
"Was besagt nun die Lehre dieses Mister Gautama?"
"Er hat sie für den Normalsterblichen in wenigen Merksätzen zusammengefasst. Zuerst postuliert er, es gibt das Leid in der Welt."
"Hm," macht der ältere der Mandeläugigen. "Mit Ihren Worten unterstellen Sie uns gewisse eigennützige Motive, auf die wir nun in weiteren Gesprächen drängen wollen würden..."
Er schüttelt mit einem traurigen Gesichtsausdruck seinen Kopf. Dann redet er weiter:
"Zum einen ist möglicherweise nur die erste Schlacht geschlagen worden. Der Gegner kann durchaus bestrebt sein zurückzukommen. Das kommt darauf an, wieviel Geld die Mine der Betreibergesellschaft wert ist. Das brasilianische Militär wird höhere Ansprüche stellen, um mit mehr Schlagkraft wiederzukommen.
Zum anderen haben wir nicht vor, uns in das alltägliche Leben der Yanomami einzumischen. Wir freuen uns eher, wenn sie ihr seit Generationen angestammtes Leben unbehelligt fortführen können. Sie würden niemals gegen Mutter Natur handeln!"
"Das sind löbliche Worte, die sie da aussprechen! Wie begründen sie Ihre Worte?"
"Um den Grund unseres Handelns zu verstehen, müssen Sie sich etwas in unserer Weltanschauung auskennen. Darf ich Sie Ihnen erklären, Shori -Schwager-?"
"Gerne."
"Da muss ich allerdings einige tausend Jahre zurückgehen. Damals lebte ein Mann namens Siddharta Gautama, von Geburt an reich. Zufällig erlebte er, wie es vielen Menschen außerhalb der Villa seines Vaters erging, wieviel Leid sie in ihrem Leben ertragen mussten. Er sagte sich von seinem bisherigen Leben los und lebte asketisch. Dabei meditierte er oft, um zum Grund des Leids vorzudringen und eine Lehre zu etablieren, die den Ausgleich zwischen arm und reich predigt."
"Damit hatte er aber wenig Erfolg!" werfe ich ein.
"Nun, das liegt wieder am individuellen Charakter der einzelnen Menschen. Grundsätzlich hat er mit seiner Lehre und die Weisen nach ihm, mit ihren Anwendungsbeispielen, schon eine Menge bewirkt - im asiatischen Raum allerdings nur."
"Was besagt nun die Lehre dieses Mister Gautama?"
"Er hat sie für den Normalsterblichen in wenigen Merksätzen zusammengefasst. Zuerst postuliert er, es gibt das Leid in der Welt."
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Sonntag, 28. Juli 2024
Neue Philosophie -16
mariant, 09:36h
Einer der Mandeläugigen öffnet seine Augen und lächelt. Er erklärt mir:
"Zwei Harpyien, die 'Geister der Lüfte', wie die Yanomami sie nennen, haben Brennholz in die Rotore der Hubschrauber fallen lassen, während sie selbst mit fast 80 Stundenkilometer über sie hinweg geflogen sind..."
"Ja," meine ich, immer noch unter dem Eindruck der Beobachtung stehend. "Aber wie..."
"Warte bitte! Die Bodenmannschaften müssen noch beschäftigt werden. Sie haben schon ihren Zusammenhalt in Trupps zu 12 Mann aufgegeben und versuchen einzeln oder in Zweiergrüppchen weiterzukommen."
Er sagt es und versinkt wieder in Gedanken, während beide im Schneidersitz bei uns sitzen. Junge Yanomami-Frauen der in der Nähe wohnenden Familien bringen uns bald zu essen. Es ist eine Yanomami-Diät aus Kochbananen und großen Käferlarven. Auch gebratenen Fisch und zerstampften Maniok gibt es. Diesmal rührt sich der jüngere der beiden Mandeläugigen. Er bedankt sich bei der jungen Frau, die ihm sein Essen reicht und beginnt beim Essen zu erzählen.
"Die Soldaten haben sich aufgeteilt und den Rückzug zur Mine angetreten. Die Tiere des Regenwaldes machen ihnen schwer zu schaffen. Immer wieder fallen Haho -Vogelspinnen- aus dem Blattwerk auf sie herab. Dann machen ihnen Ukushi -Stechmücken-, Pareto -Fliegen- und Kopina -Wespen- das Leben schwer. Viele Soldaten sind total zerstochen. Ihnen juckt der ganze Körper."
In diesem Moment regt sich auch der Ältere. Lächelnd bedankt er sich für das Essen und ergänzt:
"Inzwischen ist die komplette Invasionsarmee auf dem Rückzug. In der Mine hat man Sanitätshubschrauber angefordert."
"Woher wissen Sie..." setze ich noch einmal an.
