Sonntag, 18. August 2024
Neue Philosophie -23
Sensibel komme ich dagegen zum Ziel. Er ist nicht abgeneigt. Er mag mich sehr, stelle ich fest. Bald nennt er mich Bushika -Kleine-. Im Gegenzug nenne ich ihn mit sanfter Stimme 'Big Forehead' -Hohe Stirn-. Natürlich sind tagsüber ständig Verwandte, Freunde und Nachbarn um uns herum. Ein ständiges 'Schnattern' und Lachen.

*

Wenige Wochen später kommt Sean, der Nabuh, von der Jagd ins Shabono -Dorf- zurück. Wir haben Vormittag. In der Morgendämmerung hat er ein Yaro -jagdbares Tier- getötet, ein Tapir. Wie bei uns üblich teilen sich die Jäger die Beute. Mit seinem Anteil an der Jagd tritt er an mich heran.

In letzter Zeit habe ich mich mehr und mehr auf die Aufgaben der Hausfrau konzentriert und begrüße ihn nun freudig. Ich bereite die Keule vor und lege sie in den Topf auf dem Feuer, damit sie in einem aromatischen Sud kocht. Mein Hiropi -Ehemann- setzt sich zu mir und schaut mir zu.

Er sieht bald das Funkeln in meinen Augen, eine Ausstrahlung, die er an mir noch nicht kennt. Irritiert fragt er mich:

"Ezi kete -Was ist los-? Verbirgst du etwas vor mir, meine Kleine -Bushika-?"

Ich lächele ihn an, beuge mich zu ihm und küsse ihn zärtlich.

"Awei, katehe! -Ja, alles in Ordnung, mein fürsorglicher Hiropi. Eigentlich sogar mehr als das. Omama -Schöpfer- hat uns erhört und das Wunder des Lebens in mir entzündet," flüstert sie ihm zu.

Sean gibt sich begriffsstutzig. Er schaut mich mit gerunzelter Stirn an. Nun senke ich den Blick und schaue auf meinen Bauch, der eigentlich noch genauso athletisch aussieht, wie sonst. Danach nehme ich seine Hand und lege sie sanft auf meinen Bauch. Nun hebe ich den Blick und schaue ihm wieder glücklich in seine Augen. Plötzlich versteht Big Forehead mich. Seine Augen weiten sich. Er stammelt:

"Das ist... Versteh' ich dich richtig? Du... Du bist..."

Ich lächele ihn strahlend an und nicke.

"Manchmal bist du immer noch ein dummer Nabuh, mein Big Forehead!"

Meine Stimme lasse ich zärtlich klingen, mit einer Nuance Schelm drin. Dann spreche ich es aus:

"Ich trage neues Leben in mir. Dein Leben, mein Lieber!"

Der Nabuh kommt mir näher, damit wir uns nicht an dem Kochfeuer verbrennen. Dann zieht er mich an sich und küsst mich zärtlich. Nur zu gerne erwidere ich seinen Kuss.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 15. August 2024
Neue Philosophie -22
Ich bekomme Angst und lehne mich spontan an den Krieger, den ich vor Monden im Wald aufgelesen habe. Er plädiert dafür, dass wir uns still zurückziehen und weiter nach Nordwesten ziehen. Der Ältere der Neuankömmlinge schüttelt daraufhin den Kopf und meint, mein Schüler solle Vertrauen in die Geister des Waldes haben. Diese seien sehr mächtig. Das ist auch meine Überzeugung!

Nun holt er außerdem noch ein Flugding aus seinem Bündel und erklärt ihm die Steuerung. Mein Schüler hat schnell heraus, wie er die Hornisse, oder was es ist, beherrschen kann und lässt sie fliegen. Auf einer viereckigen Fläche können wir durch die Augen der Hornisse sehen. Sie nähert sich der Mine und versteckt sich dabei im Blätterdach der Hihi -Bäume-.

Wir sehen, wie plötzlich zwei riesige 'Geister der Lüfte' über den Riesenlibellen auftauchen und Feuerholzscheite auf die Flügel der Libellen fallen lassen. Kurz darauf stürzen die Libellen ab und sind durch die Augen der Hornisse nicht mehr zu sehen. Dann aber sehen wir zwei riesige Flammen aufzüngeln und zwei Donnerschläge ertönen. Ich meine auch, dass der Boden erzittert. Kurz darauf landet die Hornisse wieder bei uns und schläft ein.

Wir erhalten von den Frauen der umliegenden Familien Essen gebracht. Während des Essens erzählen uns die Neuankömmlinge, was Omama -Schöpfer- ihnen zeigt, während sie still dasitzen und tief nachdenken. Er hat auf ihr Bitten hin Haho -Vogelspinnen-, Ukushi -Stechmücken-, Pareto -Fliegen- und Kopina -Wespen- gegen die feindlichen Waipe -Krieger- geschickt.

