Mittwoch, 21. September 2022
Aufbruch ins All -38
Der Mann begleitet uns zu der U-Bahn-Station, über die wir in ihr Institut gekommen sind und übergibt uns an einen jüngeren Mann, der uns weiterhin führen soll. Vor uns am Bahnsteig steht genau solch ein Triebwagen, wie wir ihn schon kennen.

Unterwegs frage ich den jungen Mann:
"Mister Carlson, wie oft hatten Sie in Ihrer Zeit schon jemand in Quarantäne?"

Er lächelt mich an und sagt:
"Unser Institut ?Sanitarium Valetudinis Curandae? unterhält die Quarantäne-Station nur nebenbei, sonst wären wir tatsächlich zur Untätigkeit verdammt. Aber wir sind forschend tätig im Bereich der Marsmikroben und möglicher Einschleppungen von außen."

"Ah, darum haben Sie uns so gründlich untersucht und werden nun sicher die entnommenen Proben noch gründlicher analysieren."

Der junge Mann nickt und bestätigt:
"Das ist unser Job! Vor Ihnen ist ein Pilot der Space Ressource Corporation hier gelandet, den die Außencrew aus Raumnot gerettet hat."

"Mit der Außencrew meinen Sie die Leute, die uns in ihrem Rover hereingeholt haben?"

"Ja, das stimmt!" bestätigt der Mann.

"Ist der Pilot auf dem Mars abgestürzt?" frage ich interessiert.

"Nein, er konnte sich in den Orbiter retten und wurde dann von der Flugsicherung in Olympia 'heruntergesprochen', da er die alte Technik im Marslander nicht verstanden hat."

"Oh, okay," antworte ich ihm und frage: "Ist das schon lange her?"

Er schüttelt lächelnd den Kopf und antwortet:
"Nein, etwa vier Marsjahre erst."

"Ah, und was macht er jetzt?"

"Die Online-Zeitungen haben das Interesse an ihm verloren. Er ist wohl Marsianer geworden und hat geheiratet. Zuerst hat er in der wissenschaftlichen Abteilung im 'Amt' gearbeitet. Jetzt wird er eine Firma gegründet haben, die sich um wassersparende Badgestaltung kümmert."

"Oh," mache ich. "Und Sie bringen uns auch ins 'Amt'? Was kann ich mir darunter vorstellen?"

"Es ist das Präsidialamt," präzisiert er.

"Oh," mache ich noch einmal. "Ihr Präsidialamt unterhält auch eine wissenschaftliche Abteilung?"

"Ja, das ist richtig. Sie kennen unser politisches System ja noch nicht. Wir sind beruflich in verschiedenen Verbänden organisiert. In der Freizeit sind wir Mitglieder in verschiedenen Vereinen, die sich ebenso in Sportverbänden organisieren. Diese Verbände aus allen Lebensbereichen entsenden Mitglieder in einen Rat. Dieser Rat wählt einen Ministerpräsidenten und Minister, die den Ministerien vorstehen. Der Ministerpräsident koordiniert die Arbeit der Ministerien. Daneben gibt es einen Präsidenten des Mars, der von allen Marsianern direkt gewählt wird. Er darf keinem Verband angehören, damit er unabhängig entscheiden kann. An ihn darf jeder Marsianer Petitionen richten. Das Petitionsamt sammelt die Anträge und sortiert sie nach Themenbereichen. Der Präsident hat so viele Sekretäre, wie es Ministerien gibt. Die Sekretäre bearbeiten nun die sortierten Eingaben und schmieden daraus Anträge, die der Präsident dem Rat zur Bearbeitung vorlegt. Der Rat darf die Anträge weder zurückweisen, noch inhaltlich verändern. Dann wird darüber abgestimmt. Um nun die Anträge bearbeiten zu können, bedienen sich die Sekretäre und der Präsident dem wissenschaftlichen Dienst des Amtes."

"Ah," mache ich.

Ich bin erfreut, eine Kurzfassung des politischen Systems auf dem Mars erhalten zu haben.

