Freitag, 9. September 2022
Aufbruch ins All -34
"Okay," antwortet mein Cousin hinter mir.

Also wende ich mich wieder an die Steuerung:
"Delta-8a! Bring uns in eine weite Umlaufbahn um den Mars."

Nun zündet der Fusionsreaktor im hinteren unteren Bereich des Raumfahrzeuges. Die Fenster verdunkeln sich.

"Was passiert jetzt?" fragt Mirco.

"Vor die Fenster haben sich jetzt Platten geschoben, aus dem gleichen Material, aus dem die Außenhaut besteht. Wenn der Fusionsreaktor hochgefahren ist, schaltet sich der Warp-Antrieb ein. Er braucht fast die ganze bereitgestellte Energie," erkläre ich.

"Der Warp-Antrieb... Darüber hört man immer wieder irgendwelche Gerüchte. Wie funktioniert der?"

"Man kennt ihn seit etwa 700 Jahren theoretisch. Er erzeugt hinter dem Raumfahrzeug eine 'Welle' in der Raumzeit. Stell' dir die Raumzeit wie ein Gummituch vor. Körper mit starker Gravitation erzeugen Dellen im Gummituch.
Mit der Energie unseres Fusionsreaktors zieht sich die Raumzeit vor uns in die Länge und wölbt sie hinter uns zu einer Art 'Welle' auf. Auf dieser Welle 'surft' das Raumschiff und bewegt sich dadurch schneller vorwärts. Auch unsere Treibstofftanks werden geschont.
Im Raumschiff selbst spürt man davon nichts, als befänden wir uns in einer 'Blase'. Wir haben wie beim permanent brennenden Ionenantrieb eine Art 'Gravitation' an Bord. Schneller als das Licht sind wir dabei noch nicht. Interstellare Raumfahrt ist uns also noch nicht möglich!"

"'Noch nicht', heißt, dass die Wissenschaftler daran arbeiten?" fragt Mirco zurück.

"Es wird geforscht, ja, aber die Lichtgeschwindigkeit stellt doch eine sehr hohe Hürde da. So etwas wie 'Wurmlöcher' müssen auch erst einmal gefunden und beherrscht werden! Ich denke, das dauert noch Jahrhunderte," gebe ich zurück.

"Was machen wir in den fünf Wochen bis zum Mars?" kommt er auf das Nächstliegende.

"Wir schauen uns die Instrumente an Bord an, besonders die zur Planetenerkundung. Wir lesen die Bedienungsanleitungen durch und schalten sie auf Probebetrieb. Dann lassen wir uns von 'Delta' zeigen, was wir damit aus der Umlaufbahn eines Planeten oder nach einer Landung machen können. Wir lernen also!"

"Okay," meint Mirco nun. "Ich bin aber auch neugierig darauf, was es hier an Bord so alles gibt, außer Tanks, Triebwerke, Fusionsreaktor, Warp-Antrieb und Pilotenkanzel."

Ich muss grinsen. Ein Fernaufklärer ist darauf ausgelegt, wochen- und monatelang von jeder menschlichen Ansiedlung entfernt zu operieren. Also wird es so etwas wie eine Wohnung an Bord geben.

"Delta-8a!" sage ich nun.

"Kommandant?" kommt es zurück.

"Du wirst jedem Hindernis ausweichen! Berechne dazu die Bahnen der Körper um uns herum. Trotzdem wirst du mich vor jedem Ausweichmanöver benachrichtigen."

"Wird erledigt, Kommandant!" sagt die Stimme.

Nun schnalle ich mich los und erhebe mich aus dem Kontursessel. Ich drehe mich zu Mirco um und meine lächelnd:

"Dann komm! Wir erkunden unser Raumschiff."

Wir verlassen die Pilotenkanzel in gebückter Haltung, da sie keine Stehhöhe bietet. Dahinter liegt der Raum, den wir als erstes betreten haben, als wir über die Rampe in den Fernaufklärer gekommen sind. Hier befinden sich noch unsere Taschen, die wir in die abschließbaren Fächer an der einen Seitenwand geschoben haben.

