Donnerstag, 10. August 2023
Neue Heimat L98 59b (62)
"Denk daran," sage ich. "Ich lasse dich aus dieser Höhe in einen Sumpf stürzen, wenn du es nicht schaffst, uns zu euch zu bringen! Orientiere dich am Sonnenstand. Welche Richtung müssen wir nehmen?"

Er weist mir eine Richtung, weiter vom Heimatbaum weg. Plötzlich höre ich die KI des Landers in meinem Kommunikator:

"Voraus auf einer Grasfläche stehen Hütten und dort leben andere Indigene."

"Okay," antworte ich. "Setze die Roboter ab und kreise die Siedlung ein."

Eine Stunde später sind die dort lebenden Indigenen festgesetzt. Wir landen auf dem freien Platz und ich lasse, gemäß meinem Versprechen, den jungen Mann frei. Der Junge läuft zu einem alten Mann und beginnt zu berichten, was sich heute zugetragen hat. Wir führen in den nächsten beiden Tagen die jungen Männer unseres Volkes her, damit sie sich eine Frau aussuchen, die sie heiraten mögen.

Die restlichen Frauen, Kinder und alten Leutchen dieses Volkes lasse ich vom Lander zu ihren Männern bringen. Danach brennen unsere Männer die Hütten des Feindes nieder. Zurück beim Heimatbaum wird ein großes Fest gefeiert, dessen Mittelpunkt die Initiation von Piongschi und Ngamlorr ist.

*

Als das Fest zu Ende ist, es ist schon früher Morgen, klettern die Leute aus dem Volk in den Baum, um sich schlafen zu legen. Die riesigen Blätter in den unteren Etagen des Heimatbaumes haben sich schon zusammengerollt. Es braucht eine gewisse Technik, sie wieder aufzurollen und sich hineinzuschieben, bevor die Göttin der Nacht jeden in ihren Armen wiegen kann.

Plötzlich meine ich, einen kalten Lufthauch zu spüren. Es ist hell, aber Nebel wabert zwischen den Pflanzen. Ich stehe vor dem Stamm eines riesigen Baumes. Es wird sicher zwei oder drei Hände voll Männer brauchen, die sich gegenseitig an den Händen halten, um den Stamm zu umfassen. Der Lufthauch wird etwas wärmer. Er umspielt mein Haar und streicht über mein Gesicht, als wäre ich ein Kind und jemand würde mich sanft streicheln. Es ist ein angenehmes Gefühl. Wäre ich ein geborener Ngachi, würde meine Haut jetzt blassgrün aussehen.

Dann habe ich das Gefühl, dass mich eine Stimme aus dem Windhauch anflüstert.

"Hört mir zu, meine Kinder," haucht die Stimme. Ob in dieser Nacht alle Ngachi den gleichen Traum haben? Die Stimme raunt weiter:

"Die Welt um euch herum hat sich gewandelt. Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Und Veränderung ist immer etwas Gutes und etwas Schlechtes zugleich. Alles hat zwei Seiten, und es liegt an jedem selbst, wie man es betrachtet. Mit den Vchhtep -Himmelswesen- ist etwas Neues nach Ckiffenga -Weltenwald- gekommen. Doch nicht alles was neu ist, ist auch etwas Schlimmes..."

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