'Die Information kann mir sehr nützlich werden,' denke ich mir.

"Und was ist das jetzt für ein Treffen, zu dem Sie mich hinführen sollen?"

Der Mann schaut mich lächelnd an und erklärt:
"Zum einen wollen die Sekretäre und der Präsident etwas von der Venus und ihrer Organisation erfahren, denke ich mir. Zum anderen werden sie bestimmt gefragt, wie Sie sich ihre Zukunft vorstellen. Sie wollen sicher wieder zur Venus zurück und vom Ergebnis ihrer Kontaktaufnahme berichten? Oder wollen Sie Bürger des Mars werden? Für alle diese Fragen sind Sie im Amt in Olympia an der richtigen Adresse!"

"Ah, okay. Unser Ziel ist also die Hauptstadt des Mars, und der Name impliziert, dass sie sich im Olympus Mons befindet?"

"Ja, genauso ist es."

Ich bin gespannt, was die nächste Zukunft für uns bereithält.

*

Nach etwa drei Stunden Fahrt, in denen ich mir unter anderem die Technik der Rohrbahn erklären lasse, erreichen wir eine ebenso kleine Station in Olympia. Unser Begleiter erklärt uns hinsichtlich der Rohrbahn, dass sie selbständig eine Haltestelle anfährt und auch abfährt. Nach dem Eintritt schließt sich die Kabine und das Rohr hermetisch ab und ein Überdruck schiebt das Fahrzeug mit bis zu 500 Stundenkilometer vorwärts.

"Unser Rohrnetz," erklärt er weiter, "ist vom öffentlichen Netz getrennt. Dafür sind unsere Fahrzeuge auch deutlich kleiner."

An der Haltestelle in Olympia steigen wir aus und fahren von der Station mit einem Aufzug auf eine höhergelegene Ebene. Wir schauen uns hier neugierig um. Ich erkenne links in einer Raumecke ein Treppenhaus. Eine Treppe windet sich dort um einen anderen Aufzug. Rechter Hand befindet sich ein großzügiger Eingangsbereich mit vier Glastüren. Seitlich davon steht eine Sitzgruppe und an der gegenüberliegenden Wand sehe ich einen Tresen mit einer Dame dahinter.

Mein Blick wird jedoch von der Person gefesselt, die nun nähertritt. Sie ist genauso dunkelhäutig, wie alle Marsianer, denn die harte kosmische und Sonnenstrahlung auf dem Mars können Körper mit viel Melanin-Einlagerung in der Haut besser vertragen. Die um zwei Drittel geringere Schwerkraft des Mars hat aus den Marsianern schlanke großgewachsene Menschen gemacht. Ihre Kleidung ist farbenfroh, wie die der Einwohner des afrikanischen Kontinents auf der Erde. Sie trägt eine Kurzhaarfrisur aus kleinen Haarbüscheln mit Undercut und besitzt eine fast asiatisch anmutende Lidfalte.

Sie kommt freundlich lächelnd auf uns zu. Meine Betrachtung dauert nur einen Sekundenbruchteil, dann verneige ich mich höflich vor der Frau und sage:

"Hallo, oder wie man bei Ihnen zu sagen pflegt 'Sol'. Mein Name ist Florian Myers, Chisei Myers und das ist mein Assistent Mirco Myers. Sind Sie befugt, sich mit mir über interplanetare Themen zu unterhalten? Wohlgemerkt, nur unterhalten! Meine Seite will ausloten, ob es gemeinsame Themen gibt, über die man in Zukunft konkreter sprechen kann."

Sie neigt höflich ihren Kopf. Ihren Mund umspielt ein feines Lächeln, als sie mir antwortet:

"Sol, Mister Myers. Ich bin Okuhle Ndluvo, die Außenbeauftragte des Präsidenten. Folgen Sie mir bitte, Eure Excellenz."

Sie dreht sich zum Treppenhaus und geht auf den Aufzug zu. Wir folgen ihr dichtauf. Der Aufzug bringt uns in die dritte Etage. Dort führt uns Frau Ndluvo einen Gang entlang.