Ich nehme meine Tasche und gehe in den nächsten Raum dahinter. Mirco folgt mir mit seiner Tasche in der Hand. Wir erreichen eine Kabine mit zwei Etagenbetten und Schubladenschränken, in die wir nun unsere Sachen verstauen. Zwei Liegen, an deren Enden Raumanzüge befestigt sind, befähigen uns, schnell in diese hermetisch abgeschlossenen Anzüge zu kriechen. Dann finden wir hier noch zwei Sessel, einen Tisch und einen großen Bildschirm, der sich bei unserem Eintritt eingeschaltet hat. Zwei Türen führen in weitere Räume dahinter. Es ist eine schmale Kombüse und eine enge Sanitärzelle.

Mirco schaut dort hinein und stellt fest:
"Was fehlt, ist ein Vorratsschrank und ein geräumiger Kühlschrank mit Lebensmitteln für Monate im Voraus."

"Das Lager befindet sich dahinter," sage ich. "Wähle ein Menü und die Automatik stellt es dir her. Du brauchst nur noch essen!"

Er macht große Augen bei meiner Erklärung und äußert nur ein "Ah!"

*

Wir verbringen die gemäß irdischer Zeitrechnung fünf Wochen andauernde Flugzeit damit, unser Raumfahrzeug näher kennenzulernen. Es wird wahrscheinlich für Jahre gleichzeitig unser Zuhause sein, wie auch unsere Arbeitsstätte.

Mirco fragt mich zwischendurch einmal:
"Warum hast du eigentlich der Automatik als Zielort den Mars angegeben?"

Ich habe die Schultern gezuckt und ihm darauf ehrlich geantwortet:

"Das hat sich so ergeben. Ich musste eine schnelle Entscheidung treffen. Bevor ich dem Archiv auf der Erde irgendwelche Ergebnisse funke, wollte ich das Raumschiff besser kennenlernen. Man kann sich ja viel anlesen, aber die direkte Beschäftigung damit, ist durch nichts zu ersetzen!
Wohin sollte ich also fliegen? Zum Mond hätte ich für die reine Entfernung nur anderthalb Stunden gebraucht. In der Zeit wären wir noch nicht tief in die Materie eingedrungen. Zur Venus? Das böte sich an. Schließlich stammen wir von da. Aber ich wollte die Gegenseite nicht aufmerksam werden lassen. Also der Mars. Nun ist der Mars gerade nicht in Konjunktion zur Erde. Er steht weiter weg, um nicht zu sagen, auf einem sehr weit entfernten Bahnpunkt. Daher die lange Flugzeit."

"Okay, aber der Mars hat sich vor langer Zeit von der Erde losgesagt. Ich weiß nicht, ob wir da willkommen sind."

"Die Automatik wird in eine weite Umlaufbahn einschwenken," meine ich. "Wir müssen ja keinen Kontakt zu den Leuten auf dem Mars aufnehmen. In der Umlaufbahn haben wir Zeit genug, uns unser nächstes Ziel auszusuchen."

"Das stimmt wohl," antwortet er und widmet sich wieder seinen Geräten.

"Hinzu kommt noch," ergänze ich nach einer Weile der Stille, "dass die Marsianer sich von der Prospektoren-Gesellschaft Mars Ressource Corporation losgesagt haben, die den Mars bis dahin als ihr Eigentum betrachtet hat. Es hat eine regelrechte Revolution gegeben, in deren Folge sich die Firma zurückgezogen hat und seitdem unter dem Namen 'Space Ressource Corporation' die Kleinplaneten Ceres und Vesta im Asteroidengürtel ausbeutet. Die dorthin gesandten Mannschaften sind klein. Von ihnen wird kaum ein Aufstand angezettelt werden. Sie sind von den Nachschublieferungen ihrer Firma abhängig!"

"Auf der Venus ist die 'Space Ressource Corporation' auch aktiv!" hält mir Mirco vor.

"Ich weiß," stelle ich lächelnd fest. "Die Fechtschule meines damaligen Turniergegners wird von ihr gesponsert."

"Ist das der Grund, weshalb du so große Zurückhaltung an den Tag legst, wenn nicht gar Vorsicht, wenn von der 'Space Ressource Corporation' die Rede ist?"

