Mittwoch, 6. September 2023
Neue Heimat L98 59b (71)
Mein erster Weg führt mich ins Rathaus. Dort will ich an der Dame im Foyer grüßend vorbeigehen. Sie schaut mich abschätzend an und fragt:

"Guten Tag! Wo möchten Sie hin?"

Es kommt sicher eher selten vor, dass sie einen Mann im Lendenschurz vor sich sieht. Ich entgegne lächelnd:

"Ich bin auf dem Weg zum Premier. Ich habe hier das Jetpack von Mister Snider, der als Ethnologe zu den Ngachi gesandt worden ist. Das möchte ich abgeben, da es hier besser aufgehoben ist als bei dem Dschungelvolk."

"Der Premier weilt schon bei seiner Familie. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, geben Sie mir das Jetpack. Ich werde es hier lagern und meine Ablösung informieren."

"Ach, das ist ja lieb von Ihnen," meine ich und nehme mir das Jetpack von der Schulter.

Ich übergebe es ihr und verabschiede mich. Wieder draußen, orientiere ich mich kurz und gehe dann den von Mister Snider beschriebenen Weg. Bald drücke ich eine Klingel. Eine junge Frau öffnet mir. Sie trägt ein Baby auf einer Hüfte und schaut mich misstrauisch an.

Ihr zunickend, grüße ich und stelle mich vor:
"Guten Tag, Frau Snider. Mein Name ist Jim Albright. Ich wohne seit Jahren bei dem Volk, das ihr Mann seit heute besucht. Ich habe ihm geraten, sich von allem zu trennen, was er nicht am Körper tragen kann und unbedingt braucht. Damit hatte ich im Sinn, dass diese Sachen nicht kaputt gehen, während er bei uns arbeitet. Unsere Kinder sind doch sehr neugierig und müssen alles berühren."

"Ah," meint sie. "Dann kommen Sie doch kurz herein."

Ich mache einen Schritt in die Wohnung und sie schließt die Tür hinter mir. Derweil hebe ich den Gurt des Beutels über den Kopf und stelle ihn vorsichtig auf einen Tisch. Danach leere ich den Beutel und lege die Sachen daneben, die mir Mister Snider übergeben hat. Anschließend verabschiede ich mich freundlich und wende mich zur Tür. Sie öffnet mir und fragt zum Abschied:

"Wie geht es meinem Mann?"

"Oh," meine ich. "Ich habe ihm meine Tochter als Interview-Partnerin gegeben. Er wird ihr 'Löcher in den Bauch fragen' und alle neuen Erkenntnisse mit dem Kommunikator in seine Cloud laden. Wenn seine Zeit bei uns zu Ende geht, hat er genug Material, um daraus eine wissenschaftliche Abhandlung zu formen. Meine Tochter ist zweisprachig aufgewachsen. Von daher habe ich sie für geeignet gehalten."

"Ah ja," meint sie. "Und wie kommen Sie jetzt zu ihrem Volk zurück?"

"Sie haben schon einmal von Flugsauriern gehört? Meine Frau und ich fliegen auf zwei dieser Tiere, die wir in den vergangenen Jahren gezähmt haben."

"Oh," macht sie und schaut mich mit großen Augen an. "Na, dann wünsche ich Ihnen einen guten Heimflug."

Ich lächele sie an und nicke. Dann sage ich:
"Auf Wiedersehen. Ihren Mann können Sie ja jederzeit auf seinem Kommunikator erreichen."

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