"Ich freue mich sehr, einen kompetenten Ansprechpartner zu bekommen," schmeichele ich. "Wie ich aus dem Geschichtsunterricht weiß, hat sich der Mars von der Mars Ressource Corporation vor langer Zeit losgesagt. Deren Nachfolger, die Space Ressource Corporation, macht sich nun auch auf der Venus breit. Das macht mir Sorge!"

Sie bleibt stehen und wendet sich mir zu. Ihre Miene zeigt leichte Verärgerung, die sie aber sogleich kaschiert.

"Was möchten Sie von uns? Dass wir Ihnen helfen?"

"Nein, nein!" antworte ich und lächele entschuldigend. "Ich wollte nur ein verbindendes Element aufzeigen, nichts weiter!"

"Okay," meint sie, etwas kühler als die Begrüßung vorhin.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 18. September 2022
Aufbruch ins All -37
Die Automatik schwenkt das Raumschiff in den weiten Marsorbit ein und erreicht wieder die stabile Flugbahn um den Planeten. Von unserer Position aus lasse ich 'Delta-8a" die Antenne auf Olympus Mons ausrichten und spreche ins Mikrofon:

"Seine Wenigkeit, Chisei Myers, Botschafter der Organisation O-Chisei von der Venus, möchte der Regierung des Mars seine Aufwartung machen. Meine Organisation möchte den Mars und seine Möglichkeiten kennenlernen und unverbindliche Gespräche führen. Wäre das möglich?"

Es dauert ungefähr einen Tag bis vom Mars eine Rückmeldung hereinkommt.

"Wir haben uns vor Jahrhunderten freiwillig isoliert. Daher kann ich dem Herrn Botschafter leider kein Landefeld zuweisen."

"Oh, Seine Wenigkeit, der Botschafter, ist genügsam," sende ich zurück. "Nennen Sie einfach die Koordinaten eines Landepunktes, wo Sie ihn und seinen Assistenten abholen können. Wir wollen Ihnen absolut keine Umstände bereiten!"

Eine Stunde danach erhalte ich Koordinaten und erkenne, dass man den alten Null-Meridian aus der Anfangszeit der Raumfahrt beibehalten hat. Ich frage 'Delta-8a', ob es dort in der Nähe eine 'Verdickung' des planetenumspannenden Rohrnetzes gibt. Denn ich hoffe, dort so etwas wie einen Bahnhof zu finden.

Die Automatik bestätigt es. Also gebe ich 'Delta' den Befehl, an den erhaltenen Koordinaten zu landen. Die 'Delta-8a' steht nach der Landung auf einer weiten Ebene, in der Nähe einer hochaufragenden Felswand. Auf der Erde würde man sie eine Abbruchkante nennen. Die Automatik macht mich auf eine Höhle in der Felswand aufmerksam, deren Ausgang etwa auf Höhe der Ebene liegt.

"Wir steigen in die Raumanzüge!" bestimme ich, zu Mirco gewandt.

Anschließend verlassen wir unser Raumschiff über die Rampe und ich nehme Funkkontakt zu 'Delta-8a' auf:

"Delta-8a! Wenn wir aus der Gefahrenzone sind, startest du und gehst in Warteposition zurück in eine geostationäre Umlaufbahn über diesem Landepunkt! Du achtest auf alle Weltraumkörper in deiner Nähe und weichst jedem aus!"

"Verstanden, Kommandant!"

"Du meldest dich bei Meisterin Dubois, setzt einen Bericht über die Landung ab und fragst nach Master Dayak. Master Dayak soll deinen Treibstoff auffüllen und gegebenenfalls bei dir in der Umlaufbahn warten. Du führst seine Befehle aus!"

"Wird erledigt!"