"Hm, ich will dir einmal eine Geschichte erzählen, Mirco: Der Sohn eines reichen Brahmanen, die im Hinduismus die Oberschicht bilden, hat um 500 vor Christus den Buddhismus gegründet. Chisei Yamamoto-San ist Buddhist und hat uns seine Lebensregeln beigebracht. Wir alle befolgen sie gerne, weil sie den Menschen guttun. 700 Jahre nach Buddhas Eintritt ins Nirwana hat sich eine Anzahl spiritueller Lehrer des Buddhismus von Buddhas Pfad abgewandt und Habgier und Egoismus gepredigt. Sie haben zwei benachbarte Königreiche auf dem indischen Subkontinent gegeneinandergehetzt, um davon zu profitieren. Allerdings wurden sie von rechtgläubigen spirituellen Lehrern besiegt.
Nach so langer Zeit hielten die Menschen die Irrlehre für besiegt, obwohl schon früh im christlichen Kulturraum diese Irrlehre im christlichen Mantel wiederauftauchte. Eine Handvoll Vertreter dieser Irrlehre konnte damals fliehen. Sie blieb lange nur latent vorhanden, bis im frühen 16. Jahrhundert, also vor 1100 Jahren nun, der Dreieckshandel über den Atlantik begonnen wurde: Zuckerrohr nach Europa, veredelte Wirtschaftsgüter und Nahrungsmittel nach Afrika und von dort Sklaven nach Amerika. Das ist gleichzeitig der Beginn des Kapitalismus gewesen. Reichtum, Habgier und Egoismus zeichnet ihn aus.
Vor etwa 200 Jahren entwickelte wieder ein buddhistischer Mönch die Lehre vom Egoismus und Habgier. Er gewann Schüler. Sein Kreis erweiterte sich in die westliche Hemisphäre hinein, wo er natürlich auf fruchtbaren Boden fiel. Die Führungsebene der heutigen Space Ressource Corporation ist dieser Irrlehre komplett verfallen."

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Dienstag, 6. September 2022
Aufbruch ins All -33
Er lächelt uns freundlich an, während er spricht. Ich verbeuge mich leicht und berichte ihm:

"O-Aisatsu, Fujiwara-Sensei! Genau das ist unser Auftrag."

"Sie werden mit dem neuesten Delta-8 fliegen. Machen Sie sich in den nächsten Tagen mit dem Fahrzeug vertraut. Es ist mit allen nötigen Instrumenten ausgerüstet. Das wird ihren Schüler interessieren."

"Vielen Dank, O-Sensei," antworte ich und verbeuge mich noch einmal.

Auch Mirco verbeugt sich. Dann sind wir entlassen. Master Dayak führt uns nun in den Wohnungstrakt und weist uns zwei nebeneinanderliegende Zimmer zu. Mirco kommt mit in mein Zimmer. Es sieht aus, wie unsere Zimmer auf der Venus. Ich rufe nun den inneren Aufbau des Jinja -Schreins- auf den Bildschirm, damit wir uns die Wege einprägen können. So erfahren wir, dass es in jeder Wohnetage eine Mensa gibt. Der Komplex hier ist schließlich weitläufiger als die Schule auf der Venus.

Auch den Ort des Archivs erhalte ich auf diese Weise. Aber zuerst wollen wir uns in einer Shokudou -Mensa- stärken. Anschließend gehen wir ins Archiv und treffen dort auf die Meisterin Jade Dubois aus der französischen Region der Europäischen Union. Sie erklärt, dass ihr Archiv alles enthält, was die Menschheit bisher an Wissen zusammengetragen hat. Nur der Bereich des interplanetaren Raumes innerhalb des Sonnensystems zeigt noch große Lücken. Wir verabschieden uns herzlich von ihr und gehen nun zum Schlafen auf unsere Zimmer.

*

Nach dem Frühstück am darauffolgenden Tag erhalte ich von einem Chisei die Nachricht, dass Meister Dayak und sein Schüler in aller Frühe zum Mond aufgebrochen sind. Sie werden dort in unserer Firma 'Lunar Reparaturdock' erwartet und einen Tanker besetzen.