Der Ältere wendet sich nun mir zu:
"Mister Potter, ich darf sie doch hier Shori -Schwager- nennen, in buddhistischen Gesellschaften kennt man das Meditieren. Mit viel Übung erreichen Sie die tiefe Meditation, die Sie befähigt aus sich heraus zu treten und mit anderen Lebewesen in Kontakt zu treten. Sie müssen akzeptieren, dass wir die Tiere des Waldes gegen die Aggressoren in Gang gesetzt haben. Sie kämpfen für uns, ohne jemand von der Gegenseite zu töten."
"Hm," mache ich. "Gilt das auch für den Absturz der Hubschrauber?"
"Leider wird es immer wieder Kolateralschäden geben, Mister Potter! So ganz lässt sich das nie vermeiden. Aber die Gegenseite geht dieses Risiko schließlich bewusst ein!"
"Zwei Harpyien, die 'Geister der Lüfte', wie die Yanomami sie nennen, haben Brennholz in die Rotore der Hubschrauber fallen lassen, während sie selbst mit fast 80 Stundenkilometer über sie hinweg geflogen sind..."
"Ja," meine ich, immer noch unter dem Eindruck der Beobachtung stehend. "Aber wie..."
"Warte bitte! Die Bodenmannschaften müssen noch beschäftigt werden. Sie haben schon ihren Zusammenhalt in Trupps zu 12 Mann aufgegeben und versuchen einzeln oder in Zweiergrüppchen weiterzukommen."
Er sagt es und versinkt wieder in Gedanken, während beide im Schneidersitz bei uns sitzen. Junge Yanomami-Frauen der in der Nähe wohnenden Familien bringen uns bald zu essen. Es ist eine Yanomami-Diät aus Kochbananen und großen Käferlarven. Auch gebratenen Fisch und zerstampften Maniok gibt es. Diesmal rührt sich der jüngere der beiden Mandeläugigen. Er bedankt sich bei der jungen Frau, die ihm sein Essen reicht und beginnt beim Essen zu erzählen.
"Die Soldaten haben sich aufgeteilt und den Rückzug zur Mine angetreten. Die Tiere des Regenwaldes machen ihnen schwer zu schaffen. Immer wieder fallen Haho -Vogelspinnen- aus dem Blattwerk auf sie herab. Dann machen ihnen Ukushi -Stechmücken-, Pareto -Fliegen- und Kopina -Wespen- das Leben schwer. Viele Soldaten sind total zerstochen. Ihnen juckt der ganze Körper."
In diesem Moment regt sich auch der Ältere. Lächelnd bedankt er sich für das Essen und ergänzt:
"Inzwischen ist die komplette Invasionsarmee auf dem Rückzug. In der Mine hat man Sanitätshubschrauber angefordert."
"Woher wissen Sie..." setze ich noch einmal an.
Der Ältere wendet sich nun mir zu:
"Mister Potter, ich darf sie doch hier Shori -Schwager- nennen, in buddhistischen Gesellschaften kennt man das Meditieren. Mit viel Übung erreichen Sie die tiefe Meditation, die Sie befähigt aus sich heraus zu treten und mit anderen Lebewesen in Kontakt zu treten. Sie müssen akzeptieren, dass wir die Tiere des Waldes gegen die Aggressoren in Gang gesetzt haben. Sie kämpfen für uns, ohne jemand von der Gegenseite zu töten."
"Hm," mache ich. "Gilt das auch für den Absturz der Hubschrauber?"
"Leider wird es immer wieder Kolateralschäden geben, Mister Potter! So ganz lässt sich das nie vermeiden. Aber die Gegenseite geht dieses Risiko schließlich bewusst ein!"
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Donnerstag, 25. Juli 2024
Neue Philosophie -15
mariant, 09:54h
Die beiden Neuankömmlinge mit den mandelförmigen Augen haben sich auf den Boden gesetzt und sind in Gedanken versunken, seit die Beobachter im Dorf zurück sind. Nach zwei Stunden regen sie sich wieder und erklären:
"Wir haben in unserer Meditation erkannt, dass die beiden Transport-Hubschrauber zusammen 160 Soldaten des brasilianischen Militärs abgesetzt haben. Die Soldaten haben sich in zehn Zwölfer-Gruppen aufgeteilt und dringen nun sternförmig in den Regenwald vor. Sie sind mit Maschinenpistolen und jede Menge Munition bewaffnet. Die restlichen 40 Männer bleiben im Camp, führen Kontrollfahrten rundum durch und bewachen die Trinkwasser-Aufbereitung. Außerdem steigen die Hubschrauber auf, um mittels ihrer Infrarot-Ortung 'Feinde' aufzuspüren. Diese Hubschrauber haben jeweils zwei Maschinengewehre an Bord."
Meine junge Lehrerin hält sich spontan an mir fest.
"Nun wird es ernst," bin ich überzeugt. "Wir sollten unser Shapono in aller Stille verlassen und uns auf venezolanischem Gebiet neu ansiedeln."
Der Ältere der beiden Neuankömmlinge schüttelt den Kopf. Er meint:
"Du hast den Regenwald nicht in deine Überlegungen mit einbezogen! Auch die Soldaten denken, sie könnten die Gefahren des Regenwaldes übersehen."