Nun wandern wir auf den Höhleneingang zu. Nach etwa einem Kilometer lege ich eine kleine Schaumstoffmatte auf den Boden, die ich aus der 'Delta' mitgenommen habe. Mirco legt seine Matte auf einen kleinen Felsen in der Nähe. Wir setzen uns auf die Matten und warten, dass man uns abholt. Während ich mich neben Mirco auf dem Boden niederlasse, beginne ich zu meditieren. Ich suche die Strömungen des Reiki -Lebenskraft, die alles durchdringt-.

So erlebe ich, wie Individuen in Abständen mit hoher Geschwindigkeit vorbeirasen. Irgendwann halten einige Individuen im Inneren der Höhle. Sie beschäftigen sich mit etwas und bewegen sich danach schneller als Fußgänger auf den Höhlenausgang zu. Die Marsianer beschäftigen sich mit Alltagsproblemen. Von keinem geht Hass oder Habgier aus. Das lässt mich in froher Erwartung aus der Meditation erwachen.

*

Minuten später taucht ein Rover im Höhleneingang auf und steuert in unsere Richtung. Es ist ein Fahrzeug für Steinplaneten ohne oder mit giftiger Atmosphäre, oder wie im Falle des Mars mit zu dünner Kohlendioxid-Atmosphäre. Allerdings ist es ein uraltes Modell. Es kommt mit einer Geschwindigkeit auf uns zu, die auf der Erde ein Fahrradfahrer erreichen würde, und besitzt eine hermetisch abgeschlossene Kabine. Wir erheben uns, nehmen unsere Matten auf und gehen dem Fahrzeug entgegen.

Kurz vor uns macht es eine Vierteldrehung und stoppt quer zu unserer Geh-Richtung. Ich sehe im hinteren Bereich einen Raumanzug an der Außenhaut des Fahrzeuges 'kleben'. In diesen Raumanzug kommt jetzt Leben. Dann trennt sich der Anzug vom Fahrzeug und kommt auf uns zu. Einige Minuten später umrundet ein weiterer Marsianer im Raumanzug den Rover und bleibt in der Nähe des Fahrzeuges stehen. Er hat irgendetwas in der Hand und richtet es in unsere Richtung.

Wir nähern uns langsam den Marsianern, die uns um einen Kopf überragen. Ich zeige ihnen meine leeren Hände und lege meine rechte Hand auf die linke Brustseite. Der hintere Marsianer lässt das Teil sinken, das er auf uns gerichtet hat und öffnet eine Fahrzeugtür, nachdem er mehrere Knöpfe daneben gedrückt hat. Der Marsianer, der näher bei uns stehengeblieben ist, macht eine einladende Handbewegung und hilft uns beim Entern des Rovers. Dann schließt er die Tür und kurz darauf höre ich einströmendes Gas.

Im Augenblick befinden wir uns im Innern des Rovers allein. Vielleicht eine Minute darauf öffnen sich beidseitig an der Rückwand des Fahrzeuges Klappen. Zwei großgewachsene dunkelhäutige Marsianer kriechen hindurch, in das Innere des Rovers. Ich erinnere mich an meinen Schulunterricht. Das ist die Technik, mit der man die Mars-Rover seitens der Mars Ressource Corporation vor 500 Jahren ausgestattet hat. Durch die Selbstisolation der Menschen hier hat man also auch den technischen Fortschritt vernachlässigt. Die Raumanzüge der Beiden sind nun luftdicht mit der Karosserie verbunden.

Die beiden Marsianer tragen im Inneren des Rovers keine Atemmasken. Ich hebe meine Hände und mache die Geste, den Bajonett-Verschluss des Helmes zu lösen. Die Marsianer reagieren panisch und bedeuten mir, den Helm aufzulassen und mich in einen freien Sitz zu setzen. So setzen Mirco und ich uns in die Sitze der zweiten Reihe und schauen zu, was nun geschieht.