Außerdem haben sie einen Termin in unserer Firma 'Lunar Ship Systems'. Dort werden sie den Start eines verbesserten Delta-8-Raumfahrzeuges für Fernaufklärung veranlassen. Diese Delta-8a wird beauftragt den Earth Orbiter per Autopilot anzufliegen.

Wir sollen uns also umgehend zum Raumhafen begeben und in den nächsten Shuttle steigen. Im Orbiter sollen wir zum Hangar gehen, in dem die Delta-8a festgemacht hat. Der Chisei schließt seine Nachricht mit:

"Viel Glück, Master Myers. Möge Reiki dich immer begleiten!"

Mich bedankend, antworte ich dem Chisei:
"Vielen Dank für die Information! Wir brechen sofort auf. Möge Reiki dich immer begleiten!"

Ich fühle mich bemüßigt, seinen Wunsch in meiner Antwort zu wiederholen.

'Das könnte man in Zukunft als Abschiedsgruß einführen,' denke ich.

Wir gehen auf unsere Zimmer und packen die wenigen Sachen zusammen, um danach zum Flugdeck zu gehen. Ein Chuden -Fortgeschrittener- aus der Flugbereitschaft fliegt uns zum Raumhafen, den wir nach wenigen Minuten erreichen.

Dort müssen wir ungefähr eine Stunde zusammen mit etwa fünfzig weiteren Passagieren auf den Start des Shuttles warten. Schließlich dürfen wir einsteigen. Kurz darauf, als alle Passagiere und die Flugbegleiter angeschnallt sind, startet der dreieckige Nurflügler. Als seine Triebwerke gezündet werden, läuft ein Zittern durch den Flugkörper.

Man bekommt den Eindruck, als setze er sich nur widerwillig in Bewegung. Das dauert aber nur einen Sekundenbruchteil, dann werden wir in die Kontursessel gedrückt. Als das Ende der Startbahn erreicht ist, zieht der Pilot den Shuttle in einem irren Winkel in den Himmel. Bald wird der hellblaue Himmel im Bildschirm vor uns in der Rückenlehne unseres Vordermanns immer dunkler und wechselt bald zur Schwärze des Weltraums.

Drei Stunden nach dem Start erkennen wir die Orbitalstation vor uns größer werden. Der Shuttle steuert einen Hangar an, zündet die Bremstriebwerke und lässt sich schwerelos auf die offene Schleusentür zutreiben, indem er nur noch mit kurzen Gasstößen aus den Steuerdüsen navigiert. Im Hangar wird der Shuttle von einer riesigen Klammer umfasst, dann schließt sich das äußere Schleusentor.

Die Flugbegleiter schnallen sich ab und gehen von Fluggast zu Fluggast, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen, während sie die Gurte lösen. Danach gehen sie zu einer Tür, drehen dort an einem Rad bis es zischt. Nun lässt sich die Tür nach innen öffnen.
Wir dürfen den Shuttle verlassen und gehen auf eine Personen-Schleuse zu. Dahinter steigen wir eine Treppe hinauf und gelangen in den Ankunftsbereich. Hier müssen wir uns wieder einem Medi-Check unterziehen. Anschließend können wir unser Gepäck in Empfang nehmen, das inzwischen ebenfalls ausgeladen und gecheckt worden ist.

Ich frage einen Automaten, in welchem Hangar eine 'Delta-8a' vom Mond kommend festgemacht hat. Daraufhin werde ich aufgefordert, mich auszuweisen. Auch Mirco muss sich ausweisen. Danach gibt der Automat die Information frei und ich lasse mir den Weg dorthin auf meinen Kommunikator überspielen. Nun lasse ich mich von meinem Handgerät zum richtigen Hangar führen.

Dort treffen wir einen Mitarbeiter der Solar Exploration Group. Nach der freundlichen Begrüßung sagt er:

"Saikou Chisei Fujiwara-Sensei hat uns darüber informiert, dass Sie unseren neuesten Fernaufklärer fliegen sollen. Ich wünsche Ihnen viel Glück!"

