Montag, 6. Juni 2022
Eine neue Hoffnung -03
mariant, 12:52h
Sicher hat sie uns "Guten Morgen" gewünscht, interpretiere ich es. Als wir vor die Tür treten fällt mir als Erstes eine große Schüssel voll Wasser direkt an der Tür auf. Ich laufe zurück und hole Waschlappen, Handtuch und mein Zahnputzzeug. Emma, meine Hütten-Mitbewohnerin, macht dasselbe. Nach unserer Morgenhygiene gehen wir nach nebenan in die Hütte der Familie. Dort sitzen alle schon im Kreis und frühstücken.
Wir entschuldigen uns auf Englisch für unser Zuspätkommen und nutzen dabei die gleiche Geste, die die junge Frau heute Morgen gebraucht hat, nur mit einem eher verlegenen Gesichtsausdruck. Nachdem wir uns hinzugesetzt haben, erhalten wir auch eine Reisschale. Wieder nutzen wir zum Essen unsere Finger, wie alle hier.
Nach dem Frühstück schaut Emma nach den Anderen aus unserer Gruppe, während ich durch das Dorf spaziere. Alles ist so neu für mich. Nachdem ich zwischen zwei Hütten hindurchtrete, die etwas weiter auseinander stehen, sehe ich vor mir Männer auf den Feldern arbeiten. Kleine Kinder spielen ausgelassen seitlich an der Baumgrenze des Dschungels.
Ich gehe auf einem Wall weiter ins Feld hinein. Plötzlich fällt mir ein Junge auf, der vielleicht in die vierte Klasse gehen müsste. Der Junge arbeitet hier zwischen den Männern. Als er aufschaut, erkenne ich einen riesigen roten Fleck über der Nasenwurzel, der so unregelmäßig geformt ist, als hätte man ihm flüssiges Wachs dorthin geträufelt.
Ich assoziiere das Zeichen sogleich mit 'Kamaiya', der Bezeichnung für 'hart arbeitender Landarbeiter'. Das bedeutet hier eine Person, die für ihr Essen und Kleidung arbeiten muss, ohne darüber hinaus eine Bezahlung zu erhalten. Überrascht spreche ich ihn an und frage ihn auf Englisch:
"Are you a slave?"
Er erhebt sich und antwortet mir in gebrochenem Englisch:
"I human!"
Sofort entschuldige ich mich:
"Excuse me please, I didn?t want to deny that -Entschuldigung, das wollte ich nicht abstreiten-!"
Ich drehe mich auf dem schmalen Wall um, um wieder ins Dorf zurückzugehen. Da spricht er mich an:
"You Apsara?"
Ich wende mich ihm wieder zu und frage mit verständnislosem Blick:
"A... what?"
"Apsara, stranger in village say fairy, angel!"
Nun lächele ich ihn fröhlich an, weil ich denke, er macht einen Witz und antworte:
"I'm not an angel. I'm a human, too."
Der Junge schaut mich misstrauisch an.
"Perhaps you forgot..."
Ich ziehe lächelnd die Mundwinkel herunter und antworte ihm:
"You are a funny boy. How do you know so much?"
"Sometimes a holy man is in the village."
"Oh, and he told you this?" frage ich noch, aber unser Gespräch wird von einem anderen Landarbeiter gestört, der in ihrer Sprache auf den Jungen einredet.
Nachdenklich gehe ich ins Dorf zurück. Frau Müller kommt mir entgegen und fragt in einer Mischung aus Furcht und Ärger:
"Leni, wo warst du? Wir haben dich überall gesucht!"
Sie legt mir eine Hand in den Rücken und schiebt mich vorwärts.
"Wir haben heute eine Exkursion vor und sind jetzt schon spät dran!"