Uhhhh, wenn diese Plagegeister in großen Wolken auf sie herabstürzen, dann werden sie bald flüchten! Einzelne dieser Insekten sind schon lästig.

Sie sagen auch, dass der heutige Kampf vielleicht nicht der letzte sein wird. Sie wollen aber so lange bei uns bleiben, bis sie sicher sein können, dass wir unser Leben unbehelligt leben können, versprechen sie.

In den folgenden Wochen bleiben wir tatsächlich unbehelligt. Ich fühle mich mehr und mehr zu dem Mann hingezogen, dem ich beigebracht habe, wie ein Yanomami zu leben. Mein Hapeh -Vater-, der Häuptling, hat es bemerkt und zu dem Nabuh gesagt:

"Sie ist deine Suwe -Ehefrau-!"

Meine Eltern würden sich sicher über Enkelkinder freuen.

Der Nabuh hält sich allerdings zurück. Ich weiß nicht, wovor er Angst hat. Also habe ich mich eines Abends in seiner Hängematte auf ihn gelegt und begonnen, ihn zu streicheln.

Ich habe verstanden, dass ich sensibel vorgehen muss, um zum Ziel zu kommen. Er ist hier eher wie wir Frauen. Einem Yanomami-Mann gegenüber würde ich einfach sagen:

"Hör zu, ich bin deine Suwe -Frau-. Also lass uns anfangen, Kinder zu bekommen!"

Dies hätte den Nabuh jedoch abgeschreckt, so wie ich ihn inzwischen kenne.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 12. August 2024
Neue Philosophie -21
Ich bin erfreut. Langsam tragen meine Bemühungen Früchte. Wochen später soll der Nabuh mit dem Häuptling und der Schamanin in die Mitte des Runds zwischen den Unterständen kommen. Neugierig kommen immer mehr Yanomami hinzu.

Mein Vater schaut in die Runde. Nachdem sich eine große Menge um uns versammelt hat, legt er dem Nabuh seine Hand auf dessen Schulter und sagt laut:

"Du bist nun ein Ihiru -Sohn- der Yanomami! Du bist ein Teil des Volkes."

Die Menge beginnt zu jauchzen und zu singen. Die Männer kommen zusammen und entscheiden sich zu einem Henimou -Jagdausflug- zur Mine. Der Nabuh soll daran teilnehmen und damit beweisen, dass er die Seite gewechselt hat. Es ist also als eine Bewährungsprobe angelegt. Inzwischen habe ich soviel Vertrauen und Zuneigung zu dem Nabuh, dass ich glaube, er weiß, dass er für uns kämpfen muss.

Plötzlich kommt ein Yanomami aus einem benachbarten Dorf mit zwei Fremden in unser Shabono -Dorf-. Diese Nabuh sind genauso gekleidet, wie wir. Der Häuptling nähert sich den Neuankömmlingen, die jetzt beginnen von ihrer weiten Reise zu berichten und dass sie uns gegen die Mine helfen wollen. Nach einem langen Bericht wird es Nacht und wir legen uns alle in unsere Hängematten. Am nächsten Henaha -Morgen- soll die Henimou starten.

Wir schleichen uns an die Mine heran und umgehen sie, um an ihr Wasseraufbereitungssystem zu kommen. Den Saft der Limbo-Liane trägt jeder von uns in einem Kürbis mit sich. Wir werden unsere Kürbisse in ihre Wasseraufbereitung entleeren und uns davonschleichen. Nur zwei Kundschafter bleiben zurück, um uns darüber zu informieren, was unsere Aktion ausgelöst hat.

Die Männer berichten uns nach ihrer Rückkehr, dass die stählernen Tiere in der Mine wirklich stehengeblieben sind. Dann ist während der ganzen Nacht das Gebrumm der Riesenlibellen der Nabuh zu hören gewesen, die mit den Nabuh der Mine weggeflogen sind.

Ein halber Mond später landen auf dem Gebiet der Mine zwei Riesenlibellen und spucken viele Nabuh-Waipe -Krieger der Weißen- aus. Jetzt haben sich unsere Männer von der Mine zurückgezogen.

Die beiden Neuankömmlinge haben sich auf den Boden gesetzt und sind in Gedanken versunken. Nach zwei Stunden Nachdenken, erklären sie uns, was in der Mine passiert. Wie sie das machen, weiß ich nicht. Ob sie mit Omama -Schöpfer- in Verbindung stehen, wenn sie so nachdenken?

Sie erzählen uns, dass deren Krieger in den Urihi -Wald- gehen, um uns zu suchen und zu töten. Sie sagen aber auch, wir sollten uns nicht fürchten. Sie hätten Verbindung mit den Shapiripe -Geistern des Waldes- aufgenommen, die die feindlichen Krieger stoppen werden. Ein Teil der Krieger bewacht die Mine und die Riesenlibellen schweben über dem Wald, um die Waipe -Krieger- zu führen.

... link (0 Kommentare)   ... comment