Nun müssen wir uns wieder bei einem Mitarbeiter der Flugkontrolle ausweisen. Danach durchschreiten wir die sich öffnende Personenschleuse und Mirco entfährt ein lautes "Wow!"

Mit der Spitze zu uns steht hier ein Raumfahrzeug, das langsam 'seinen Rachen öffnet und seine Zunge ausfährt'. Als die Rampe den Boden des Hangars berührt, betreten wir sie und gehen ins Innere der Delta-8a. Eine Stimme begrüßt uns, während hinter uns die Rampe hochfährt und sich das Raumfahrzeug schließt.

"Hallo, guten Tag, die Herren. Mein Name ist 'Delta-8a'. Ich werde sie überall dort hinbringen, wohin sie fliegen wollen!"

Mirco schaut mich entgeistert an. Ich muss grinsen. In den vergangenen Tagen auf der Erde habe ich die Betriebsanleitung gelesen. Die 'Delta-8a' ist mittels KI ein Roboter, den ein Kleinkind fliegen könnte, solange die 'Delta-8a' die richtigen Befehle erhält.

Wir gehen in die Pilotenkanzel. Unsere Kontursessel stehen hier hintereinander und in der Höhe leicht versetzt, so dass Mirco von seinem Platz hinter mir über mich hinweg nach vorne schauen kann.

Nachdem wir Platz genommen haben, sage ich in den Raum:

"Delta-8a! Start vorbereiten!"

Sofort kommt Leben in die Instrumente vor mir. Dann höre ich eine fremde Männerstimme im Helm, den ich eben aufgesetzt habe.

"Identifizierung erfolgreich," sagt der Mann von der Flugkontrolle. "Alles Gute Ihnen!"

Durch die Fenster der Pilotenkanzel kann ich erkennen, dass wir leicht angehoben werden und uns langsam rückwärts aus dem Hangar bewegen. Nachdem wir draußen sind, schließt sich der Hangar. Die 'Delta-8a' dreht sich um zwei Achsen und zündet nach einer Ankündigung die Hecktriebwerke. Wir entfernen uns allmählich von der Orbitalstation.

Nun fragt die 'Delta-8a':
"Welches Ziel darf ich ansteuern?"

Ich schaue auf die Kontrollen und sehe, dass alle Tanks gefüllt sind. Wir brauchen den Mond also nicht ansteuern. Natürlich wäre der Trip zum Mond ein Probeflug, aber ich denke, wir machen einen längeren Probeflug. Also frage ich den Automaten:

"Wieviel Zeit brauchen wir aktuell, um eine weite Umlaufbahn um den Mars zu erreichen?"

"Den Mars erreichen wir aktuell in 34 Tagen," gibt der Automat zurück.

"Was meinst du, Mirco?" frage ich.

Er zuckt die Schultern und meint:
"Du bist der Kommandant! Über den Mars ist allerdings alles bekannt, dank der Kolonisten dort."

"Richtig. Es soll ja auch nur ein Probeflug werden," meine ich.

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Samstag, 3. September 2022
Aufbruch ins All -32
Nach ungefähr einer halben Stunde sehe ich auf dem kleinen Bildschirm vor mir die Orbitalstation auftauchen und größer werden. Der Pilot steuert einen Hangar an, zündet die Bremstriebwerke und lässt den Shuttle auf die offene Schleusentür zutreiben, indem er nur noch mit kurzen Gasstößen aus den Steuerdüsen navigiert. Im Hangar wird der Shuttle von einer riesigen Klammer umfasst, dann schließt sich das äußere Schleusentor.

Die Flugbegleiterinnen schnallen sich ab und gehen von Fluggast zu Fluggast, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen, während sie die Gurte lösen. Danach gehen sie zu einer Tür, drehen dort ein Rad bis es zischt. Nun lässt sich die Tür nach innen öffnen.

Wir dürfen den Shuttle verlassen und gehen auf die offene Tür einer weiteren Schleuse zu. Dahinter steigen wir eine Treppe hinauf und gelangen in den Ankunftsbereich. Hier müssen wir uns einem Medi-Check unterziehen. Anschließend können wir unser Gepäck in Empfang nehmen, das inzwischen ebenfalls ausgeladen und gecheckt worden ist.

