Sonntag, 26. Juni 2022
Eine neue Hoffnung -23
Leni muss noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben. Danach soll sie zu Nachuntersuchungen zu ihrem Frauenarzt gehen. In ihrer Firma hat sie alles an ihren Stellvertreter übergeben, der die Firma schon einmal vorübergehend geführt hat. Damals hat der Mann ihren Vater über die wichtigsten Vorgänge informiert. Diesmal informiert er Leni und holt sich ihre Genehmigung für dringende Entscheidungen.

Leni arbeitet schon wieder in ihrer Firma und hat mir unser Kind währenddessen zur Betreuung übergeben. Ich nehme Padma mit ins Ashram und habe immer einen Blick auf die Kleine, wickele und füttere sie. Vier Monate danach haben wir wieder einmal einen Termin in der Gemeinschaftspraxis zweier Kinderärztinnen. Unsere Ärztin hat Urlaub, aber die Gemeinschaftspraxis ist trotzdem offen. Die zweite Ärztin begrüßt uns und untersucht Padma in unserem Beisein. Auf einmal zeichnen sich Sorgenfalten auf ihrer Stirn ab. Sie untersucht den Unterleib noch einmal und bewegt Padmas rechtes Beinchen. Dann wendet sie sich uns zu.

"Ihre Tochter muss ins Krankenhaus. Sie hat Hüftluxation 2.Grades. Wenn das nicht behandelt wird, wird Padma nie richtig gehen können. Sie müssen sich das so vorstellen: Das Hüftgelenk besteht aus einer Kugel am oberen Ende des Oberschenkelknochens und einer Pfanne im Hüftknochen, in der die Kugel Halt findet. Wenn nun die Pfanne zu flach ist, findet die Kugel keinen rechten Halt. Die Sehnen werden überbeansprucht. - Es gibt zwei Behandlungsmethoden: Einmal die Operation. Der dauerhafte Erfolg ist aber nicht hundertprozentig gegeben. Oder das Anpassen einer Schiene, die Padma dann tragen muss bis sie laufen lernt. Es ist ein jahrelanger Prozess, der aber erfolgreich verläuft. - Nebenbei... ich ärgere mich über meine Kollegin, dass sie das nicht schon früher erkannt hat."

Ich höre den Ausführungen der Ärztin gefasst zu. In unserem Haus lebt eine Familie mit einem inzwischen 12jährigen Jungen. Der Kleine fährt im Rollstuhl. Kurze Strecken bewältigt er, den Rollstuhl meist schiebend, im Watschelgang. Deshalb antworte ich der Ärztin:

"Wir entscheiden uns für die Schiene, Frau Doktor."

"Gut, dann mache ich die Papiere fertig," antwortet sie mir.

Drei Wochen später haben wir den Einweisungstermin in der Unikinderklinik. Wir sind dabei, wie man Padma auf eine Platte schnallt, auf der verstellbare Schalen für die Oberschenkel angebracht sind. Ihre Beine werden neunzig Grad vom Körper abgespreizt in einen Spagat gezwungen. Danach erhält sie noch einen Bauchgurt. So fertig gemacht legt man unsere Kleine in ein Kinderbettchen.

Padma streckt ihrer Mama die Ärmchen entgegen. Sie möchte auf den Arm, aber wir müssen sie leider allein lassen. Zum Glück dürfen wir täglich zwei Stunden zu ihr. Das werden wir natürlich voll ausnutzen!

Auf der Rückfahrt nach Hause sind wir beide sehr still. An den folgenden Tagen fahren wir zu unterschiedlichen Tageszeiten ins Krankenhaus. Unserer Kleinen scheint es gut zu gehen. Ich spreche den Arzt auf unsere Sorge an:

"Wie lange wird Padma hier liegen müssen?"

Er antwortet mir:
"Ihre Kleine wird erst in sechs Wochen nach Hause dürfen. Danach bekommen Sie in gewissen Abständen von uns Termine für Nachuntersuchungen. Sobald sie zu Laufen beginnt, werden wir die Beinschalen schrittweise in die Senkrechte stellen. Dann hat sie es überstanden."

"Wie lange dauert das im Allgemeinen?" frage ich weiter.

"Das ist ein zweijähriger Prozess, ungefähr," bemerkt er und lächelt uns aufmunternd an.

Da wir täglich ins Kinderkrankenhaus fahren, bekommen wir einiges mit. Das Pflegepersonal ist uns Anlass zum Lachen und zum Ärgern:

Leni hat den Schwestern gesagt, dass Padma keinen Spinat mag. Trotzdem hat eine junge Schwester versucht, sie damit zu füttern. Mit dem Ergebnis, dass Padma alles in ihrem Mund gesammelt und als nichts mehr hineinpasste, sie angespuckt hat. Ihre Schwesternkleidung ist über und über mit gelbgrünen Flecken bedeckt gewesen, wie man uns schmunzelnd berichtet!

Ein anderes Mal wechselt Leni die Windel und stellt blaue Flecken am Gesäß fest. Sie zeigt es mir. Auf Nachfragen sagt die Stationsschwester, dass sie verstärkt auf die Pflege Padmas achten würde. In den vergangenen Tagen wäre unsere Kleine wegen Arbeitsüberlastung wohl seltener gewickelt worden, wodurch sie sich wund gelegen hätte. Leni schaut mich zweifelnd an.

Ich brumme nur: "Hmmm."

Kaum sind wir draußen, sage ich:
"Wir werden unsere zwei Stunden täglich bei Padma aufsplitten. Wir gehen zweimal täglich zu ihr und wechseln dann jedes Mal selbst die Windel, ob sie nun voll ist oder nicht. So kontrollieren wir, ob die Flecken verschwinden und nicht wieder auftreten. - Was die Schwester sagte, kann stimmen, denn in so einem Klinikbetrieb kann es schon mal vorkommen - darf es eigentlich nicht!!"

Endlich sind die sechs Wochen herum und wir dürfen Padma mit uns nach Hause nehmen. Ich habe extra einen neuen Kinderwagen für eine Spreizschiene besorgt. Es ist ein Kombikinderwagen, in dem Padma später auch sitzen kann.

Das wichtigste aber ist, dass er stufenlos verbreitert werden kann, damit Padma mit angelegter Schiene drin liegen und sitzen kann. Auf der Heimfahrt im Auto ist er daher etwas sperrig. Aber er passt auf den Rücksitz. Das Fahrgestell geht zusammengeklappt in den Kofferraum.

Alle drei Monate haben wir einen Termin zur Nachuntersuchung in der Kinderklinik. Dort ist man über Padmas Entwicklung erfreut. Etwa ein Jahr später beginnt unser Mädchen sich zuhause aufzusetzen, trotz dem Ding an ihrem Gesäß. Sie kennt es ja nicht anders.

Wieder ein halbes Jahr danach ruft mich Leni hinzu:
"Ashok! Ashok, komm schnell, schnell ins Wohnzimmer!"

... comment