Auf dem Dorfplatz steht ein Landrover mit Sitzbänken auf der Ladefläche. Schnell steige ich auf. Unser Guide hilft mir und Frau Müller dabei, dann setzt er sich vorne auf den Beifahrersitz und der Wagen setzt sich in Bewegung. Wir fahren in den Dschungel, was hier nicht bedeutet, dass wir uns auf einem Pfad fortbewegen, von undurchdringlichem Grün umgeben.
Der Chitwan-Nationalpark besitzt einzelne Bauminsel, zwischen denen sich hohes Gras befindet, sowie Seen, Moore und Flüsse. Wir sehen wilde Elefanten, Nashörner und Tiger. Unser Guide berichtet, dass es hier noch viel mehr Tierarten gibt, die sich zumeist nicht zeigen. Am gefährlichsten sind die Bären, sagt er. Am Abend erreichen wir wieder unser Dorf.
Während der Safari habe ich den Jungen ganz vergessen. Als wir vom Landrover herunterklettern, sehe ich einen Mann in wallendem safrangelbem Gewand auf dem Dorfplatz sitzen. Um ihn herum sitzen viele junge Erwachsene und lauschen seiner Erzählung. Da durchzuckt ein Gedanke meinen Kopf. Der Junge von heute Vormittag hat von einem 'heiligen Mann' gesprochen. Ob er damit diesen Mann meint?
Ich laufe zu ihm und lasse mich hinter den anderen Zuhörern nieder. Verstehen kann ich den Mann nicht, aber die begleitende Gestik fasziniert mich. Der Mann hat mein Näherkommen und Verweilen registriert und lächelt mir zu, wenn sein Blick mich streift. Da werde ich von Emma angesprochen, die mir gefolgt ist:
"Leni! Was ist los? Komm essen!"
Ich mache eine bedauernde Miene und erhebe mich wieder, um Emma zu unserer Gastfamilie zu folgen. Nach dem Essen erhebe ich mich, um mich mit Emma in unsere Hütte zurückzuziehen. Vor der Hütte unserer Gastfamilie stehe ich plötzlich dem Mann in dem gelben Gewand gegenüber. Verdattert fällt mir nichts anderes ein, als ihm "Good evening" zu wünschen.
Er faltet seine Hände und führt die Fingerspitzen zu seiner Unterlippe. Er antwortet:
"Do you want to hear the story I told?"
"Gladly!" meine ich lächelnd und fordere ihn auf: "Please, come in!"
Wir entschuldigen uns auf Englisch für unser Zuspätkommen und nutzen dabei die gleiche Geste, die die junge Frau heute Morgen gebraucht hat, nur mit einem eher verlegenen Gesichtsausdruck. Nachdem wir uns hinzugesetzt haben, erhalten wir auch eine Reisschale. Wieder nutzen wir zum Essen unsere Finger, wie alle hier.
Nach dem Frühstück schaut Emma nach den Anderen aus unserer Gruppe, während ich durch das Dorf spaziere. Alles ist so neu für mich. Nachdem ich zwischen zwei Hütten hindurchtrete, die etwas weiter auseinander stehen, sehe ich vor mir Männer auf den Feldern arbeiten. Kleine Kinder spielen ausgelassen seitlich an der Baumgrenze des Dschungels.
Ich gehe auf einem Wall weiter ins Feld hinein. Plötzlich fällt mir ein Junge auf, der vielleicht in die vierte Klasse gehen müsste. Der Junge arbeitet hier zwischen den Männern. Als er aufschaut, erkenne ich einen riesigen roten Fleck über der Nasenwurzel, der so unregelmäßig geformt ist, als hätte man ihm flüssiges Wachs dorthin geträufelt.
Ich assoziiere das Zeichen sogleich mit 'Kamaiya', der Bezeichnung für 'hart arbeitender Landarbeiter'. Das bedeutet hier eine Person, die für ihr Essen und Kleidung arbeiten muss, ohne darüber hinaus eine Bezahlung zu erhalten. Überrascht spreche ich ihn an und frage ihn auf Englisch:
"Are you a slave?"