Wir erkundigen uns nun, wann der nächste Flug zur Erde startet und wohin wir uns wenden müssen, damit wir das richtige interplanetare Raumfahrzeug erreichen. Wir erfahren, dass der Flug in etwa vier Tagen startet. In zwei Tagen ist das Raumfahrzeug von der Erde da. Danach wird die Technik durchgecheckt und wenn alles okay ist, können wir zusteigen, um etwa sieben Tage später in der Station im Erdorbit anzukommen.

Wir mieten uns also eine Kabine und suchen sie auf. Sie hat ein Etagenbett und eine kleine Sanitärzelle. Ein Bild an der Wand entpuppt sich als großer Bildschirm. Er zeigt uns die Venus, wie man sie aus dem Orbit wahrnimmt. Alle Bewegungen von irgendwelchen an- und abfliegenden Raumschiffen kann man ebenfalls beobachten. Mit einer Fernbedienung kann man auch anderes auf den Bildschirm holen, Filme schauen oder im Internet surfen.

Wir sehen der Annäherung des Raumfahrzeuges von der Erde zu und schauen im Internet, wann der voraussichtliche Abflug stattfinden soll. Etwa acht Stunden vorher sind wir im Abflugbereich zurück und bestellen uns ein Essen. In einer Durchsage werden wir auf eine Verschiebung des Abfluges von vier Stunden aufmerksam gemacht.

Ich beginne wieder zu meditieren, um den Energiefluss des Reiki -alles durchdringende Lebenskraft- an Bord der Orbitalstation, insbesondere in der Technik-Abteilung und dem Hangar, zu beobachten. Aber ich finde auch jetzt nichts Außergewöhnliches. Unsere 'Konkurrenz' ist also nicht aufmerksam geworden.

Schließlich dürfen wir einsteigen. Dann befreit sich das interplanetare Raumschiff sanft von der Orbitalstation, indem ein paarmal schwache Raketenstöße zu spüren sind. Danach werden wir wieder in unsere Kontursessel gedrückt. Die Marschtriebwerke sind gezündet worden und brennen nun etwa eine halbe Stunde lang.

Nachdem wir so einen großen Abstand zur Orbitalstation erreicht haben und uns ein Stück weiter von der Venus entfernt haben, werden die Triebwerke abgestellt. Augenblicke später spüre ich Schwerkraft im Raumschiff. Die Flugbegleiter kommen zu jedem Fluggast und fragen ihn auch hier wieder nach seinem Befinden. Sie öffnen unsere Gurte und zeigen uns unsere Kabinen. Wir haben genauso eine Kabine wie in der Orbitalstation über der Venus. Das scheint Standard zu sein.

Hier wohnen wir also die nächsten sieben Tage bis wir die Erde erreichen. Mirco fragt mich, woher hier die Schwerkraft kommt. Ich lächele ihn an und erkläre ihm:

"Die interplanetaren Flüge haben zuerst einen Schub von der Stärke mehrerer G benötigt, um die Fluchtgeschwindigkeit zu erreichen. Dann lebten die Raumfahrer etwa ein halbes Erdjahr in der Schwerelosigkeit, bis dann die Triebwerke wieder gezündet wurden, um in die Umlaufbahn einzuschwenken. Diese Tortur wollte man normalen Passagieren ersparen.
Also ist man vor Jahrhunderten auf Ionentriebwerke umgestiegen und hat die Raumfahrt von Orbitalstation zu Orbitalstation eingeführt. Diese Triebwerke brennen während des ganzen Fluges und erzeugen so eine gewisse Schwerkraft. Vor wenigen Jahrzehnten hat man endlich die ersten Warp-Antriebe in Raumschiffe eingebaut. Nun spüren wir die gewohnte Schwerkraft und die Flugzeit hat sich auf wenige Tage bis wenige Wochen verkürzt, je nach Entfernung der Planeten zueinander.
Gleichzeitig erhöhte man den Komfort der Passagiere. Es gibt Restaurants und Bars an Bord, zum Beispiel."

