Donnerstag, 31. August 2023
Neue Heimat L98 59b (69)
Irgendwie schaffe ich es, meinen Bericht in die Cloud zu sprechen. Ihre Mutter hat sich derweil erhoben und hat uns allein gelassen. Ich frage die junge Frau:

"Sie können sehr gut Englisch sprechen! Sind Sie zweisprachig aufgewachsen?"

Sie schaut mich an und antwortet:
"Papa hat Mama seine Sprache beigebracht und auch die Bedeutung vieler Bewegungen seiner Gesichtsmuskeln und Gliedmaßen, Mimik und Gestik, erklärt. Im Gegenzug hat Mama Papa unsere Sprache beigebracht und die Bedeutung unserer Hautverfärbungen erklärt. Das habe ich von klein auf gelernt, ja."

"Ah, okay," meine ich.

Nachdem ein anderes Mädel das Interview gestört hat und wieder gegangen ist, frage ich:

"Sie haben eben von der Kindheit, dann von den Erwachsenen und dazwischen von der Initiation gesprochen. Hat die Initiation auch etwas mit der ersten Menstruation bei Mädchen und dem ersten Samenerguss beim Jungen zu tun? Das liegt ja zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter. In unserer Kultur gibt es da keinen abrupten Übergang, sondern einen Zeitraum, den wir die Jugend nennen."

In diesem Moment kommt Mister Albright wieder hinzu. Er ist von dem Riesenbaum heruntergeklettert, den letzten Meter gesprungen und nähert sich uns jetzt.

Meine junge Interviewpartnerin antwortet:
"Da kommt vieles zusammen, Luuck. Es ist ja eine Prüfung der Fertigkeiten, die den jungen Menschen befähigt, ohne Erwachsene im Weltenwald zu bestehen. Wir prüfen keine einzelnen Fähigkeiten, wie das in ihrer Kultur üblich ist, wie mir Chusa -Papa- erzählt hat, sondern es ist ganzheitlich. Der junge Mensch muss mindestens zwei Tage im Wald überleben können. Dazu muss er die Pflanzen und Tiere kennen, die im Wald leben. Er muss die Phänomene, denen er im Wald ausgesetzt ist erkennen und richtig einordnen, um überleben zu können. Dazu ist er kaum unterhalb des Alters eines jungen Erwachsenen in der Lage...
Und ja, die Grenze der Kindheit setzen wir, wenn zum Beispiel ein Mädchen die monatliche Blutung bekommt. Sie sagt es ihrer Mutter und diese ruft ein paar ältere Frauen herbei. Eine weiße pflanzliche Paste wird angerührt und damit werden ihr magische Muster auf die Haut gemalt. Die Frauen murmeln dabei alte Gebete an den Schöpfer."

Ihre Mutter tritt nun an uns heran und bringt das Abendessen. Wir erhalten Schalen aus der harten Schale einer Pflanze und darin eine Suppe aus den Resten des heute Morgen gejagten Wildbrets mit gewürfelten Wurzeln und gesammelten Blättern. Ich glaube, darin schwimmen auch in Scheiben geschnittene Pilze.

Mit dünnen hölzernen Spießen angeln wir die festen Bestandteile aus der Suppe. Danach setzen alle ihre Schalen an den Mund und schlürfen die Flüssigkeit heraus. Das geht natürlich nicht geräuschlos, aber das kümmert hier keinen. Darum schlürfe auch ich.

Danach gibt es eine längliche weiße Frucht und große Käferlarven. Beides scheinen für die Indigenen Leckerbissen zu sein. Ich ziehe die Stirn kraus. Die Larven sind tot, stelle ich fest. Ich beiße in die Frucht. Sie schmeckt süß. Also drücke ich die Larven in die Frucht und verspeise sie auf diese Weise.

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