Samstag, 30. September 2023
Neue Heimat L98 59b (79)
Er legt mir und Ckilorr seine Hände auf die Schultern und meint, in dem er wechselweise jeden von uns anschaut:

"Sie ist deine Frau! Er ist dein Mann!"

Weiter gibt es keine Hochzeitszeremonie und auch keine Hochzeitsnacht. Kein Fest wird gefeiert. Untereinander dient das Ritual dazu, die Bindungen zwischen den Familien zu festigen und Konflikte zu verhindern.

Plötzlich erhalte ich von der Hochschule die Nachricht, dass ich mich zurückmelden soll. Allenfalls hätte mein Schweigen Nachteile.

'Oh,' denke ich. 'Ich muss dringend nach Eseís zurück und die gesammelten Informationen in eine wissenschaftliche Arbeit einfließen lassen.'

Dazu ist noch viel Sortier- und Bewertungsarbeit nötig. Dafür muss ich aber nach Eseís zurück. Das sage ich Ckilorr. Sie ist niedergeschlagen und fragt, ob ich danach wiederkomme.

Ich weiß selbst, dass mich die Arbeit etwa sechs bis zehn Monate in Eseís hält. Wenn ich so darüber nachdenke, macht mir eine Trennung von Ckilorr sehr zu schaffen. Da wächst ein Gedanke in meinem Hinterkopf. Was wäre, wenn Ckilorr mit mir kommen würde? Ich frage sie und zusammen gehen wir wieder zu 'Schimm', dem Häuptling. Er redet mir ins Gewissen:

"Hier im Ckiffenga -Weltenwald- brauchst du dir nur nehmen, was dort wächst, wenn du Hunger hast. Bei den Vchhtep -Himmelswesen- musst du dir Geld erarbeiten, um dir damit all die Dinge kaufen zu können, die du zum Leben brauchst. In Eseís sind daneben auch noch weitere Dinge nötig, die du hier nicht brauchst.
Das ist für dich so selbstverständlich, dass du gar nicht mehr daran denkst. Bist du bereit, dich für Ckilorr einzusetzen und sie gegen alles und jeden zu beschützen?"

"Ja, das bin ich!" antworte ich und lege Ckilorr meinen Arm um ihre Schultern.

"Ein Versuch ist es in jedem Fall wert," meint 'Schimm' und schaut dabei seine Frau 'Ngachischi' an.

Ngachischis Haut schimmert grün, als sie meint:
"Rrach -Ja-, wir versuchen es einmal."

"Gut," entscheidet 'Schimm'. "Morgen früh steigen wir zusammen auf den Heimatbaum!"

Unsere Beziehung ist das, was man eine 'romantische Beziehung' nennt. Wir sind beide füreinander da, tauschen auch Zärtlichkeiten miteinander aus, aber jeder von uns stimuliert sich selbst. Wir wissen, dass wir zwei verschiedener Spezies angehören und leider keine gemeinsamen Kinder haben können.

Obwohl wir wissen, dass 'Schimm' und 'Ngachischi' eine Tochter miteinander haben. Wieso das so ist, haben wir allerdings nie gefragt. Beide stehen im Rang über uns. Das lässt uns bei intimen Fragen Zurückhaltung üben. Hinzu kommt noch, dass wir bei den Ngachi tagsüber nie wirklich alleine sind. Immer kommt jemand hinzu und hat irgendetwas zu erzählen.

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