*

Nach zehn Tagen erreichen wir die Erde und nähern uns der Orbitalstation im 600 Kilometer Höhe. Wieder müssen wir in dem großen Saal auf den Kontursesseln Platz nehmen und uns anschnallen. Für die letzte Annäherung und die Landung in einem Hangar werden wieder Gastriebwerke gezündet. Auch hier übernimmt eine Klammer die letzte Phase der Landung.

Danach wird der Hangar gegen den Weltraum abgeschottet und mit Atmosphäre gefüllt. Wir dürfen das Raumschiff verlassen und wechseln nach dem üblichen Medi-Check zur Dockingstation des Shuttles mit dem wir den Abstieg zur Erdoberfläche vornehmen wollen.

Wir besteigen hier einen dreieckigen 'Nurflügler' und setzen uns in unsere Sitze. Drei Stunden nach dem Abdocken landet das Shuttle auf einer mehrere Kilometer langen Landebahn. Nun müssen wir das übliche Prozedere über uns ergehen lassen und könnten danach den Ankunftsbereich in Richtung einer überdimensionalen U-Bahn-Station verlassen.

Da werden wir von einem Mann in der Kleidung eines Chuhden -Fortgeschrittenen- angesprochen.

"Master Myers?"

"Ja, der bin ich," antworte ich, freundlich lächelnd.

"Darf ich sie bitten mitzukommen," fordert er uns nun höflich auf.

Er führt uns zur Seite und stellt uns seinem Master vor.

"Dies ist Master Dayak. Master Dayak, dies ist der angekündigte Master Myers."

Master Dayak begrüßt uns mit "Selam -Friede-!"
Er berührt mit den zusammengelegten Daumen-, Zeige- und Mittelfingerkuppen seine Stirn, Mund und Herz, während er sich verbeugt. Ich wiederhole die Geste. Sie scheint in dieser Gegend auf der Erde üblich zu sein. Der Raumhafen liegt mit den wichtigsten Verwaltungsgebäuden des irdischen Staatenbundes in der Sahara. Irgendwann in den letzten 700 Jahren ist die UNO von New York in die Nähe des Raumhafens gezogen. Auch der Jinja -Schrein- unserer Organisation steht dort.

Äußerlich sieht er aus, wie man sich die 'hängenden Gärten der Semiramis' vorstellt, einem vergangenen Weltwunder. Genau wie in den zeitgenössischen Beschreibungen der 'hängenden Gärten' handelt es sich beim Jinja um eine weitläufige Stufenpyramide mit Bepflanzung und Wasserspielen. Im Inneren befindet sich unser Archiv, Schulungsräume, Mensas, Wohnräume und Besprechungsräume, sowie Säle für verschiedene Zeremonien. Auch Hangars für kleine Luftfahrtgeräte gibt es dort, die sich mit Mantelschrauben in die Luft erheben können.

Wir folgen den Männern auf den Vorplatz des Flughafengebäudes. Dort stehen unzählige dieser Mantelschrauber, die von Elektromotoren angetrieben werden. Wir nehmen hinten Platz und die Männer setzen sich an die Kontrollen. Kurz darauf hebt das Fluggerät ab und steuert den Jinja -Schrein- an. Die Gründer haben den Bau vor Jahrhunderten nach den japanischen Shinto-Schreinen benannt, obwohl er in Aussehen und Funktion eine andere Bedeutung hat. Das hat damals sicher nostalgische Gründe gehabt. Inzwischen hat sich aber der Name unter uns eingebürgert.

Wir landen auf der obersten Plattform und fahren mit einem Aufzug eine Ebene tiefer. Dort führen uns die Männer in einen Besprechungsraum, der ausgestattet ist, als befände er sich in einem orientalischen Palast: Viele Rundbögen und Kuppeldecken. Große Fenster lassen Licht herein und es scheint, als ob die Vegetation von draußen hereindrängen will.

Wir stehen etwa zwei Dutzend Chisei gegenüber. Ein Saikou Chisei -oberster 'Mann mit Geisteskraft'- begrüßt uns:

"Aisatsu -Seien Sie gegrüßt-, Myers-San. Sie wurden uns also von der Venus gesandt, um unser Archiv mit Daten über die Planeten und Monde unseres Sonnensystems zu füttern."

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