Ich ziehe die Stirn kraus. Meine junge Lehrerin schaut überrascht. Der Häuptling und die Okape -Schamanin- schauen interessiert. Der Mann greift in sein Bündel und zieht eine Drohne daraus hervor. Es folgt eine Steuerung mit einem Bildschirm. Er tauscht den Batteriepack an der Drohne aus, die von sechs Rotoren fortbewegt wird. Nun fragt er mich:
"Kannst du damit umgehen, Shori -Schwager-?"
Ich nicke lächelnd. Er übergibt mir die Steuerung und sagt:
"Lasse die Drohne über das Dach der Regenwaldbäume aufsteigen und fliege in Richtung der Mine. Triffst du auf einen Hubschrauber, verstecke die Drohne im Blattwerk. Du sollst nur beobachten, nichts weiter. Deine Beobachtung erscheint hier auf dem Bildschirm und informiert die Yanomami."
"Okay," antworte ich und lasse die Drohne steigen.
Ich umgehe einige Zweige und habe bald den Bereich der Baumkronen erreicht. Nun lasse ich die Drohne die Richtung zur Mine einschlagen. Bald sehe ich die Hubschrauber vor mir in der Luft schweben. Ich steuere die Drohne so unter das Blätterdach, dass eine der Kameras noch erkennt, was vor sich geht.
Plötzlich kommen zwei riesige Vögel ins Blickfeld. Die Yanomami flüstern so etwas wie Sharipe -'Geister der Lüfte'-. Sie tragen etwas Schweres in ihren Klauen und lassen es über den Hubschraubern fallen. Die Hubschrauber geraten ins Trudeln und stürzen ab. Kurz darauf sieht man zwei Explosionspilze über den Bäumen aufsteigen. Wenig später hört man hier im Shapono zwei dumpfe Schläge schnell hintereinander. Nun fliege ich zurück und lasse die Drohne vor mir landen.
"Wir haben in unserer Meditation erkannt, dass die beiden Transport-Hubschrauber zusammen 160 Soldaten des brasilianischen Militärs abgesetzt haben. Die Soldaten haben sich in zehn Zwölfer-Gruppen aufgeteilt und dringen nun sternförmig in den Regenwald vor. Sie sind mit Maschinenpistolen und jede Menge Munition bewaffnet. Die restlichen 40 Männer bleiben im Camp, führen Kontrollfahrten rundum durch und bewachen die Trinkwasser-Aufbereitung. Außerdem steigen die Hubschrauber auf, um mittels ihrer Infrarot-Ortung 'Feinde' aufzuspüren. Diese Hubschrauber haben jeweils zwei Maschinengewehre an Bord."
Meine junge Lehrerin hält sich spontan an mir fest.
"Nun wird es ernst," bin ich überzeugt. "Wir sollten unser Shapono in aller Stille verlassen und uns auf venezolanischem Gebiet neu ansiedeln."
Der Ältere der beiden Neuankömmlinge schüttelt den Kopf. Er meint:
"Du hast den Regenwald nicht in deine Überlegungen mit einbezogen! Auch die Soldaten denken, sie könnten die Gefahren des Regenwaldes übersehen."
Ich ziehe die Stirn kraus. Meine junge Lehrerin schaut überrascht. Der Häuptling und die Okape -Schamanin- schauen interessiert. Der Mann greift in sein Bündel und zieht eine Drohne daraus hervor. Es folgt eine Steuerung mit einem Bildschirm. Er tauscht den Batteriepack an der Drohne aus, die von sechs Rotoren fortbewegt wird. Nun fragt er mich:
"Kannst du damit umgehen, Shori -Schwager-?"
Ich nicke lächelnd. Er übergibt mir die Steuerung und sagt:
"Lasse die Drohne über das Dach der Regenwaldbäume aufsteigen und fliege in Richtung der Mine. Triffst du auf einen Hubschrauber, verstecke die Drohne im Blattwerk. Du sollst nur beobachten, nichts weiter. Deine Beobachtung erscheint hier auf dem Bildschirm und informiert die Yanomami."
"Okay," antworte ich und lasse die Drohne steigen.
Ich umgehe einige Zweige und habe bald den Bereich der Baumkronen erreicht. Nun lasse ich die Drohne die Richtung zur Mine einschlagen. Bald sehe ich die Hubschrauber vor mir in der Luft schweben. Ich steuere die Drohne so unter das Blätterdach, dass eine der Kameras noch erkennt, was vor sich geht.
Plötzlich kommen zwei riesige Vögel ins Blickfeld. Die Yanomami flüstern so etwas wie Sharipe -'Geister der Lüfte'-. Sie tragen etwas Schweres in ihren Klauen und lassen es über den Hubschraubern fallen. Die Hubschrauber geraten ins Trudeln und stürzen ab. Kurz darauf sieht man zwei Explosionspilze über den Bäumen aufsteigen. Wenig später hört man hier im Shapono zwei dumpfe Schläge schnell hintereinander. Nun fliege ich zurück und lasse die Drohne vor mir landen.
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