Die Marsianer starten ihr Fahrzeug und vervollständigen den Halbkreis. Dann fahren sie auf ihrer Spur zurück. Der Rover fährt in die Höhle und bald in eine seitliche Öffnung hinein. Dort stoppen sie das Fahrzeug und öffnen die Seitentür, durch die ich den Rover betreten habe. Anscheinend herrschen draußen jetzt der gleiche Atmosphärendruck und das Gasgemisch wie im Fahrzeug. Zurückblickend kann ich ein Tor erkennen, das diesen Raum von der natürlichen Höhle abschließt.

Die Marsianer gehen auf eine Wand vor sich zu. Einer der Beiden legt seine Hand an das Material. Kurz darauf öffnet sich die Wand und wir gehen hindurch. Irgendwie fühle ich mich, wie in eine irdische U-Bahn versetzt - jedenfalls kommt es mir so vor.

Ein kleiner fensterloser Triebwagen steht am Rand eines Bahnsteiges. Wir besteigen das Fahrzeug und die Marsianer drücken verschiedene Knöpfe. Der Triebwagen beschleunigt sanft, um nach etwa zwei Stunden allmählich abzubremsen. Nachdem das Fahrzeug steht, öffnet sich die Seitentür und wir befinden uns auf einem anderen Bahnsteig.

Unsere Begleiter scheinen es eilig zu haben. Wir betreten gemeinsam einen Aufzug. Nach wenigen Minuten verlassen wir ihn wieder. Die Marsianer in unserer Begleitung übergeben uns an andere Leute in lindgrüner Kleidung, die Atemmasken und jeder eine Gasflasche auf dem Rücken tragen. Man führt uns nun durch eine Luftschleuse in einen spärlich eingerichteten Raum. Hier dürfen wir endlich unsere Raumanzüge ausziehen und erhalten sterile weiße Kleidung. Anschließend lässt man uns erst einmal in Ruhe.

In der nächsten Zeit, ich habe aufgehört die Tage zu zählen, erhalten wir Speisen und Getränke durch eine kleine Schleuse gereicht. Auch unsere Schmutzwäsche nimmt diesen Weg. Sie kommt durch die Schleuse schrankfertig zu uns zurück. Ab und zu erhalten wir Besuch von einem Marsianer in lindgrüner Kleidung, der dann auch immer eine Atemmaske trägt. In den Ruhephasen meditiere ich und schaue mich in der Umgebung um.

Bald habe ich heraus, dass wir uns in einer Quarantänestation unter der Aufsicht von Medizinern und Pflegepersonal befinden. Wir werden intervallartig gründlich untersucht und man verabreicht uns Impfungen gegen mögliche Marsmikroben, die uns gefährlich werden könnten. Auf meine Frage hin, erklärt man uns, dass das seit der Pandemie zwingend erforderlich ist. Ich erinnere mich an den Schulunterricht. Damals haben wir gelernt, dass die Mikroben des Mars die Bevölkerung um die Hälfte reduziert hat, bis die Mediziner ein Mittel gefunden haben.

Irgendwann, bestimmt nach mehreren Wochen, erhalten wir Besuch von einem älteren weißhaarigen Marsianer ohne die übliche Atemmaske. Erstaunt blicken wir ihm entgegen. Er stellt sich höflich vor und erklärt, dass unsere Quarantäne beendet sei und wir zu einem Treffen mit Politikern im 'Amt' eingeladen sind. Er nennt mich 'Excellenz', was mir zeigt, dass man mich als Botschafter akzeptiert.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 15. September 2022
Aufbruch ins All -36
"Ich spreche dir meine Beobachtung auf den Speicher. Du wirst sie an die aktuelle Karte des Mars meines Kollegen anhängen und einen Funkspruch vorbereiten."

"Verstanden."

Nun berichte ich minutiös, was ich durch die Augen des Marsianers gesehen habe. Als ich geendet habe, fügt 'Delta' alles zusammen und sendet es zur Erde. Der Funkspruch ist mehrfach verschlüsselt, damit nur die Meisterin Jade Dubois im Jinja -Schrein- die Nachricht empfangen kann. Sie wird die Nachricht in etwa 20 Minuten erhalten und sicher erfreut sein.