Er erhebt sich und antwortet mir in gebrochenem Englisch:
"I human!"
Sofort entschuldige ich mich:
"Excuse me please, I didn?t want to deny that -Entschuldigung, das wollte ich nicht abstreiten-!"
Ich drehe mich auf dem schmalen Wall um, um wieder ins Dorf zurückzugehen. Da spricht er mich an:
"You Apsara?"
Ich wende mich ihm wieder zu und frage mit verständnislosem Blick:
"A... what?"
"Apsara, stranger in village say fairy, angel!"
Nun lächele ich ihn fröhlich an, weil ich denke, er macht einen Witz und antworte:
"I'm not an angel. I'm a human, too."
Der Junge schaut mich misstrauisch an.
"Perhaps you forgot..."
Ich ziehe lächelnd die Mundwinkel herunter und antworte ihm:
"You are a funny boy. How do you know so much?"
"Sometimes a holy man is in the village."
"Oh, and he told you this?" frage ich noch, aber unser Gespräch wird von einem anderen Landarbeiter gestört, der in ihrer Sprache auf den Jungen einredet.
Nachdenklich gehe ich ins Dorf zurück. Frau Müller kommt mir entgegen und fragt in einer Mischung aus Furcht und Ärger:
"Leni, wo warst du? Wir haben dich überall gesucht!"
Sie legt mir eine Hand in den Rücken und schiebt mich vorwärts.
"Wir haben heute eine Exkursion vor und sind jetzt schon spät dran!"
Auf dem Dorfplatz steht ein Landrover mit Sitzbänken auf der Ladefläche. Schnell steige ich auf. Unser Guide hilft mir und Frau Müller dabei, dann setzt er sich vorne auf den Beifahrersitz und der Wagen setzt sich in Bewegung. Wir fahren in den Dschungel, was hier nicht bedeutet, dass wir uns auf einem Pfad fortbewegen, von undurchdringlichem Grün umgeben.
Der Chitwan-Nationalpark besitzt einzelne Bauminsel, zwischen denen sich hohes Gras befindet, sowie Seen, Moore und Flüsse. Wir sehen wilde Elefanten, Nashörner und Tiger. Unser Guide berichtet, dass es hier noch viel mehr Tierarten gibt, die sich zumeist nicht zeigen. Am gefährlichsten sind die Bären, sagt er. Am Abend erreichen wir wieder unser Dorf.
Während der Safari habe ich den Jungen ganz vergessen. Als wir vom Landrover herunterklettern, sehe ich einen Mann in wallendem safrangelbem Gewand auf dem Dorfplatz sitzen. Um ihn herum sitzen viele junge Erwachsene und lauschen seiner Erzählung. Da durchzuckt ein Gedanke meinen Kopf. Der Junge von heute Vormittag hat von einem 'heiligen Mann' gesprochen. Ob er damit diesen Mann meint?
Ich laufe zu ihm und lasse mich hinter den anderen Zuhörern nieder. Verstehen kann ich den Mann nicht, aber die begleitende Gestik fasziniert mich. Der Mann hat mein Näherkommen und Verweilen registriert und lächelt mir zu, wenn sein Blick mich streift. Da werde ich von Emma angesprochen, die mir gefolgt ist:
"Leni! Was ist los? Komm essen!"
Ich mache eine bedauernde Miene und erhebe mich wieder, um Emma zu unserer Gastfamilie zu folgen. Nach dem Essen erhebe ich mich, um mich mit Emma in unsere Hütte zurückzuziehen. Vor der Hütte unserer Gastfamilie stehe ich plötzlich dem Mann in dem gelben Gewand gegenüber. Verdattert fällt mir nichts anderes ein, als ihm "Good evening" zu wünschen.
Er faltet seine Hände und führt die Fingerspitzen zu seiner Unterlippe. Er antwortet:
"Do you want to hear the story I told?"
"Gladly!" meine ich lächelnd und fordere ihn auf: "Please, come in!"
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