Zwei Stunden später kommt ihre Antwort herein. Sie bedankt sich sehr für die neuen Informationen über den Mars und berichtet, dass sie den Inhalt meines Funkspruches auch an Saiko Chisei -oberster 'Mann mit Geisteskraft'- Fujiwara-Sensei weitergegeben hat.

'Hm,' denke ich voller Erwartung. 'Auf seine Reaktion bin ich gespannt.'

Laut sage ich: "Delta-8a! Wieviel Treibstoff befindet sich noch in den Tanks? Wie hoch ist der Füllstand in Prozent?"

Die Automatik gibt die Information auf den Frontbildschirm und spricht sie auch akustisch aus. Ich wende mich an Mirco:

"Master Dayak hat sich noch nicht gemeldet?"

"Nein, bisher noch nicht."

"Okay, wenn wir weiterfliegen, wohin sollen wir uns dann wenden?"

"Aus geologischer Sicht?" fragt Mirco zurück.

Ich nicke und er ergänzt:
"Wir sind weit von der Erde weg. Ceres oder Vesta wären interessante Ziele, aber wenn ich deinen Bericht über die Space Ressource Corporation berücksichtige, bleiben wir besser von diesen Himmelskörpern fern."

"Das werden wir!" bestätige ich ihm. "Aber wir kennen mindestens 600.000 Himmelskörper von einem Dutzend Kilometer bis über 600 Kilometern Durchmesser dort. Wir können ohne Probleme durch den Asteroidengürtel fliegen, um ins äußere Sonnensystem zu kommen. Dahin sind wir jedoch Monate unterwegs. Wenn wir uns um die Asteroiden mittlerer Größe kümmern und uns dabei von den Kleinplaneten fernhalten, können wir uns jahrelang beschäftigen, ohne von der SRC entdeckt zu werden!"

"Das wird dann bald zur Routine. Routine kann in unserem Beruf tödlich sein!" gibt Mirco zu bedenken.

"Das ist richtig!" gebe ich ihm recht. "Wir werden also nur eine Handvoll Asteroiden anfliegen und dann erstmal zur Erde zurückkehren."

*

Ich lasse von 'Delta' einen Kurs berechnen, der uns zum Asteroiden 'Iris' bringt. Dann gebe ich ihm das Startsignal. Nun sind wir wieder wochenlang unterwegs bis wir in eine Umlaufbahn um Iris einschwenken. Der Asteroid ist unregelmäßig geformt. In einer Achse messen wir 268 Kilometer. Die kleinste Achse misst etwa 180 Kilometer. Mirco entdeckt oberflächennahe Nickel-Eisen-Metalle, sowie Magnesium- und Eisensilikate.

Bevor wir uns einem anderen Asteroiden zuwenden, senden wir die gewonnenen Daten an Meisterin Dubois. Wir wollen noch eine Probe nehmen und kriechen in unsere Raumanzüge. Danach landet Delta und wir steigen aus, nachdem die Atmosphäre in Tanks abgesaugt wurde. Eine Stunde später betreten wir das Raumschiff wieder.

Nachdem das Raumschiff verschlossen und die Atmosphäre wieder aufgebaut ist, steigen wir aus den Raumanzügen aus. Ich muss feststellen, dass uns ein Funkspruch von der Erde erreicht hat, über die Relaisstation auf dem Mond, die zu einer unserer Firmen gehört.

Der Saiko Chisei -oberster 'Mann mit Geisteskraft'- Fujiwara-Sensei ist der Absender. Ich lasse mir die Nachricht vorspielen.

"Ich bitte Sie Kontakt zu den Marsianern aufzunehmen, Okuden Myers. Ich denke, Sie sind im Augenblick der richtige Mann am richtigen Ort. Bezeichnen Sie sich als Botschafter der Organisation O-Chisei von der Venus. Erzählen Sie ruhig von der Fenshingu no gakkoh -Schule der Fechtkunst- dort und sagen Sie, dass Chisei Florian Myers mit seinem Schüler Chuhden -Fortgeschrittener- Mirco Myers von Chisei Yamamoto zu unverbindlichen Gesprächen gesandt wurde. Chisei Yamamoto wird von mir informiert! Anschließend fliegen Sie nach Ishtar City und erhalten dort die feierliche Höherstufung nachträglich."

Nachdem der Funkspruch ausgelaufen ist, bleibe ich einige Augenblick ganz perplex in meinem Kontur-Sessel sitzen.

'Was ist passiert?' frage ich mich. Dann werde ich aktiv.

"Delta-8a!"

"Kommandant?"

"Start in wenigen Sekunden! Rückflug in die Umlaufbahn um den Mars, die wir verlassen haben. Flugmodalitäten sind dieselben, wie beim Herflug: Jedem Hindernis ausweichen! Berechne dazu die Bahnen der Körper um uns herum. Trotzdem wirst du mich vor jedem Ausweichmanöver benachrichtigen."

"Wird erledigt!" sagt die Stimme.

"Delta-8a! Start sofort!"

Nun geschieht mehreres gleichzeitig. Die kleinen Steuerdüsen unter dem Raumschiff feuern alle gleichzeitig. Das Raumschiff löst sich von 'Iris' und dreht ein wenig. Dann feuern die Marschtriebwerke bis das Fusionskraftwerk genügend Energie für den Warp-Antrieb aufgebaut hat. Sofort beenden die Marschtriebwerke ihre Arbeit. Einen Sekundenbruchteil später schaltet sich der Warp-Antrieb ein und wir haben die gewohnte Schwerkraft im Schiff. Nun lösen wir die Gurte, die uns an die Kontur-Sessel gefesselt haben und erheben uns. Mir fällt noch etwas ein:

"Delta-8a!"

"Kommandant?"

"So, wie wir eben von 'Iris' freigekommen sind, in dieser Geschwindigkeit führst du ab jetzt immer einen Start durch, wenn ich das Wort 'Alarmstart' sage!"

"Verstanden!"

"Der Rückflug zum Mars dauert etwa zwei Monate," meint Mirco, während wir die Pilotenkanzel verlassen. "In der Zeit wäre schon längst ein anderes Raumschiff von uns mit einem wirklichen Chisei auf dem Mars gelandet..."

"Richtig, selbst da unser Fernaufklärer ein Prototyp ist mit der neuesten Technik an Bord, sind doch unsere anderen Raumschiffe schneller als wir auf dem Mars. Fujiwara-Sensei muss einen besonderen Grund haben, warum er mich schickt. Welcher das ist, darüber lässt sich nur spekulieren, bevor man ihn persönlich fragen kann."

"Wenn die Sache also nicht so dringend ist, so dass wir sie übernehmen können, weil wir gerade im All sind... Er hat dich Chisei genannt!" resümiert Mirco nun.

Ich lächele ihn fröhlich an.

"Ja, er hat mich ad hoc höhergestuft. Das bedeutet aber auch, dass ich noch mehr auf mich und meine Aussagen achten muss. Eins steht auf jeden Fall fest: Er traut es mir zu! Unser Funkspruch mit den neuesten Daten vom Mars und meinem Bericht, muss ihn wohl davon überzeugt haben."

"Und was machen wir während der ganzen Flugzeit?" fragt er.

"Wir haben Bodenproben von Iris. Lass deine Geräte sie analysieren. Wir senden deine Daten von unterwegs an Meisterin Dubois!"

Ich schaue Mirco über die Schultern, während er die Bodenproben analysiert. Das dauert etwa anderthalb Wochen. Dann schreibe ich einen Funkspruch und hänge die Analysedaten und was wir sonst noch über 'Iris' in Erfahrung gebracht haben daran. Um den Funkspruch abzusetzen, schaltet 'Delta-8a' den Warp-Antrieb kurz aus. Wir sind jetzt für etwa zehn Minuten schwerelos. Dann startet der Warp-Antrieb wieder.

*

... link (0 Kommentare)   ... comment